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Formelserien: Der Nachwuchs in der Sommerpause 2018

von StefanTegethoff
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In der Sommerpause beginnt die Silly Season, und in der Formel 1 hat sie dieses Jahr mit den Kontroversen um Force India, dem Wechsel von Daniel Ricciardo und dem Alonso-Ausstieg besonders hart zugeschlagen. Genau der richtige Zeitpunkt, mal einen Blick darauf zu werfen, was der Formel-Nachwuchs denn so anstellt und wen wir vielleicht nächstes Jahr aufsteigen sehen…

Der Markt der Nachwuchs-Formeln hat sich in den vergangenen Jahren etwas gelichtet. Wir erinnern uns ein paar Jahre zurück, als es neben GP2 und GP3, die im F1-Rahmenprogramm fuhren, noch die World Series by Renault mit ihrer GP2-ähnlichen 3.5l-Formel gab. Daneben stritten sich auf F3-Niveau die deutsch-französische Euroseries und die britische Meisterschaft um die Bedeutungs-Vorherrschaft, was von der FIA durch die Gründung der F3-EM auf Basis der Euroseries „aufgelöst“ wurde. Im Vereinigten Königreich gibt es zwar wieder eine Formel 3-Meisterschaft, aber die wird mit Formel 4-Autos ausgetragen. Ebenso wurde auch der deutsche F3-Cup, der stets im Schatten der Euroseries stand, durch eine F4-Meisterschaft abgelöst. Die AutoGP, hervorgegangen aus der italienischen Formel 3000, gibt es seit letztem Jahr auch nicht mehr, und auch das FIA-Experiment einer kostengünstigen Formel 2 ist schon vor Jahren gescheitert.

Dass nun die GP2 diesen Namen trägt, ist eine logische Entwicklung, denn faktisch ist dies die wichtigste der Nachwuchsserien und die letzte Stufe für junge Piloten auf dem Weg in die Formel 1. Das sieht auch der FIA Global Pathway from Karting to Formula One so vor, der eine Leiter von der F4 bis zur F1 entwirft. Im kommenden Jahr wird dementsprechend die GP3 zur „neuen“ FIA Formel 3-Meisterschaft, um im F1-Rahmenprogramm  eine Leiter analog zur MotoGP mit Moto2 und Moto3 zu schaffen. Das ist soweit logisch, aber schade, weil die Europameisterschaft mit den bekannten F3-Boliden damit ihr Existenzrecht verliert. Offiziell wird das ganze zwar als „Merger“ bezeichnet, aber im Prinzip wird die GP3 unter dem Namen der anderen Serie fortgesetzt.

Wichtig ist für die Einordnung der Nachwuchsserien auch das Punktesystem zur Erlangung einer Superlizenz, das die FIA vor einigen Jahren eingeführt hat, um allzu abrupte Sprünge wie den von Max Verstappen (nach einem Jahr F3 direkt ins F1-Cockpit) zu verhindern und den Fahrern eine ausreichende Ausbildungszeit zu verschaffen. In diesem System ist den Top-Meisterschaftsplatzierungen in einer großen Zahl von Rennserien jeweils eine Punktzahl  bis maximal 40 zugeordnet. Ein Pilot muss über die letzten drei Jahre insgesamt mindestens 40 Punkte erreicht haben, um eine Superlizenz bekommen zu können. Eine Top3-Platzierung in der Formel 2 oder der IndyCar-Titel reicht bereits dafür, aber ein F3-EM- oder Formula E-Titel allein (je 30 Punkte) noch nicht. Das ist im Grunde eine sinnvolle Innovation gewesen, um allzu große Sprünge unqualifizierter Piloten zu unterbinden – über die Einstufung einzelner Serien wird man immer streiten können, aber auch die ist im Vergleich zum ersten Jahr dieses Modells deutlich verbessert worden.

Dann werfen wir mal einen Blick über den bisherigen Saisonverlauf der wichtigsten europäischen Nachwuchs-Formelserien.

