Mit dem Sieg beim Indy 500 krönte Will Power seine bisherige Karriere. Aus dem ehemaligen reinen Stadt- und Rundkursexperten ist mittlerweile ein sehr starker Ovalpilot geworden. Es war immerhin sein vierter Sieg in den letzten elf Ovalrennen.
Team Penske und besonders Will Power hatten insgesamt einen sehr guten Monat. Schon den Indianapolis Grand Prix am 12. Mai hatte der Australier für sich entschieden. Er ist damit auch der erste Fahrer, der Grand Prix und das Indy 500 in einem Jahr gewinnen konnte. Auch in den Trainings auf dem Oval waren Josef Newgarden, Simon Pagenaud, Helio Castroneves und Will Power durchgehend weit vorne zu finden. In der Qualifikation mussten sie sich nur Ed Carpenter geschlagene geben, der auch die ersten 70 Runden des Rennens dominieren sollte. Schnell zeigte sich dabei, dass das Racing mit der neuen Aerodynamik komplett verändert wurde.
Die 500 Meilen Rennen der letzten Jahre in Indianapolis und Pocono waren geprägt durch enge Windschattenduelle. Fast jede Runde kam es am Ende der langen Geraden zu Überholmanövern. Durch die Reduzierung des Abtriebs war ein dichtes Hinterherfahren in den Kurven, wie auch das Überholen aus dem Windschatten, nicht mehr so einfach möglich. Wie bei einem üblichen NASCAR-1,5-Meilen-Rennen zog sich das Feld schnell in die Länge und die Abstände zwischen den einzelnen Wagen pendelten sich zwischen 1,5 und 2 Sekunden ein. Die hohen Temperaturen von über 30 °C erschwerten die Arbeit der Fahrer nochmals. Viele klagten darüber über mangelnden Gripp an der Vorderachse. Andere litten hingegen unter einem sehr nervösen Heck. Dies hatte eine Vielzahl von Unfällen zur Folge.
Nicht Opfer seines eigenen Wagens war als einziger dabei Takuma Sato. James Davison war mit einem fast unfahrbaren Wagen sehr langsam unterwegs. Viele Fahrer konnten ihm, teilweise in recht haarigen Situationen, ausweichen. Das Team oder die Rennleitung hätte ihn schon früher an die Box holen müssen. Er war mehr oder weniger nur eine rollende Schikane. Sato hatte dann das Pech im Ausgang von Kurve 4 auf Davison aufzufahren. Er überschätze dabei die Geschwindigkeit Davisons und fuhr auf. Im Windschatten, und so mit mangelnden Abtrieb an der Vorderachse, war ein Ausweichen auch nicht mehr möglich.
Die anderen Unfälle folgten einem ganz anderen Muster. Die Fahrer verloren alle ihre Wagen in den Kurven ohne direkten äußeren Einfluss. Nur drei Runden nach dem Restart in Folge des Davison-Sato-Crashs verlor Ed Jones in Kurve 2 ganz plötzlich das Heck seines Wagens und er schlug hart in die Wand ein. Die erste Vermutung der Kommentatoren war ein Bruch der Radaufhängung. Kurz nach dem Restart verunfallte Danica Patrick an fast gleicher Stelle auf gleiche Art und Weise. Ein technischer Defekt war somit für diese beiden Unfälle auszuschließen. Für Danica Patrick war es natürlich ein sehr unschönes Ende ihrer Karriere.
In Runde 138 ging es mit Sebastien Bourdais weiter. Diesmal war Kurve 4 der Ort des Geschehens. Nur eine Runde unter Grün später folgte Helio Castroneves. Er konnte den Einschlag außen in Kurve 4 verhindern, schlug aber Innen im Eingang der Boxengasse in die Mauer ein. Auch für den Brasilianer kann es ein unrühmliches Ende einer großen IndyCar-Karriere sein. Im Interview direkt nach dem Crash flehte Castroneves seinen Chef Roger Penske an, ihm auch im nächsten Jahr zum Indy 500 zubringen. Als vorerst letzter Fahrer folgte Sage Karam in Runde 155 der Linie von Bourdais und Castroneves in Kurve 4.
