Nach der Pole-Position folgte der Sieg: Naoki Yamamoto gewann den packenden Saisonauftakt der Super Formula in Suzuka vor Yuhi Sekiguchi und Tomoki Nojiri. Überschattet wurde das Wochenende vom plötzlichen Tod des langjährigen LeMans-Chefingenieurs Kenji Yamada am Sonntagmorgen. Ein Nachruf auf eine der größten Persönlichkeiten des japanischen Motorsports befindet sich am Ende der Analyse.
Bei Naoki Yamamoto läuft es derzeit einfach rund: Im Februar wurden er und seine Frau Eri Kano Eltern zwei gesunder Zwillingsmädchen. Anfang April eroberte er zusammen mit seinem Teamkollegen Jenson Button den Silberrang beim Auftakt der Super GT in Okayama. Nun der dritte Streich: Der Sieg beim Super-Formula-Start in Suzuka – sein erster Triumph seit dem Saisonauftakt im Jahr 2016. Das Familienglück hat den 29-Jährigen somit gewiss nicht verlangsamt. Stattdessen wirkt Yamamoto motivierter als sonst, nachdem er die letztjährige Saison im Schatten des jetzigen Formel-1-Fahrers Pierre Gasly als „frustrierend“ abstempelte. Trotz des vielen Pechs sowie der einschleichenden Fehler, konnte der Mugen-Pilot laut eigener Aussage viel positives Lernmaterial aus der vergangenen Saison ziehen. Das Ergebnis demonstrierte er eindeutig in Suzuka mit der perfekten Ausbeute von elf wichtigen Meisterschaftspunkten.
Dabei war es nicht nur Naoki Yamamoto, der Muskeln zeigte. Das gesamte Honda-Lager wirkte deutlich erstarkt, was nicht nur die Toyota-befeuerten Piloten überraschte. Der Qualifying-Samstag verwandelte sich gar zu wahren Honda-Festspielen mit einem Monopol auf die Top-5. Erster Toyota-Pilot war Titelverteidiger Hiroaki Ishiura, der die sechstschnellste Zeit fuhr. Und obgleich das Rennergebnis etwas vermischter ausfiel, so bleibt die Erkenntnis, dass Honda über den Winter nochmals zulegen konnte. Bereits letztes Jahr feierte die Marke, welche fünf der elf Super-Formua-Teams mit ihrem 2,0l Vier-Zylinder-Turbomotor beliefert, dank der Leistung von Pierre Gasly mehrere Erfolge. Über die Winterpause wurde abermals an der Fahrbarkeit sowie der Leistung des Aggregats gewerkelt. Und obgleich die Verantwortlichen den Mantel des Schweigens über die weiteren Details hüllen, so könnte die aus der Formel 1 bekannte Turbulent Jet Ignition (TJI) hier ebenfalls eine Rolle spielen, durch welche nicht nur der Benzinverbrauch, sondern auch die Leistung des Motors erhöht werden kann. Hintergrund: Honda war die erste Marke, welche besagtes Verfahren laut Insider-Berichten in der Super GT einführte. Die in der Super Formula verwendeten Antriebe sind, abgesehen von einigen minimalen Unterschieden, die gleichen wie auch in der japanischen GT-Meisterschaft. Unklar ist allerdings, welche der Ausbaustufe derzeit in der Monoposto-Serie verwendet wird, da sowohl Honda wie auch Toyota in der Vergangenheit oftmals einige Monate länger brauchten, bis die in der Super GT erprobte Variante auch in der Super Formula verwendet wurde. Zwar haben auch Toyota sowie Nissan bereits in Sachen TJI nachgezogen. Dennoch scheint Honda durch ihre frühe Adaption im Vorteil zu sein. Fest steht: Honda konnte den einstigen Vorsprung des Toyota-Lagers schließen, womit die Frage bleibt: War Suzuka ein Ausblick auf eine spannende wie auch abwechslungsreiche Saison?
