Die diesjährige Ausgabe der 24 Stunden von Le Mans war geprägt durch den Sieg der Toyota. Auf dem Podium in allen Klassen fanden sich nur Premieren-Sieger.
Die Erleichterung bei Toyota war so groß, als ob der gesamte Fujiyama von den Schultern des japanischen Teams gefallen wäre. Nach unzähligen Anläufen und schier unglaublichen Pech in den letzten 20 Jahren war es nun endlich so weit. Toyota kann also doch in Le Mans gewinnen. Und um es gleich vorweg zu sagen: der Sieg war mehr als verdient. Es gab vor und nach dem Rennen viele Stimmen, die sagten, dass der Sieg von Toyota nichts wert sei, weil es keine Konkurrenz gab. Ich halte das für Unsinn. Le Mans gewinnt man nicht einfach so. Le Mans ist ein Kampf mit der Strecke, der Konkurrenz und der Technik über 24 Stunden. Le Mans bekommt man eben nicht geschenkt. Das Team von Toyota hat sich so vorbereitet, wie in jedem Jahr. Das Auto musste halten, das Team, egal ob Fahrer, Mechaniker oder sonst wer, hat sich keinen groben Fehler erlaubt. Man hatte keinen Unfall, keinen Reifenplatzer und auch die berühmten „Cent-Teile“ hielten durch. Toyota ist das Rennen so angegangen, als würden Porsche und Audi noch dabei sein. Der Sieg ist nicht nur verdient, weil sie kaum Fehler gemacht haben, sondern weil sie über zwanzig Jahre lang Erfahrungen gesammelt haben und all diese Erfahrungen sich nun ausgezahlt haben. Zwar wird über die EoT an anderer Stelle zu reden sein, aber dies aus anderen Gründen.
Die Japaner gingen das Rennen auch nicht gerade langsam an. Vier der absolut schnellsten Runden des Toyota wurden im ersten Stint gefahren. Toyota wollte zwischen sich und die Verfolger schnell Distanz bringen und presste so alles aus dem TS050 im Renntrim raus. Die 3.17.658min von Buemi in der zweiten Runde sollte dann auch schon die schnellste Runde des Rennens gewesen sein. Der Abstand zu den Verfolgern, dem SMP #17 und dem Rebellion #3 wuchs zwar, aber nicht so stark, wie man hätte vermuten können. Und es hätte noch enger werden können. Zwei Gründe sorgten dafür, dass der Abstand wuchs. Zum einen verhakten sich die beiden Verfolger in einem Zweikampf, der Zeit kostete. Zum anderen hatte die Rebellion-Mannschaft bei der nominell schnelleren #1 nach dem Start vergessen, die Fronthaube zu fixieren. Die Folge war, dass André Lotterer diese in der ersten Kurve verlor und dabei auch den Dragonspeed #10 in einen Dreher riss. Lotterer musste an die Box und verlor dabei viel Zeit. Die konnte man zwar mit einer irren Aufholjagd wieder gut machen, aber der Kontakt zu den Toyota war weg.
Nach den ersten beiden Stints ließen es die Toyota vorne etwas ruhiger angehen. Ganz offensichtlich hielt man sich an ein vorher ausgetüfteltes Programm, von dem man auch kein Jota abweichen wollte. Die durchschnittlichen Stintzeiten fielen von 3.19min auf um 3.22min. Die Fahrer hatten klare Zielvorgaben bei den Rundenzeiten, an die sich jeder hielt. Eine Ausnahme bildete die #8 in der Nacht, nach dem man wegen einer Strafe (zu schnell unter Gelb) und verschobener Boxenstopps knapp 2.20min auf die #7 verloren hatte. Offenbar erlaubte die Teamführung Alonso etwas flotter unterwegs zu sein. In seinem Vierfach-Stint knöpfte er dem Schwesterauto satte 90 Sekunden ab, den Rest fuhr dann Nakajima zu. Danach waren die beiden Toyota wieder mit ähnlichen Rundenzeiten und im Abstand von 10 bis 20 Sekunden unterwegs.
