Was für ein Rennen in Hockenheim. Was für ein Sieg von Lewis Hamilton. Dabei hatte der Brite gleich zwei Mal richtig viel Glück.
Die Ausgangslage für Ferrari hätte nicht besser sein können. Man hatte das schnellste Auto, man hatte die Pole Position und Dauerkonkurrent Lewis Hamilton stand nach seinem Patzer in der Quali nur auf P14 in der Startaufstellung. Was kann da schon schief gehen? Eine ganze Menge, wie man in den 67 Runden des vorerst letzten Grand Prix von Deutschland hat sehen können. Denn dank eines kurzen und relativ unentschlossenen Regenschauers wurde das gesamte Rennen auf den Kopf gestellt. Es war dann die Runde 51, also 16 Runden vor Schluss, die Sebastian Vettel so schnell nicht vergessen wird. Er war alleine auf der Strecke, hatte etwas mehr als acht Sekunden Vorsprung und dann kam das:
(Danke an unseren Leser Ralf für das Video)
Man kann gut erkennen, dass Vettel schlicht ein Fehler unterlaufen ist. Zunächst dachte ich, dass er mit einem Hinterreifen vielleicht aufs Gras gekommen sei, aber dem ist nicht so. Er war auf dem halbnassen Asphalt schlicht zu schnell und zu spät auf der Bremse. Ein wirklich unverständlicher Fehler, der dem sonst so perfekten Vettel eigentlich nicht passiert. Und Ferrari in der WM vermutlich noch böse weh tun wird.
Die interessante Frage des Rennens ist aber: Hätte Hamilton das Rennen auch ohne den Ausrutscher von Vettel gewinnen können? Die Antwort darauf muss lauten: es wäre eng geworden. Ausschlaggebend dafür waren zwei Entscheidungen.
Zum einen die Entscheidung von Ferrari, Vettel mit den Ultrasoft bis Runde 25 draussen zu lassen. Was im ersten Augenblick eigentlich die richtige Strategie war. Die Ultrasoft hielten etwas länger durch, als man gedacht hatte. Bis Runde 19 lagen die Rundenzeiten von Vettel und Hamilton, der ja auch Soft gestartet war, ungefähr gleich. Nachdem der Brite in Runde 15 den fünften Platz erobert hatte, lagen vor ihm mit einigen Abstand nur noch Verstappen, Räikkönen, Bottas und Vettel. In Runde 15 betrug der Rückstand von Hamilton 25 Sekunden, in Runde 19 waren es 24.5 Sekunden. Doch ab Runde 20 brachen die Ultrasoft zunehmen ein. Als Vettel an in Runde 25 an die Box kam, war der Abstand auf 21 Sekunden zusammengeschrumpft. Der Ferrari kam nach dem Stopp nur knapp vor dem Mercedes auf die Strecke. Allerdings musste Hamilton noch mal an die Box.
Mercedes zögerte den Stopp sehr lange raus – und kam ausgerechnet dann rein, als die ersten Regentropfen fielen. Von den Zeiten her hätte man Hamilton noch weiter draussen lassen können. Er lag knapp drei Sekunden hinter Vettel und Räikkönen auf P3 und der Abstand vergrößerte sich nicht. Vettel schonte seine Soft, ebenso Räikkönen, der schon in Runde 13 an der Box war um mittels eines langen Undercuts Bottas von P2 zu verdrängen. Die zweite mutige Entscheidung war angesichts der dunklen Regenwolken Hamilton auf die Ultrasoft zu setzen.
In Runde 44 startete der leichte Regen. Da hatte Hamilton 23 Sekunden Rückstand auf Vettel. Mit den frischen Ultrasoft hatte der Brite aber auf der nie komplett nassen Strecke einen erheblichen Vorteil. Zwischen Runde 44 und Runde 51 dampfte er den Vorsprung von Vettel auf 12 Sekunden ein. Während der Deutsche mit den Soft vorsichtig unterwegs war, ballerte Hamilton eine schnelle Runde nach der anderen in den Asphalt von Hockenheim. Die Daten belegen klar, dass Hamilton den Abstand zu den beiden Ferrari vor ihm auf circa sechs bis acht Sekunden gedrückt hätte. Danach hätte er mit den frischeren Soft weiter Attacke reiten können. Räikkönen wäre mit seinen dann rund 40 Runden alten Soft kein Gegner gewesen, Vettel wäre mit Sicherheit in Probleme gekommen.
