Home TourenwagenDTM Weichen für die Zukunft gestellt: DTM und Super GT präsentieren gemeinsames Class-1-Reglement

Weichen für die Zukunft gestellt: DTM und Super GT präsentieren gemeinsames Class-1-Reglement

von geinou
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Vier Jahre nach dem Beginn ihrer Kollaboration haben Super GT und DTM am Nürnberger Norisring auf einer Pressekonferenz die Finalisierung ihres gemeinsamen technischen Reglements namens Class-1 präsentiert. Zugleich wurden zwei gemeinsame Rennen in Deutschland wie auch Japan für 2019 angekündigt.

Ein Meilenstein für den internationalen Motorsport.“
So verkündete ITR-Vorstand Gerhard Berger die Finalisierung des sogenannten Class-1-Reglements, an dem das Deutsche Tourenwagen Masters (DTM) mit der japanischen Super GT seit dem Beginn ihrer Kollaboration im Jahr 2014 arbeiten. Hierfür traf sich der Österreich, der das Zepter des ehemaligen DTM-Zampanos Hans-Werner Aufrecht im letzten Jahr übernahm, mehrmals mit GTA-Chairman Masaaki Bandoh in den vergangenen Monaten. Der Führungswechsel in Deutschland schien der Zusammenarbeit gut getan zu haben. So besuchten sich DTM und Super GT gegenseitig bei ihren jeweiligen Saisonfinalen in Hockenheim wie auch Motegi mit Demorunden. Schon damals erklärte Masaaki Bandoh, dass die Showruns die Zusammenarbeit vertiefen würden. Die Früchte dieser Arbeit präsentieren die beiden Serienchefs am Samstag auf dem Norisring bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Viel Detail- und Knochenarbeit steckt in dieser Arbeit“, erklärte Gerhard Berger, der sich wie auch Masaaki Bandoh mehrfach bei allen für die stetige Zusammenarbeit bedankte. „Wir haben es geschafft, zwei Kulturen miteinander zu verbinden. Egal ob in der Philosophie des Rennsports selbst, also Langstrecke und Sprintrennen, oder in der Philosophie der Techniker, die in Japan andere Ansätze als in Europa verfolgen. In dieser Zeit haben wir uns gegenseitig kennengelernt, uns gegenseitig unterstützt und sind auch jeweils Kompromisse eingegangen. Wir können auf eine gute Partnerschaft vorausblicken. Und wenn es uns gelingt, diese gemeinsamen Kräfte auch auf der Rennstrecke zu verbinden, dann sollte das Ganze sicherlich erfolgreich werden“, so der DTM-Boss.

Die wichtigste Grundlage des Class-1-Reglements basiert auf dem Gleichteile-Konzept. Laut Berger wird hierbei die bisherige Linie des DTM-Reglements konsequent fortgesetzt, sprich es sollen nicht nur die Kosten weiter reduziert und der Return on Investment erhöht, sondern vor allem auch die Sicherheit weiter verstärkt sowie die Chancengleichheit bewahrt werden. Viele der einzelnen Fahrzeugkomponenten sollen vereinheitlicht und jeweils in Europa und Japan kostengünstig hergestellt werden – ein Punkt, der den japanischen Herstellern schon seit Beginn der Kollaboration enorm wichtig war. Hierbei soll insbesondere die kostenintensive Entwicklung etwas zurückgefahren werden. Nicht davon betroffen dürfte die Motorentwicklung in Japan sein. Bereits vor einigen Wochen erklärte Masaaki Bandoh, dass dieser Wettstreit der Ingenieure von Toyota, Nissan und Honda, wie auch der Reifenkrieg, ein Teil der einzigartigen Super-GT-Identität sei. Sofern die Fans keine Änderungen wünschen, sehe man auch keinen Grund, daran etwas zu ändern. Als Herzstück dient das Kohlefaser-Monocoque mit integrierter Sicherheitszelle, das bereits in beiden Rennserien zum Einsatz kommt.

Das gemeinsame technische Reglement soll schrittweise eingeführt werden. Den Anfang macht das Deutsche Tourenwagen Masters, das bereits ab 2019 zu einhundert Prozent nach den Class-1-Regularien fahren wird. Die japanische Super GT folgt dann ein Jahr später in 2020, in der das Reglement wegen des anderen Rennformats (Langstrecke, Fahrerwechsel, Reifenwettstreit etc.) mit leichten Modifizierungen Anwendung finden wird. An der Optik soll sich wenig ändern: „Die neuen Autos werden den jetzigen sehr ähnlich sehen“, so Berger. Änderungen werden am Front- und Heckdiffusor sowie am Heckflügel vorgenommen, für welche die aktuellen Super-GT-Spezifikationen übernommen werden. Die größte Veränderung auf deutscher Seite wird sich im Inneren der Fahrzeuge verstecken. Ab 2019 wird die DTM nämlich vom bisherigen V8-Aggregat auf den Vier-Zylinder-Turbomotor mit zwei Liter Hubraum umsteigen, mit dem die Super GT bereits seit 2014 unterwegs ist. Ursprünglich war der Umstieg bereits für 2017 geplant, wurde aber aus Kostengründen verschoben. Damit werden zukünftig auch die DTM-Boliden 620 PS auf die Strecke bringen – rund 100 PS mehr als bisher. Dieser Leistungszuwachs soll mit weiteren aerodynamischen Reduktionen, beispielsweise am Unterboden der Autos, kompensiert werden. „Das Ganze soll dem sprichwörtlichen Ritt auf der Kanonenkugel entgegenkommen“, so Gerhard Berger.