Die Entscheidung fiel dann erneut in einem Stint von Alonso. Zum einen erwischte dieser ein für die #8 günstiges Safety Car samt passenden Boxenstopp. Die #7 musste rein, als der SC-Phase gerade zu Ende war und verlor so knapp eine Minute. Zum anderen leistete sich Kobayashi einen überraschenden Fehler, als er seinen Boxenstopp verpasste. Das bedeutete eine zwölfte Runde für den Toyota, die der Wagen aber nur in einem Notprogramm absolvieren konnte. Sonst wäre ihm der Sprit ausgegangen. Dabei verlor die #7 rund anderthalb Runden, hinzu kamen zwei zehnsekündige Stop ’n Go-Strafen gegen die #10, weil diese zum einen die maximale Stintlänge und zum anderen die maximale erlaubte Energiemenge überschritten hatte. Zwei sinnlose Strafen, über die ich noch an anderer Stelle sprechen werde. Damit war das Rennen allerdings entschieden.
Ganz so leicht, wie sich das Rennen jetzt für Toyota anhört, war es aber lange nicht. Das lag vor allem an dem überraschend starken SMP-AER mit der Startnummer 17, dessen Cockpit sich Egor Orudzhev, Matevos Isaakyan und Stéphane Sarrazin teilten. Nicht nur distanzierte der SMP die eigentlich als schneller eingeschätzten Rebellion, er hielt die Toyota auch auf ihren Zehenspitzen. Zum einen mit guten Rundenzeiten, zum anderen mit einem Trick. Normalerweise müssen die Privaten LMP1 in Le Mans nach 10 Runden an die Box, länger dürfen sie nicht fahren. Es gibt aber eine Ausnahme: sobald es auf der Strecke eine Slow Zone oder ein Safety Car gab, war die Regel aufgehoben. SMP nutzte diese Regel brillant aus und konnte mit dem ebenso schnellen wie sparsamen AER-Motor teilweise 13 Runden fahren. Statt der prognostizierten drei Runden Rückstand nach sechs Stunden waren es nach 8 Stunden und 30 Minuten „nur“ etwas mehr als zwei Runden, oder knapp acht Minuten. Ein winziger Fehler, ein schleichender Plattfuß bei den Toyota – und schon wäre man wieder dran gewesen.
Aber dann kam die neunte Stunde und ein schwerer Abflug des SMP. Isaakyan hatte, aus ungeklärten Gründen, den Wagen in den umgebauten Porsche-Kurven verloren. Dabei war er dann zwar nur leicht mit dem Heck in die Reifen eingeschlagen, aber offenbar so unglücklich, dass der SMP nicht weiter fahren konnte. Isaakyan riss die Heckverkleidung ab und wollte weiterfahren, aber da verabschiedete sich der AER-Motor mit einem spektakulären Feuerwerk. Sehr bedauerlich für SMP, die zudem die #11, auf der auch Jenson Button saß, schon gleich zu Beginn mit einem Problem am Motor verloren hatten. Zwar reparierte man dieses Auto, hatte dann aber 40 Runden Rückstand. Danach lief der SMP wie das Schwesterauto sehr gut, schlussendlich ging in der letzten Stunde der Motor ein.
Die Rebellion erbten also den dritten Platz vom SMP-BR1. Die Mannschaft aus der Schweiz hatte ein schnelles, aber auch zähes Wochenende in Le Mans. Neben dem Fehler, den man sich an der #1 beim Start leistete, musste an beiden Autos der Unterboden gewechselt werden, was jeweils rund drei Runden kostete. Dazu kamen ein Sensor-Problem an der #3 (eine weitere Runde) und zwei Strafen. Die Rebellion hätten, wenn es gut gelaufen wäre, den Rückstand kleiner halten können, als die elf Runden, die am Ende dann auf die Toyota fehlten. Nimmt man die knapp 2,5 Runden Abstand zu Beginn der neunten Stunde, kommt man rechnerisch auf „nur“ rund sieben Runden (23 Minuten) Rückstand.
Dennoch kann sich Rebellion nicht beklagen. Das Auto ist brandneu und hat deutlich weniger Testkilometer als die Toyota oder BR1. Dass man mit beiden Autos überhaupt durchgekommen ist und dass man in der Gesamtwertung Platz 3 erreicht hat, kann als sehr großer Erfolg gewertet werden.