Den Grundstein für seinen Erfolg legte Naoki Yamamoto direkt am Start, als er die Pole-Position vor Teamkollege Nirei Fukuzumi verteidigte. Der Red-Bull-Athlet verpasste den vordersten Startplatz in seinem allerersten Super-Formula-Rennen um lediglich 0,080 Sekunden. Dahinter ließ Tomoki Nojiri die Kupplung zu sehr schleifen, wodurch er zunächst von der dritten auf die sechste Position zurückfiel. Nakajima-Racing-Neuzugang Takuya Izawa erbte den Bronzerang, wurde kurz darauf aber bereits von Koudai Tsukakoshi überholt. Der Real-Racing-Pilot war mit dem fünften Startplatz eine der größten Überraschungen der Qualifikation. Dabei wäre der Japaner knapp an der Q2-Hürde gescheitert, als Ryo Hirakawa vor der Degner-Kurve abflog und kurz vor Schluss für eine Unterbrechung sorgte. Zu dem Zeitpunkt hatte Tsukakoshi noch keine Zeit gesetzt. Die Rennleitung addierte drei Minuten auf die Gesamtzeit, um den Piloten noch eine fliegende Runde zu ermöglichen. Somit gelang dem 31-Jährigen doch noch der Sprung in den finalen Qualifikations-Teil. In der dritten Runde krallte sich Koudai Tsukakoshi mit einem starken Manöver auch noch den Silberrang von Nirei Fukuzumi. Sofort nahm er die Verfolgung von Naoki Yamamoto auf, dem er rund zehn Runden am Heck klebte. Schnell wurde klar: Tsukakoshi war auf einer Zwei-Stopp-Strategie unterwegs. Mit weniger Benzin als seine direkten Konkurrenten an Bord, versuchte er so die Führung zu übernehmen. Yamamoto ließ sich davon jedoch nicht beirren und verteidigte die vorderste Position. Nach zehn Umläufen gelang es ihm schlussendlich, sich von seinem Landsmann abzusetzen.
Interessanterweise starteten mit Naoki Yamamoto, Nirei Fukuzumi, Tomoki Nojiri, Takuya Izawa, Koudai Tsukakoshi sowie Hiroaki Ishiura alle Top-6-Piloten mit den Medium-Reifen von Serienausstatter Yokohama. Hinzu gesellten sich Narain Karthikeyan, James Rossiter und Pietro Fittipaldi. Der Rest ging hingegen mit der neuen weichen Mischung ins Rennen. Tsukakoshi war derweil nicht der einzige Pilot, der auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzte. Bereits im zwölften Umlauf, zwei Runden vor dem errechneten Boxenstopp-Fenster, begab sich der von Platz 13 gestartete Kenta Yamashita zu seiner Mannschaft, um vier frische Medium-Reifen aufzuziehen. In den darauffolgenden Runden sollten weitere Piloten wie Nobuharu Matsushita, Nick Cassidy und Katsumasa Chiyo folgen, die im hinteren Feld mit den weichen Reifen gestartet und folgend auf den Medium-Gummi wechselten. Am Ende der 18. Runde bog mit Nirei Fukuzumi der erste Pilot aus den vorderen Positionen zum Service ab. Einen Umlauf darauf tat es ihm Koudai Tsukakoshi gleich, der sich vier frische Softs aufschnallte. Dies ließ den Real-Racing-Piloten zunächst auf den achten Rang, 41 Sekunden hinter dem führenden Naoki Yamamoto, zurückfallen. Team Mugen roch den Braten der Zwei-Stopp-Strategie und ließ sich entsprechend nicht zu einem vorzeitigen Boxenstopp hinreißen. Stattdessen umrundete Yamamoto den Suzuka Circuit wie ein Uhrwerk.
Dramatisch wurde es in der 25. Runde, als Yuhi Sekiguchi nach seinem einzigen Boxenstopp auf kalten Reifen seine Position gegen Impul-Teamkollege Ryo Hirakawa verteidigte. Letzterer witterte seine Chance in der Haarnadel-Kurve, just die gleiche Stelle, an der er zuvor bereits eine Position mit einem starken Manöver gutmachte. Dieses Mal ging es jedoch schief: Der amtierende Super-GT-Meister stach in eine viel zu kleine Lücke herein. Es krachte – und Hirakawas Comeback endete mit einem kaputten Auto im Kies. Sekiguchis SF14-Bolide überstand den heftigen Schlag auf die linke Vorderradaufhängung hingegen komplett schadlos. Tatsächlich brannte der 30-Jährige direkt im Anschluss seine persönliche Bestzeit in den Asphalt – und legte damit einen weiteren Grundstein für seinen letztendlichen Silberrang-Erfolg. Ryo Hirakawa nahm den Crash auf seine Kappe und entschuldigte sich im Anschluss an das Rennen für den Fehler. Gleichzeitig bekräftige er aber auch, dass seinen aggressiven Fahrstil beibehalten werde. Worte, die wie Musik in den Ohren von Impul-Teamchefs Kazuyoshi Hoshino klingen dürften, schließlich agierte die japanische Formel-1-Legende zu seiner aktiven Zeit sehr ähnlich. Über den Unfall mit dem eigenen Teamkollegen wird er dennoch ein kurzes Wörtchen mit Hirakawa gesprochen haben.
