Am vergangenen Freitag haben FIA sowie Le-Mans-Veranstalter ACO die Teilnehmerliste für das legendäre 24-Stunden-Rennen und die „Super-Saison“ des World Endurance Championships verkündet. Die kontroverse Verschiebung des Fuji-Rennens zugunsten von Fernando Alonso und Toyota ließ dies jedoch in den Hintergrund rücken. Ein Kommentar.
Mit einem animierten Gif eines brüllenden Godzillas, stehend vor dem japanischen Wahrzeichen, dem Fuji-san, applaudierte Fernando Alonso die Neuigkeit, dass das 6-Stunden-Rennen am Fuji Speedway um eine Woche vorverlegt wurde. Die ungewollte Ironie dieses Postings ist bezeichnend. Es handelt sich um eine Szene aus dem Film „Godzilla: Final Wars“, der 2004 in den japanischen Kinos erschien. Im Film erweckt die Menschheit den ursprünglich im Eis versenkten Godzilla aus dem Tiefschlaf, als Aliens die Erde mit mehreren von ihnen kontrollierten Monstern angreifen. Fortan stapft die radioaktive Riesenechse um dem Globus und prügelt sich, teilweise binnen von Sekunden, durch 50 Jahre Kaiju-Eiga-Geschichte. Die ungewollte Analogie ist passend und ironisch zugleich: Mit der Entscheidung, das Rennen am Fuße des heiligen japanischen Berges vom 21. auf den 14. Oktober 2018 zu verlegen, stapft die WEC ähnlich Godzilla einmal quer durch die internationale Sportwagenszene.
Hintergrund: Nach langer Spekulation bestätigte Toyota Gazoo Racing am 30. Januar 2018 die Verpflichtung von Fernando Alonso. Nicht nur für die 24 Stunden von Le Mans, sondern für die gesamte „Super-Saison“ 2018/19. Einzige Ausnahme: Ausgerechnet Toyotas Heimrennen am firmeneigenen Fuji Speedway. Grund hierfür war eine Überschneidung mit dem USA Grand Prix der Formel 1 im texanischen Austin am gleichen Wochenende, welcher für den McLaren-Piloten selbstredend Priorität einnimmt. Schnell tauchten die Gerüchte auf, dass der WEC-Lauf auf Wunsch des Automobilgiganten verschoben werden könnte. Am Freitag, den 9. Februar 2018 war es dann amtlich: Der Nippon-Auftritt findet nun eine Woche früher statt. Eine Verschiebung mit starken Konsequenzen, die wenig überraschend eine sprichwörtliche Kritiklawine auslöste.
So konnten FIA und ACO zwar die Überschneidung mit dem US-Grand-Prix umgehen, dafür findet der WEC-Lauf nun allerdings ausgerechnet am Wochenende des prestigeträchtigen wie auch international anerkannten Petit Le Mans statt, dem zweitwichtigsten Langstreckenrennen in den Vereinigten Staaten nach den 24 Stunden von Daytona. Ein Schlag ins Gesicht für zahlreiche WEC-Piloten wie Olivier Pla, Harry Tricknell, Nicki Catsburg, Bruno Senna, Renger van der Zande oder gar Toyota-Mann Mike Conway, welche allesamt Verträge in der IMSA-Serie besitzen und eigentlich für beide Rennen eingeplant waren. In den sozialen Medien wurde entsprechend viel Kritik wie auch Spott geäußert.
Many thanks @FIAWEC I can’t believe you did it… your lack of consideration and respect for the drivers who had a contrat with a team in IMSA to race in NAEC the same weekend are unbelievable. I’m sure I will be not the only one to be impressed with what you did 👎🏻
— Olivier Pla (@olivierpla) February 9, 2018
Unbelievable https://t.co/t35oTMxSOI
— Nicky Catsburg (@nickcatsburg) February 9, 2018
Doch damit nicht genug: Rund 1000 Kilometer entfernt in Kyushu findet am gleichen Wochenende auch der vorletzte Saisonlauf der Super GT auf dem Autopolis Circuit statt. Die Ironie: Die GT Association (GTA) verschob bereits nach ihrem ersten Kalenderentwurf das Autopolis-Rennen vom 21. auf den 14. Oktober, um nicht mit dem Fuji-Auftritt der Langstrecken-Weltmeisterschaft zu kollidieren. Dadurch erweitert sich selbstredend die Liste der betroffenen Piloten, da unter anderem die beiden Toyota- respektive Lexus-Fahrer Kazuki Nakajima und Kamui Kobayashi in beiden Meisterschaft antreten. Beide verpassen bereits den 500-Kilometer-Lauf am Fuji Speedway im Mai dieses Jahres wegen einer Überschneidung mit dem WEC-Rennen in Spa-Francorchamps. Auch einzelne GT300-Fahrer wie Sho Tsuboi sind von der Änderung betroffen, da sie gleichzeitig auch in der japanischen Formel-3-Meisteschaft antreten, welche das WEC-Wochenende als Rahmenserie unterstützt. Die Verschiebung zugunsten eines einzelnen Piloten respektive Herstellers zieht einen fast schon unendlichen Rattenschwanz hinter sich her.
