Es ist Juli – Zeit für das Saisonfinale der Formula E! Und wie im Vorjahr haben auch diesmal noch zwei Piloten die Chance auf den Titel beim abschließenden Doubelheader: Jean-Eric Vergne und Sam Bird.
Frankreich gegen England blieb uns als Finale der Fußball-WM vergönnt, in der Formula E aber wird genau dieses Länderduell ausgetragen – auf US-amerikanischem Boden. Eigentlich schien Vergne schon fast den Titel in der Hand zu haben, doch ausgerechnet beim Zürich ePrix fuhr er das schlechteste Ergebnis seiner ganzen Saison ein. Während er nur Zehnter wurde, holte Bird Rang 2 und damit 17 Punkte auf den Führenden auf. Die Führung ist damit auf 23 Zähler geschrumpft – und beim Doubleheader sind insgesamt 58 Punkte zu vergeben. Es ist also noch alles offen.
Entscheidung in New York City
Da das Rennen in Montreal nach der Wahl einer neuen Bürgermeisterin aus dem Kalender gefallen ist, stellt der zweite New York City ePrix diesmal das Saisonfinale dar – gefahren wird auf dem Gelände des Brooklyn Cruise Terminal, also der Kreuzfahrt-Terminals, mit der berühmten Skyline im Hintergrund. Jedenfalls aus manchen Perspektiven, denn der Kurs auf dem Hafengelände hat sich im Vorjahr als ziemlich verbaute, hakelige Angelegenheit dargestellt. Etwas viel „Mickey Mouse“ eigentlich für ein Saisonfinale, selbst für die in der Höchstgeschwindigkeit beschränkten Elektro-Boliden. Für Action aber sorgte der Kurs im Vorjahr sehr wohl.
In den engen Kurven und Schikanen wurde viel über Kerbs gerumpelt, oder es blieb der ein oder andere Flügel auf der Strecke, gerade auch in der ersten Runde. Die Startpassage wurde allerdings modifiziertem: anstelle einer 180°-Rechtskehre gibt es nun eine ganz neue Kurvenkombination: die erste Kurven nach dem Start ist eine zuziehende langsame Links, danach folgen zwei 90°-Rechtskurven, bevor eine sich öffnende Rechts auf die längste Gerade der Strecke führt, die wiedrum in eine enge Schikane mündet. Schon in dieser ersten halben Runde kann Vorentscheidendes passieren, denn wer nicht ganz vorn startet, riskiert im engen Getümmel schnell mal einen Kontakt und damit Schaden.
Angepasst wurde außerdem die im Vorjahr sehr enge Schikane vor der schnellen Linkskurve, die auf die Startgerade führt. Wenn die Streckengrafik korrekt ist, dürfte die in diesem Jahr viel flüssiger zu fahren sein. Damit würde auch der Speed in der schwierigen langen und schnellen Links und auf der folgenden Gerade höher werden. Und besagte Links war im Vorjahr bereits tricky, auch wegen einer Bodenwelle, auf der die Autos versetzten. Es bleibt ein „Mickey Mouse“-Kurs auf einem Gewerbegrundstück, aber die Bahn hat durchaus ihre Tücken und dürfte für zwei spannende Rennen zum Saisonabschluss sorgen. Sam Bird befürchtet, dass die Layout-Änderungen dem DS Virgin nicht entgegen kommen.
Ein neuer Champion
Auf jeden Fall wird ein Pilot neuer Champion, der das bislang in der Formula E noch nicht geschafft hat. Sam Bird war von Anfang an in der Serie am Start und auch von Anfang an einer der Top-Piloten, wie ich auch mehrfach hier im Blog geschrieben habe. Mit Sebastien Buemi und Lucas di Grassi habe ich ihn zu den Top 3 gezählt. Doch der DS Virgin war nicht immer konstant, manchmal schwer zu handhaben und so blieben für ihn bisher die Meisterschaftsränge 5, 4 und 4, wobei er in jeder Saison mindestens einen Sieg geholt hat. Nun hat er die Chance auf den Sprung nach ganz oben und der DS Virgin lief im Vorjahr sehr gut in New York, tatsächlich gewann Bird 2017 beide Läufe dort!
