In Mexico City konnte Daniel Abt den ersten Sieg für einen deutschen Piloten in der Formula E einfahren. Und in der Woche darauf wurde auf dem Genfer Autosalon das Gen2-Fahrzeug enthüllt.
Nick Heidfeld hätte beinahe das erste Formula E-Rennen der Geschichte gewonnen, hätte ihn nicht Nicolas Prost in der allerletzten Kurve abgeschossen. Und seitdem jagen die durchgehend vertretenen deutschen Piloten dem ersten Sieg hinterher. In Hong Kong letzten November hat es dann fast geklappt – auf der Strecke gewann Daniel Abt, dessen Performances ich in den letzten Jahren des Öfteren als mittelmäßig kritisiert habe, gerade im Vergleich zu seinem Teamkollegen di Grassi. Doch dann wurde er wegen eines Formfehlers seines Teams disqualifiziert, Felix Rosenqvist erbte den Sieg.
In Mexico City entschied sich Fortuna genau andersherum: es bedurfte großen Pechs auf Seiten des Schweden, damit Daniel Abt ganz oben auf dem Podium stehen konnte. Rosenqvist war auf der Pole gestartet, während Abt auf Platz 6 der Gruppenphase die Super Pole-Session knapp – um eine halbe Zehntelsekunde – verpasst hatte. Weil aber Alex Lynn einen Getriebewechsel anmeldete, durfte Abt in die fünfte Startbox aufrücken. Nach der ersten Runde war er Vierter, während Rosenqvist vorn dominant davonzog.
In Runde 14 dann der Schock beim Mahindra-Team, das Auto des Tabellenzweiten blieb ausgangs der letzten Kurve einfach stehen. Ein Systemneustart war nötig, doch währenddessen zog das gesamte Feld an ihm vorbei. Zwei Runden später dasselbe, schließlich bog er, nachdem er den Akku des zweiten Autos leer gefahren hatte, in die Box ab und gab auf. Mahindra vermeldete, dass es einen Defekt an einer standardisierten Komponente gegeben habe, was natürlich besonders bitter ist.
Daniel Abt war damit auf Rang 3 aufgerückt, vor ihm fuhren Oliver Turvey und Sebastien Buemi, der mit seinem e.dams-Renault langsam zu alter Form zurückzufinden scheint. Bis zu den Boxenstopp blieb dieses Bild unverändert, aber Abt blieb in Schlagdistanz. Und so konnte sein Team ihm schließlich – dank der neuen Boxenstopp-Regeln ohne Mindestzeitvorgabe – zur Führung verhelfen: nur gut 40 Sekunden dauerte der Fahrzeugwechsel bei den Bayern. 43 Sekunden waren es bei Buemis Leuten, gar 45 bei NextEV NIO. Und so ging Abt ging in Führung vor Turvey, dann folgte Buemi. An dieser Reihenfolge auf den Podiumsplätzen änderte sich bis zur Zieldurchfahrt nichts mehr.
Für Abts bisher punktelosen Teamkollegen, Titelverteidiger Lucas di Grassi, gab es erstmals in dieser Saison Zählbares aufs Konto: nach Start von ganz hinten /wegen eines Inverter-Tauschs) fuhr er bis auf Platz 9 nach vorne, ähnliches gelang vor ihm Edoardo Mortara, der vom 18. Startplatz auf den achten Rang nach vorn fuhr. Auch die schnellste Rennrunde eines Top Ten-Piloten ging an Lucas di Grassi, sodass dieser nun gleich drei Punkte vorweisen kann.
An der Spitze der Fahrerwertung bleibt aber weiterhin Jean-Eric Vergne, der mit zehn Punkten für Rang 5 seine Führung ausbauen konnte, Rosenqvist bleiben nur die drei Zähler für die Pole. Sam Bird hatte ein schlechtes Wochenende und blieb punktelos, dafür ist Sebastien Buemi nun mit zwei dritten Plätzen in Folge auf Rang 4 aufgerückt, dahinter lauert der Champion der ersten Saison, Nelson Piquet jr. im erstarkten Jaguar. 81-69-61-52-45 ist der Punktestand dieser ersten fünf Piloten, die Spanne ist also doch schon recht groß. Dabiel Abt ist dahinter auf Platz 6 nach vorn geschossen, aber mit 37 Punkten schon hoffnungslos weit zurück.
