Seit der aufsehenerregenden Nennlistenankündigung sind nun etwas mehr als sechs Monate vergangen und somit bietet sich die Frage an, was das ADAC GT Masters bislang aus seinem winterlichen Aufwind machen konnte. Während das Racing schon alleine wegen des diverseren Feldes besser wurde, scheint es auch abseits der Strecke leichte Aufwärtstendenzen zu geben. Doch wie nachhaltig sind diese und kann man wirklich noch von einem Boom sprechen?
Die Schockwelle, die der ADAC Anfang Februar in die GT3-Welt ausstrahlte, hallt bis heute noch. So äußerte sich beispielsweise der GT3-Schöpfer Stéphane Ratel in regelmäßigen Abständen zum Boom des deutschen Championats und versuchte den zeitgleichen Nennungsschwund seines Blancpain GT Series Sprint Cups zu rechtfertigen. Es wäre schlicht eine Pendelbewegung von Teams, die auf der Suche nach Erfolg mal etwas Anderes probieren wollen, resümierte er unter anderem im Rahmen des Saisonstarts. Seitdem haben mit dem Team ISR und HTP Motorsport zwei Mannschaften im GT Masters gewonnen, die ihren Fokus jüngst auf das deutsche Pendant verschoben haben. Zeitgleich taten sich einige traditionelle Truppen des GT Masters vermehrt schwer durch die gestiegene Konkurrenz. Hat der französische BoP-Lieferant also recht und das Ende des „Booms“ bahnt sich bereits an?
Das Feld
Beim Blick in die letzten Starterlisten fällt vor allem eines auf: die anhaltende Konstanz. Von den ursprünglich gemeldeten 37 Boliden fanden sich immer mindestens 35 Fahrzeuge auch vor Ort ein. In Spielberg gab es zusätzlich schon einmal den zweiten Honda NSX GT3 zu sehen. Zudem fehlen weiterhin jegliche Anzeichen, dass sich Teilnehmer bis zum Saisonende zurückziehen werden. Ob dies auch für den Winter gelten wird, ist zwar nicht seriös zu bestimmen, jedoch ist die Anzahl an „öffentlich-enttäuschten“ Teams momentan noch gering. Ganz im Gegensatz dazu äußerten viele Rückkehrer und Neueinsteiger sogar Gefallen an der gestiegenen Konkurrenz. Keke Rosberg freute sich am Nürburgring zum Beispiel über tollen sowie brutal engen Motorsport und das Honda Team Schubert erreichte mit Platz sechs im ersten Lauf das beste Europa-Ergebnis des neuen NSX GT3 – ein „starkes Resultat“ in Anbetracht des „ultra-kompetitiven Felds“.
Abgesehen von einigen jungen Projekten, die durchaus das Potential für die BGTS hätten (z.B. Schubert Motorsport Honda NSX GT3), wirkt das Starterfeld damit größtenteils gefestigt. Dies basiert hauptsächlich auf dem starken deutschen Anteil, der unter anderem vom Faktor des Regionalen profitiert. Trotzdem kann es zweifelsohne sein, dass einige Projekte über den Winter auf ein bzw. zwei Autos herunterskaliert werden. Hier spielen aber auch ökonomische Faktoren eine große Rolle und die sind bekanntlich eh nicht vorherzusagen.
Die Medien
Wie bereits im Kommentar beschrieben hat das ADAC GT Masters mit SPORT1 den bestmöglichen TV-Partner im deutschsprachigen Raum. Die Ismaninger geben sowohl der GT3-Hauptserie als auch dem Rahmenprogramm (Porsche Carrera Cup, F4, TCR und ab 2019 GT4) einen vernünftigen Umfang, was sich in anhaltend akzeptablen Quoten und Abrufzahlen niederschlägt. Nach dem Saisonstart vermeldete man sogar neue Rekorde (u.a. den Höchstwert der SPORT1-Ära), doch seitdem wurde es in der Hinsicht wieder ruhiger. Dementsprechend lässt sich nur schwer beurteilen, in welche Richtung sich die TV-Zahlen entwickeln werden. Hier sollte man die Daten zur gesamten Saison abwarten, die dann aussagekräftigere Tendenzen ergeben.
Im Bereich der Sozialen Medien dominiert ebenfalls noch die Maxime der Zurückhaltung. So wirken zum Beispiel die Abrufzahlen der YouTube-Streams um etliches höher als im Vorjahr, doch man sollte nicht vergessen, dass es noch gewaltiges Aufholpotential gab und gibt. Beim leicht krummen Vergleich mit den Zahlen von GT World (→ unterschiedliche Sprachvarianten auf beiden Kanälen) ergeben sich jedoch sehr sehenswerte Werte, die in Verbindung mit SPORT1 und dem weiteren Stream auf der Webseite mehr als solide daherkommen. Und hierin liegt möglicherweise auch eine gewisse Stärke des GT Masters, das explizit deutschsprachige Fans anspricht und parallel dazu vorsichtig eine englische Variante aufbaut. Durch diesen konzentrierten Fokus hat man ein weitaus attraktiveres, wenngleich auch regionaleres, Werbeumfeld als zum Beispiel die europaweite Blancpain GT Series. Nennenswerte Beispiele für ungewöhnlich große Sponsoren im GT-Bereich sind unter anderem BWT, kfzteile24 und Roller. Zudem finden sich einige bekanntere Namen aus der Automobilbranche auf einer Vielzahl der Boliden.
