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Formula E: Vorschau Santiago ePrix & das Gen2-Fahrzeug

von StefanTegethoff
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Am Samstag erkundet die Formula E Neuland und tritt erstmalig in Santiago de Chile an. Im Trubel um das futuristische neue Fahrzeug, das ab der nächsten Saison 2018-19 zum Einsatz kommt, geht dabei fast unter, dass die laufende Saison fast gerade erst begonnen hat.

Mit der digitalen Vorab-Enthüllung des neuen Autos ist Alejandro Agag und seinen Mannen (und Frauen) ein kleiner Coup gelungen – denn die Formula E macht endlich den wichtigen Schritt, sich auch optisch von den anderen, konventionellen Monoposto-Serien abzuheben. Ob man das Auto nun schön findet oder nicht, ist am Ende immer auch eine Frage des Geschmacks, aber anstelle des recht banalen aktuellen Modells, das eher an ein 08/15-Nachwuchs-Formelauto erinnert, kann man am SRT05e ablesen, in welche Richtung die Zukunft des Formelsports gehen könnte.

Dafür hat man sich von einigen Standards losgeeist, was sicher auch Diskussionen auslösen wird. So stehen die Räder nicht mehr frei, sondern sind größtenteils verkleidet – nur nach hinten nicht, sodass die Heckansicht auch etwas an den Retro-Look des neuen, ebenfalls sehr attraktiven IndyCar-Modells erinnert. Diese Gemeinsamkeit endet aber bei dem gewaltig wirkenden Diffusor – hier hat man sich wohl die GTE zum Vorbild genommen – und bei dem nicht mehr durchgehenden Heckflügel.

Vor Jahren gab es, wenn ich mich recht erinnere, aus der „Overtaking Working Group“ der Formel 1 schonmal Studien von F1-Boliden mit zweigeteiltem Heckflügel, um einen Luftstrom zu erreichen, der das nachfolgende Fahrzeug weniger behindert. Inwiefern solche Überlegungen in dieses aktuelle Design eingeflossen sind, kann ich nicht sagen, aber schon rein optisch ist es ein Gewinn. Die zwei kleinen Heckflügel über den Hinterreifen sind über geschwungene diagonale Streben mit der Motorabdeckung verbunden, was optisch an einen Düsenjäger erinnert.

Der Verzicht auf einen breiten Heckflügel und die Einhausung der Räder dürften auch im Hinblick auf die aerodynamische Effizienz vorteilhaft sein, denn bekanntlich sind es diese voll im Wind stehenden Teile, die einem Formel 1-Wagen den cw-Wert einer Schrankwand des Gelsenkirchener Barock verleihen. Zahlen fehlen bislang noch, aber eine Verbesserung sollte sich daraus schon ergeben. Und eine Erhöhung der aerodynamischen Effizienz steht der Serie konzeptionell und marketingmäßig gut zu Gesicht.

Vorn ist die Karosserie insgesamt breiter, auch die Nase, die schwungvoll in die Seitenkästen übergeht. Die Front erinnert damit ein wenig an moderne Le Mans-Prototypen. Und eine Kombination aus Le Mans-Prototyp, IndyCar und Jet Fighter klingt nun wirklich nicht so schlecht. Selbst der Halo fügt sich in das Gesamtbild einigermaßen harmonisch ein und fällt nicht so negativ ins Gewicht wie bei den – nun wohl als „klassisch“ zu bezeichnenden – aktuellen Formel 1-Fahrzeugen.

Die Fahrzeuge der neuen Generation samt leistungsfähigerer Batterien und Antriebsstränge werden schon in Kürze an die Teams ausgeliefert. Offiziell wird der Spark SRT05e am 6. März auf dem Autosalon in Genf vorgestellt, dann werden wir mehr erfahren. Aber die ersten Bilder sind allemal vielversprechend und deuten in die richtige Richtung für die Formula E.