In der 30. Runde brachte Tomoki Nojiri die Boxenstopp-Sequenz der führenden Piloten ins Rollen. Jeweils einen Umlauf später folgten Takuya Izawa, Nirei Fukuzumi, der nach seinem Wechsel hinter einem immer schneller werdenden Yuhi Sekiguchi herauskam, sowie letztlich Naoki Yamamoto. Dies ermöglichte Koudai Tsukakoshi kurzzeitig Führungsluft zu schnuppern, was wegen des noch ausstehenden zweiten Boxenbesuchs jedoch nur von kurzer Dauer war. Just als Naoki Yamamoto die Mugen-Crew wieder verließ, klemmte es plötzlich im Getriebe von Teamkollegen Nirei Fukuzumi. Im sechsten Gang feststeckend, musste der Red-Bull-Athlet enttäuscht seinen Wagen vorzeitig in der Garage abstellen. Trotz des Pechs konnte der 21-jährige Japaner sein Talent am vergangenen Wochenende unter Beweis stellen. Seine Revanche wird allerdings auf sich warten lassen. Wegen gleich drei Terminüberschneidungen mit der Formel 2, wird Fukuzumi die kommenden Rennen in Autopolis, Sugo sowie Fuji verpassen. Als Ersatz stehen Sena Sakaguchi sowie Daniel Ticktum bereit. Letzterer soll den Gerüchten zufolge im Sportsland Sugo sowie am Fuji Speedway ins Cockpit klettern.
In Runde 35 absolvierte Koudai Tsukakoshi seinen finalen Boxenstopp, der ihn zunächst auf die neunte Position zurückwarf. Die aufgeschnallten Soft-Reifen ausnutzend, arbeitete er sich jedoch auf die sechste Position vor. Bis zum Rennende duellierte er sich mit seinem ehemaligen Teamkollegen Takuzya Izawa um den fünften Rang, fand letztlich allerdings keinen Weg an ihm vorbei. Entsprechend gemischt waren die Gefühle hinterher. Obgleich Real Racing nach einem schwachen 2017 endlich wieder ein Top-Resultat feierte, war man angesichts der vierten Startposition nicht komplett zufrieden. Fraglich ist, ob Tsukakoshi mit lediglich einem einzelnen Boxenstopp ein besseres Resultat hätte herausfahren können. Auf dem Papier wirkte diese nämlich schneller, auch weil Tsukakoshi pro Runde mindestens 0,8 Sekunden schneller hätte sein müssen, um einen Vorteil aus Zwei-Stopp-Taktik zu ziehen. Zwei Umläufe nach Koudai Tsukakoshi absolvierte Kenta Yamashita seinen finalen Stopp. Der Kondo-Racing-Pilot verpasste auf dem neunten Rang hinter Kazuki Nakajima die Punkteränge nur knapp, konnte dank der gewählten Taktik jedoch insgesamt vier Positionen im Rennen gewinnen.
Kurz vor Schluss wurde es noch mal spannend: Da Naoki Yamamoto langsam die maximale Lebensdauer seiner weichen Reifen erreichte, holte der vom 14. Platz gestartete und mit den Medium-Pneus ausgestattete Yuhi Sekiguchi bedrohlich auf. Was einst ein Vorsprung von über zehn Sekunden war, schrumpfte in der 48. Runde auf 5,8 Sekunden. Der Abstand purzelte weiter: 3,3 Sekunden, 2,6 Sekunden – Sekiguchi flog mit Siebenmeilenstiefeln heran. Am Ende überquerte Yamamoto mit lediglich 1,7 Sekunden Vorsprung die Ziellinie. „Das war knapp“, erklärte ein sichtlich erfreuter Naoki Yamamoto auf der anschließenden Siegerpressekonferenz. Er lobte das komplette Team für ein perfektes Wochenende, erklärte gar, dass ihm abermals die Wichtigkeit des mannschaftlichen Zusammenhalts Bewusst wurde. Dass Sekiguchi am Ende so schnell aufholte, überraschte den Mugen-Piloten: „Dies ist definitiv etwas, was wir in den kommenden Rennen verbessern müssen.“ Für Naoki Yamamoto war es der vierte Karriereerfolg in der Super Formula, die der Suzuka-Spezialist passenderweise allesamt auf der Grand-Prix-Strecke einfuhr.