WEC-Boss Gerard Neveu verteidigt die Entscheidung dahingehend, dass man die Interessen der eigenen Meisterschaft schützen musste. Ein Japan-Auftritt von Toyota ohne Formel-1-Superstar Fernando Alonso? Undenkbar! Tatsächlich erscheint die Entscheidung aus marketingtechnischer Sicht verständlich. Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Japaner mit dem Wunsch der Verschiebung an die Franzosen herantraten. Dass der Fuji Speedway auch noch Haus- und Teststrecke von Toyota ist, begünstigt die Sache natürlich. Eine aus streckenorganisatorischer Sicht solch „späte“ Änderung des Austragungstermins dürfte deshalb nicht sonderlich schwierig gewesen sein. Wie so häufig versteckt sich der Teufel jedoch im Detail. Und in diesem Falle in einer gefährlichen wie auch falschen Nachricht seitens des World Endurance Championships.
So if you do the math, 1 WEC Alonso at fuji is worth 15-20 NAEC Conflicts at Petite. They must have a lot of faith that Alonso will resurrect P1 singlehandedly. 7 P2 cars? Things are way too expensive… time for a market correction in racing.
— Peter Baron (@starworkspeter) February 9, 2018
So erklärte Gerard Neveu: „Fernando will um die Weltmeisterschaft kämpfen und darf daher kein Rennen verpassen. Es stand außer Frage, dass wir ohne Alonso in Japan fahren würden.“ Ein Faustschlag von Muhammad Ali dürfte nicht härter gewesen sein als jene Aussage. Es ist ein Signal, das eindeutiger nicht sein könnte. Die WEC rollt Fernando Alonso den roten Teppich aus. Die Verträge, Sponsoren wie auch Siegesambitionen der anderen Fahrer, die mitunter mehrere Jahre bereits im World Endurance Championship unterwegs und zu Langstrecken-Ikonen geworden sind, scheinen egal. Die Konsequenzen, die nun entstehen, werden als Kollateralschaden hingenommen. Neveus Aussage hätte man mit jedem beliebigen Fahrer treffen können, die allesamt ebenfalls kein Rennen verpassen dürfen, um Weltmeister zu werden. Doch hätte die WEC bei einem anderen Piloten ähnlich gehandelt? Wohl kaum. In einer Welt, in der Menschen aufgrund ihrer Herkunft, Hautfarbe oder gesellschaftlichen Klasse unterschiedlich privilegiert behandelt werden, ist dies gewiss das falsche Signal, welches gesendet wurde.
Auch aus sportlicher Sicht ist die Entscheidung gefährlich. So wurde das Individuum über den Sport selbst gesetzt. Gerade die Sportwagenszene lebt von ihren offenen Grenzen. Es gibt nur wenige Piloten, die in lediglich einer Meisterschaft unterwegs sind. Der nun entstehende Rattenschwanz könnte dazu führen, dass bestimmte Fahrer ihre Verträge, ihre Cockpits verlieren könnten. Am Ende des Tages war es somit eine politische, von einem Hersteller gelenkte Entscheidung, etwas für was die DTM jahrelang von Fans wie auch Medienvertretern zugleich kritisiert wurde.
No. They won’t. And that’s precisely the point. A sport must always be bigger than one single star. No matter how brightly they shine. https://t.co/CIox1RZd7y
— Will Buxton (@thebuxtonblog) February 9, 2018
Zugleich argumentiert die WEC, dass man auch im Sinne der rund 50.000 japanischen Fans handle, die sich laut Gerard Neveu allesamt über die Entscheidung freuen würden. Dies dürfte sicherlich auch einer der Hintergedanken seitens der Streckenbetreiber sowie Besitzer Toyota gewesen sein. Ob Fernando Alonso jedoch noch einige Tausend mehr in die Shizuoka-Präfektur locken wird, darf mit einem großen Fragezeichen hinterfragt werden. Die Meinungen besagter japanischer Fans über die Verschiebung gehen jedenfalls auseinander. Wenig überraschend ist die Schnittmenge der hiesigen Super-GT- und WEC-Anhängern groß. Und während sich insbesondere die F1-exklusiven Fans über das Gastspiel des ehemaligen Honda-Vertreters Alonso freuen, üben erstere deutlich stärkere Kritik. So wird die Aktion als arrogant bezeichnet. Andere verstehen nicht, wie Toyota ihre eigenen beiden Piloten (Kazuki Nakajima und Kamui Kobayashi) hintergehen konnten. Andere wiesen dagegen korrekterweise auf die zusätzlichen Strapazen vieler Fans hin, da nun Unkosten wegen der Umbuchung oder Stornierung bereits bestellter Flugtickets oder vorgenommener Hotelreservierungen entstehen können. Andere fragten sich hingegen, warum die Weltmeisterschaften eigentlich allesamt immer Ende des Jahres ins Land der aufgehenden Sonne reisen müssen. Tatsächlich gastieren im Oktober mit der Formel 1, der MotoGP, WEC sowie der WTCR (im Rahmen der Super Formula) gleich vier Weltmeisterschaften in Japan.
