Großer Jubel bei Kondo Racing: Zehn Jahre nach ihrem bislang einzigen Sieg erklomm Nick Cassidy am vergangenen Wochenende zum ersten Mal das Siegertreppchen auf dem Fuji Speedway. An einem für ihn perfekten Wochenende setzte sich der Neuseeländer gegen die beiden Cerumo-Piloten Hiroaki Ishiura und Yuji Kunimoto durch. Tabellenführer Naoki Yamamoto wurde lediglich Achter.
Pole-Position, schnellste Rennrunde, Sieg. Es war ein wahrhaftig perfektes Wochenende für Nick Cassidy, der mit den wechselhaften Bedingungen am Fuji Speedway am besten klarkam. Taifun Prapiroon sorgte im Westen Japans für schwere Schäden, Überschwemmungen und leider auch zahlreiche Todesfälle. Obgleich nicht ganz so stark, waren die Auswüchse auch am Fuji Speedway zu spüren, als Starkregen bereits den Shakedown des neuen SF19-Boliden von Dallara (mehr zum Shakedown in unserem Artikel!) behinderte. Das befürchtete Regenchaos blieb für den vierten Saisonlauf auf der Highspeed-Strecke am Fuße des japanischen Wahrzeichens zwar aus. Vereinzelte Regenschauer sorgten allerdings dafür, dass die erste Session bei trockenen Bedingungen erst am Sonntagmorgen stattfand.
„Egal ob im trockenen oder nassen, ich war mir sicher, dass wir die Pole-Position gewinnen können“, erklärte Nick Cassidy nach seiner Fabelrunde von 1:38.098. Dies bestätigte er auch prompt einen Tag später, als er auch Trainingseinheit wenige Stunden vor dem Rennstart auf der vordersten Position beendete. Die wechselhaften Bedingungen bereiteten vielen Piloten jedoch starke Kopfschmerzen. So gaben unter anderem die beiden Gaststarter Tom Dillmann sowie Daniel Ticktum zu Protokoll, dass sie im Qualifying quasi ins kalte Wasser stiegen, da die ersten Minuten noch auf trockener Strecke ausgetragen wurden. Ohne Erfahrungswerte sowie plötzlich einsetzenden Regen, der Q1 komplett auf den Kopf stellte, kamen sie deshalb nicht über den 17. respektive 19. Startplatz hinaus. Besagte Regenschauer ließen die Qualifikation auch zu einer wahren Zitterpartie für Favoriten wie Hiroaki Ishiura sowie Yuhi Sekiguchi werden, die sich in allerletzte Sekunde jeweils für den finalen Q3-Teil qualifizierten. Am Ende komplettierten Naoki Yamamoto, Hiroaki Ishiura, Kazuki Nakajima sowie Koudai Tsukakoshi die Top-5.
Von Regen war am Sonntag nichts mehr zu sehen. Stattdessen begrüßte der schwüle japanische Hochsommer mit heißen 30 Grad Außentemperatur sowie 37 Grad Streckentemperatur die 19 Piloten für 55 knackige Runden auf der schnellsten Strecke des Kalenders. Anders als im Sportsland Sugo vor einem Jahr verteidigte Nick Cassidy seine zweite Karriere-Pole-Position gegen einen heranstürmenden Hiroaki Ishiura, der sich den Silberrang von Naoki Yamamoto krallte. Der Mugen-Pilot musste sich nach einem schwachen Start nach hinten orientieren, als er sich im Kampf um Platz vier gegen Kazuki Nakajima behauptete. Dahinter legte Yuhi Sekiguchi einen wahren Raketenstart hin, indem er vom sechsten Startplatz auf die dritte Position nach vorne schoss. Der Impul-Pilot nutzte damit den weichen Yokohama-Reifen perfekt aus, der außerdem von Nick Cassidy, Hiroaki Ishiura, Naoki Yamamoto, Kazuki Nakajima, Kazuya Oshima, Nobuharu Matsushita sowie Daniel Ticktum für den ersten Stint verwendet wurde. Insbesondere die drei zuletzt genannten Piloten verwandelten die Eröffnungsrunden zu einer Überhol-Show, als sie von den hinteren Positionen aus kommenden binnen weniger Umläufe viele Positionen gutmachten. So rang Nobuharu Matsushita vom zehnten auf den sechsten Platz nach vorne, während Daniel Tickum allein auf den ersten 4,563 Kilometern fünf Autos überholte. Dies bemerkten selbstredend auch die anderen Piloten, weshalb nach neun Runden bereits die ersten Teams von den Medium- auf die Soft-Reifen wechselten. Zu den ersten Stoppern zählten unter anderem Kamui Kobayashi, Takuya Izawa, Yuji Kunimoto sowie Koudai Tsukakoshi, der binnen der ersten Runden aufgrund von Balance- und Grip-Problemen gleich mehrere Positionen verlor.
