Im Vorfeld großer GT3-Rennen kann man sich ausnahmslos auf zwei Dinge verlassen: BoP-Diskussionen und die kollektive Ahnungslosigkeit bezüglich potentieller Sieganwärter. Dank des diesjährigen Rekordfelds werden beide Themen wohl noch etwas umfangreicher ausfallen, was eine extrem spannende 70. Ausgabe des Ardennen-Klassikers verspricht. Also packt die Angeln aus, wir fischen im trüben See namens 24 Stunden von Spa-Francorchamps nach Favoriten!
Die bisherige Saison
Beim Blick in die 2018er Gesamtsiegerliste der Blancpain GT Series fällt vor allem eines auf: Audi und sein belgisches Kundenteam WRT hatten eine sehr erfolgreiche erste Jahreshälfte. Im Sprint Cup gewannen die Ingolstädter fünf von sechs Rennen (vier Siege davon: Belgian Audi Club Team WRT). Außerdem siegte man mit WRT beim Auftakt des Endurance Cups im königlichen Park von Monza – eine außerordentliche Leistung, da der R8 LMS traditionell mit der Highspeedstrecke hadert. Dementsprechend zwingt sich natürlich die Frage auf, ob Audi der absolute Hauptfavorit ist? Hinsichtlich dieser Schlussfolgerung sollte man jedoch vorsichtig sein.
So hat der Sprint Cup viele Teilnehmer über den Winter verloren und besteht momentan zu etwa einem Drittel aus Audis. Das Belgian Audi Club Team WRT stellt davon etwa die Hälfte und zusätzlich auch noch die besten Fahrerkombinationen. Zwar soll dies die Leistungen der R8-Kundenteams keinesfalls schmälern, doch im Kontext der 24 Stunden von Spa finden sich im BGTSC keine ernstzunehmenden Anhaltspunkte. Dazu kommen Unterschiede wie der Einsatz von Duos und die obligatorischen, simplen Stopps zur Hälfte der einstündigen Rennen.
Demnach lohnt sich also eher der Blick in den Endurance Cup, zu welchem natürlich auch das Jahreshighlight der Spa24h gehört. Hier gestaltet sich das Gesamtbild bereits differenzierter. Neben der um etliches größeren Markenvielfalt sprechen die Ergebnislisten gegen eine klare Hauptfavoritenrolle der Audianer. Beim zweiten Drei-Stunden-Lauf in Silverstone brachte ein Aston Martin V12 Vantage GT3 des Teams R-Motorsport den Sieg „nach Hause“, gefolgt von einem Mercedes AMG GT3 von AKKA ASP und einem Emil Frey Lexus Racing RC F GT3. Der in Monza noch siegreiche #1 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS GT3 musste sich mit Rang vier zufriedengeben.
Beim zweitlängsten Lauf der Saison in der Form der 6 Stunden von Paul Ricard wurde der beste Audi sogar nur auf Position sechs abgewinkt. Die Nummer eins fiel aus. Stattdessen gelang Emil Frey Lexus Racing der Sprung ins Rampenlicht. Dank des BGTS-Debütsiegs des noch jungen Projekts rückte man in den Kreis der Geheimfavoriten auf – wenn nicht sogar in die Sphären eines Hauptanwärters. Position zwei ging an einen neuen Bentley Team M-Sport Continental GT3, der aufgrund des umfangreichen Testprogramms schnell bei der Musik war. Wer die letzten Ausgaben der Spa24h verfolgt hat, weiß ja, dass die Briten noch eine Rechnung mit der Ardennenachterbahn offen haben. Eine weitere Überraschung rundete das Podium der Generalprobe schließlich ab: Der dann doch in die Jahre gekommene #58 Garage 59 McLaren 650S GT3 kam konstant durch die sechs Stunden und wurde mit dem Bronzerang belohnt.
Unter den 14 besten Boliden (alle in der Führungsrunde abgewinkt) befanden sich des Weiteren noch vier Mercedes AMG GT3, ein neuer Nissan GT-R Nismo GT3 (Frühform?), der Manthey Racing Porsche 911 GT3 R, ein ROWE Racing BMW M6 GT3, der #17 WRT Audi R8 LMS GT3 sowie zwei Lamborghini Huracán GT3. Gelebte Markenvielfalt!
