Das Rennen in Ungarn wird heiß. Einerseits vom Wetter her, andererseits ist ein enger Kampf zwischen Ferrari und Red Bull zu erwarten.
Diese Woche wird überschattet durch den Tod von Fiat-Chrysler und Ferrari Boss Sergio Marchionne. Fand man für den FCA-Konzern schnell eine Lösung für die Nachfolge, sieht es bei Ferrari anders aus. Neuer CEO ist der für viele völlig unbekannte Louis Camilleri, der erst seit 2015 als „Non Executive Direktor“ bei Ferrari an Bord ist. Das Maltese war vorher CEO von Philipp Morris und hat eng mit dem jetzigen Teamchef Maurizio Arrivabene zusammen gearbeitet, der vor seiner Zeit bei Ferrari das Marketing des Tabakkonzerns geleitet hat. Camilleri dürfte eine Notlösung sein – er verfügt über keine Expertise in Sachen Autobau noch in der Führung des Herzstücks von Ferrari – dem Formel Eins Team. Gleichzeitig gibt es Gerüchte, dass man gerne Stefano Domenicalli wieder zu Ferrari lotsen möchte. Der leitet im Moment für VW die Marke Lamborghini und war zuvor Teamchef bei Ferrari. Er kennt also beide Seiten des Geschäfts gut, ist Italiener und ein Ferrari-Intimus. Eine bessere Lösung dürfte schwer zu finden sein. Und sie sollte schnell kommen. Denn der tragische Tod von Marchionne konnte vor allem für Ferrari zu keinem schlechteren Zeitpunkt passieren.
Denn im Moment laufen die schwierigen Verhandlungen mit Liberty Media und der FIA bezüglich der kompletten Neugestaltung der Formel Eins. Dabei geht es zum einen um die technischen Regeln. Zum anderen, und für Ferrari viel wichtiger, geht es um Geld. Wie bekannt hat Ferrari im momentan noch laufenden Concorde-Agreement einige Freiheiten in Sachen Geld und Veto-Rechte bei den Regeln. Zwar will auch Liberty Media Ferrari Sonderzahlungen zubilligen, aber mitnichten in der Höhe, die man bisher bekommen hat. Allein dieser Punkt war für Marchionne Anlass genug, dass Drohszenario eines F1-Ausstiegs aufzubauen. Und die Verhandlungen sind bisher nicht abgeschlossen. Auf Grund der Krankheit von Marchionne lagen diese seit Ende Juni still. Und eigentlich wollte man vor der Sommerpause auch schon die Regeln fix machen. Es ist aber völlig unklar, wer jetzt für Marchionne an den Verhandlungen teil nehmen wird. Theoretisch müsste dies Camilleri sein, aber es ist nicht mal klar, ob dieser am Wochenende in Ungarn sein wird.
Die ganze Situation kommt für Ferrari also zum einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Und dies auch noch, nachdem man in Hockenheim eine krachende Niederlage erleiden musste. Eine Demütigung, dank eines Fahrfehlers von Vettel. Der Frust, aber auch die Wut bei Ferrari wird groß sein – man wird versuchen die Scharte in Ungarn auszuwetzen. Doch leicht wird das nicht werden.
Der Hauptgegner an diesem Wochenende wird ausnahmsweise nicht Mercedes sondern Red Bull sein. Drei Paradestrecken haben die Österreicher: Monte Carlo, Ungarn und Singapur. In Monte Carlo haben sie schon gewonnen, der zweite Streich sollte in Ungarn erfolgen. Das Team geht fest davon aus, dass man hier um den Sieg fahren kann. Mehr noch: man denkt, dass man überlegen sein wird. Das könnte so gar hinkommen. Die Abstände bei den letzten Rennen waren nicht so groß, dass man die Spitze aus den Augen verloren hat. In Ungarn könnte Red Bull den Spieß umdrehen und seinerseits einen Abstand zwischen sich und die Verfolger legen. Die Gründe dafür sind bekannt: Der RB14 verfügt über den besten mechanischen Grip und kommt gleichzeitig in Sachen Reifenverschleiß normalerweise gut über Runden.
Dennoch könnte ihnen Ferrari die Sache verhageln. Das diesjährige Chassis hat bisher auf einer kaum einer Strecke eine wirkliche Schwäche gezeigt. Es funktionierte in Silverstone, wie in Monte Carlo, auch wenn man da gegen Ricciardo chancenlos war. Mittlerweile hat Ferrari aber in Sachen Motor bekanntermaßen nachgelegt. Das Update, dass seit Frankreich oder Silverstone im Auto ist, sorgt dafür, dass Ferrari in der reinen Motorleistung Mercedes sogar überholt hat. Unterstützt wird diese These von den sehr guten Ergebnissen der HaasF1 und Sauber in den letzten Rennen. Force India wunderte sich, dass Perez und Ocon Mühe hatten an dem eher schwachen Ericsson vorbei zu kommen.