Yuhi Sekiguchi musste sich nach einer beherzigten Aufholjagd mit dem zweiten Platz begnügen. Den Sieg in greifbarer Nähe, gab sich der Impul-Pilot mit seinem bis dato besten Suzuka-Resultat dennoch glücklich: „Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Wir haben zwei Rennen pro Jahr in Suzuka, deshalb ist es schwierig, wenn man hier keine guten Ergebnisse einfahren kann.“ Die Performance des 30-Jährigen erinnerte an seine Triumphfahrt im Sportsland Sugo 2016, als er mit Schumacher-esken Qualifying-Runden eine späte Safety-Car-Phase überwand und trotz seines noch ausstehenden Boxenstopps dennoch gewann. Vergangenes Jahr erlebte Sekiguchi einen durchwachsenen Saisonstart. Wie auch Naoki Yamamoto unterstrich er vergangenes Wochenende jedoch seine diesjährigen Titelambitionen.
Trotz des Fehlers am Start kämpfte sich Tomoki Nojiri auf den Bronzerang zurück. Für den 28-jährigen Dandelion-Racing-Piloten war es das fünfte Podiumsresultat seiner Karriere. „Ich möchte mich beim gesamten Team sowie Honda für die Arbeit und Unterstützung bedanken, die es mir ermöglicht haben, wieder aufs Podium zurückzukehren.“ Tatsächlich erklomm der Japaner seit seinem Debüt im Jahr 2014 mindestens einmal pro Saison das Treppchen. 2017 riss die Serie jedoch, als Tomoki Nojiri ein sprichwörtliches Seuchenjahr erlebte. Titelverteidiger Hiroaki Ishiura verpasste nach einem laut ihm schwierigen Rennen das Podium auf dem vierten Rang nur knapp. Grund hierfür war die Reifenwahl am Start. Wohlwissend, dass die hinter ihm platzierten Piloten nahezu allesamt mit dem weichen Gummi ins Rennen gingen, entschied er sich für die Medium-Reifen. Mit weniger Grip flog er somit zunächst auf die zehnte Position zurück, konnte sich in der zweiten Rennhälfte allerdings bis auf die vierte Position vorarbeiten. Am Ende erhöhte er gar den Druck auf Tomoki Nojiri, fand jedoch keinen Weg an ihm vorbei. Anders hingegen das Rennen von Ishiuras Teamkollegen Yuji Kunimoto, der nur 13. wurde. Grund war ein Problem beim Betanken, weshalb der Meister von 2016 in der 42. Runde nochmals für einen kurzen Splash & Dash hereinkommen musste.
Takuya Izawa feierte einen hervorragenden Einstand bei Nakajima Racing, indem er mit Platz fünf das beste Resultat für das Team seit Daisuke Nakajimas Silberrang im Sportsland Sugo 2016 einfuhr. Am Ende setzte er sich gegen den zweimalig stoppenden Koudai Tsukakoshi durch. Nick Cassidy und Kazuki Nakajima komplettierten die Punkteränge. Insbesondere Cassidy hatte einen Grund zu feiern, da er lediglich vom 15. Platz ins Rennen ging. Noch während der Qualifikation kommentierte er, dass man mit Problemen außerhalb der eigenen Kontrolle zu kämpfen hätte. Mit zwei Meisterschaftszählern in der Tasche war der amtierende Super-GT-Champion aus Neuseeland nach Yuhi Sekiguichi gleichzeitig auch der Pilot mit den am meisten im Rennen gewonnen Plätzen. Kazuki Nakajimas Teamkollege James Rossiter, der nach einem Sabbatjahr in Suzuka sein Comeback feierte, kam mit der schnellsten Runde des Rennens im Gepäck auf dem elften Rang ins Ziel.