Durch die ganzen Unfälle mit den entsprechenden Cautions entwickelte sich eine sehr spannende strategische Situation. Die Patrick-Caution nutzte eine Gruppe von Fahrern, mit Josef Newgarden, Robert Wickens und Carlos Munoz als bestplatzierte, für einen Boxenstopp außerhalb der üblichen Sequenz. Die Teams hatten ausgerechnet, dass man ab diesem Zeitpunkt mit noch drei weiteren Stopps das Ziel erreichen kann. Auch alle anderen Wagen mussten noch mindestens dreimal zum Nachtanken kommen. Der Vorteil eines zusätzlichen Stopps in Runde 70 war, dass die folgenden Stints kürzer waren und man damit theoretisch über bessere Reifen als das restliche Feld verfügen sollte. Einen gegenteiligen Ansatz wählte man bei Dale Coyne Racing und Sebastien Bourdais. Er war, wie alle anderen Fahrer auch in Runde 50 (Davison-Sato-Caution) an der Box. Bourdais streckte dann seinen dritten Stint bis auf Runde 97 und damit drei Runden länger als Will Power und Co., und den vierten bis Runde 133. In diesem Rhythmus hätte er nur noch einen weiteren Stopp bis ins Ziel benötigt, während Power und Co., ohne längere Gelbphasen, noch zweimal hätten nachtanken müssen. Durch den Unfall in Runde 139 wurde diese strategische Meisterleistung leider negiert.
Aber auch nach dem Bourdais-Crash gingen die Strategie-Schlacht an den Kommandoständen weiter. Chip Ganassi Racing holte Scott Dixon in Runde 160 (Karam-Caution) für einen letzten Stopp an die Box. Ein Stint über 40 Runden unter Grün war natürlich ziemlicher Wahnsinn. Aber Dixon ist nun mal der Großmeister des Benzinsparens und man rechnete sicherlich mit weiteren Gelbphasen. Außerdem hatte man nicht so viel zu verlieren. Dixon hatte keinen siegfähigen Wagen. Gegen die Chevrolets von Ed Carpenter Racing und Team Penske, sowie den Hondas von Andretti Autosport, war man chancenlos. Er hielt sich zwar durchgehend in den Top-10, aber ein Griff in Richtung Top-5 war nicht möglich. Mit Scott Dixon versuchten sich auch Stefan Wilson, Jack Harvey und Oriol Servia an dieser Benzin-Spar-Strategie.
Wenn so viele Teams versuchen über die Strategie erfolgreich zu sein, muss es auch eine Gruppe von Fahrern geben, die das über ihren Speed lösen wollen. Über die ersten 90 Runden bildeten die Chevrolets von Ed Carpenter, Tony Kanaan und Will Power die Spitze dieser Gruppe. Es folgten Simon Pagenaud, Helio Castroneves, Josef Newgarden (vor seinem Strategiewechsel) und mit Ryan Hunter-Reay auch der beste Andretti-Honda. Tony Kanaan viel aus Spitzengruppe mit einem schleichenden Luftverlust in einem Hinterreifen, der einen zusätzlichen Stopp nötig machte. Leider konnte sich der beliebte Brasilianer nicht wieder nach vorne arbeiten. Dies gelang hingegen Alexander Rossi. Durch den miserablen Qualifikations-Versuch ging er nur von Startplatz 32 ins Rennen und vor der ersten Caution stand er kurz vor der Überrundung. Im Laufe des Rennens wurde sein Wagen immer besser und er konnte damit auch überholen. Nach den Restarts hat er teilweise fünf Wagen außenherum in den Kurven 1 und 2 stehen lassen. Zum Restart nach Runde 160 hatte er sich bis auf Platz 3 hinter Will Power und Ed Carpenter vorgearbeitet. Carpenter ließ sich aber außen nicht überrumpeln. Simon Pagenaud, Ryan Hunter-Reay und Marco Andretti komplettierten die Top-6. Sie alle mussten aber gegenüber Scott Dixon einen Boxenstopp herausfahren.
Will Power, der sich während der Boxenstoppsequenz um Runde 93 die Führung der „Schnellen-Gruppe“ holen konnte, fuhr in Runde 171 zu seinem letzten Stopp an die Box. Er kam mit etwa 15 Sekunden Rückstand auf Scott Dixon wieder auf die Strecke. Mit neuen Reifen für Power und dem Benzinsparen von Dixon war der Geschwindigkeitsunterschied aber enorm. In Runde 184 zog Will Power relativ problemlos an seinem langjährigen Kontrahenten vorbei. Vor ihm bildeten Oriol Servia, Stefan Wilson und Jack Harvey die Spitze des Rennens. Ohne Caution war es nicht möglich, dass diese drei ohne Stopp das Ziel erreichen würden und diese letzte Gelbphase löste dann in Runde 189 Tony Kanaan in Kurve 2, vergleichbar zu Danica Patrick und Ed Jones, aus. Das Rennen wurde so durch einen Sprint über 7 Runden entschieden.
