Neben der Prototypen-Klasse wird die Klasse der GTLM mit Sicherheit am meisten unter Beobachtung stehen, denn zum einen sehen wir hier das Debüt eines neuen Wagens, zum anderen ist Daytona eine Strecke, welche einige wichtige Indizien liefern kann, wie dann die Kräfteverhältnisse in Le Mans aussehen können.
Wenn bereits die GTE-Pro in der WEC eine stark umkämpfte Klasse ist, dann gilt das für die GTLM der IMSA noch ein Stück mehr. Neben den bekannten Porsches, Ford und Ferraris agieren hier seit jeher auch immer zwei Corvetten und zwei BMW im Kampf um den Sieg. In den letzten Jahren haben in Daytona in der Regel immer die amerikanischen Konstruktionen die Oberhand behalten, als Corvette 2016 einen Doppelsieg schaffte und im letzten Jahr, als Ford mit dem GT auch das Rennen in Florida für sich entscheiden konnte.
Die Titelverteidger
Was kann man zur Truppe um Chip Ganassi und Multimatic noch schreiben, was nicht schon geschrieben wurde? Bereits im zweiten Jahr des Programms hat man alle großen Einzelrennen gewonnen, welche es zu gewinnen gibt. Die Truppe rund um Chip Ganassi operiert auf einem extrem hohen Niveau und weiß auch sehr gut, das Renngeschehen und die immer wiederkehrenden Gelbphasen einzuordnen und auch auszunutzen. Dazu kommt ein Fahrzeug, welches ursprünglich rein für Le Mans entwickelt worden ist und daher auch in Daytona sehr gut funktionieren wird. Der Ford verfügt über eine geringe Stirnfläche, wenig Luftwiderstand und über einen tiefen Schwerpunkt sowie auch über einen Motor, welcher aus den engen Ecken viel Leistung und Drehmoment bietet, was hier beim Herausbeschleunigen aus den engen Ecken sehr wichtig ist.
Bei Ford ist man vom aktuellen Paket so überzeugt, dass man auch nicht das Update für den Wagen homologiert hat, welches seitens Multimatic schon entwickelt worden ist. Dies bedeutet aber auch, dass Ford sowohl in der IMSA als auch in der WEC mit den bisherigen Wagen weiterfährt und bislang nicht gewillt ist, GTs in Kundenhand abzugeben, welche diese dann z.B. in der GTE-Am in Le Mans an den Start bringen würde. Im Laufe eines dreijährigen Homologationszyklus ist es nämlich den Herstellern erlaubt ein Update an den Start zu bringen. Die größte Veränderung im Vergleich zu 2017 basiert daher auf der Anzahl der genannten Fahrzeuge, denn Ford bringt nur die zwei GT an den Start, welche auch für den Rest der Saison genannt wurden. In Sachen Fahrer hat sich auch nichts geändert, denn die #66 wird wie schon die letzten zwei Jahre von Joey Hand, Sebastien Bourdais und Dirk Müller pilotiert, während die #67 von Ryan Briscoe, Richard Westbrook und Scott Dixon gesteuert wird. Beim Vortest bzw. beim Zeittraining, wo die Pit-Stalls ausgefahren wurden, konnte sich die #66 hauchdünn vor der ersten Corvette und dem Schwesterauto durchsetzen, wobei alle drei innerhalb von einem Zehntel lagen. Nach jenem Training hat die BoP-Kommission entschieden, dass Ford den Heckflügel um zwei Grad steiler stellen muss (2° anstelle von 0° Grad), um einen kleinen Vorteil beim Topspeed zu egalisieren.
Die Vorvorjahressieger
Nachdem man 2016 bereits das Rennen gewinnen konnte, kehrt Corvette zum letzten Mal mit der nun doch schon betagten C7 nach Daytona zurück. Das Auto, welches nun bereits die 5. Saison abspult, wird nach dieser Saison durch ein neues Modell, welches u.a. durch einen Mittelmotor samt Turboaufladung angetrieben wird, abgelöst. Damit bringt man mittlerweile das mit Abstand älteste Modell in der Klasse überhaupt an den Start, denn sowohl BMW als auch Aston Martin haben jeweils ein neues GTE-Modell zur Verfügung. Beim Test zum Roar konnte man mit P2 im Zeittraining (sowie P5) aber vollends überzeugen, zumal man immer noch über zwei gute Fahrerpaarungen mit Oliver Gavin, Marcel Fässler und Tommy Milner in der #4 sowie Antonio Garcia, Jan Magnussen und Audi-Leihgabe Mike Rockenfeller verfügt.