Bereits 2019 sollen die GT500-Boliden der Super GT auf die DTM-Renner bei zwei gemeinsamen Rennen in Deutschland wie auch Japan aufeinandertreffen. „Ich glaube fest daran, dass die gemeinsamen Rennen Motorsport-Fans weltweit begeistern und sich unserer beiden Rennserien kontinuierlich weiterentwickeln werden“, erklärte Masaaki Bandoh. Beide Events sollen am Ende des Jahres stattfinden. Für den GTA-Chairman nehmen beiden Veranstaltungen die höchste Priorität ein. Allerdings müssen noch Gespräche mit dem japanischen Automobilverband JAF sowie weiteren nationalen Rennserien wie beispielsweise der Super Formula und Super Taikyu geführt werden, um die jeweiligen Rennkalender in Einklang zu bringen. Für das Deutschland-Gastspiel steht zwar noch kein Ort fest. Masaaki Bandoh äußerte jedoch den Wunsch, das Aufeinandertreffen auf japanischen Boden nach dem Saisonabschluss im November am Fuji Speedway auszutragen, da dort die Fahrzeuge mit Geschwindigkeiten über 300 km/h ihre Muskeln zeigen können. Daraufhin scherzte Gerhard Berger, dass man vielleicht ein zweites Rennen am Norisring austragen und sich dann dort treffen könne. Die pfeilschnellen Super-GT-Boliden auf einem Stadtkurs? Eine schöne, wenn auch zunächst träumerische Vorstellung.

Beide gemeinsamen Rennen sollen dem DTM-Format folgen: Zwei Sprintläufe ohne Fahrerwechsel mitsamt Pflichtboxenstopp, bei dem zwar alle vier Reifen gewechselt, aber nicht nachgetankt werden muss. Das Ganze erinnert auch an den Fuji Sprint Cup, den die Super GT zusammen mit der Super Formula zwischen 2010 und 2013 auf dem Fuji Speedway austrug. Auch damals fuhren die GT500- und GT300-Klassen jeweils zwei knackige Sprintrennen, allerdings ohne Pflichtboxenstopp. Da sich die Autos der DTM und Super GT 2019 noch konzeptuell unterscheiden, sollen diese per Balance of Performance angepasst werden. In einem kurzen Gespräch erklärte mir Masaaki Bandoh persönlich, dass bei beiden Veranstaltungen ein Einheitsreifen zum Einsatz kommen soll. In Deutschland würde mit dem DTM-Reifen von Hankook gefahren werden, während man auf japanischen Boden dann Pneus von einem der vier GT500-Ausstatter (Bridgestone, Michelin, Yokohama oder Dunlop) verwenden wird.

Gleichzeitig erläuterte Masaaki Bandoh mir gegenüber, dass der Honda NSX-GT, trotz seines Mittelmotor-Designs, bei beiden gemeinsamen Rennen startberichtigt sein wird. Vielmehr: Auch wenn die GT500-Klasse der Super GT ab 2020 auf das für sie leicht modifizierte, technische Class-1-Reglement umsteigen wird, darf der NSX-GT wie auch bisher unter Anwendung einer Balance of Performance teilnehmen. Anders sieht das Bild jedoch aus, sollte es zukünftig größere Class-1-Events in Europa geben: „Im Falle, dass diese Rennen weltweit gut ankommen, dann denke ich, dass es in Ordnung wäre, Honda vor die Wahl zu stellen, entweder einen heckangetriebenen Wagen zu bauen oder auf einen Start zu verzichten. Bislang ist das allerdings kein Thema. Dies würde sich erst aus dem Mehrwert der Events ergeben, falls diese in Zukunft ausgeweitet und eine größere Position einnehmen würden, da man sich dann der Vorstellungen anderer Hersteller anpassen müsste“, so der Super-GT-Chef. Mit anderen Worten: Während für Honda in Japan vorerst alles beim Alten bleibt, müsste man für eine etwaige globale Class-1-Serie umrüsten.

Mit dem gemeinsamen technischen Reglement setzt die DTM auf die Zukunft. Entsprechend hoch war auch der Andrang bei der Pressekonferenz, an der unter anderem Audi-Motorsportchef Dieter Gass sowie dessen Vorgänger Dr. Wolfgang Ullrich teilnahmen. Ob diese allerdings auch wie erhofft eintreten wird, konnte Gerhard Berger noch nicht beantworten. Dabei machte der Österreicher kein Geheimnis daraus, dass sich das Deutsche Tourenwagen Masters wegen dem Ausstieg von Mercedes zum Ende dieses Jahres in einer schwierigen Situation befinde. Konkrete Lösungen, dass dadurch entstehende Loch zu flicken, gäbe es zwar noch keine. Dennoch gab sich der ehemalige Formel-1-Pilot optimistisch: „Als Sportler bin ich es gewohnt, die Themen voranzutreiben, bis sie gelöst sind. Mit BMW und Audi haben wir zwei starke Partner. Für 2020 haben wir zudem die ein oder andere gute Aussicht.“ Berger selbst bezeichnete die DTM als drittstärkste Motorsport-Plattform nach der Formel 1 und MotoGP in Europa. „Diese Stärke wird der DTM über das schwierige Jahr 2019 hinaus weiterhelfen.“ Insbesondere das gemeinsame technische Reglement mit der Super GT sieht Berger als Öffnung für neue Perspektiven sowie als Chance für eine stabile Zukunft.

Auch wenn die Zukunft der DTM noch weiterhin ungewiss bleibt, so wurden am Norisring mit der Überreichung des Class-1-Reglements mit der Super GT die ersten Weichen gestellt. Und die Aussicht, die spektakulären GT500-Boliden der japanischen GT-Meisterschaft bei einem gemeinsamen Rennen in Deutschland zu erleben, ist wahrlich eine schöne.

 

Copyright Photos: Eigenes Archiv, GTA, ITR

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