Beim Restart ging Stefan Wilson in Kurve 1 an Oriol Servia für die Führung vorbei. Will Power war klar schneller als die drei Piloten vorne, aber das Überholen war halt nicht einfach. In Runde 194 schnappte er sich in Kurve 1 Servia und schloss schnell die Lücke zu Harvey. Aber auch Runde 195 überstanden Wilson und Harvey noch an der Spitze. Dann beendeten die Teams aber den Fuel-Gamble und holten ihre Fahrer an die Box. Will Power erbte so die Führung vor Ed Carpenter, der beim Restart Scott Dixon überholt hatte. Mit der Benzinspar-Strategie sicherte man Dixon Platz 3, der er mit normaler Strategie niemals erreichbar gewesen wäre. Auf den Plätzen 4, 5 und 7 folgten mit Alexander Rossi, Ryan Hunter-Reay und Carlos Munoz ein großer Teil von Andretti Autosport. Nach der verpatzten Qualifikation wieder ein tolles Mannschaftsergebnis. Auf Platz 6 dazwischen konnte sich Simon Pagenaud platzieren.
Für Josef Newgarden zahlte sich die alternative Strategie nicht aus. Er lag auf Platz 3 beim Strategiewechsel, Munoz auf Platz 16, und erreichte am Ende nur Platz 8. Mit Robert Wickens folgte der nächste Fahrer auf dieser Strategie und er war mal wieder der beste Rookie. Graham Rahal, der auch ein gutes Rennen zeigte, komplettierte die Top-10. Der beste Teilzeit-Pilot hinter Carlos Munoz war J.R. Hildebrand auf Platz 11. Beide sind ausgewiesene IMS-Spezialisten und so sind diese Platzierungen keine Überraschung. Überzeugende Leistungen brachten Matheus Leist und Gabby Chaves die Plätze 13 und 14 ein. Die drei vergeblichen Benzinsparer Stefan Wilson, Jack Harvey und Oriol Servia bildeten auf den Plätzen 15 bis 17 das Ende der Führungsrunde. Ein Unfall und entsprechende Gelbphase in den letzten sieben Runden hätte einem von ihnen aber durchaus auch den Sieg bringen können.
Das ganze Ergebnis kann man auf der Homepage der IndyCar-Series als PDF nachlesen.
Die diesjährige Saison ist ein Neuanfang für die IndyCar-Series. Die bisherigen Stadt- und Rundkursrennen waren sehr spektakulär und geprägt von unzähligen Überholmanövern. Die 500 Meilen von Indianapolis waren im Vergleich zu den Vorjahren eher unspektakulär und Überholmanöver an der Spitze gab es nur direkt im Anschluss von Gelbphasen und dann auch nur sehr selten. Auch gab es kein so packendes Finish wie 2017 oder wie bei den IndyLights und ihrem Freedom 100. Dafür bezog das Rennen eine große Spannung durch die unterschiedlichen Strategien. Das Renndebut des Universal-Speedway-Kits hatte so Licht und Schatten. Durch den geringen Abtrieb waren die Wagen sehr giftig, was zu der großen Anzahl an Unfällen führte. Bei den Unfällen zeigte sich dann aber die erhöhte Sicherheit für die Piloten. Bedenklich war nur das abgerissene Rad bei Sage Karam.
In der Meisterschaftswertung hat Will Power einen gewaltigen Sprung bis an die Spitze (243 Punkte) gemacht. Alleine in den drei Wochen im Mai hat er 162 Punkte geholt. Auf Platz 2 liegt aktuelle Alexander Rossi (241 Punkte) vor Josef Newgarden (233 Punkte). Mit wenig mehr Abstand folgen Scott Dixon (218 Punkte), Ryan Hunter-Reay (186 Punkte) und Graham Rahal (183 Punkte).
Ohne Pause geht es für die IndyCar-Series weiter. Am nächsten Wochenende steht schon der Double-Header in Detroit auf dem Programm.
(c) Photos: IndyCar Media; Chris Owens, Joe Skibinski, Chris Jones, Stephen King, Shawn Gritzmacher, James Black, John D. Cote, Karl Zemlin, Doug Matheus, Walt Kuhn, Matt Fraver