An der Spitze eröffneten Nick Cassidy und Hiroaki Ishiura hingegen ihre eigene Liga – und enteilten der Konkurrenz. Bei zunächst nahezu identischen Rundenzeiten schwankte der Abstand zwischen 1,3 bis 3,5 Sekunden. Dennoch konnte Titelverteidiger Ishiura keinen Stich gegen den Kondo-Racing-Piloten setzen. „Nick war heute einfach zu schnell“, erklärte er nach dem Rennen. Zu einen seiner besten Chancen gehörte ausgerechnet der Überrundungsverkehr, in dem Cassidy festhing und Zeit liegen ließ. Entsprechend erbost gab sich der Neuseeländer in der Siegerpressekonferenz. Nicht nur verlor Cassidy einiges an Zeit. Aufgrund des dichten Hinterherfahrens überhitzten auch seine Reifen, wodurch er anfing über die Vorderachse zu rutschen – ein bekanntes Problem des SF14, welches mit dem ab der kommenden Saison zum Einsatz kommenden SF19-Boliden behoben werden soll. Zu einer der brenzligsten Situationen zählte die 31. Runde, als Cassidy den just aus der Boxengasse kommenden Daniel Ticktum überrunden wollte, der trotz seiner kälteren Reifen aber nicht umgehend Platz machte. Dies ermöglichte Hiroaki Ishiura den Abstand zu seinem Vordermann nahe gänzlich zuzufahren. Nick Cassidy behielt jedoch die Nerven – und nutzte strategisch klug das Overtake-System OTS, um sich mit 10% mehr Leistung aus der Gefahrensituation zu bringen.
Das Feststecken im Überrundungsverkehr forderten seinen Tribut: „Dadurch ruinierte ich meine Reifen und wir mussten deutlich früher als geplant zum Boxenstopp hereinkommen.“ Als Nick Cassidy somit verfrüht am Ende des 35. Umlaufs zum Service abbog, wetterte Hiroaki Ishiura seine beste Chance. Umgehend brannte der Titelverteidiger eine 1:27.697 in den Asphalt. „Er wechselte in den Michael-Schumacher-Modus“, jubelte der dreifache Super-GT-Champion Juichi Wakisaka, der vergangenes Wochenende als Gast-Kommentator im japanischen Fernsehen agierte. Nick Cassidy konnte jedoch kontern. Auf noch frischen Medium-Reifen knallte er nahezu identische Rundenzeiten im 1:27er Bereich aufs Parkett, wodurch er Ishiuras Overcut-Vorteil wettmachte. Zu allem übel patzte die Cerumo-Crew bei seinem Boxenstopp, als er im 40. Umlauf ebenfalls auf die Medium-Mischung von Serienausstatter Yokohama wechselte, da der Wagenheber festhing. Dadurch verzögerte sich die Standzeit auf 13,4 Sekunden – rund eine halbe Sekunde langsamer als Nick Cassidys Stopp von 12,9 Sekunden. Dadurch zog der Kondo-Racing-Pilot wieder an seinem Toyota-Markenkollegen vorbei. In den finalen Runden konnte Nick Cassidy zudem seine Stärke auf den Medium-Reifen abermals bestätigen, indem er mit schnelleren Rundenzeiten den Vorsprung auf letztlich 4,286 Sekunden erhöhte.
Grund zur Freude hatten die Meistermacher der letzten Jahre dennoch, da Yuji Kunimoto trotz seines achten Startplatzes mit dem Bronzerang das Podium eroberte. Möglich wurde dies durch eine perfekte Umsetzung der von den Cerumo-Taktikern ausgetüftelten Strategie. Auf der härteren Gummimischung ins Rennen gehend, verteidigte der Japaner nach den ersten Runden den ersten Platz der auf den Medium-Pneus gestarteten Piloten. Wie alle vorzeitigen Stopper bemerkte auch Cerumo-Inging, dass die Softs in den ersten Runden eine deutlich stärkere Performance hatten. Um nicht in den Nachteil zu geraten, holte man Kunimoto zum Ende des elften Umlaufs prompt herein. Eine goldrichtige Entscheidung, wie sich im weiteren Rennverlauf herausstellte. Der Sieger des Fuji Sprint Cups 2013 behauptete seine Position als erster der bereits stoppenden Piloten, als er unter anderem den zeitgleich wechselnden Ryo Hirakawa hinter sich hielt. Als die Spitzengruppe zur Rennhälfte anfing, mit ihrem schwarzen Gold zu ringen, konnte Kunimoto, auch dank eines hervorragenden Reifen-Managements, den Rückstand auf seine Vordermänner verringern. Ähnlich erging es Ryo Hirakawa, der auf just der gleichen Strategie wie der Cerumo-Pilot unterwegs war, allerdings das Startduell und somit eine etwaige Podiumsposition gegen seinen Markenkollegen verlor. Beide profitierten jedoch von ihrem vorzeitigen Boxenstopp sowie Reifenmanagement.
