Der ACO hat vor kurzem die Überarbeitung der technischen Regularien für die Nichthybride und den einzigen Hybrid im Feld der Super-Season, dem TS050, veröffentlicht. Nachdem das Reglement nach wie vor auf Energiemengen basiert, möchten wir hier das Ganze mal aufarbeiten und festhalten, welche Auswirkungen dies auf die Rennen und gerade Le Mans haben wird.

Scrutineering #4 BYKOLLES RACING TEAM / AUT / CLM P1/01 – AER – Le Mans 24 Hour – Circuit des 24H du Mans – Le Mans – France
In den bisherigen 4 Saisons der WEC unter dem neuen Reglement waren die Nichthybride immer ohne jede Chance, auch nur ansatzweise mit den Hybridfahrzeugen der Werke mitzuhalten. Nach dem Ausstieg der Werke Audi und Porsche bleibt nur noch Toyota als einziges Werk, welches ihren TS050 in der 8 MJ Klasse einsetzt, während mit Rebellion (2 Fahrzeuge), SMP (2 Fahrzeuge), ByKolles, Dragonspeed und Manor diverse private Teams in die Topklasse aufsteigen werden. Diese haben vor allem ein Kernthema gemeinsam: Sie verzichten auf Hybridtechnik. Entsprechend hat der ACO bereits im Laufe der 2017er Saison angekündigt, endlich für Chancengleichheit zu sorgen, während der Toyota nicht beschnitten werden soll, da dies ansonsten ebenfalls zum Ausstieg der Japaner geführt hätte. Es musste also eine umfassende Performanceverbesserung der privaten Fahrzeuge her, während dem Toyota ein Reichweitenvorteil zugestanden werden soll, um die Hybridtechnik als effizienter vermarkten zu können. Im Kern hat man dies über die Energiezuweisungen geändert, welche nun wie folgt aussehen:

#31 VAILLANTE REBELLION / CHE / Oreca 07 – Gibson – Le Mans 24 Hour – Circuit des 24H du Mans – Le Mans – France
Nichthybride:
Diese erhalten einen maximalen Kraftstoffdurchfluss von 110 kg/h, eine maximal erlaubte Energiemenge von 210,9 MJ in Le Mans und einen Tankinhalt von maximal 52,90 kg. Damit ergibt sich zum einen ein Spritverbrauch von 7,4 L Benzin pro Runde und daraus eine Stintlänge von 10,3 Runden, sowie eine Motorleistung unter der Annahme von 40% thermischer Effizienz von ~741 PS. Aufgrund der sehr hohen verfügbaren Energiemenge wären die Fahrzeuge auch kaum zum Segeln verpflichtet, sondern sie könnten bis zum Ende der Geraden beschleunigen. Dazu liegt das Mindestgewicht nun bei 838 kg. Eine Tatsache, welche zu interessanten Rennabläufen, gerade in Le Mans, führen kann, wenn man sich dann mal den Toyota TS050 im Vergleich dazu ansieht.

