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Formel Eins: Analyse Australien 2018 – Die Sache mit dem VSC

von DonDahlmann
3 Kommentare

Das war mal ein spannender Auftakt zur Formel Eins Saison. An der Spitze ging es zur Sache, im Mittelfeld auch.

Das zerknirschte Gesicht von Toto Wolff nach dem Rennen sprach Bände. Mercedes hatte das schnellste Auto, konnte nach Belieben das Rennen dominieren und doch hatte man verloren. Mehr noch, durch den Unfall von Bottas in der Quali und dessen zähes Rennen verlor man im Kampf um die Team-WM wichtige Punkte. Und so war der Auftakt, trotz des zweiten Platzes von Hamilton, für die Deutschen eine Enttäuschung. Bei Ferrari war man dagegen zufrieden. Zumindest über den Sieg, nicht aber über die gesamte Performance des neuen Autos. Auch Red Bull war enttäuscht, hatte man sich doch mit der aggressiven Strategie für das Rennen einiges ausgerechnet.

Die entscheidende Situation ergab sich in Runde 25, als Grosjean seinen Haas abstellen musste. Zuvor hatte Ferrari mit Räikkönen einen Undercut an Hamilton versucht. Mercedes reagierte schnell und holte den Briten rein. Ein ungeplanter Stopp, man wäre lieber länger draussen geblieben, da die Ultrasoft weiter gute Rundenzeiten ablieferten. Durch den Stopp veränderte sich der Abstand zwischen Räikkönen und Hamilton nicht. Ferrari tat danach das einzig richtige: man ließ Vettel draussen. Wenn man ehrlich ist, war das eine Verzweiflungstat. Man wusste, dass man den Mercedes auf der Strecke nicht würde schlagen können. Da Verstappen sich auf Grund seines Drehers aus dem Kampf um das Podium verabschiedet hatte, musste man nur Ricciardo im Auge behalten, der den dritten Platz von Vettel hätte gefährden können. Da Red Bull auch keine Anstalten machte an die Box zu kommen, wartete Ferrari und hoffte auf ein Wunder.

Das lieferte dann Haas ab. Der Wagen von Grosjean musste geborgen werden, also entschloss man sich zu einer VSC. Die kam zustande, weil man hoffte, dass die Marshalls den Wagen würden wegschieben können, was aber nicht gelang. Das SC kam dann, als sich dazu entschloss einen Abschleppwagen auf die Strecke zu schicken.

Vettel hatte vor dem Stopp von Hamilton rund acht Sekunden hinter dem Briten gelegen. Nach dem Stopp lag 13 Sekunden vor dem Weltmeister, der den Rückstand auf 11 Sekunden eindampfte. Aber wie konnte Vettel einen Boxenstopp erledigen, der 21 Sekunde kostet und dennoch vorne bleiben? Die Antwort liegt beim VSC. Da unter diesem ein Zeitdelta vorgeschrieben ist, fährt man langsamer. Das Delta für den Boxenstopp verändert sich dadurch aber nicht, wohl aber die zurückgelegte Strecke auf der Piste. Logischerweise benötigt man bei niedriger Geschwindigkeit mehr Zeit auf der Strecke.

Hamilton fuhr in Runde 25 eine 1.28.681min. In Runde 26 eine 1.57.688min und in Runde 27 eine 2.07.130min. Man verliert also ordentlich Zeit. Vettel ereilte das VSC aber später auf der Strecke, er war näher an den Boxen dran. Laut Mercedes hätte der Abstand aber nicht ausreichen dürfen, um nach dem Stopp in Führung zu gehen. Man sprach von einem „Software Fehler“. Meiner Meinung nach hat Mercedes etwas vergessen: die Boxeneinfahrt. Dort muss man sich, bis zur offiziellen Linie nicht an das VSC-Limit halten. Da die Einfahrt bis zur Linie ziemlich lang ist, hat Vettel vermutlich genau dort die 1,5 Sekunden geholt, die er für den Sieg benötigt hat.

Der Fehler lag bei Mercedes aber nicht nur an dieser Misskalkulation, sondern schon früher im Rennen, wie Hamilton nach dem Rennen auch beklagte. Denn vor den ersten Stopps hatte Mercedes seinen Fahrer eingebremst. Obwohl der Mercedes, wie man bei der Aufholjagd von Hamilton sehen konnte, rund 6 bis 7 Zehntel schneller als der Ferrari fahren konnte, konservierte man den Abstand zu Räikkönen und damit auch zu Vettel, bei wenigen Sekunden. Hätte man Hamilton mit den Ultrasoft fahren lassen, wären schnell 5 und mehr Sekunden zusammengekommen. Und eben das Polster für den Sieg. Mercedes hat sich selbst ein Bein gestellt und man konnte auch froh sein, dass Red Bull auch nicht besser handelte.

Red Bull hatte sich schon in der Quali für eine aggressive Strategie entschieden, in dem man auf die härteren Supersoft gesetzt hatte. Das Ziel war klar. Vorne dran bleiben bis alle an die Box gehen, länger fahren und den Overcut versuchen. Da hatte Red Bull aber die Rechnung ohne die Haas gemacht. Die waren im Rennen genauso schnell wie in der Quali und sehr schwer zu überholen. Verstappen ließ sich am Start von Magnussen abkochen und verabschiedete sich mit seinem überflüssigen Dreher. Ricciardo musste wegen seiner Strafe eh aus dem Mittelfeld starten und hing ebenfalls hinter einem Haas (Grosjean) fest. Verstappen hätte eine Chance auf P3 gehabt, wenn er den Start nicht verloren hätte, aber so war Red Bull chancenlos.

