Nach den BTCC-Läufen in Rockingham ist die Führung in der Meisterschaft wieder an Colin Turkington gegangen. Aber nur vier Punkte trennen ihn von Kontrahent Tom Ingram. Gleichzeitig hat sich Ashley Sutton in Schlagdistanz zur Spitze gebracht, während Matt Neal und Jack Goff Boden verloren haben. Die drei Rennsiege holten sich in Rockingham Adam Morgan, Ashley Sutton und Chris Smiley.
Lauf 1
Mercedes-Pilot Adam Morgan haftete bisher immer ein wenig der Ruf an, nur in den Rennen, bei denen er auf eine der vorderen Startpositionen gelost wurde, gewinnen zu können. In Rockingham bewies Morgan endgültig das Gegenteil, als er sich kurz vor Ende der Qualifikation mit 0,1 Sekunden Vorsprung vor Sam Tordoff die Pole Position – zugleich die erste im Qualifying herausgefahrenen Pole seiner Karriere – sicherte.
Im ersten Lauf am Sonntag ließ Morgan dann auf leicht feuchter Piste auch nichts anbrennen und fuhr einem sicheren Start-Ziel-Sieg entgegen, bei dem er nur in den ersten Rennrunden ein wenig Druck von Ford-Pilot Tom Chilton hatte, sich dann im Rennverlauf aber mehrere Sekunden vom Feld absetzen konnte. Hinter Morgan ging es bereits in der ersten Runde deutlich turbulenter zu. Der von Platz zwei gestartete Sam Tordoff drehte sich nach Berührung von Dan Cammish in der engen Haarnadelkurve und wurde von Andrew Jordan (seinerseits von Dan Lloyd umgedreht), Matt Neal und Sam Smelt getroffen.
In der Reihenfolge Morgan vor Chilton, Cammish, Sutton, Bushell, Plato, Smiley, Turkington und Simpson kamen die ersten zehn aus der ersten Runde zurück und reihten sich hinter dem Saftey Car auf. Unmittelbar nach dem Restart räumte Chris Smiley dann Jason Plato ab und verhagelte dem Altmeister somit ein Rennwochenende, an dem er es erstmals geschafft hatte, seinen Teamkollegen Ash Sutton im Qualifying zu schlagen. Für eben diesen Ash Sutton lief derweil alles nach Plan. Nachdem er Dan Cammish für die dritte Position überholen konnte, machte er schnell Boden auf den zweitplatzierten Tom Chilton gut, der spätestens ab der Rennhalbzeit mit abbauenden Reifen zu kämpfen hatte.
Der folgende Kampf um den zweiten Platz war das sehenswerteste Duell des Rennens. Sutton hatte dank der exzellenten Ballance seines Subarus sowie der sich auflösenden Reifen von Chilton deutliche Vorteile im Infield, während Chiltons Ford dem eher in Sachen Top Speed schwachbrüstigen Subaru auf dem langen Vollgasstück durch den Oval-Abschnitt von Rockingham einige Wagenlängen enteilen konnte. Sutton musste laufend zwischen Attacke und Verteidigung wechseln, da er hinter sich zugleich Dan Cammish und später auch Chris Smiley formatfüllend im Rückspiegel hatte.
Erst nach rundenlangen Versuchen gelang Sutton dann in der 13. Runde ein Überraschungsangriff in der Tarzan-Hairpin, den Chilton nicht kontern konnte. Bis zum Rennende setze sich Sutton um volle vier Sekunden von Chilton ab, schaffte es aber nicht mehr die Lücke zum enteilten Adam Morgan zuzufahren. Chilton musste derweil Position Drei gegen Smiley und Cammish verteidigen, die ihrerseits miteinander kämpften und mehrere Male die Positionen tauschten. Am Ende kreuzten beide Hondas Seite an Seite die Ziellinie mit dem besseren Ende für Chris Smiley, der sich somit Platz Vier sichern konnte.
Hinter Cammish wurde der überraschend starke Mike Bushell Sechster. Dahinter hatten sich fast das gesamte Rennen über die beiden Meisterschaftsführenden Tom Ingram und Colin Turkington um Platz Sieben duelliert. Gegen Rennende konnte Ingram sich dann endlich ein wenig von seinem Kontrahenten absetzen und seinerseits Druck auf Bushell machen, als der Toyota ausgerechnet in der letzten Runde urplötzlich mit defekter Gasannahme ausrollte. Platz Sieben – und die zwischenzeitliche Meisterschaftsführung – ging damit am Ende kampflos an Colin Turkington. Aiden Moffat, Rory Butcher (von P20 gestartet!) und Matt Simpson komplettierten die Top Ten.