Der ehemalige Formel-2-Pilot Nobuharu Matsushita beendete seine Super-Formula-Premiere auf dem zwölften Rang. Dass deutlich mehr möglich gewesen wäre, bewies der Dandelion-Fahrer in der Qualifikation, als er nach einer beeindruckenden Runde das Klassement in Q1 annführte. Der Abflug von Ryo Hirakawa erwischte den 24-Jährigen jedoch am falschen Fuß, der just auf seiner schnellen Runde war, als die rote Flagge geschwenkt wurde. In den drei Zusatzminuten gelang es ihm nicht, die vorherige Pace wiederzufinden. Im Rennen erlebt Matsushita zudem noch eine kleine Schrecksekunde, als er kurzzeitig die Kontrolle über sein Fahrzeug in der Degner-Kurve verlor. Trotz des Resultats bewies der vierfache Formel-2-Sieger seine Adaptionsfähigkeit. Für den kommenden Lauf auf dem Autopolis Circuit am 13. Mai gibt er sich entsprechend kampfeslustig. Pietro Fittipaldi, der wegen seines IndyCar-Engagements die beiden bevorstehenden Rennen im Mai verpassen und von Tom Dillmann ersetzt wird, beendete sein Super-Formula-Debüt nach einem Reifenschaden auf dem 16. Platz. Für Uomo Sunoco Team LeMans war es schwieriges wie auch leider tragisches Wochenende zugleich.
Ergebnis Round 1 Suzuka
Aktueller Meisterschaftsstand
Nachruf: Kenji Yamada (1964-2018)
Vergangenen Montag verkündete Team LeMans die tragische Nachricht, dass ihr langjährige Chefingenieur Kenji Yamada am Sonntagmorgen im Alter von 54 Jahren verstarb. Noch bis nach der Qualifikation am Samstag arbeitete Kenji Yamada zusammen mit dem Team sowie seinem Schützling Kazuya Oshima in Suzuka an der Strategie für den Super-Formula-Saisonauftakt. Sein plötzlicher Tod löste große Trauer in der japanischen Motorsportfamilie aus. Kenji Yamada liebte das Racing. 1964 in Gotemba, nahe des Fuji Speedways, geboren, arbeitete er bereits als High-School-Schüler als Teilzeitkraft bei einem Rennteam. Zunächst eine Karriere als Buchhalter mit einem Studium an der Universität eingeschlagen, zog es ihn anschließend letztlich doch in den Motorsport zurück. Nachdem er als Mechaniker für das Formel-1-Team von Leyton House arbeitete, wanderte er 1991 zu TOM’s Racing. Zunächst als Mechaniker, später als Ingenieur für die Formel-3-Mannschaft des japanischen Traditionsrennstalls zuständig, half Kenji Yamada in den folgenden 18 Jahren vielen jungen Talenten wie Tatsuya Kataoka, Hiroaki Ishiura, Kazuya Oshima sowie Kazuki Nakajima auf dem Weg in die nationale wie auch internationale Motorsportwelt. Bei seinem letzten Auftritt mit TOM’s im Jahr 2008 führte er Keisuke Kunimoto zum erst zweiten Sieg eines Japaners nach Takuma Sato beim prestigereichen Formel-3-Grand-Prix in Macau.
2009 wechselte Kenji Yamada zu LeMans, wo er den Posten als Chefingenieur sowohl in der Super GT wie auch Formula Nippon (heute Super Formula) übernahm. Bereits in seinem zweiten Jahr lenkte er die GT500-Mannschaft mit drei Podiumsresultaten zu ihrem besten Ergebnis seit 2004. In einem sehr emotionalen Eintrag auf seinem persönlichen Blog erinnert sich Hiroaki Ishiura an seine damalige Formel-3-Zeit zurück, als er zusammen mit Kazuya Oshima und Kenji Yamada in einer kleinen Wohnung zusammenlebte. Yamada brachte ihm vieles bei, über unterschiedliche Dämpfereinstellungen hin zu Methoden, um Daten besser auszuwerten. Bei Mitternachts-Drinks unterhielten sie sich bis in die Morgenstunden über das Rennfahren. Ishiura erinnert sich, dass er nach seinem Aufstieg in Japans höchste Formel-Kategorie mit Adaptionsschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Doch egal wann, Kenji Yamada hatte immer ein Ohr für ihn. Gemeinsam werkelten sie an den Setups. Und selbst als Ishiura zu anderen Teams weiterzog, stand ihm Yamada immer mit Rat zur Seite.