Wie es auch anders laufen kann, zeigten die beiden Ginetta von Manor. Die waren praktisch ungetestet in das Rennen von Le Mans gegangen, nachdem es vorher Ärger mit dem Sponsor gab und man das Rennen in Spa auslassen musste. Dementsprechend ging bei den Ginetta nur wenig. Zum einen waren sie zu langsam, zum anderen verlor man beide Autos durch technische Probleme und stand zudem dauernd an der Box. Aber zumindest scheint das Chassis Potenzial zu haben.
Pech hatte der vorher stark eingeschätzte Dragonspeed. Für den Dreher in der ersten Kurve konnte man nichts, danach folgten aber Probleme mit dem Gibson-Motor. Schlussendlich verlor man das Auto durch einen Unfall am Sonntagmorgen. Ebenso erging es ByKolles, wo Dominik Kraihammer einen haarstäubenden Unfall in den Porsche-Kurven hatte. Das Rennen war so nach fünf Stunden vorbei. Dabei war der Speed des ByKolles zwar nicht auf dem Niveau der SMP und Rebellion, aber schlecht war man nicht unterwegs. Angesichts der Probleme, die die Rebellion hatten, war ein Podium nicht außer Reichweite.
Schlussendlich gewannen dann halt wie erwartet die Toyota. Und dann auch noch das Team, auf das viele ihr Geld gesetzt hatten. So konnte Fernando Alonso am Ende tatsächlich seiner Triple Crown einen Schritt näher kommen. Es fehlt ihm jetzt nur noch der Sieg beim Indy 500. Aber man sollte vor allem auch Sebastian Buemi und Kazuki Nakajima nicht vergessen. Buemi hatte zwar einen zähen Stint in der Nacht und er war es auch, der die Strafe für die #8 verursachte, als er in einer Slow Zone zu schnell war. Gleichzeitig hat Buemi aber mehrfach unter Beweis gestellt, dass er zu den schnellsten und zuverlässigen Langstreckenpiloten gehört. Und schließlich Nakajima: Wenn jemand den Sieg verdient hat, dann sicher der Japaner. Denn er war es, der 2016 im Auto saß als der Toyota drei Minuten vor Schluss liegen blieb. Sein Vater, Satoru Nakajima, der in Japan überaus bekannt ist, dürfte mächtig stolz auf seinen Sohn sein. Es ist der erste Sieg eines Japaners in einem japanischen Auto in Le Mans.
LMP2
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UPDATE: Das siegreiche G-Drive Team wurde am Montag disqualifiziert! Alle Infos dazu hier bitte hier nachlesen.
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Eigentlich sollte das Rennen in der LMP2 sehr eng sein. Zwar hatten die Oreca 07 gegenüber den Ligier und Dallara einen Vorteil, aber es gab ja genug starke Oreca im Feld. Doch es sollte etwas anders kommen. Schaut man auf der Zwischenergebnis nach zwei Stunden, sah die Sache so aus:
1. G-Drive #26
2. TDS #28
3. Signatech #36
4. Panis Barthez (Ligier) #23
5. Graff-SO24 #39
Das Endergebnis sah dann so aus
1. G-Drive #26
2. Signatech #36 -2 Runden
3. Graff SO24 #39 -3 Runden
4. TDS #28 -4 Runden
Tatsächlich tat sich an der Spitze des Rennens während der gesamten 24 Stunden überhaupt nichts. Der G-Drive blieb komplett vorne. Das er nach zwei Stunden schon eine Minute Vorsprung hatte, lag an einer SC-Phase, die den Wagen von Rusinov gut erwischte. Das Team konnte den Vorsprung dann über die Distanz sukzessive ausbauen. Zum einen, weil man bei den anderen SC-Phasen ebenfalls Glück hatte, zum anderen, weil man auch tatsächlich das schnellste Auto hatte. Schaut man sich die durchschnittlichen Rundenzeiten über die 10 Runden-Stints an, lag der G-Drive immer vorne. Mit Ausnahme der Stints, in denen Rusinov selber unterwegs war. Aber die anderen konnten den Speed von Andrea Pizzitola und Jean-Eric Vergne nicht mitgehen. Nach zwei Podiumsplätzen in den vergangenen Rennen konnte G-Drive nun endlich den ersten Sieg feiern.