 

FIA Formula 2

Der Saisonstart gehört dem britischen Rookie und McLaren-Nachwuchs-Star Lando Norris, der im Hauptrennen in Bahrain direkt den Auftaktsieg holte und in Baku von hinten durchs Feld pflügte, nachdem er beim Start zur Einführungsrunde stehen geblieben war. Er war – wie viele Fahrer in den ersten Läufen – Opfer der tückischen neuen Kupplung geworden. Bis das Problem behoben werden konnte, führte die F2 zwischenzeitlich sogar fliegende (Single File-)Starts ein. Noch in Monaco machte Norris das beste aus einer schlechten Ausgangsposition: nachdem er in der Quali verunfallt war, holte er – auch durch Patzer der Konkurrenz – noch die Plätze 6 und 3. Sein Hauptkonkurrent dagegen, Mercedes-Junior George Russell, holte in Monaco nicht einen einzigen Punkt. Er kam allerdings ab dem darauf folgenden Wochenende in Le Castellet so richtig in Fahrt: zwei Siege und drei zweite Plätze über drei Rennwochenende (sechs Läufe) halfen ihm, sich an Lando Norris vorbei an die Meisterschaftsspitze zu setzen – nur in einem Rennen (Le Castellet-Sprint) wurde auch er beim Vorstart Opfer der Kupplung. Beim letzten Rennen in Budapest konnte Norris wieder etwas aufholen, da Russell wegen eines technischen Problems erst aus der Boxengasse starten und schließlich vorzeitig aufgeben musste.

Das letzte Hauptrennen im Regen auf dem Hungaroring war besonders sehenswert. Auf nasser Strecke dominierte zunächst der von Platz 6 gestartete Lando Norris und fuhr einen Vorsprung von etwa 15 Sekunden heraus. Auf abtrocknender Strecke war dann der Niederländer Nyck de Vries deutlich schneller, holte den Rückstand innerhalb von ca. zehn Runden auf und überholte Norris mit einem sehenswerten Manöver im Kurvengeschlängel im hinteren Bereich der Strecke. Am Ende siegte de Vries mit 16 Sekunden Vorsprung, die er in den verbleibenden sieben Runden auf Norris und den Rest des Feldes herausfuhr.  Die Bilanz von Norris bleibt damit weiterhin bei einem Sieg gegenüber den vier Siegen seines Hauptkonkurrenten Russell. Vier Rennwochenende stehen noch aus und das Duell um den Titel zwischen diesen beiden britischen Piloten, die Carlin und McLaren (Rorris) bzw. ART und Mercedes (Russell) vertreten, dürfte noch sehr spannend werden. Bisher scheint Russell – seinen zwei Jahren Altersvorsprung entsprechend – der etwas komplettere Rennfahrer zu sein.

Und vielleicht kann sich sogar noch der Thai-Brite Alex Albon (DAMS) einmischen, der zwar auch schon drei Saisonsiege auf dem Konto hat, aber etwas im Schatten der beiden anderen steht. Sein Rückstand auf Russell beträgt „nur“ 30 Zähler. Der Deutsche Mercedes-Nachwuchsmann Maximilian Günther kann in seiner F2-Debütsaison leider nur selten auftrumpfen: ein Sieg im Sprint von Silverstone und ein zweiter Platz beim Sprint von Bahrain (jeweils mit guter Startposition durch das Reverse Grid der Top 8) waren seine Highlights, aber 39 Punkte reichen leider nur für Rang 12 bislang. Im Gedächtnis bleibt sein  Auftritt im Hauptrennen am Red Bull-Ring, als er sich erst in Richtung Podium vorarbeitete, dabei aber die Reifen verschliss und in der zweiten Rennhälfte wieder zurückfiel.