Allerdings hat man für das letzte Jahr auch keinen Gebrauch von einem Evo-Paket gemacht, was insofern ein Nachteil ist, da die Corvette in der IMSA hin und wieder über einen etwas höheren Reifenverschleiß klagen musste. Dies wird aber in Daytona wahrscheinlich durch die zahlreichen Cautions und die anderen Pit-Stopp Regularien ausgeglichen, denn hier dürfen die Reifen während des Tankvorganges gewechselt werden. Nach dem Test musste man ebenfalls den Heckflügel um zwei Grad steiler stellen, da man wie Ford etwas zu flott auf den Geraden war. Grundsätzlich sollten die beiden Corvetten neben den Ford GTs die Favoriten sein, was auch daran liegt, dass die BoP im Zweifel immer etwas freundlich gegenüber Ford und Corvette ist, sind diese 2 Marken doch mit die Hauptgeldgeber der kompletten Serie.
Porsche
Der letzte nennenswerte Sieg für Porsche beim Daytona24h liegt mittlerweile 15 Jahre zurück. 2003 konnte unter anderem Timo Bernhard auf einem 996 GT3 RS den damals neuen Daytona-Prototypen ein Schnippchen schlagen und das Rennen overall gewinnen. Seitdem hat Porsche zwar fast immer die GT-Klasse der bis 2014 noch unter Grand Am laufenden Serie gewinnen können, jedoch ist das Prestige in der GTLM umso höher, da hier auch die direkten Le-Mans-Gegner an den Start gehen. Vor einem Jahr hat Porsche den neuen 911 mitsamt Mittelmotor hier das erste Mal von der Leine gelassen und dieser neue Porsche konnte schon mal das Potential aufzeigen, was er im Laufe der Saison bestätigen konnte.
Nachdem dies das erste Jahr war, sollte Porsche nun gerade auch auf dem Reifensektor deutlich besser aufgestellt sein, dann da hatte man in beiden Serien des Vorjahres bis in den August hinein leichte Probleme, gerade wenn es zu Doppelstints gekommen ist. Von daher ist hier definitiv zu erwarten, dass die Zeiten, als Porsche mit dem RSR bis Ende 2016 nur auf die BoP angewiesen war, vorbei sein sollten, zumal man gerade auf der #912 die stärkste Besatzung in der gesamten Klasse stellt. Dieses Auto wird von Laurens Vanthoor, Earl Bamber und Gianmaria Bruni pilotiert – welche man nicht extra vorstellen braucht. Meiner Meinung nach ist dies die stärkste Fahrerbesatzung im gesamten Feld und Platz 4 im Zeittraining untermauert diese Stellung. Das Schwesterauto mit der #911 wird von Frederic Makowiecki, Patrick Pilet und Nick Tandy gesteuert, wobei diese Besatzung fast gleich stark wie die des Schwesterfahrzeuges ist. Nach dem Roar musste man keine direkte Beschneidung in der Performance des Fahrzeuges über sich ergehen lassen. Lediglich der Tank wurde um drei Liter verkleinert, da ansonsten die beiden Porsche in der Lage wären, länger als die Konkurrenten zu fahren, was aber aus BoP-Sicht nicht gewünscht ist.
Ferrari
Neben den drei Topfavoriten bringt auch Risi wieder ihren F488 GTE zumindest für die Langstreckenrennen inkl. Daytona an den Start. Das Team wurde letztes Jahr ordentlich gerupft, denn der Crash am Samstagabend in Le Mans, als man von einem LMP2 abgeschossen wurde, bedeutete einen Totalschaden im Wert von guten 850.000 € für das Team, da man ein komplett neues Fahrzeug bei Michelotto ordern musste. Dieser F488 GTE verfügt aber über ein Update-Paket, welches Ferrari für seinen F488 homologieren ließ: u.a. ein geänderter Frontsplitter und andere Aufhängungsteile.