Die Saison ist weiterhin recht bunt durchmischt. Techeetah und Mahindra sind nach Punkten die besten Teams, aber auch Abt Audi, Jaguar und DS Virgin haben schon starke Performances gezeigt, in Mexico City erstmals auch NextEV NIO. Andretti und Dragon bilden in diesem Jahr die Schlusslichter. Für Dragon Racing, 2015-16 noch Vierter der Teamwertung, ist es bergab gegangen, seit man einen eigenen Motor baut, der Penske EV-2 scheint noch nicht so ganz ausgereift zu sein. An den Fahrern sollte es eigentlich nicht liegen, zumindest Herome d’Amboriso ist immerhin bereits zweifacher Rennsieger (mit Dragon) in der Formula E.
In der Woche nach dem ePrix fand in Genf der Internationale Automobilsalon statt. Dort enthüllte Alejandro Agag (mithilfe eines Roboterarms des Serien-Hauptsponsors ABB), wie angekündigt, das Gen2-Fahrzeug, das ab der nächsten Saison zum Einsatz kommen soll – also ein tatsächliches physisch existentes Auto, nachdem es bereits vorher einen digitalen „Launch“ gegeben hatte, sodass diese Enthüllung wenig Überraschendes bot. Das Auto sieht so futuristisch aus, wie es die Animationen versprochen hatten, und das ist gut so. Denn die Formula E muss ab Saison 5 richtig reinhauen und kann dazu auch ein sichtbares Alleinstellungsmerkmal gut gebrauchen.
Der CBMM Niobium Punta del Este E-Prix
Wer glaubte, der offizielle Titel des Rennens ins Santiago de Chile habe schon merkwürdig geklungen – es geht noch besser: das Rennen in Punta del Este wird von der Companhia Brasileira de Metalurgia e Mineração gesponsert, also vom Brasilianischen Metallurgie- und Mineral-Unternehmen. Die fördern das seltene Element Niob bzw. Niobium zu Tage, dessen Hauptvorkommen in Brasilien liegen. Biob kommt etwa in Stahl- und Aluminiumlegierungen zum Einsatz, aber auch in Superlegierungen für die Raumfahrt und als Supraleiter in Teilchenbeschleunigern. Spannendes Zeug, und anscheinend kann man damit genug Geld verdienen, um sich das Sponsorong eines ePrix zu leisten.
Punta del Este ist nach zwei Jahren Pause zurück im Kalender. Geplant war dieses Comeback eigentlich nicht, aber das eigentlich vorgesehene Event in Sao Paulo musste um ein Jahr verschoben werden. Sollten dort die als Grund angeführten „Planungsprobleme“ überwunden werden, wird das Comeback in Uruguay wahrscheinlich ein einmaliges Gastspiel bleiben, aber warten wir es ab, der Formula E-Kalender hat noch jedes Jahr einige Überraschungen parat gehabt.
Der Kurs in dem Strand-Städtchen, das eigentlich nur ein Vorort oder Anhängsel der Regional-Hauptstadt Maldonado ist, führt direkt am Strand entlang, einmal die reichlich asphaltierte Promenade hinauf und wieder hinunter: zwei 180°-Kehren, fünf (!) Schikanen. Klingt unspektakulär, ist aber doch erstaunlich abwechslungsreich. Das liegt auch daran, dass es zwischen diesen Bremspunkten kaum mal richtig geradeaus geht, die meisten Vollgas-Passagen sind gebogen oder verschwenkt, sodass sich immer mal die Gelegenheit bietet, überraschend eine andere Linie auf den nächsten Bremspunkt hin zu wählen. Und harte Bremsmanöver gibt es eben sechs pro Runde (die letzte Schikane geht direkt in die Kehre zurück auf Start/Ziel über), sodass die ersten beiden Punta del Este ePrix reichlich Action boten, wenn auch nicht immer der positiven Sorte.
Das Rennen startet am Samstagabend um 20 Uhr mitteleuropäischer Zeit, Prime Time-Motorsport also. zur Eurosport überträgt wieder live und zeigt vorher ab 19:05 Vorberichte und die gewohnte Quali-Zusammenfassung. Die letzten beiden Male siegte in Punta del Este übrigens Sebastien Buemi – möglicherweise kann er seinen Form-Aufstieg fortsetzen…
(Bilder: Formula E Media)
1 Kommentare
Schöner Rennbericht und schöne Vorschau auf den kommenden ePrix am Samstagabend.
Man hätte noch erwähnen können, dass Abt vor dem Pitstop ordentlich Druck auf Buemi aufgebaut hat und ihn somit in einen kleinen Fehler zwang, der es dem Kemptener ermöglichte vor dem Fahrzeugwechsel an Buemi vorbeizukommen. Ich habe mich jedenfalls riesig gefreut, dass der Knoten geplatzt ist und Daniel Abt seinen ersten Sieg feiern konnte (und die Trophäe diesmal auch behalten durfte).
Comments are closed.