Zu den mit ihrer Fahrzeug-Balance kämpfenden Piloten gehörte unter anderem Yuhi Sekiguchi, der trotz seines Raketenstart lediglich auf der sechsten Position ins Ziel kam. Der Impul-Pilot fand sich nach seinem Boxenstopp in der 24. Runde hinter seinem Teamkollegen Ryo Hirakawa wieder. Nach eigenen Angaben verlor er nach dem Reifenwechsel jedoch deutlich an Grip, wodurch er die Lücke zu seinem Vordermann nicht mehr schließen konnte. Zudem quetschte sich Kazuki Nakajima dazwischen, der nach seinem Reifenwechsel auf den fünften Platz zurückfiel. Am Vortag hatte der zweifache Super-Formula-Meister den richtigen Riecher, als er als einziger Fahrer den dritten Qualifikations-Teil auf Regenreifen begann. Als sich die Wolken über dem Fuji Speedway abermals öffneten, eilten die restlichen sieben Teilnehmer umgehend zum Wechsel an die Box. So gelang zwar Nakajima eine Runde mehr. Da die Regenintensität allerdings nicht zunahm, konnte er dennoch auf den vierten Rang verdrängt werden. Im Rennen selbst blieb der diesjährige Le-Mans-Sieger hingegen farblos, sammelte mit dem fünften Rang allerdings wertvolle Meisterschaftszähler. Deutlich schlimmer verlief es für seinen Teamkollegen James Rossiter, der das Rennen wegen einer Kollision mit Kenta Yamashita zwei Runden vor Schluss auf dem letzten Platz beendete. Der Brite gab seinem japanischen Konkurrenten zu wenig Raum auf der Außenbahn der Cola-Cola-Kurve, wodurch sich beide Fahrzeuge berührten und Yamashita abflog. Die Rennleitung sprach Rossiter die alleinige Schuld an dem Unfall zu – und bestrafte ihn mit einer 60-sekündigen Zeitstrafe.
Einer der größten Verlier des vergangenen Wochenendes war Naoki Yamamoto. Trotz Startposition zwei kam der Meister von 2013 lediglich auf dem achten Rang ins Ziel. „Wir wissen selbst noch nicht, was genau passiert ist“, erklärte ein sichtlich frustrierter Yamamoto nach dem Rennen. Der Mugen-Pilot ging von Platz zwei in den vierten Saisonlauf, konnte jedoch nicht die Pace der Führenden mitgehen. Stattdessen haderte er mit den Reifen und musste gar seinen Boxenstopp vorziehen, nachdem ihn Kazuki Nakajima in der 27. Runde überholte. Auch der Wechsel auf die Medium-Pneus, die seine Pace nur unweigerlich erhöhten, brachte allerdings nicht die entscheidende Wende. Mit dem Absturz auf die finale Punkteposition schrumpfte auch der einstige Vorsprung von elf auf lediglich ein einziges Zählerchen im Meisterschaftskampf.
Die Reifen waren das Thema des vergangenen Wochenendes. Die hohe Diskrepanz dürfte sicherlich den Witterungsbedingungen geschuldet gewesen sein, schließlich hatten die Teams nur wenige Minuten, um sich auf die trockenen Bedingungen am Sonntag einzuschießen. Dass es bei einigen dann doch besser lief, hat unter anderem Kazuya Oshima bewiesen. Der 31-jährige Veteran hielt mit 44 Runden am längsten auf dem weichen Yokohama-Gummi aus, ehe er zum Service abbog. Am Ende verbesserte er sich vom 13. auf einen starken siebten Rang. Dabei umschiffte Team LeMans die eigene Achillesferse im Form der Medium-Pneus, mit denen man bei den ersten drei Saisonrennen noch stark am ringen war. Anders hingegen Oshimas Teamkollege Tom Dillmann. Der Franzose, der von Platz 17 aus ins Rennen ging, gehörte im neunten Umlauf zu einem der ersten Piloten, die von den Medium- auf die Soft-Pneus wechselten. Am Ende verpasste der für den verletzten Pietro Fittipaldi einspringende LeMans-Pilot die Punkteränge auf dem zehnten Platz nur knapp. Mit sieben gewonnen Positionen zählte Tom Dillmann dennoch zu einem der stärksten Piloten des Rennens. Lediglich Daniel Ticktum überholte noch mehr Autos (elf Stück insgesamt), als er sich vom letzten auf den elften Platz vorarbeitete. Wie bereits eingangs erwähnt, gehörte der Brite zu den acht Piloten, welche den ersten Stint mit den weichen Reifen bestritten. Somit endete das zweimalige Super-Formula-Gastspiel des derzeitigen Formel-3-Piloten zwar punktlos. Dennoch war der Red-Bull-Junior laut eigener Aussage sehr für die in Japan gesammelte Erfahrung dankbar. Ab dem kommenden Rennen in Motegi wird Mugen-Stammpilot Nirei Fukuzumi wieder ins Cockpit des in den Farben des österreichischen Energy-Drink-Herstellers lackierten Honda-Boliden zurückkehren, nachdem er die letzten drei Rennen wegen Terminüberschneidungen mit der Formel-2-Meisterschaft auslassen musste.