Das Ziel jenes Paketes ist es, das optimale Arbeitsfenster für das Auto und die Reifen zu erweitern, denn direkte Schwächen hat dieses Fahrzeuge eigentlich nicht. Allerdings ist man der einzige Ferrari am Start, was natürlich nicht optimal für die Vorbereitung auf das Rennen ist, bzw. auch im Rennen selber, wenn man gerne die Strategie aufgrund der Cautions aufteilen will. Da man während des Tankvorgangs die Reifen wechseln darf, kommt der gute Reifenverschleiß des Ferraris leider auch nicht zum Tragen. Gesteuert wird der Wagen von Risi-Stammfahrer Toni Vilander, Davide Rigon, James Calado und Alessandro Pier Guidi, womit bis auf Sam Bird die komplette WEC-Einsatzmannschaft auf dem Fahrzeug vertreten ist. Entsprechend war auch der Ferrari bei den Tests immer vorne in der Spitzengruppe um die Corvetten, Ford GTs, Porsche dabei und es fällt allgemein unglaublich schwer, hier einen Favoriten ausfindig zu machen, da all diese Marken extrem eng beisammen waren.
Die Neulinge
Naja, Neulinge sind die Leute von RLL nicht, denn das Team übernimmt seit 2009 den Einsatz von GT-Fahrzeugen für BMW in der Klasse, aber das Fahrzeug ist es hingegen, und seit Ende 2013 ist es endlich wieder ein richtiger GTE-Rennwagen. Nachdem BMW 2014 und 2015 mit einer Adaptierung des Z4 GT3 an den Start ging und man die letzten zwei Jahre den M6 GTLM an den Start brachte, welcher aber keine GTE-Zulassung hatte, kommt nun wieder ein waschechter GTE für die IMSA und die WEC: Der M8 GTE. Die Basis für dieses Rennauto bildet der M8, welcher seinerseits erst 2019 in den Handel kommt. Grundsätzlich bietet dies BMW die Möglichkeit, bei der Rennfahrzeugentwicklung, welche Anfang 2016 begann, noch Einfluss auf die Entwicklung des Serienfahrzeuges zu nehmen. Ein Umstand, welcher von Ferrari beim F488 des Öfteren genutzt wurde und von Ford mit dem GT auf die Spitze getrieben wurde. In der Regel betrifft dies z.B. Teile des Fahrwerks, da beispielsweise das Reglement vorschreibt, dass man die Aufhängungspunkte +/- 20mm verwenden muss. Auch kann dadurch die Aero des Rennfahrzeuges noch leicht profitieren. Allerdings hat BMW diese Chance wohl nicht so ganz umgesetzt, wie es vor 1,5 Wochen bekannt wurde.
Gegenüber S365 hat Jens Marquardt eingeräumt, dass man mit dem Wagen eigentlich 6 Monaten hinterher hinkt und das Konzept, gerade was die Aero betrifft, ursprünglich anders hätte aussehen sollen. Man wollte ursprünglich die Seiten des BMW M8 und wohl auch das Dach an den Seiten absenken, um zum einen dadurch den Schwerpunkt zu senken, aber auch um damit weniger Luftwiderstand einerseits und mehr Abtrieb über den Unterboden andererseits zu erreichen. Dies gibt aber sowohl das Serienfahrzeug, als auch das Reglement so nicht her, da hier ein glatter Unterboden ohne Stufe vorgeschrieben ist. Um dies umzusetzen, hätte BMW einen Waiver (Ausnahmegenehmigung) gebraucht. Diesen hat man aber nicht erhalten, obwohl man seitens BMW damit fest gerechnet hatte und das Fahrzeug in diesem Zustand schon im Windkanal stand. Ein fataler Fehler, denn einen Waiver bekommt man a) nicht mehr so leicht und b) müssen dafür alle Hersteller stimmen. Gerade ersteres hat sich mit den 2016er Regeln und der Überarbeitung des GTE-Reglements deutlich geändert. Diese haben zwei Kernthemen: leichte Anhebung der Performance und eine Verringerung der unzähligen Waiver bei Neufahrzeugen. Dafür wurden den Fahrzeugen größere Bereiche eingeräumt, in denen mehr Freiheiten herrschen wie der seitlichen Aero, beim Diffusor oder Heckflügel aber auch bei der Fahrwerkskinematik oder der Position des Motors.