Die Haas waren mit Sicherheit die Überraschung im Rennen. Der Doppelausfall lag zwei verkanteten Radmuttern. Ob das jetzt einfach Pech, Unvermögen oder ein technisches Problem war, ist noch nicht abschließend geklärt. Aber der Ausfall beider Autos war schon eine ziemliche Bestrafung, die dem Team massiv weh tut. Ob man noch mal in so eine gute Position kommt, ist noch unsicher.

„Best of the rest“ war der Haas auf jeden Fall. Aber durch den Ausfall konnte McLaren diese Position abstauben. P5 für Alonso, der das halbe Rennen einen drängelnden Verstappen hinter sich hatte, war schon sehr zufriedenstellend für die Briten. Es war eine ziemlich grandiose Fahrt des Spaniers, der sich am Funk auch hörbar freute. Erstaunlich war dann schon, dass Verstappen mit dem deutlich schnelleren Auto nicht am McLaren vorbei kam.

Zwischen McLaren und Renault gibt es allerdings kaum Unterschiede. Die bessere Position des McLaren war der besseren Startposition geschuldet, nicht dem Speed. Das dürften noch spannende Kämpfe in den nächsten Rennen werden. Und die Frage ist, wer das Rennen in Sachen Entwicklung gewinnen wird.

Hinter den beiden lagen die Force India und damit ein bisschen im Niemandsland. Nach vorne konnte man mit dem in Australien vorgestellten neuen Aero-Paket nichts ausrichten, von hinten drohte keine Gefahr. Im Ziel lag man 15 Sekunden hinter dem schlechtesten Renault (Sainz P10) und 15 Sekunden vor dem Sauber von Leclerc. Der wiederum konnte im Rennen den Williams von Stroll hinter sich lassen. Was für Sauber ein wirklich gutes Ergebnis ist, für Williams logischerweise weniger. Das Schlusslicht war Hartley im Toro Rosso, der auch als einziger überrundet wurde. Das Stroll und Leclerc der Überrundung entgingen, lag am SC.

Das gute Rennen an der Spitze war eine Sache. Negativ fiel allerdings auf, dass der Abstand zwischen den drei Top Teams und den Verfolgern brutal groß ist. Nach nur 18 Runden lag Magnussen schon 28 Sekunden zurück. Man verliert also mehr als eine Sekunde pro Runde. Bei McLaren ist es noch mehr, hier betrug der Abstand nach 18 Runden sogar 38 Sekunden. Und das auf einer Strecke, auf der es eigentlich nur um die reine Motorleistung geht.

Die Strecke in Melbourne ist aber wegen seiner speziellen Charakteristik kein guter Gradmesser für die Gesamtperformance eines Teams. Das gilt vor allem für Red Bull, die in Bahrain sehen werden, wie stark ihr Chassis im Vergleich mit den anderen sein wird. Die Wahrheit in Sachen Abstände wird es also erst in 14 Tagen in Bahrain geben. Klar ist, dass Mercedes vorne mit einem Polster in die neue Saison startet und das auf Ferrari einiges an Arbeit wartet.

Alle Daten des Rennens zum nachlesen.

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.

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3 Kommentare

nona 26 März, 2018 - 08:35

Überraschend fand ich, wie schwierig das Überholen für die Mercedes war, wie früher auch schon so oft. Allein vom Speed hätte Hamilton mit einer halben Sekunde pro Runde den Ferraris wegsprinten können, was man nicht tat sondern mal wieder dezente cruise control auf Abstand praktizierte (wie auch schon öfters früher, aus diversen Gründen – vielleicht werden sie diese Teamphilosophie ja jetzt mal überdenken…). Aber sobald er hinter Vettel hing, verhunzte er sich direkt Reifen und Motortemperatur und kam nicht vorbei (trotz ATTACK-Mode im Dashboard…). Auch Bottas ging hinten im Feld keineswegs wie das warme Messer durch die Butter. Schon etwas komisch.

Dirk 26 März, 2018 - 09:53

Ich hätte da eine kleine Korrektur: Das Alonso vor Hülkenberg lag, liegt nicht an der Startposition, sondern auch am VSC. Hülkenberg lag eigentlich vor Alonso und Verstappen nach seinem Dreher, dann aber stoppte er, lag hinter beiden, und dann kam das VSC, was sowohl Alonso und Verstappen ausnutzten. Dadurch lagen die beiden dann wieder vor Hülkenberg. Van Doorne stoppte auch, hatte aber nicht genug Vorsprung vor Hülkenberg. Vielleicht musste er sich auch anstellen wegen eines Doppelstops bei McLaren, das weiß ich nicht.

DonDahlmann 26 März, 2018 - 11:29

Danke für den Hinweis, Dirk!

Ja, überholen ist schwierig. War letztes Jahr aber schon so, egal welche Strecke. Wenn man nicht 1.5 bis 2 Sekunden schneller ist, dann geht es nicht voran. Die Gründe dafür: dirty air und kürzere Bremswege durch die breiteren Reifen.

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