Wer aus diesen neun Marken, zwölf Teams oder gar vierzehn Nennungen jetzt spezielle Favoriten herauspicken will, könnte sich nebenbei gleich mal beim heimischen Lottopartner versuchen. Vor allem da weitere Anwärter enormes Pech in der heißen südfranzösischen Nacht hatten. Neben den R-Motorsport Astons verschwanden auch der #72 SMP Racing Ferrari 488 GT3 sowie etliche Schwesterboliden der oben aufgeführten Mannschaften in den Untiefen des Klassements.
Wie lautet also nun das Fazit der erweiterten ersten Saisonhälfte? Tja, schwierig! Am nächsten kommt man dem Ganzen wohl, wenn man festhält, dass das Klischee des komplett offenen Gesamtsiegkampfs durchaus begründet ist.
Die Gesamtsiegfähigen
Obwohl die SRO Maßnahmen zur Förderung der Amateurklassen integriert hat (z.B. Nennlimit für die Pro im BGTEC), gibt es in Spa anhaltend keine Restriktionen für die Hauptdivision. Folgerichtig haben sich unzählige Topmannschaften aus der gesamten GT3-Szene angemeldet. Aufgrund der schieren Menge an Möglichkeiten liegt der Fokus der diesjährigen Vorstellung daher hauptsächlich auf den reinen Pro-Teams (Silver Cup somit ausgeklammert). Die anderen Klassen werden im dritten Artikel der Vorschaureihe kurz durchgesprochen.
Aston Martin
Ähnlich wie bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring will Aston Martin seinen wohlklingenden V12 Vantage mit einem Knalleffekt verabschieden. Dafür hat man bei der massiven Aufrüstung der Schweizer von R-Motorsport bzw. AF Racing geholfen, welche zudem noch mit Arden und JOTA kooperieren. Dank des bis zum Erbrechen diskutierten Laufs in Silverstone reiste man sogar mit einem BGTEC-Sieg nach Spa.
R-Motorsport (werksunterstützt)
#62 R-Motorsport Aston Martin V12 Vantage GT3 (Dominik Baumann–Marvin Kirchhöfer–Maxime Martin)
#76 R-Motorsport Aston Martin V12 Vantage GT3 (Matthieu Vaxivière–Jake Dennis–Nicki Thiim)
Trotz des Alters der beiden Einsatzfahrzeuge gehört R-Motorsport zu den Favoriten auf den Gesamtsieg. Zusätzlich zu den herausragenden Piloten hat man via Arden/JOTA unendliches Know-how zur Verfügung, welches neben Sprintszenarien auch alle erdenklichen Langstreckenentwicklungen abdeckt. Wenn die BoP anhaltend gut ausfällt, müsste man sich sogar schon fast ärgern, wenn kein Top-5-Ergebnis herausspringt.
Audi
Auch wenn das Argument des absoluten Hauptanwärters weitgehend entkräftet werden konnte, wird Audi als Titelverteidiger eine enorm große Rolle einnehmen. Seit dem Umstieg auf das GT3-Reglement konnte man insgesamt viermal die Siegerehren einfahren – ein fünftes Mal wäre also keine sonderlich große Überraschung.
Audi Sport Team WRT (werksunterstützt)
#1 Audi Sport Team WRT R8 LMS GT3 (Alex Riberas–Christopher Mies–Dries Vanthoor)
#2 Audi Sport Team WRT R8 LMS GT3 (Robin Frijns–Nico Müller–René Rast)
Das belgische W Racing Team fungiert traditionell als Audi-Speerspitze im BGTEC und bekommt dementsprechend auch wieder werksseitige Unterstützung (Know-how sowie Fahrer) zugewiesen. Neben den Monza-Siegern in der Nummer eins wird es ein „DTM-Auto“ geben, dessen Fahrer jedoch auf vielfältige Erfolge in der GT3 zurückblicken können. Hier kann de facto keine nennenswerte Schwäche ausgemacht werden. Mit René Rast haben sie im Übrigen einen Piloten ihres Gesamtsieges aus dem Jahr 2014 wieder an Bord.