Im Gegenzug sollen die Ausnahmegenehmigungen für neue Fahrzeuge deutlich verringert werden. Mit großen Waivern schon in der Entwicklungsphase zu rechnen, kann also übel ausgehen und dies ist wohl bei BMW eingetreten. Dadurch dass im Frühjahr dieser Waiver verwehrt wurde, musste BMW große Teile des Fahrzeuges neu konstruieren, wie die seitliche Aero, aber auch den Schweller und die Auspuffanlage, welche einseitig endet, was etwas ungewöhnlich ist, denn normal mündet der Auspuff auf beiden Seiten. Dies hatte die Folge, dass man erst einige Monate später im Juli das erste Mal zum Testen gehen konnte. Dies ist einige Monate später als geplant, zumal, wenn man bedenkt, dass Porsche mit dem neuen RSR gute zehn Monate vor dem ersten Outing in Daytona schon beim Testen war und dennoch einige Kinderkrankheiten im Auto hatte. Zudem wird dem Fahrzeug ein etwas erhöhter Reifenverschleiß an der Vorderachse nachgesagt, was sich in Daytona noch nicht so auswirken wird, aber in der WEC für ernste Probleme sorgen kann. Als Motor kommt eine überarbeitete Version des S63 aus dem M6 / M5 zum Einsatz. Der Hubraum wurde hierbei durch eine Verringerung des Hubes auf 4,0 l reduziert und man verfügt über zwei Turbolader. Ein spannendes Thema wird daher der Spritverbrauch, denn hierbei hat sich der M6 GTLM mit seinem ähnlichen Triebwerk als sehr durstiger Geselle herausgestellt.
Entsprechend waren auch die Ergebnisse beim Vortest. Man war im Schnitt gute 1,5 sek. langsamer als die Konkurrenten und musste Zähne knirschend zugeben, dass man aus eigener Kraft nicht in der Lage ist, vorne mitzuhalten. Aber in der GTE gibt es neben der Entwicklung ja noch ein zweites Standbein, um auf Tempo zu kommen und das wurde wohl von BMW erfolgreich ins Spiel gebracht: Die Politik bzw. die BoP. Die IMSA hat dem BMW 10 kg weniger Mindestgewicht zugestanden sowie einen höheren Ladedruck und der durstige Motor darf seinen Sprit aus einem größeren Tank ansaugen. Inwieweit diese Maßnahmen dabei helfen werden, die beiden M8 an die Spitze zu bringen, wird man sehen müssen. In Sachen Fahrer bringt man jeweils vier Piloten pro Fahrzeug an den Start. In der #24 steuern Jesse Krohn, Nick Catsburg, Augusto Farfus und John Edwards den Wagen, während in der #25 Bill Auberlen, Alexander Sims, Neuzugang Connor de Phillippi und Philipp Eng ins Volant greifen. Connor de Phillippi wurde von Land Motorsport bzw. Audi weggeholt, nachdem der ehemalige Porsche-Junior dort starke Leistungen im GT3 zeigte, wofür der nicht mehr ganz junge Bill Auberlen nur noch die Endurance-Rennen für das Team RLL fährt. Siege wird man von diesem Fahrzeug nicht erwarten dürfen, aber es wird auch spannend zu sehen sein, wie zuverlässig das Auto ist und wie es mit wechselnden Bedingungen zu Recht kommt, denn dies ist z.B. eine Schwachstelle beim M6 GT3 gewesen. Die Antworten auf all diese Fragen gibt es ab Samstagabend, wenn nicht nur die GTLM, sondern auch die P-Klasse mitsamt den GTD auf die Reise gehen.
Bilderquelle/Copyright: IMSA; BMW