Während der Saison aus der GP3 aufgestiegen ist Alessio Lorandi, der in Budapest sein F2-Debüt für Trident gab. Sein Vorgänger im Team, Santino Ferrucci, benahm sich in Silverstone gleich mehrfach so schlecht, dass er zunächst von der FIA für mehrere Läufe ausgeschlossen wurde, und dann auch noch vom Team gefeuert wurde. Nach absichtlichem Rammen des Teamkollegen nach der Zielflagge, Fahren mit Handy in der Hand im Paddock und Nicht-Zahlen von Rechnung scheint das durchaus berechtigt…

Aktuelle Top 5:

  1. George Russell (171 Punkte)
  2. Lando Norris (159 Punkte)
  3. Alexander Albon (141 Punkte)
  4. Artem Markelov (114 Punkte)
  5. Nyck de Vries (114 Punkte)

Nächstes Rennwochenende: 25./26. August in Spa-Francorchamps (mit F1)

 

FIA Formula 3 European Championship

Kein so klares Bild herrscht in der Formel 3-Europameisterschaft, die tatsächlich gerade erst die Hälfte ihrer Läufe absolviert hat. An der Spitze ist es sehr eng zwischen dem mit italienischer Lizenz fahrenden Neuseeländer Marcus Armstrong (sowohl Zweiter der deutschen F4 als auch Meister der italienischen F4 im Vorjahr!) und dem Briten Dan Ticktum. Letzterer hat sich – wie aktuell Santino Ferrucci – einst ein schweres Vergehen geleistet, als er unter Safety Car-Bedingungen wie wild durch das Feld fuhr, um einen anderen Piloten von der Strecke zu rammen. Dafür wurde er für zwei Jahre vom Motorsport ausgeschlossen, wobei das zweite Jahr auf Bewährung ausgesetzt war. Nach einem Jahr stieg er schließlich wieder ein und muss sich nun Leistung und Reputation neu erarbeiten. 2017 wurde er Siebter im Formula Renault 2.0 Eurocup und holte mit etwas Glück den prestigeträchtigen Macao-Sieg. Nun hat er eine Chance auf den F3-Titel. Das Delikate daran ist, dass er aktuell der einzige große Hoffnungsträger im Red Bull-Nachwuchskader ist, die ja gerade auch einen Ersatzmann in der F1 brauchen könnten (falls Pierre Gasly von Toro Rosso zu Red Bull aufsteigt). Doch durch seine Zwangspause fehlen ihm Superlizenz-Punkte, selbst wenn er den F3-Titel holen sollte…

Ebenfalls noch Chancen auf den Titel hat der Este Ralf Aron, der – wie Ticktum – in diesem Jahr schon dreimal siegen konnte, zuletzt in den ersten beiden Läufen von Zandvoort, wo das Überholen bekanntlich für Formelautos sehr schwierig ist. Er schaffte es zweimal, sich vom zweiten Platz auf dem Grid mit guten Starts auf der Innenbahn zur Tarzanbocht in Führung zu schieben und dann dort zu bleiben. In Spa wiederum sahen die Rennen ganz anders auf, denn gerade auf den Kemmel-Geraden finden in der F3 regelrechte Windschattenschlachten statt, teils mit unschönen Spurwechsel-Manövern, aber nicht so haarsträubend, wie man es vor einigen Jahren in Monza erlebt hat. Im dritten Lauf von Spa konnte auch Mick Schumacher endlich seinen ersten F3-Sieg einfahren. Mit vielen Ergebnissen im vorderen Mittelfeld liegt er derzeit auf Rang 8 in der Gesamtwertung, einen Platz vor dem jungen Russen Robert Shwartzman, der die Rookie-Wertung anführt (interessanterweise vor dem Gesamt-Leader Marcus Armstrong, was daran liegt, das dessen vier Ausfälle in dieser Wertung mit wenigen Fahrern stärker ins Gewicht fallen).

Sophia Flörsch und Julian Hanses kommen leider nicht richtig in Gang und sind bisher (fast) punktelos unterwegs. Enttäuschend verläuft das Jahr auch für Ferdinand Habsburg, der im Vorjahr ein F3-Rennen in Spa gewinnen konnte und dann den Macao-Sieg in der letzten Kurve verlor.  Nach Meisterschaftsrang 7 im Vorjahr liegt der Urenkel des letzten Kaisers von Österreich aktuell nur auf dem 13. Platz.