Belgian Audi Club Team WRT (privat)
#17 Belgian Audi Club Team WRT R8 LMS GT3 (Stuart Leonard–Marcel Fässler–Daniel Serra)
Trotz anders gelagerter Planungen zu Beginn des Jahres wird WRT nur einen privat betreuten Wagen einsetzen. Mit dem aktuellen Bathurst12h-Sieger Leonard, der Le-Mans-Legende Fässler und dem brasilianischen Tourenwagenstar Serra ist man bestens aufgestellt und kann vielleicht sogar auf Höhe der Werksnennungen fahren. Auch hier wieder eine nette Randbemerkung: Marcel Fässler steht bereits in der Siegerliste – zusammen mit der Carsport Holland Corvette C6.R (2007).
Saintéloc Racing (werksunterstützt)
#25 Audi Sport Team Saintéloc Racing R8 LMS GT3 (Markus Winkelhock–Christopher Haase–Frédéric Vervisch)
Die Truppe aus dem französischen Saint-Étienne reiste als Renn-Titelverteidiger nach Spa und konnte bis auf Jules Gounon die erfolgreiche Mannschaft des Vorjahres zusammenhalten. Der Abgang von Gounon dürfte die Ambitionen hinsichtlich der Titelverteidigung aber leicht dämpfen, da der junge Franzose mit einer starken Pace im vergangenen Jahr glänzen konnte. Sein Ersatz in der Form von Frédéric Vervisch gilt in der Szene als erfahrener Audi-Mann, aber der Belgier wartet noch auf einen ersten großen Langstreckentriumph. Laut der Website Driver Database gewann er aber immerhin schon dreimal das Kart-24-Stunden-Rennen in Spa-Francorchamps.
Montaplast by Land Motorsport (privat)
#29 Montaplast by Land Motorsport Audi R8 LMS GT3 (Kelvin van der Linde–Sheldon van der Linde–Jeffrey Schmidt)
Für das erfolgsverwöhnte Team aus Niederdreisbach sind die 24 Stunden von Spa tatsächlich noch Neuland. Dementsprechend demütig stellt man sich der Herausforderung und man buchte sogar Peter Baron (ihr IMSA-Chefstratege), der möglicherweise die fehlende Werksunterstützung etwas ausbalancieren kann. Dank der starken Van-der-Linde-Brüder und des aufstrebenden GT-Talents Schmidt ist ein Debütsieg vorstellbar. Ihre schnelle Lernfähigkeit kennt man ja bestens aus der IMSA.
Attempto Racing (privat)
#55 Attempto Racing Audi R8 LMS GT3 (Pierre Kaffer–Kim Luis Schramm–Clemens Schmid)
#66 Attempto Racing Audi R8 LMS GT3 (Pieter Schothorst–Steijn Schothorst–Jamie Green)
Im Vergleich zu den anderen Pro-Nennungen der Audi-Armada mögen die Niedersachsen zwar am schwächsten wirken, doch ihre beiden Trios tragen durchaus Potential in sich. Unter anderem gelang den Gebrüdern Schothorst ein größerer Sprung über den Winter, was sich bislang hauptsächlich im Sprint Cup bemerkbar machte. Für eine Chance auf den Gesamtsieg müsste zwar außerordentlich viel gut verlaufen, doch ein Top-10-Ergebnis liegt im Bereich des Möglichen.
Bentley
Die britische Luxusmarke tritt ab diesem Jahr mit einer neuen Iteration des Bentley Continental GT3 an, welche nach Anlaufschwierigkeiten in Monza nun bei der Musik zu sein scheint. In Le Castellet raubte ihnen eine lockere Frontpartie sogar einen sicher geglaubten Sieg in den letzten Zügen des sechsstündigen Rennens (es reichte trotzdem für P2). Obwohl man in Spa traditionell vorne mitfährt, hat man in Crewe wohl eher gemischte Gefühle im Vorfeld. So war die Fehlerquote während der letzten Ausgaben teils untypisch hoch, was vielleicht sogar den einen oder anderen Gesamtsiegtraum zerstörte.