Montreal abgesagt, Finale in NYC

Zwischenzeitlich gab es noch zu vermelden, dass der Montreal ePrix ersatzlos gestrichen worden ist, nachdem die Bürgermeisterin einer Wiederholung des Stadtkurs-Events eine klare Absage erteilt hatte. Alternativen wie Birmingham und der Norisring waren kurz im Gespräch (zumindest brachten sie sich selbst ins Gespräch), doch die Formula E-Organisatoren entschieden sich, die Saison stattdessen auf zwölf Läufe zu kürzen und in New York City enden zu lassen. Das klingt besser, als es letztendlich sein dürfte, denn so schön die Skyline von New York im Hintergrund auch sein mag, der Kurs auf dem Hafenareal in Brooklyn war doch sehr mickrig und verschlungen, eine Parkplatz-Kartbahn, die nichtmal den aktuellen FE-Boliden so wirklich gerecht wurde.

Rückblick auf den Marrakesh ePrix & Rookie-Test

Nach dem letzten Lauf in Marrakesch Mitte Januar fehlte mir die Zeit für eine Analyse, daher wollen wir hier noch einmal kurz zurückblicken: es war der große Sieg des Felix Rosenqvist, der zwar schnellster im Gruppen-Qualifying war, aber in der Super Pole nur auf Rang 3 hinter Sebasten Buemi und Sam Bird kam. An Bird konnte er gegen Rennmitte vorbeiziehen, als dieser aufgrund eines kleinen Problems kurzzeitig an Geschwindigkeit verlor. Dauerhaft an Geschwindigkeit verloren hatte zu diesem Zeitpunkt bereits – auf Platz 4 liegend – Lucas di Grassi, der sich hinterher verwirrt über die rätselhaften Technik-Probleme äußerte, unter denen die Abt-Audis diese Saison leiden.

Nach dem Fahrzeugwechsel war Felix Rosenqvist in einem Auto, das nach Batterieproblemen gerade noch rechtzeitig für ihn wieder zusammengebaut worden war, auf der Jagd nach Sebastien Buemi. Der saß in dem Auto, was eigentlich für die erste Rennhälfte bestimmt war, das Team hatte sie beiden Wagen getauscht, ebenfalls wegen Bedenken hinsichtlich der Technik. Das führte aber dazu, dass in dem Auto, in dem er nun saß, der FanBoost nicht aktiviert war, sodass er diesen nicht abrufen konnte, obwohl die Fans für ihn gestimmt hatten.

Ob das letztendlich entscheidend gewesen wäre, ist schwer zu sagen, denn Rosenqvist hing ihm über mehrere Runden dicht im Nacken und  drückte sich schließlich in Runde 29 von 33 mit einem starken Manöver, bei dem er sehr spät bremste, am Schweizer vorbei. Hätte Buemi hier seinen FanBoost verfügbar gehabt, hätte er diese Attacke vielleicht abwehren können, aber dann hätte das Überholmanöver möglicherweise auch noch in einer der darauffolgenden Runden klappen können. Rosenqvist gewann jedenfalls verdient vor Buemi und Bird. Die schnellste Rennrunde – und damit ein Punkt – ging and Nelson Piquet jr., der in diesem munteren Rennen starker Vierter wurde.

Den Rookie-Test tags darauf „gewann“ dann jedoch Abt Audi: die schnellste Runde drehte Nico Müller. Seine 1’19.6 war etwa eine Dreiviertelsekunde schneller als die schnellsten Quali-Runden aus Gruppensession und Super Pole am Renntag, was aber auch an höheren Temperaturen und der Entwicklung der Strecke lag. Etwa eine Zehntel war Müller schneller als Daniel Abts Trainingsbestzeit vom Samstag. Das zeigt erstmal, dass in dem Abt-Audi auf jeden Fall Potential steckt, ebenso aber im Schweizer Nico Müller, der in den letzten Jahren vor allem in der DTM angetreten ist. Um etwa eine Sekunde schlug er Pietro Fittipaldi (Jaguar), Maximilian Günther (Dragon Racing) und Paul di Resta (wieder Jaguar). Aber Bestzeiten sind bei so einem Test natürlich nicht alles, die Fahrer fuhren in den zwei Sessions auch Longruns, um sich den Teams zu beweisen. Ob wir den einen oder anderen Teilnehmer in der nächsten Saison (oder vielleicht noch in dieser?) in einem Renncockpit sehen werden, bleibt abzuwarten.

Der Antofagasta Minerals ePrix – Häh, was?