Doch letztlich war es Kazuya Oshima, der den größten Einfluss auf Kenji Yamadas Karriere nehmen sollte. Mit vollem Elan half er Oshima bei der Ausbildung zum Rennfahrer, erzählt Ishiura. Er half ihm beim Englischunterricht, baute den Kontakt zu Toyota auf und sandte ihn 2008 gar in die Formel 3 Euro Series – just eine Saison nachdem er zusammen mit Hiroaki Ishiura die GT300-Meisterschaft der Super GT gewann. 2011 sah die Wiedervereinigung von Kenji Yamada mit seinem Schützling Kazuya Oshima, der LeMans sowohl in der Super GT wie auch Formula Nippon beitrat. Unter der Führung seines Mentors gelang Oshima der fünfte Tabellenrang am Ende des Jahres. Ein Jahr darauf sah er seinen Schützling zusammen mit Daisuke Ito die oberste Stufe des Super-GT-Podiums im Sportsland Sugo erklimmen – der erste Sieg für Team LeMans seit neun Jahren. Es war ein wahrhaftig emotionaler Moment, bei dem Kazuya Oshima die Tränen nicht zurückhalten konnte. Ein Jahr später führte er seinen Ziehsohn Oshima zu einem weiteren GT500-Triumph, als dieser mit seinem damaligen Teamkollegen Yuji Kunimoto beim Saisonfinale in Motegi obsiegte.
2016 und 2017 stellten Kenji Yamadas erfolgreichste Zeit bei Team LeMans in der Super GT dar. Zusammen mit dem dreifachen GT500-Meister Juichi Wakisaka, der fortan die Rolle des Teamchefs übernahm, eroberte das neue Fahrergespann Kazuya Oshima und Andrea Caldarelli den Silber- sowie Bronzerang in beiden Jahren. Ein Sieg blieb zwar aus. Mit sechs Podiumsresultaten gehörte die Mannschaft allerdings zu den stärksten der beiden letzten Saisons. Anfang 2018 stoß Multitalent Felix Rosenqvist zu Team LeMans hinzu. Zusammen mit Kazuya Oshima eroberte er beim Saisonauftakt in Okayama den vierten Rang.
In der Super Formula war es Loic Duval, der Kenji Yamada seinen bislang letzten Triumph bescherte. Der Champion von 2009 war in den Jahren 2013 und 2014 im Dienste von LeMans tätig. In dieser Zeit fuhr der Franzose zwei Siege ein, darunter das historische Foto-Finish im Sportsland Sugo 2013, als Duval mit lediglich 0,041 Sekunden vor André Lotterer gewann. In den darauffolgenden Jahren diente Kenji Yamada als Mentor von Kamui Kobayashi, ehe er 2017 mit seinem Schützling Kazuya Oshima auch in der höchsten asiatischen Formel-Serie wiedervereint wurde. Für 2018 hatte der LeMans-Chefingenieur viele Pläne. Beim Saisonstart in Suzuka tüftelte er nach der Qualifikation bis in die Abendstunden an der Strategie, ehe er am Sonntagmorgen plötzlich verstarb. Team LeMans zog zunächst einen Rückzug beider Autos in Betracht. Allerdings war man der Meinung, dass es Kenji Yamadas Wunsch gewesen wäre, sie bis zum Ende kämpfen zu sehen. Es war ein schwieriger und sehr emotionaler Sonntag für das Team und insbesondere Kazuya Oshima, der auf dem 15. Rang die Zielflagge sah. Hiroaki Ishiura zollte seinem Toyota-Kollegen Respekt, beschrieb seine Fahrt unter diesen tragischen Umständen als absolut professionell: „Er ist wahrhaftig ein von Kenji Yamada großgezogener Fahrer.“
Mit dem Tod von Kenji Yamada verlor der japanische Motorsport eine seiner größten und charismatischsten Persönlichkeiten. Stets ein Lächeln auf dem Gesicht, war Yamada für viele mehr als nur ein Mentor. Mit seinen Kenntnissen sowie Fingerspitzengefühl führte er mehrere Piloten als Mechaniker sowie später als Ingenieur zu vielen Erfolgen. Die durch sein Ableben entstandene Lücke ist groß. Sein Erbe lebt jedoch weiter. Im Namen des gesamten Racingblog-Teams möchte ich Kenji Yamadas Familie, Team LeMans sowie seinen Freunden und Bekannten mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Ruhe in Frieden, Kenji Yamada.
Copyright Photos: Japan Race Promotion, Toyota Gazoo Racing, Team LeMans