M-Sport (werksunterstützt)
#7 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Steven Kane–Jordan Pepper–Jules Gounon)
#8 Bentley Team M-Sport Continental GT3 (Andy Souček–Maxime Soulet–Vincent Abril)
Das ursprünglich aus der Rallye-Szene stammende Team betreut schon seit etlichen Jahren die Werksausflüge Bentleys und glänzt bekanntermaßen mit extrem starken Trios. Über den Winter konnte man sogar den Vorjahressieger Jules Gounon zum Bentley Boy transformieren. Da Guy Smith vor kurzem zurücktrat, ist zudem der Südafrikaner Jordan Pepper ins Aufgebot aufgenommen worden. Er könnte im Zweifelsfall eine kleinere Schwächung sein, doch seine Leistung in Le Castellet entkräftete vorerst derartige Sorgen. Wenn die Fehler der letzten Jahre ausbleiben, ist ein Debütsieg für das Modell keine Träumerei.
BMW
Im Racingblog bezeichnen wir den BMW M6 GT3 schon länger als Wundertüte. Dieser Ruf beruht maßgeblich auf dem überraschenden Spa24h-Sieg von vor zwei Jahren, aber er wird immer mal wieder von unerwarteten vereinzelten Erfolgen weltweit bestätigt. In der bisherigen BGTEC-Saison flog man stark unter dem Radar und auch sonst spricht eher wenig für einen erneuten Triumph. Genauso wie 2016…
Walkenhorst Motorsport (werksunterstützt)
#34 Walkenhorst Motorsport BMW M6 GT3 (Philipp Eng–Tom Blomqvist–Christian Krognes)
Anlässlich des GT3-Jahreshighlights setzen die Deutschen von Walkenhorst einen zusätzlichen Pro-Wagen ein, der von den Fahrern her durchaus im oberen Drittel einzuordnen ist. Hier wird man beobachten müssen, in welche Richtung ihr Rennen gehen wird und ob Philipp Eng wieder die fulminante Pace seines Sieges aus dem Jahre 2016 gehen kann.
ROWE Racing (werksunterstützt)
#98 ROWE Racing BMW M6 GT3 (Jesse Krohn–Marco Wittmann–Ricky Collard)
#99 ROWE Racing BMW M6 GT3 (Jens Klingmann–Nicky Catsburg–Alexander Sims)
Für die Spa-Titelverteidiger des vergangenen Jahres läuft es aktuell nicht so recht und man lechzt nach einem größeren Erfolgserlebnis. Dass gerade jetzt der Ort ihres wichtigsten Triumphs an der Reihe ist, könnte also gar nicht mal so ungelegen kommen. Beide Cockpits sind mit grundsoliden GT3-Kennern besetzt worden, die an guten Tagen zur Speerspitze der Szene gehören können.
Ferrari
Nach der überzeugenden Pole und den umfangreichen Führungsrunden im letzten Jahr muss der Ferrari 488 GT3 auch heuer wieder als ein Favorit gelten. Jedoch ist nur ein cavallino rampante in der Pro-Kategorie gemeldet worden, was gleichermaßen schlecht und gut sein kann. So dürfte das Einzelkämpferauftreten zwar vorteilhaft in Sachen BoP werden (weniger Gesamtdaten für die Kommission), doch das hilft bei einem Ausfall dann auch herzlich wenig.
SMP Racing (werksunterstützt)
#72 SMP Racing Ferrari 488 GT3 (Mikhail Aleshin–Miguel Molina–Davide Rigon)
Das von den Ferrari-Spezialisten AF Corse betreute Projekt fußt auf sehr guten Fahrern und einer effizienten Boxencrew, doch sportlich wollte es in diesem Jahr noch nicht so wirklich laufen. Dementsprechend war der siebte Platz bei den 3 Stunden von Silverstone der bisherige Saisonhöhepunkt. Zu ihrem Glück gilt Spa aber immer als eine Art Wildcard und kann ergebnistechnisch stark von der Restsaison abweichen (siehe BMW 2016). Man darf also gespannt sein, in welche Richtung das Pendel ausschlagen wird.
Lamborghini
Die zweite italienische Marke unserer Vorschau befindet sich zwar auf dem Höhepunkt ihres GT3-Schaffens (siehe GTD-Sieg bei den Rolex24), aber ihr Spitzenteam musste in Monza eine schmerzhaft-folgenreiche BoP-Anpassung hinnehmen. Deren Auswirkungen kritisiert man bis heute und man fürchtet, dass der Circuit de Spa-Francorchamps wieder einmal zur Nemesis-Strecke der Kampfstiere werden könnte. Diesbezüglich spricht man aus traumatischer Erfahrung.