Ebenfalls mit den Slicks hadernd: Docomo Team Dandelion Racing. Nobuharu Matsushita verpasste trotz Raketenstart die Punkteränge auf dem neunten Rang nur gänzlich knapp, nachdem die weichen Pneus laut eigener Aussage zu sehr abbauten. Tomoki Nojiri musste das Rennen hingegen vom 15. Platz in Angriff nehmen. Er war einer der Leidtragenden des plötzlichen Regenschauers im ersten Qualifying-Teil, als dieser just auf seiner schnellsten Runde einsetzte. Als einziger Pilot versuchte er auf nasser Piste noch eine Krawallrunde in den Asphalt zu zaubern. Mit Slicks gleich der Versuch jedoch dem Schlittern auf Glatteis. Im Rennen kam Tomoki Nojiri, der die Ehre erhielt, den Shakedown sowie die Demorunden des SF19 durchzuführen, derweil nicht über den 14. Platz hinaus. „Wir müssen untersuchen, warum wir im trockenen so viel langsamer als während des Trainings im Regen waren“, erklärte der Sugo-Polesetter.
Mit lediglich einem Honda-befeuerten Fahrzeug (Naoki Yamamoto) in den Punkterängen platzte die Hoffnung des Herstellers, den ersten Sieg seit 2009 auf Toyotas Heimstrecke einzufahren. Stattdessen schrieb Kondo Racing Geschichte, die just zehn Jahre nach ihrem allerersten Triumph einen weiteren Super-Formula-Sieg feiern konnten. Nick Cassidys Premierensieg weist durchaus Parallelen zu 2008 auf. Auch damals gewann Joao Paulo de Oliveira erstmals von der Pole-Position aus. „Zu sagen, dass es unser erster Sieg seit zehn Jahren ist, ist etwas peinlich“, gab ein übers ganze Gesicht strahlender Masahiko Kondo lachend auf der Pressekonferenz zu Protokoll. „Es ist ein Beweis für unsere harte Arbeit in den letzten zwei Jahren. Wir haben intern einige Dinge umgestellt (unter anderem ein neuer Chefingenieur; Anm. d. Red.) und mit Nick und Kenta zwei talentierte Fahrer verpflichtet. Nachdem wir letztes Jahr noch viel Lehrgeld bezahlen mussten, konnten wir nun endlich die Früchte unserer Arbeit ernten.“ Dennoch würde der Musiker, Teamchef und ehemaliger Rennfahrer seine Mannschaft noch nicht zu den Top-Teams zählen: „Dazu brauchen wir noch mehr solcher Erfolge. Nach dem heutigen Sieg ist die Motivation aber größer denn je.“ Wie 2017 gab es auch bei der diesjährigen Fuji-Ausgabe ein Foto-Finish, das allerdings leider nicht von den TV-Kameras eingefangen wurde. So setzte sich im Kampf um Platz zwölf Kamui Kobayashi um lediglich 0,01 Sekunden gegen Koudai Tsukakoshi durch.
Nick Cassidy ist der erste neuseeländische Sieger in Japans höchster Formel-Serie seit der Triumphfahrt von Mike Thackwell am Fuji Speedway im Jahr 1986. Noch vor dem Rennen erklärte der Tabellenzweite, dass er noch nicht an die Meisterschaft denke. Stattdessen hatte er seine Augen gänzlich auf den Sieg gerichtet. Nachdem er nun auf lediglich ein einzelnes Pünktchen an Naoki Yamamoto heranrobbte, dürfte sich diese Denkweise jedoch geändert haben. Als nächstes steht zudem der Twin Ring Motegi am 19. August auf dem Programm. Vergangenes Jahr ließ Kondo Racing, in Form von Kenta Yamashita, zumindest im Qualifying die Muskeln spielen, als der Japaner seine allererste Pole-Position eroberte.
Rennergebnis Round 4 Fuji Speedway
Aktueller Meisterschaftstand
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