Lauf 2
Im zweiten Lauf holte sich Ashley Sutton einen so gut wie nie gefährdeten Sieg, den er bereits beim Start sicher machte, als er dank Heckantrieb deutlich besser als Adam Morgan wegkam und sich einige Wagenlängen absetzen konnte. Adam Morgan, jetzt mit 75 Kilo Erfolgsballast an Bord, konnte zwar nicht an Sutton dran bleiben, sicherte sich aber am Ende Platz Zwei.
Dahinter sah es nach einer kleinen Sensation für Mike Busehll aus, der im VW des Team Hard lange auf dem dritten Platz lag. Erst drei Runden vor Schluss musste er sich dem in diesem Rennen sehr starken Senna Proctor geschlagen geben, der zuvor sehenswert an Chris Smiley und Colin Turkington vorbei gegangen war. Aber auch Proctor konnte sich nicht lange Hoffnungen machen, den dritten Platz ins Ziel zu retten. Bremsprobleme und der von hinten drückende Tom Ingram ließen Proctor einige Male den Bremspunkt verpassen und nachdem er in der vorletzten Runde in der Brookes Chicane durch die Wiese fahren musste, war Ingram vorbei und holte sich den letzten Platz auf dem Podium.
Ingram? War der nicht im vorangegangen Lauf ausgefallen und von ganz hinten gestartet? Ja genau! Und wie schon vor zwei Wochen in Snetterton legte der Toyota-Pilot ohne Zusatzgewicht im Auto, dafür aber mit Frust im Bauch eine brillante Fahrt quer durch das ganze Feld hin. Nach einer Runde war er schon 16., drei Runden später Elfter und in Runde Zehn Achter. Bis Runde 15 hatte er sich dann an Simpson, Smiley, Turkington und Bushell vorbei gearbeitet und zwei Runden vor Ende schließlich an Senna Proctor. Ingram konstatierte nach dem Rennen schlichtweg, dass das Auto ohne Gewicht an Bord, ein „rocketship“ sei.
Hinter den Podiumsplätzen belegten Proctor, Turkington, Bushell, Smiley, Butcher, Simpson und Chilton die weiteren Positionen. Chilton konnte ebenso wie Cammish (nur 21.) nicht an seine Leistung aus dem ersten Lauf anknüpfen, während Rory Butcher im betagten MG erneut eine sehr schöne Leistung zeigte. Lange sah es zudem so aus, als ob Bushells Teamkollege Bobby Thompson einen Platz in den Top Ten belegen könnte, was für den Rookie die bislang beste Platzierung bedeutet hätte. Leider wurde Thompson wenige Runden vor Schluss gleich doppelt von Matt Simspon und Ollie Jackson neben die Strecke befördert.
Lauf 3
Der dritte Lauf beförderte Tom Chilton auf die Pole Position, womit sich für den Ford-Piloten beste Chancen ergaben, endlich seinen ersten Sieg in dieser Saison zu holen. Aber wie das oft so ist, hat man als Führender auch die unrühmliche Ehre, sich neu ergebende Streckenbedingungen als erster zu entdecken. Im Falle von Chilton war das der Regen, der sich zwischen Einführungsrunde und Startrunde in der Haarnadelkurve nach Start-Ziel ergossen hatte. Chilton drehte sich und löste ein leichtes Chaos aus, das das Feld durcheinanderbrachte.
Ironie der ganzen Sache ist, dass dem ganzen in meinem persönlichen Race Control-Moment des Jahres ganze drei Einführungsrunden vorausgegangen waren. Ricky Collard blieb in der ersten Einführungsrunde mitten im Infield stehen und der Start wurde folgerichtig abgebrochen. Als die etwas zu enthusiastische Rennleitung das Feld in eine weitere Einführungsrunde schickte, war Collards Auto aber noch längst nicht geborgen, sondern wurde gerade erst am Haken des Berge-Krans festgezurrt. Der arme Kran-Fahrer gab sich in der Folge mit einem wild am Haken schleudernden BMW zwar größte Mühe, die Strecke zu verlassen bevor das Feld die Startpositionen erreicht hatte, aber die Rennleitung hatte letzten Endes keine andere Chance als den Start erneut abzubrechen und das Feld in eine weitere Aufwärmrunde zu schicken. Nachdem diese absolviert war, kam dann Murphys Law entsprechend dann der Regen, der Chilton und einigen anderen Piloten zum Verhängnis wurde. Pünktlich zum Restart nach der zum Aufräumen erforderlichen Safety Car-Phase (parallel hatten sich auch Michael Caine und Brett Smith an anderer Stelle neben die Strecke verabschiedet) hatte der Regen dann passenderweise wieder aufgehört.