GRT Grasser Racing Team (werksunterstützt)
#19 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Ezequiel Perez Companc–Raffaelle Giammaria–Marco Mapelli)
#63 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Mirko Bortolotti–Christian Engelhart–Andrea Caldarelli)
#82 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3 (Rolf Ineichen–Phil Keen–Franck Perera)
Aller guten Dinge sind drei – zumindest bei den Österreichern von GRT. Die Meistertruppe aus dem vergangenen Jahr ist äußerst solide in die aktuelle Saison gestartet, aber hofft noch auf einen größeren Erfolg auf der Langstrecke. Am ehesten ist dies der Nummer 63 zuzutrauen, welche weiterhin von den 2017er Titelträgern pilotiert wird. Die beiden anderen Trios sind in ihrer Gesamtheit zwar als schwächer einzuschätzen, jedoch sind ihre Fahrer in der Lage, an guten Tagen zu überraschen. Während die #19 hauptsächlich von aufstrebenden Fahrern gelenkt wird, gilt im Umfeld der #82 die Maxime der Erfahrung. Hier sei besonders der Blick auf Phil Keen empfohlen, der in der British GT seit Jahren auf dem höchsten Niveau fährt.
Lexus
Die große Überraschung des Jahres! Nachdem man 2017 bereits erste Blancpain-GT-Erfahrung gesammelt hatte, erfolgten heuer zwei Nennungen für die komplette Saison. Bislang hat sich diese Entscheidung voll und ganz für den Luxusableger von Toyota gelohnt – in Spa winkt nun der größtmögliche GT3-Erfolg.
Emil Frey Lexus Racing (werksunterstützt)
#14 Emil Frey Lexus Racing RC F GT3 (Christian Klien–Albert Costa–Marco Seefried)
#114 Emil Frey Lexus Racing RC F GT3 (Stéphane Ortelli–Norbert Siedler–Markus Palttala)
Das Prinzip der zweiten Chance ist fest mit der DNA von Emil Frey Racing verwoben. Nahezu alle Piloten der Schweizer Equipe erlebten schon mal einen größeren Knick in ihrer Karriere oder waren sogar kurz davor, selbige aufzugeben. Geprägt von diesen harten Zeiten entwickelte sich eine verschworene Truppe, die zunächst in den beiden Jaguar G3 (G3 via RACB) herauszustechen vermochte und die nun mit der Hilfe von Lexus um Gesamtsiege kämpft. Angetrieben von der Suche nach dem persönlichen Happy End werden die sechs Piloten zur schärfsten Waffe des langstreckenerprobten Teams werden – Achtung, hier bahnt sich etwas Außerordentliches an!
McLaren
Vor zwei Jahren wirkte es noch so, als sei der McLaren 650S GT3 zum neuen Referenzauto in der GT3-Szene aufgestiegen. Mit dem Rückenwind des Sieges bei den 12 Stunden von Bathurst gesegnet genoss er eine herausragende BGTEC-Saison, die mit einem Gesamttitel gekrönt wurde. Seitdem wurde es aber wieder ruhiger um das britische Charakterauto, welches momentan die Zeit bis zu seinem Nachfolger im nächsten Jahr überbrückt. Dank des überraschenden dritten Platzes in Le Castellet positionierte sich der 650S GT3 immerhin nochmal als ernstzunehmender Anwärter für die Spa24h. Für den ganz großen Wurf müsste der McLaren aber erst seine notorische Langstreckenschwäche ablegen, die in Belgien bislang jedes Jahr im Weg stand.
Garage 59 (werksunterstützt)
#58 Garage 59 McLaren 650S GT3 (Côme Ledogar–Ben Barnicoat–Olivier Pla)
Da oberhalb bereits alles Relevante zum Auto aufgeführt wurde und Garage 59 de facto ein Fake-Werksteam ist, sei abschließend auf ein S365-Interview mit Andrew Watson verwiesen.
Mercedes
Fünf Jahre liegt der erste und einzige GT-Spa-Sieg der Sternenmarke bereits zurück. Damals gewann HTP Motorsport mit den Piloten Maximilian Buhk, Bernd Schneider sowie Maximilian Götz. Heuer reiste man mit einem diversen Großaufgebot in die Ardennen, um dem AMG GT3 endlich seinen ersten Triumph dort zu verschaffen. Wenn man die Pace der letzten Ausgabe erhalten kann, stehen die Chancen gut.