Das Rennen hatte aber natürlich mehr zu bieten, als es das Ergebnis vermuten lässt. Zum einen war es im Kampf zwischen P2 bis P5 über die gesamte Distanz mächtig eng. Zum andere ist da die Geschichte des IDEC Sport-Oreca. Das Team mit Momo Rojas, Paul Lafargue und Paul Loup Chatin war ohne Zweifel die Überraschung in Le Mans. Schon in der Quali setzte man die schnellsten Zeiten und der IDEC schien im Rennen der einzige Wagen zu sein, der dem G-Drive etwas entgegen setzen konnte. Lange hielt man den Abstand zur #26 konstant, aber das enge Korsett aus Regeln sorgte dafür, dass man auch nicht näher kam. Schließlich hatte man dann auch noch Pech, der Wagen fiel, wohl mit einem Getriebeschaden, am Morgen dann komplett aus.
Auch beim TDS-Oreca (das Team setzte neben dem Siegerauto ein weiteres unter eigenem Namen ein) lief es eher zäh. In der Quali hatte man die schnellste Zeit gefahren, die dem Team aber aberkannt wurde. Zwar startete man von P4, aber im Rennen selber lief es dann mehr als zäh. Kleine Probleme und teilweise schlechte Stints warfen den Wagen immer wieder zurück. Natürlich gab man nicht auf und in den letzten 10 Minuten des Rennens lag man plötzlich im Windschatten des Graff-Autos und griff nach Platz 3. Doch leider passte der letzte Stint nicht, in der letzten Runde musste der TDS noch mal zum tanken kommen.
Aber der IDEC, der Graff, der Panis-Barthez und der Signatech lieferten sich über das gesamte Rennen ein tolles Duell um das Podium, was jedoch leider abseits der TV-Bilder geschah. Warum die Regie sich dazu entschloss, die LMP2 über weite Strecken zu ignorieren, bleibt deren Geheimnis.
Denn es wurde um alle Plätze gekämpft. Vor allem im Mittelfeld lagen die Abstände teilweise in Sekundenbereich. Auffallend waren hier die beiden United Autosport Autos. Die #22 mit Phil Hanson, Felipe Albuquerque und Paul di Resta brannte ein kleines Feuerwerk ab und stieß über die Distanz fast auf die vorne kämpfenden Oreca. Doch ein Fehler von di Resta führte zu einem harten Einschlag des Ligier in den Porsche-Kurven und damit war das Rennen vorbei.
Die #32 mit Hugo de Sadeleer, Will Owen und Juan-Pablo Montoya hatte etwas mehr Probleme nach vorne zu kommen. Man steckte zum einen in Zweikämpfen, die Zeit kosteten, zum anderen erwischte man eine SC-Phase blöd. Am Ende kämpfte man sich aber einen sehr guten fünften Platz, nur sechs Sekunden hinter dem TDS.
Die Überraschungsmannschaft des letzten Jahres, Jackie Chan DC Racing, war dieses Jahr zwar mit vier Autos am Start (zwei Oreca von Jota Sport eingesetzt, zwei Ligier von Oak Racing), aber die fahrerische Besetzung war nicht so gut, wie im letzten Jahr. Die beiden Oreca #37 und #38 hatten zu dem auch noch Pech. Bei der #38 explodierte ein Reifen vorne und nahm den halben Vorderbau mit. Es grenzte an ein Wunder, dass der Wagen an die Box kam und weiterfahren konnte. Die #37 wurde von kleinen technischen Problemen geplagt. Die beiden Ligier #33 und #34 waren schlichtweg zu langsam. Die #34 fiel am Morgen dann auch noch aus. Auch der Dragonspeed-Oreca, der mit Maldonado, Berthon und Gonzales zum erweiterten Favoritenkreis gehörte, kam erst nicht in Schwung und dann behinderten ihn technische Probleme.
Eine kleine Überraschung gab es dann auch doch. Der Racing for Nederland-Dallara, mehr oder weniger bestehend aus einer Hobby-Mannschaft mit dem 62jährigen Jan Lammers, dessen Kumpel und Amateur Frits van Eerd und Guido von der Garde überstand nicht nur das gesamte Rennen sondern landete am Ende auf einem für das Auto sehr guten neunten Platz.
Bilder: FIA WEC, Porsche AG. Toyota, BMW AG, Aston Martin