Der offizielle Name des nächsten Laufes geht nicht ganz so leicht von der Zunge – Schuld ist ein chilenisches Bergbauunternehmen, das Kupfer zutage fördert. Damit ist jedenfalls eine thematische Verknüpfung mit der Formula E gegeben, denn in den Autos dürfte dank der hervorragenden Leitfähigkeit einiges Kupfer verbaut sein. Das Rennen wird auf einem knapp 2,5 km langen Kurs im Herzen der chilenischen Hauptstadt Santiago ausgetragen.

Dessen längste Gerade erstreckt sich über knapp 700 m entlang des Rio Mapocho. Am Ende dieser Geraden, auch der auf der Start erfolgen wird, geht es ca. 90° nach rechts, die erste von zahlreichen mehr oder weniger rechtwinkliger Kurven. Für Abwechslung sorgen aber zunächst die fast vollständige Umrundung des Kreisverkehrs am Plaza Baquedano und dann, nach knapp 400 m Vollgas, eine 180°-Haarnadel. Danach geht es sechsmal etwa rechtwinklig nach Links und nach Rechts, dazwischen kurze Beschleunigungsstücke, und am Ende über den Fluss zurück auf die lange Gerade. Die Boxeneinfahrt ist sehr lang und auch die Geschwindigkeitsbegrenzung beginnt sehr früh, sodass Durchfahrtsstrafen oder ein zweiter Stopp, etwa zur Behebung eines Schadens, die Piloten teuer zu stehen kommen dürften.

Mit diesem Lauf entfällt übrigens die Mindestzeit für die Fahrzeuchwechsel-Stopps. Die Organisatoren wollten diese schon für den Marrakesh ePrix kurzfristig abschaffen, doch dagegen rebellierten die Teams. Angesichts der sehr spontanen Ankündigung war das auch verständlich, denn wenn plötzlich die Geschwindigkeit beim Wechsel entscheidend ist, braucht es auch eine entsprechende Vorbereitung. Ich bin zwar eigentlich kein Befürworter von Mindestzeitvorgaben für Boxenstopp, aber bei der FE fand ich sie doch sehr angebracht. Der Fahrzeugwechsel birgt doch ein recht großes Verletzungsrisiko, ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, den Fahrer vollständig anzuschnallen.

Felix Rosenqvist kommt nach dem Sieg in Marokko als Meisterschaftsführender nach Chile. Allerdings beträgt sein Vorsprung auf Sam Bird nur vier Punkte. Jean-Eric Vergne folgt mit 11 Zählern Rückstand auf die Spitze, danach tut sich eine größere Lücke auf. Auf den ersten sechs Plätzen stehen bislang Fahrer von sechs verschiedenen Teams, letzter von diesen ist Sebastien Buemi, der in Marrakesch mit Pole und Rang zwei aber zu alter Form zurückfand. Trotzdem beträgt sein Rückstand schon 32 Zähler. Titelverteidiger Lucas di Grassi steht nach Disqualifikation in Hong Kong und Ausfall in Marrakesch bei Null und wird in Santiago zu allem Überfluss auch noch mit einem Handicap starten: da das Team vor dem Rennen in Marrakesch bereits den Inverter gewechselt hatte, bedeutet ein erneuter Wechsel im Antriebsstrang nach dem Rennen nun eine Rückversetzung um 10 Startplätze.

Mit dem Wegfall des Montreal ePrix wird nach dem Rennen in Santiago bereits ein Drittel der Saison absolviert sein. Möchten die Dominatoren der Vorjahre Buemi und di Grassi noch Titelchancen haben, müssen sie schnell viele Punkte sammeln. Wahrscheinlicher scheint es aber, dass Rosenqvist und Bird, Mahindra und DS Virgin, in diesem Jahr um die Titel kämpfen werden.

Mit jedem weiteren Lauf wird das Bild klarer. Der Santiago ePrix startet am Samstagabend um 20 Uhr deutscher Zeit. Eurosport überträgt live und zeigt, wie in dieser Saison bislang gewohnt, eine Stunde vorher bereits Vorberichte und eine Quali-Zusammenfassung.

(Bilder: Formula E Media)

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1 Kommentare

Ralf G. 3 Februar, 2018 - 11:43

Das ist doch kein Formel-Rennwagen mehr. Das Dach vollverkleiden und eine Tür rein und wir haben „LMP E“.

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