Black Falcon (werksunterstützt)
#4 Mercedes-AMG Team Black Falcon AMG GT3 (Maro Engel–Yelmer Buurman–Luca Stolz)
Das Eifelaner Traditionsteam kann auf viele große Erfolge im GT3-Sport zurückblicken – unter anderem gewann man die 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring und in Dubai. Ein Sieg bei den 24 Stunden von Spa würde es nachhaltig in die Spitze der Szene katapultieren und mit dem genannten Trio kann man durchaus derartige Ambitionen hegen. Des Weiteren setzt man noch ein Pro-Am- sowie ein Silver-Cup-Auto ein, die ebenfalls auf Klassensiege schielen dürfen.
AKKA ASP (#35 privat – #88 werksunterstützt)
#35 SMP Racing by AKKA ASP Mercedes AMG GT3 (Vitaly Petrov–Denis Bulatov–Michael Meadows)
#88 Mercedes-AMG Team AKKA ASP AMG GT3 (Raffaele Marciello–Tristan Vautier–Daniel Juncadella)
Während die für SMP Racing eingesetzte Nummer 35 zu den schwächeren Pro-Autos gehört, ist die #88 vielleicht die spannendste Nennung des Jahres. Dies basiert zum Großteil auf der legendären Fahrt von Raffaele Marciello bei der letzten Ausgabe, die noch viele Jahrzehnte lang Experten begeistern wird. Sollte heuer der Sieg folgen, wäre das Märchen für ihn und die Franzosen von AKKA ASP zweifelsohne perfekt.
Strakka Racing (#43 werksunterstützt – #44 privat)
#43 Mercedes-AMG Team Strakka Racing AMG GT3 (Maximilian Buhk–Maximilian Götz–Álvaro Parente)
#44 Strakka Racing Mercedes AMG GT3 (Rubens Barrichello–Felipe Fraga–Christian Vietoris)
Die Briten von Strakka Racing haben über den Winter auf AMG GT3 umgestellt und sind bislang sehr gut mit dieser Entscheidung gefahren – im wahrsten Sinne des Wortes. Dem Profi-Trio der #43 gelang beim BGTEC-Markendebüt in Monza gleich ein zweiter Platz, in Silverstone und Le Castellet sprang man zweimal souverän in die Top 10. Durch die Verpflichtung des ehemaligen F1-Stars Rubens Barrichello wird auch ihr zweites Pro-Einsatzfahrzeug häufig in den Fokus rücken. Zusätzlich werden sein brasilianischer Landsmann Fraga (bekannt aus der Campeonato Brasileiro de Stock Car) sowie der Deutsche Christian Vietoris das Volant übernehmen.
HTP Motorsport (werksunterstützt)
#84 Mercedes-AMG Team MANN-FILTER AMG GT3 (Gary Paffett–Edoardo Mortara–Renger van der Zande)
“High Performance – Teamspirit – Passion” Motorsport stößt extra im Rahmen des GT3-Jahreshighlights zum BGTEC-Feld dazu und möchte die Stammkräfte naturgemäß nachhaltig schocken. Mit den drei Fahrern könnte dies sogar gelingen. So hat man den aktuellen DTM-Tabellenführer Gary Paffett, Mister Macau Edoardo Mortara und den Sportwagenstar Renger van der Zande für ihr Projekt begeistern können.
Nissan
Ein Mensch lernt wenig von seinem Siege, aber viel von seiner Niederlage – Dieser japanische Aphorismus passt gut zu den letzten Jahren des GT3-Projekts von Nissan, welches außerhalb des heimischen Markts kaum zu überzeugen wusste. Mit dem neuen GT-R Nismo GT3 will man die größten Probleme nun beseitigt haben und nach häufigeren internationalen Erfolgen streben. Spa wird diesen Wunsch das erste Mal auf Herz und Nieren prüfen.