Aus dem Chaos der ersten Kurve ging Honda-Pilot Chris Smiley als Führender hervor, dicht gefolgt von Rory Butcher und Matt Simpson. Während auf den weiteren Positionen munter um die Platzierungen gekämpft wurde, musste sich Smiley nur in den ersten Runden dem recht aggressiv fahrenden Butcher erwehren, konnte im weiteren Rennverlauf aber seine Führung sicher verwalten und seinem allerersten BTCC-Sieg entgegen fahren. Die Freude bei Chris Smiley und dem BTC Norlin-Team, das nach Dan Lloyds Sieg in Croft, schon seinen zweiten Erfolg in diesem Jahr feiern durfte, war entsprechend riesengroß.
Rory Butcher musste sich derweil Matt Simpson geschlagen geben und geriet in der Folge unter Druck von Colin Turkington. Mit einem Verbremser in der Hairpin, der er Turkington, Tordoff und Ingram erlaubte, am MG vorbeizugehen, waren Butchers Hoffnungen auf ein Podium dann zunichte. Turkington schaffte es in der vorletzten Runde auch noch, an Matt Simpson vorbeizugehen, nachdem dieser einen kleinen Fehler gemacht hatte. Während Turkington dem sicheren zweiten Platz entgegenfuhr, entbrannte in der letzten Runde noch ein Kampf um Platz Drei zwischen Simpson, Tordoff und Ingram. Nach einer Berührung in der letzten Kurve, fuhren alle drei Autos Seite an Seite der Ziellinie entgegen mit dem besseren Ende für Simpson, der sich knapp den dritten Platz vor Tordoff und Ingram sichern konnte.
Rory Butcher belegte mit etwas Abstand dahinter immerhin noch Platz Sechs, während Platz Sieben an den stark fahrenden Bobby Thompson ging. Der VW-Pilot lag ja bereits im vorherigen Lauf in ähnlich aussichtsreicher Position, als er kurz vor Rennende abgeschossen wurde. Thompson war zugleich auch der einzige Fahrer, der es schaffte, die Adam Morgan-Phalanx zu bezwingen. Morgan, weiterhin mit Erfolgsballast an Bord, war deutlich langsamer als die hinter ihm fahrenden Autos und hatte quasi das gesamte restliche Feld im Nacken. Mit Ausnahme von Thompson schaffte es Morgan aber, seine Position zu verteidigen und holte sich mit Rang acht weitere Meistserschaftszähler, die ihm mit dem Sieg und dem zweiten Platz in den Läufen zuvor die beste Punkteausbeute aller Fahrer aus Rockingham einbrachten. Ollie Jackson und Dan Cammish komplettierten dahinter die Top Ten, knapp vor Jason Plato, der ebenfalls ein kämpferisches Rennen zeigte und mehrere Kontrahenten überholen konnte. Ashley Sutton wurde derweil nur 17., nachdem sein Auto im Getümmel der ersten Kurve in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Die kompletten Ergebnisse der drei Läufe aus Rockingham können wie üblich auf der Website von TSL Timing nachgelesen werden.
Meisterschaft
Mit leicht besserer Punkteausbeute als Tom Ingram, hat sich Colin Turkington die Führung in der Meisterschaft zurückgeholt. Dank seiner großartigen Fahrt im zweiten Lauf betrieb Ingram aber Schadenbegrenzung und hat gerade einmal vier Zähler Rückstand. Mit einem Sieg und einem zweiten Platz hat sich Ashley Sutton derweil auf Meisterschaftsposition drei katapultiert. Gerade einmal32 Punkte Rückstand bei noch neun ausstehenden Rennen bringen den Subaru-Piloten ebenfalls in den engeren Kreis der diesjährigen Titelanwärter.
Dahinter liegen Jack Goff und Matt Neal mit jeweils 44 Punkten Rückstand auf den Tabellenplätzen vier und fünf. Nach einem tollen Wochenende in Snetterton erlebten die beiden Honda-Piloten in Rockingham ein schwieriges Wochenende, das Goff Rang 13 und 15 und Neal Rang 14 und 15 als beste Resultate einbrachte. Goff bekam das gesamte Wochenende über kein vernünftiges Setup zustande, während ans Neals Auto kurz vor der Qualifikation der Motor gewechselt werden musste, der dann nicht richtig ans Laufen gebracht werden konnte.