Jean-Eric Vergne ist fast von Beginn an dabei gewesen, sein Debüt gab er beim dritten Lauf der ersten Saison in Punta del Este für Andretti Autosport. Im Jahr darauf war er bei DS Virgin Teamkollege seines jetzigen Titelrivalen, erreichte aber nur Meisterschaftsrang 9 im Vergleich zu dessen vierten Platz. Das hatte damit zu tun, dass Vergne zwar von Beginn an schnell war, aber lange Zeit brauchte, um sich den in der FE nötigen effizienten Fahrstil anzugewöhnen. Lange schaffte er es nicht, seinen Speed konstant zu halten und am Ende noch Reserven zu haben. So ließ sein erster Sieg bis zum Finale der vergangenen Saison in Montreal auf sich warten. Nachdem der Knoten durschlagen war, lief es und Vergne dominierte die laufende Saison mit bisher drei Siegen und nur einer Platzierung außerhalb der Top 10.
Rückblick auf Zürich
Die kam ausgerechnet beim Zürich ePrix, und zwar schon in der Quali: der Franzose musste in der ersten Gruppe ran, was stets ein Nachteil ist, aber selbst in der Gruppe wurde er Fünfter und damit Letzter, eine halbe Sekunde als Sebastien Buemi. Im Rennen startete er von Platz 17 eine furiose Aufholjagd, und das auf einer Strecke, auf der das Überholen nicht allzu leicht schien. Zur Rennmitte war er auf Platz 8 angekommen, doch dort blieb er dann auch stecken.
Felix Roseqvists Versuch, sich gegen Vergne zu wehren, endete für ihn in der Mauer, da er nicht nachgeben wollte, aber anschließend verlor er seinen Frontflügel auf der Strecke, wo Vergne über diesen fuhr. Das Auto des Titelaspiranten blieb dabei zwar heil, doch die Rennleitung entschied sich, eine Gelbphase auszurufen, um das sperrige Teil zu bergen. Während der Full Course Yellow kam der Großteil des Feldes an die Box und hier verlor Vergne zunächst Zeit. Dramatischer für ihn war aber, dass er zusammen mit einigen anderen Piloten wegen zu schnellen Fahrens unter Gelb bestraft wurde und so weiter zurückfiel. Am Ende sollte es für Rang 10 und einen Punkt reichen.
Zu schnell unter Gelb waren auch zwei der stärksten Piloten des Wochenendes, Mitch Evans und der immer weiter aufdrehende Andre Lotterer – Vergnes Teamkollege, der zeigte, welches Potenzial auch in Zürich im Techeetah steckte. Die beiden fielen durch die Strafen zurück, was den Sieg von Lucas di Grassi, der schon vorher in Führung gegangen war und sich abgesetzt hatte, noch dominanter erscheinen ließ. Endlich konnte der Vorjahres-Champion, der zu Saisonbeginn so viel Technik-Pech hatte, seinen ersten Sieg holen. Nach einer extrem starken zweiten Saisonhälfte konnte er damit noch auf Gesamtrang 3 vorrücken, nachdem er erst im fünften Saisonrennen überhaupt die ersten (drei) Pünktchen geholt hat – bemerkenswert! Die Titelverteidigung ist aber rechnerisch ausgeschlossen.
Wann und wo zu sehen?
Vergne gegen Bird lautet das Duell, und das gleich zweimal. Das erste Rennen startet am Samstag um 15:30 Ortszeit (21:30 Uhr MESZ) und geht über 45 Runden, das zweite startet am Sonntag um 15 Uhr Ortszeit (21:00 Uhr MESZ)und geht über 43 Runden. Eurosport überträgt beide Rennen live und zeigt vorher Vorberichte und eine Quali-Zusammenfassung. Aber nicht nur das, auch beide Quali-Sessions gibt es live auf dem Eurosport-Hauptkanal zu sehen, samstags um 17:30 und sonntags um 17 Uhr MESZ. Und auch die sollte man sich nicht entgehen lassen, denn – wie in Zürich gesehen – kann bereits der Startplatz vorentscheidend sein…
(Bilder: Formula E Media)