Passend zu den vorausgegangenen Betrachtungen ist das GT Masters mit fast 97.000 Gefällt-mir-Angaben und über 96.000 Abonnements auf Facebook am reichweitenstärksten. Im Lieblingsnetzwerk der Deutschen erscheinen nahezu ausschließlich deutschsprachige Texte sowie Videos. Ähnlich sieht es auch auf dem über 6.100 Abonnenten starken Instagramaccount aus. Die Twittervertretung ist hingegen voll und ganz dem internationalen Publikum gewidmet und nutzt eigentlich immer die englische Sprache. Deswegen sieht man wohl hier am ehesten, ob es stark gestiegenes Interesse aus dem internationalen Raum gibt. Laut der bekannteren Statistik-Webseite Socialblade kann man zumindest im Vergleich zu 2017 sagen, dass durchaus Wachstumsentwicklungen zu sehen sind. Mit fast 9.000 Followern liegt man im internationalen Vergleich aber teils weit zurück. (vgl.: Blancpain GT Series – 35.407 Follower; British GT – 28.171 Follower; Pirelli World Challenge – 19.909 Follower).
Die Zuschauer
Der Blick auf die Tribünen ist wahrscheinlich der einfachste Indikator für den Stand einer Serie. In Oschersleben sorgten „mehr als 25.000 Fans am Wochenende“ für eine gelungene Kulisse und gleichzeitig für einen neuen GTM-Zuschauerrekord in der Börde. Das Debüt im Autodrom Most lockte „mehr als 14.000 Zuschauer“ an die Strecke und am Red Bull Ring fanden sich über das Wochenende hinweg „mehr als 12.000 Zuschauer“ ein. Mit „mehr als 20.000 Zuschauern“ galt auch der Auftritt in der Eifel als gut besucht. Im Abgleich mit größeren Serien ist man hier zwar weit abgeschlagen, aber im Vergleich mit anderen GT3-Championaten können sich die Zahlen sehen lassen – Kategorie Realitätscheck.
Der Sport
Das wohl wichtigste Element! Wie in den vergangenen Jahren bietet das GT Masters einen sehr engen Meisterschaftsverlauf und gut durchmischte Ergebnislisten. Sogar Überraschungserfolge sind trotz der erhöhten Qualität keine Seltenheit geworden und mit dem Auftaktsieg des Österreichers Max Hofer sowie des Briten Philip Ellis sind sie möglicherweise sogar auf einem neuen Niveau angelangt. Bis auf die Neueinsteiger von Honda konnte jede Marke mindestens einen Podiumsplatz ergattern und exakt die Hälfte der Hersteller durfte ihren Briefkopf um Siege im deutschen Championat erweitern.
Trotz dieser Balance dominiert HTP Motorsport mit 117 Punkten in der aktuellen Teamwertung; Callaway Competition (86 Zähler) ist der nächste Verfolger. Bei den Piloten führen die Callaway-Fahrer Marvin Kirchhöfer und Daniel Keilwitz mit jeweils 86 Punkten. Nur einen Zähler dahinter liegen Markus Pommer und Maximilian Götz in Lauerstellung. Die Besatzung des #47 HTP Motorsport Mercedes AMG GT3 sammelte dank zweier Podien reichlich Wertungseinheiten auf der Kurzanbindung und schickt sich an, das Pendel in ihre Richtung schwingen zu lassen. Mathieu Jaminet/Robert Renauer (Herberth Motorsport Porsche; 72 Punkte) und Andrea Caldarelli/Mirko Bortolotti (#63 GRT Grasser Racing Team Lamborghini; 62 Punkte) sind weitere hoffnungsvolle Anwärter.
Da noch über 40 Prozent der Gesamtpunkte auf ihre Vergabe warten, kann sich noch einiges verschieben. Zudem stehen mit dem Circuit Zandvoort, dem Sachsenring und dem Hockenheimring sehr unterschiedliche Kurse auf dem Restprogramm, welche die Boliden umfassend fordern werden. Einem traditionell engen Meisterschaftskampf steht dementsprechend hoffentlich nichts im Wege und mit dem vollen Mittelfeld könnte sich des Weiteren ein intensiver Kampf um die jeweiligen Top-10-Listen entwickeln.
Das Rennleitungsbüro
Aus der Sicht der Rennleitungs(fehl)entscheidungen war die Saison bislang nicht viel schlechter oder besser als in den Vorjahren. GT-Motorsport tendiert dazu, teils überreguliert zu sein, und generiert damit oft Kontroversen – beim GT Masters sind sie traditionell etwas häufiger anzutreffen. So erlaubte man sich wieder haarsträubende Fehler (vgl. SC-Handhabung in Spielberg) und erboste das Feld am Nürburgring-Wochenende. Im Westen nichts Neues!
Fazit
Die ersten vier Rennwochenenden des sogenannten Boomjahres 2018 waren ein Erfolg. Der gestiegene Wettbewerb hatte spannendes und abwechslungsreiches Racing zur Folge und schaffte es, interessante Geschichten zu erzählen. Auch abseits der Strecke kann der Aufwind durchaus wahrgenommen werden, doch es wäre viel zu voreilig, von einem großen Aufschwung zu sprechen. Dafür fehlen aktuell nachhaltige Daten.
Abschließend sei noch auf einen externen Faktor in der Form des gemeinsamen Rennstalls von JP Performance und Ring Police hingewiesen. Das Interesse, das von ihren YT-Videos ausgeht, sollte keinesfalls übersehen werden und zeigt, was junge sowie mutige Formate schaffen können – ein Feld, bei dem es in den meisten Motorsportübertragungen noch gewaltig hakt. Hier ein Beispiel mit dem typisch-derben/seichten Humor, der immerhin zehntausende Menschen zu begeistern vermag und tatsächlich größere Mengen an Fans an die Strecken lockt:
Bilderquelle / Copyright: ADAC Motorsport; Felix „The Man“ Töllich