Wie beschrieben liegt des Rätsels Lösung für den plötzlichen Leistungszuwachs des Ferrari in einer geschickten Weise, das MGU-H auszunutzen. Denn während die Leistung des MGU-K reglementiert ist, kann das MGU-H so viel Leistung liefern, wie es will. Der „Flaschenhals“ ist die maximale Leistung, die zur Verfügung stehen darf. Ferrari ist es wohl gelungen, dass das MGU-H über das MGU-K dem Akku zusätzlich Energie zufügt. Das bedeutet nicht, dass Ferrari mehr Leistung aus den Hybridsystemen zieht, sondern nur dass sie diese Leistung öfter und länger abrufen können. Ein entscheidender Vorteil vor allem auf den Highspeed Strecken. In Ungarn bringt das System zwar nicht so viel, aber auf den Geraden haben die Ferrari definitiv einen Vorteil.
Mercedes wird in Ungarn Schadensbegrenzung betreiben müssen. Zum einen mag das Chassis enge Kurse nicht, was aber bekannt ist. Erschwerend kommt dieses Jahr hinzu, dass der Mercedes mit hohen Streckentemperaturen nicht klar kommt. Ein Phänomen, dass man von Mercedes kennt, was aber in der letzten Saison gebannt schien. Da am Wochenende Temperaturen von bis 35 Grad erwartet werden, spricht das nicht für den Mercedes. Was aber nicht bedeutet, dass Hamilton und Bottas in Quali nicht ohne Chancen wären. Nur im Rennen dürfte es schwerer werden.
Im Mittelfeld dürfte der angesprochene Vorteil von Hass auch in Ungarn bestehen. Renault hatte in Monaco Probleme und landete nur auf P8. Hinter Pierre Gasly im Toro Rosso. Das hatte zwar auch etwas mit der Strategie zu tun, aber zumindest in Monaco hatte man mit dem damaligen Aero-Paket Probleme. Renault hat aber ein sehr umfangreiches Update-Programm und in Hockenheim gab es einen neuen Frontflügel. Ob da was neues in Ungarn kommt, ist nicht bekannt.
McLaren plant zumindest, laut Fernando Alonso, ein großes Update mit nach Ungarn zu bringen. Es ist ungewöhnlich, dass man das vor der Sommerpause macht. Die meisten Teams rücken dann in Spa und und Japan mit großen Upgrades an. Das McLaren das Update bringt, zeigt auch, wie stark der Druck im Team ist. Immerhin hat man sich jetzt verstärkt. James Key wechselt von Toro Rosso Ende des Jahres zu McLaren.
Hinten wird weiter Williams das Feld abschließen. Zwar hat der neue Frontflügel, den man in Hockenheim brachte, das Problem mit dem Aero-Stall im Diffusor wohl etwas beheben können, komplett ist man aber noch nicht hinter das grundlegende Problem gekommen.
Strategie
Wie beim letzten Rennen bringt Pirelli Medium, Soft und Ultrasoft an den Kurs. Man überspringt also wieder eine Mischung. Hockenheim hat gezeigt, dass das die strategischen Entscheidungen deutlich erweitert. Der Asphalt in Ungarn ist aber a) deutlich aggressiver und b) leiden vor allem die Hinterreifen auf Grund der vielen engen Ecken. Dazu kommen die sehr hohen Temperaturen von bis zu 35 Grad, die den Asphalt auf gut 50 Grad und mehr aufheizen werden. Die Ultrasoft werden also vor allem im ersten Stint des Rennens schwer leiden. Die Frage wird sein, ob die Soft einen langen zweiten Stint durchhalten werden, oder man mit einem zweiten Stopp pokert.
Eine andere Variante ist der Versuch eines Top Teams sich in Q2 mit den Soft zu qualifizieren. Die sind auf jeden Fall für 40 Runden gut und man kann den langen Overcut versuchen. Da man in Ungarn nur schwer überholen kann, funktioniert das besonders gut, wenn man nicht gerade aus der ersten Reihe startet. Fährt man den ersten Stint mit den Soft, hängt es davon ab, wie gut man die Reifen in der ersten Hälfte schont. Die Ultrasoft haben in Hockenheim gezeigt, dass man sie bei sanfter Behandlung lange fahren kann, aber wenn sie dann einbrechen, dann richtig. Die Chance, dass vor allem die Hinterreifen früher einbrechen, als es dem ein oder anderen Team lieb ist, ist groß.
Wie man an der Grafik erkennen kann, haben Mercedes und Red Bull mehr Soft geordert als Ferrari, die auf die Ultrasoft setzen. Das riecht danach, dass Ferrari eine Zwei-Stopp-Strategie im Auge hat. Das Problem damit ist, dass man auf der Strecke Positionen verliert. Zwar sollte man schnell den Abstand haben, der ausreicht um vor einem Haas oder Renault zu bleiben, dafür würde man dann hinter die Mercedes fallen, die es vermutlich mit den Soft beim Start versuchen werden. Da wird man dann Probleme haben vorbei zu kommen und damit wäre der Vorteil einer Zwei-Stopp-Strategie wieder hinfällig. Eine mögliche Rennentscheidung kann also schon am Samstag in Q2 fallen.
Bilder: Pirelli, Renault, Ferrari, Mercedes