Allerdings hatte Hamilton wirklich Glück. Zum einen hätte der Regenschauer auch heftiger ausfallen können. Dann hätte der Brite noch mal an die Box gemusst und der Abstand hätte deutlich über 30 Sekunden betragen. Zum anderen hatte er Glück dass die FIA ihn nach dem Rennen nicht bestrafte. Denn in Runde 52 gab es Chaos im Funk, als ihn sein Team erst einbestellte um ihn dann doch draussen zu lassen, weil Bottas an der Box länger benötigte, als geplant. Hamilton kreuzte daraufhin über die die Boxeneinfahrt, rodelte über die Wiese und reihte sich wieder auf der Strecke ein.
Go in? Stay out?! Confusion all round at Mercedes – but it’s only a reprimand for @LewisHamilton so he keeps his win! 🏆 #GermanGP 🇩🇪 #F1 pic.twitter.com/dNMYh0M0d0
— Formula 1 (@F1) 22. Juli 2018
Es war ein klarer Verstoss gegen die Regeln, denn man darf die Begrenzung der Boxenein- und Ausfahrt nicht queren.
Einen ähnlichen Verstoß hatte sich Räikkönen zwei Jahre zuvor in Baku geleistet und eine 10 Sekunden Strafe kassiert.
Hamilton kam allerdings mit einer Verwarnung davon. Die FIA führte dafür drei Gründe an:
– Das Team habe glaubhaft versichern können, dass der Fehler entstand, weil es verwirrende Boxennachrichten seitens des Teams gegeben habe.
– Der Fehler sei hinter dem Safety Car passiert
– Kein anderer Fahrer sei gefährdet gewesen
Die Entscheidung ist zumindest schwierig. Zum Mal es dann tatsächlich die entscheidende Rennszene war. Denn hätte sich Hamilton regelkonform verhalten, hätte er sich hinter Bottas anstellen müssen und sehr viel Zeit verloren. Ferrari reagierte eine Runde später und holte Räikkönen rein, der ebenfalls frische Ultrasoft aufzog. Hamilton hätte also beim Restart hinter Bottas und Räikkönen gelegen. Ob er gegen die dann frischeren Reifen von Räikkönen eine Chance gehabt hätte, ist dann fraglich. Meiner Meinung nach hätte die Rennleitung dies bei ihrer Entscheidung mit in Betracht ziehen müssen.
Was sonst noch los war
Das durch den Regen verursachte Chaos an der Spitze herrschte auch im Mittelfeld. Dort hatten sich vor dem Schauer die beiden HaasF1 hinter den Top 4 platziert, gesplittet allerdings durch einen sehr gut aufgelegten Hülkenberg. Renault reagierte auf die SC-Phase schneller als Haas und holte den Deutschen zum Stopp rein. Haas reagierte eine Runde später mit einem Doppelstopp bei dem man die Intermediates aufzog. Einen ähnlichen Versuch starteten Sauber bei Leclerc und Toro Rosso bei Gasly. Nach ein paar Runden hinter dem SC stellte man aber fest, dass der schwere Regen ausblieb und Haas holte beide erneut zu einem Doppelstopp. Mit dem schlechteren Ende für Magnussen, der so zweimal viel Zeit verlor.
Aus P5 und P7 wurden so P10 für Grosjean und P12 für Magnussen. Während der Franzose mit frischen Ultrasoft noch auf P6 vorfahren konnte, blieb Magnussen zunächst hinter Sainz stecken, später hinter dem gut aufgelegten Brandon Hartley. Vom Chaos bei Haas profitierten die beiden am Wochenende unauffälligen Force India, Marcus Ericsson im Sauber und eben Hartley, die so in die Punkte kamen.
Ein mal wieder miserables Wochenende erwischten die Williams (Doppel Ausfall) und die McLaren. Vandoorne schaffte in der Quali nur den letzten Platz, Alonso scheiterte deutlich in Q2. im Rennen fiel Vandoorne aus, Alonso konnte sich nicht in Szene setzen. Am Ende stellte er den McLaren in der letzten Runde an der Box ab.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Force India, McLaren F1, Sauber F1, Renault Sport, HaasF1, Williams F1