#9 TOYOTA GAZOO RACING / JPN / Toyota TS050 – Hybrid – Hybrid – Le Mans 24 Hour – Circuit des 24H du Mans – Le Mans – France
TS050:
Der Toyota erhält einen maximalen Kraftstoffdurchfluss von 80,2 kg/h, einen Tankinhalt von 35,2 kg und eine Energiemenge von 124,9 MJ. Damit darf er pro Runde in Le Mans 4,38 L Benzin verbrauchen, was zu einer Stintlänge von 11,55 Runden führt, und bei einer Effizienz von 43% erreicht sein Verbrennungsmotor eine Leistung von ~540 PS. Dafür hat er zusätzlich sein Hybridsystem mit maximal 300 KW oder ~400 PS zum Boosten aus den Ecken, während das Mindestgewicht bei 878 kg liegt. Allerdings wird das Mehrgewicht von 40 kg insofern wieder etwas relativiert, da der Toyota 16,9 kg weniger Kraftstoff mitfahren kann, womit der Gewichtsnachteil zu Beginn eines Stints nicht bei jenen 40 kg sondern 23,1 kg zu Gunsten der privaten LMP1 liegt.
Die Frage ist nun, was diese Zahlen für das Renngeschehen bedeuten. Sie bedeuten mehrere Dinge:
Zum einen hat der Toyota einen Reichweitenvorteil von einer Runde in Le Mans, und könnte bei günstigen Bedingungen evtl. die Stintlänge auf 12 Runden stretchen, womit man auf 34 Stopps anstelle der 37 Stopps kommen würde, während die privaten ca. 40 mal stoppen müssten, wenn man eine Rennlänge von 400 Runden als Basis nimmt. Pro Tankstopp verliert man ca. 60 Sekunden, womit der Toyota hier einen Vorteil bei 11er Stints von ca. 0,66 Sek. pro Runde hätte, welchen er evtl. sogar bei günstigen Bedingungen ausbauen könnte. Zum anderen wird sich das Bild, welches wir bislang schon in der WEC mit den schnellen LMP2 gesehen haben, weiter verschärfen. Aus den Kurven heraus wird der Toyota aufgrund seines Hybrides und dem damit einhergehenden Allradantrieb Boden auf die konventionellen Gegner gut machen, wohingegen diese im Laufe der Geraden wieder Boden gut machen werden. Letztes Jahr erreichte der Toyota einen Topspeed von etwa 335 km/h im Schnitt auf der Geraden vor der ersten Schikane. Einen ähnlichen Topspeed erreichten auch die LMP2, welche mit ihren 610 PS auf durchschnittlich 330 km/h beschleunigen konnten. Warum ist das nun wichtig? Die LMP1 der Super-Season basieren im Falle von Rebellion (Oreca-Chassis) und SMP ( Dallara) auf den jeweiligen LMP2-Pendants. Wenn man nun also annimmt, dass diese Chassis ähnliche Werte in Bezug auf Abtrieb und Luftwiderstand erreichen, schaffen diese Fahrzeuge mit ihren 740 PS einen Topspeed von ~ 352 km/h am Ende der Geraden. Dazu dürfen die privaten LMP1 u.a. einen größeren und tieferen Frontflügel / Splitter sowie Heckdiffusor verbauen, welche in ihren Abmessungen denen der LMP1 bis Ende 2016 entsprechen, während der Toyota mit den Beschneidungen, welche zu Beginn der Saison 2017 aber de facto wirkungslos blieben, an den Start gehen muss. Die privaten Fahrzeuge haben somit erstmal einen deutlich Performance-Boost erhalten, aber auch der Toyota hat einen kleinen Boost im Vergleich zu 2017 durch die Hintertür erhalten.

Fernando Alonso – WEC Rookie Test – Bahrain International Circuit – Sakhir – Bahrain
2017 fuhr man noch mit ca. 11 Litern mehr Tankinhalt, welche in etwa 8 kg mehr Gewicht bedeuten, da in der LMP1 das Mindestgewicht ohne Kraftstoff gemessen wird. Grundsätzlich gilt in Le Mans eine Faustformel, wonach 10 kg mehr Gewicht in etwa 1 Sekunde Rundenzeitenverlust bedeuten. Das bedeutet, dass man hier durch die Regeln bei vollem Tank um ca. 0,8 sek. schneller wäre, während dieser Vorteil im Laufe des Stints immer weniger wird und mit leererem Tank auch die Gewichtsdifferenz zu Gunsten der Privaten wieder mehr in Richtung jener 40 kg wandert. Dafür kommt den Toyota zu Gute, dass man deutlich mehr Entwicklungsarbeit als die privaten Konkurrenten mit ihrem Reifenhersteller Michelin im Laufe der Jahre durchführen konnte, wonach man hier wiederum einen deutlichen Vorteil haben dürfte. Wie sich das Ganze dann wirklich auf der Strecke darstellen wird, wird man allerdings erst beim Prologue Anfang April und beim ersten Rennen in Spa Anfang Mai sehen. Aber die Rechenspiele werden sicher noch öfter zum Einsatz kommen, worauf man sehr gespannt sein darf.