Die weiteren Meisterschaftspositionen belegen Adam Morgan auf Rang Acht (51 Punkte Rückstand), Tom Chilton (ebenfalls 51 Punkte Rückstand), Josh Cook (54 Punkte Rückstand) und Andrew Jordan (59 Punkte Rückstand). Damit ist zugleich der Kreis, der erweiterten Meisterschaftsanwärter abgeschlossen, da Senna Proctors Rückstand auf Meisterschaftsposition zwölf mit 90 Punkten zu groß ist, um noch halbwegs realistische Chancen zu haben, in den Titelkampf einzusteigen.
In der Independent-Wertung führt Tom Ingram vor Tom Chilton, Jack Goff und Adam Morgan, während bei den Teams West Surrey die Nase knapp vor Dynamics und Power Maxed hat. Das gleiche Bild zeigt sich in der Herstellerwertung, wo BMW vor Honda und Vauxhall führt. Trotz der guten Resultate von Sutton ist Subaru hier deutlich abgeschlagen. Es fehlen einfach vergleichbare Ergebnisse von Jason Plato, der wie bereits mehrfach beschrieben, eine weitere schwierige Saison im Schatten seines Teamkollegen erlebt.
Notizen am Rande
Die TOCA hat die Weichen für die Zukunft gestellt und bekanntgegeben, dass die BTCC zum Ende der Saison 2021 mit Hybridmotoren starten wird. Noch sind viele Details offen, aber nach derzeitigem Stand soll es ein einheitliches und kostengünstiges Hybrid-System geben, das vom Fahrer während eines Rennens begrenzt eingesetzt werden kann, um mehr Leistung abzurufen.
Stühle rücken Teil 1: Nachdem es sicher schien, dass Ant Whorton-Eales, den von Tom Boardman freigemachten MG des AmD Tuning-Teams bis zum Saisonende fahren würde, hat er den Platz nach nur einem Einsatz in Snetterton doch wieder verloren. In Rockingham pilotierte stattdessen BTCC-Rückkehrer Glynn Geddie, der zwei Mal Platz 22 als bestes Resultat erreichen konnte, den Wagen.
Stühle rücken Teil 2: Auch der in Snetterton noch von Dan Welch pilotierte Ex-Jake Hill VW vom Team Hard erlebte in Rockingham mit Rookie Ollie Pidgley einen neuen Piloten. Welch war von Anfang an nur eine Übergangslösung und Pidgley soll die Saison nun für das Team zu Ende fahren. Platz 22 im dritten Lauf war das beste Resultat an seinem Debüt-Wochenende.
Stühle rücken Teil 3: Weil Rob Collard nach seinem Unfall in Snetterton deutliche Symptome einer Geherinerschütterung zeigte, musste man sich auch bei West Surrey nach einem Ersatzpiloten für Rockingham umsehen und wurde praktischerweise direkt in der Familie fündig. Collards Sohn Ricky, ohnehin zugleich BMW-Junior und im GT-Bereich unterwegs, übernahm das Auto seines Vaters in Rockingham. Bestes Resultat beim BTCC-Debüt war Platz 17 im ersten Lauf. Nach derzeitigem Stand wird Ricky seinen Vater wohl auch noch bei den Rennen in Knockhill vertreten.
Ein wenig überraschend kam nach den Rennen in Rockingham die Meldung, dass sich Matt Simpson vom Eurotech-Team trennen wird. Simpsons Honda wird seit dieser Saison neben den beiden anderen Autos, die das Team von Jeff Smith direkt einsetzt, durch Eurotech-Mechaniker betreut. Was genau zu der Trennung geführt hat, über die sich Eurotech geradezu geschockt geäußert hat, ist noch unklar. Simpson wird sein Auto für den Rest der Saison wohl mit einem eigenen Team einsetzen.
Ausblick
Für die nächsten BTCC-Läufe reist die die BTCC nordwärts nach Schottland auf den bei Fans und Fahrern gleichermaßen beliebten Kurs von Knockhill. Die Strecke nördlich von Edinburgh ist traditionell Hecktriebler-Territorium, wodurch vor allem Colin Turkington und Ashley Sutton beste Chancen haben, sich für die dann noch ausstehenden sechs Läufe in Silverstone und Brands Hatch in eine gute Ausgangsbasis für die Meisterschaft zu bringen. Für Tom Ingram und alle anderen Meisterschaftsanwärter wird es darum gehen, möglichst viele Punkte einzufahren, um nicht zu viel Boden in der Meisterschaft zu verlieren.