GT SPORT MOTUL Team RJN (werksunterstützt)
#23 GT SPORT MOTUL Team RJN Nissan GT-R Nismo GT3 (Lucas Ordoñez–Alex Buncombe–Matt Parry)
Im Gegensatz zu Bentley oder Lexus entschied man sich bei Nissan dazu, die beiden Werksautos in Pro und Silver Cup zu splitten. Dadurch ist de facto nur ein Auto wirklich siegfähig und dies, wenn man ehrlich ist, auch nur potentiell – dafür ist die Konkurrenz zu stark. Die große Hoffnung der drei Gold-Piloten liegt demnach in der Arbeit der BoP-Kommission. In Le Castellet passte das Gesamtpaket immerhin schon mal für einen fünften Rang.
Porsche
Die Zuffenhausener sind die elfte und somit letzte Pro-Marke unserer Vorschau (Jaguar und Honda sind in anderen Klassen). Nach den Siegen auf dem Ring und in der GTE-Pro strebt man in Spa die europäische GT-Triple-Crown an – sehr zum Missfallen einiger Verschwörungstheoretiker, die seit den 24 Stunden auf dem Nürburgring pausenlos rotieren. Alex Jones lässt grüßen. In der Realität hat Porsche eine selten gesehene Motorsportkampagne im Rahmen des 70. Geburtstags auf die Beine gestellt, welche jeglichen verfügbaren Respekt verdient hat. Die Ardennen stellen nun ihren GT-Endgegner da (sorry liebe Le-Mans- und Nürburgring-Freunde), denn dort trifft man auf die härteste sowie umfangreichste Konkurrenz und auf die ehrlichste aller BoP-Kommissionen. Sprich: Wer hier gewinnt, hat etwas Großes geschafft.
KÜS Team75 Bernhard (werksunterstützt)
#117 KÜS Team75 Bernhard Porsche 911 GT3 R (Timo Bernhard–Earl Bamber–Laurens Vanthoor)
Wenn man nur nach Ergebnissen geht, war das Langstreckendebüt der Truppe bei den letzten Spa24h herausragend. Platz vier – als Porsche-Einzelkämpfer! Doch der Blick in die Geschichtsbücher verrät noch etwas mehr: Nach nur drei Stunden hatte man sich einen äußerst kostspieligen Fehler in der Box erlaubt, der eine 3-Minuten-Stop-and-Go-Strafe provozierte. Danach kämpfte man sich hemmungslos durch die restlichen Stunden und verfehlte das Podium um lächerliche 15 Sekunden. Sprich: Ohne den mehr oder weniger völlig normalen Rookiefehler hätte man noch für viel mehr Furore sorgen können, aber hätte, wäre, wenn! Was bleibt, ist eine faszinierende Geschichte über Willensstärke und sportliche Höchstleistung. Es wäre an der Zeit, dass sie eine Fortsetzung findet.
Manthey Racing (werksunterstützt)
#911 Manthey Racing Porsche 911 GT3 R (Romain Dumas–Frédéric Makowiecki–Dirk Werner)
Sieg bei den 24 Stunden auf dem Nürburgring? Check! GTE-Pro-Klassensieg bei den 24 Stunden von Le Mans? Check – sogar ein Doppelsieg! Sieg bei den 24 Stunden von Spa? To be continued! Das Porsche-Haupteinsatzteam aus dem Herzen der Eifel schickt sich an, ein sehr historisches Jubiläumsjahr zu ermöglichen, welches auf Jahrzehnte die Messlatte setzen wird. Für den größtmöglichen Erfolg müssen sie sich jedoch nun am meisten strecken, denn bislang wurden sie von der BGTEC-Konkurrenz ordentlich aufgerieben. So weist die Ergebnisliste auch nur einen zehnten Rang in Le Castellet als Topresultat auf. Jedoch ist Spa nicht wie die Restsaison. Das wird ihnen in die Karten spielen.
Fazit
Unsere Favoritensuche besteht aus sage und schreibe 30 Nennungen, was schlussendlich für sich sprechen sollte. Natürlich könnte man nun kritisieren, dass die Betrachtung all dieser Fahrzeuge maßlos übertrieben sei, doch die Realität sieht anders aus: Die 70. Ausgabe der 24 Stunden von Spa könnte kaum offener hinsichtlich der Sieger sein. Dies schließt im Übrigen aber auch keine dominanten Fahrten aus. Selbige sind nach jetzigem Wissen jedoch einfach nicht vorhersehbar.
Bilderquelle / Copyright: Audi; Daimler; SRO (Blancpain GT Series)