Hey! Wouldn’t it have been a lot easyer for everyone if @alo_oficial would just miss a @F1 race ? Is that gonna change much for him??
— Andre Lotterer (@Andre_Lotterer) February 10, 2018
Während die Terminkollision mit der Super GT noch behebbar sein dürfte – denkbar wäre, den Autopolis-Lauf wieder um eine Woche nach hinten zu verlegen, eine Aussage seitens der GT Association steht allerdings noch aus – ist an jener mit dem Petit Le Mans nichts zu rütteln. Tatsächlich spielte Gerard Neveu den Ball nun den Amerikanern zu, schließlich könnten sie, wohlgemerkt unschuldig in dieser Situation verstrickt, ihren Termin doch auch noch ändern. Dem erteilte die IMSA bereits wegen der bestehenden TV-Verträge, logistischen Vorbereitungen sowie dem Jahresend-Banketts des austragenden WeatherTech SportsCar Championships jedoch bereits eine Absage.
I am just SORRY for all of the drivers who will have to miss Petit or Fuji due to this ridiculous date change. I hope @FIAWEC still remembers Endurance is a TEAM SPIRIT sport and is not a single individual who does the show! 😉
— Pipo Derani (@PipoDerani) February 9, 2018
Und so schreitet die WEC, ähnlich Godzilla, ohne Rücksicht auf Verluste voran. Wurde der König der Monster im Film „Final Wars“ als letzte Hoffnung der Menschheit aus dem gekühlten Tiefschlaf erweckt, so scheint auch die WEC Fernando Alonso als einen der letzten Hoffnungsträger zu sehen. Zwar sah die nach dem Ausstieg von Audi und Porsche bereits dem Untergang geweihte LMP1-Klasse mit dem Einstieg mehrerer Privatmannschaften einen temporären Aufschwung. Die Zukunft bleibt jedoch weiterhin ungewiss. Eine Fortsetzung des Toyota-Programms nach der „Super-Saison“ 2018/19 gilt nicht als sicher. Der Fall Alonso kann somit fast schon als Dankeschön für die Treue des japanischen Automobilgiganten verstanden werden.
Am Ende des Tages bleibt jedoch die Frage, ob solch eine mutige Entscheidung vielleicht als Hinweis für den fehlenden Glauben in das eigene Kernprodukt zu verstehen ist. Oder einfach nur als logischen Marketing-Schachzug. Vielleicht ist es eine Kombination aus beidem. Denn von einem Fernando Alonso als etwaigen WEC-Weltmeister würden alle beteiligten Seiten profitieren. Es scheint realistisch, dass sich der Spanier anschließend weiteren Herausforderungen in anderen Rennserien stellen würde. Am Ende des Films zieht Godzilla übrigens der Abendsonne entgegen in den Ozean ein. Zurück bleiben einige Wenige, welche die Trümmer beseitigen. Ein Sinnbild? Vielleicht.
Copyright Photos: Toyota, GT Association, ACO
1 Kommentare
Zunächst mal vielen Dank für den Godzilla-Vergleich :)
Ich habe auch kein Verständnis für diese Entscheidung. Selbst wenn man diese „unwichtigen sonstigen Fahrer der wec vernachlässigt, kann es auch nicht richtig sein, der IMSA so dermaßen vor den Kopf zu stoßen. Insbesondere nicht, wenn man möglichweise für eine gemeinsame Hersteller-Top-Klasse auf eine Zusammenarbeit setzen muss…
(Hier zeigt die WEC/der ACO mal wieder genauso viel Fingerspitzengefühl im Umgang mit anderen Serien wie die DTM)
Eigentlich bleibt nur zu hoffen, dass alle betroffenen Fahrer einfach ihrem anderen Job nachgehen.
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