Aktuelle Top 5:

  1. Marcus Armstrong (154 Punkte)
  2. Dan Ticktum (153 Punkte)
  3. Ralf Aron (141,5 Punkte)
  4. Guanyu Zhou (130 Punkte)
  5. Jehan Daruvala (111,5 Punkte)

Nächstes Rennwochenende: 18./19. August in Silverstone (mit WEC)

 

GP3 Series

Die GP3 hat – in der letzten Saison unter diesem Namen – gerade die Halbzeit überschritten, das fünfte von neun Rennwochenenden wurde in Budapest absolviert. Wie in der F2 zeichnet sich auch hier ein Zweikampf ab, und zwar zwischen den beiden ART-Teamkollegen Antoine Hubert aus Frankreich und Callum Ilott aus Großbritannien. Für Hubert ist es das zweite Jahr in der GP3, die er im Vorjahr als Vierter abschloss; ebenfalls Vierter, aber in der F3-EM wurde 2017 Ilott. Für beide Fahrer fühlt es sich wie eine „Ehrenrunde“ (im Sinne von Nachsitzen) an, denn viele ihrer Konkurrenten sind aufgrund etwas besserer Ergebnisse direkt in die F2 aufgestiegen, darunter Norris, Russell, Günther und Aitken). Wollen die beiden noch etwas in Richtung F1 bewegen, wäre der GP3-Titel ein wichtiger Schritt.

An den Performances von Hubert ist besonders interessant, dass es ihm schon mehrfach gelungen ist, nach einem Podiumsplatz im Haupt- auch im Sprintrennen zu brillieren. In der GP3 gibt es wie in der F2 ein Reverse Grid-System, in dem die ersten Acht des Hauptrennens im Sprint in umgekehrter Reihenfolge starten. Zweimal Platz 2 (Barcelona), zweimal Platz 3 (Ungarn) oder einmal Erster und dann von Startplatz 8 Vierter zu werden, stellt also eine besondere Leistung dar. Die ist Callum Ilott bisher nicht gelungen, seine Rennergebnisse spiegeln sich stets ungefähr (Plätze 3 und 7, 8 und 1, 1 und 6, 3 und  5, 6 und 2). Bei Hubert scheint also eine bessere Fähigkeit zum Überholen – vielleicht auch mehr von der sogenannten „Rennintelligenz“ – (jedenfalls aber das, was man im Englischen „Racecraft“ nennt, also das Handwerk des Rennen Fahrens) da zu sein, während Ilott im Wesentlichen schnell genug ist, um seinen Startplatz zu verteidigen.

So liegt Hubert bislang verdient vorn. Hinter Ilott lauern außerdem noch zwei weitere Piloten mit nicht allzu großem Abstand: Leonardo Pulcini, der bisher nur einmal knapp die Punkte verpasste, aber dem noch ein Sieg fehlt, und der Russe Nikita Mazepin, der schon deren zwei auf dem Konto hat. Der Unterschied: Pulcini ist als Euroformula Open-Meister (Team Campos) in die GP3 gekommen und dort im Vorjahr mit dem Arden-Team stark abgesackt – nun startet er wieder für Campos und es läuft deutlich besser. Mazepin dagegen kam als Pilot mit mittelmäßigen F3-Ergebnissen für Hitech GP in die GP3 und trumpft dort nun im Top-Team ART stark auf. Das zeigt auch, wie wesentlich die Qualität der Teams für die Ergebnisse in den Nachwuchsserien ist.

Dies dürfte auch David Beckmann bemerkt habe, der aufgrund der Ferrucci-Ereigniskette (s.o.) zum Budapest-Lauf von Jenzer zu Trident wechseln konnte und direkt mit Platz 4 im Samstagsrennen das beste Resultat der Saison eingefahren hat, das er mit P7 am Sonntag (erstmalig Punkte in beiden Läufen) auch bestätigen konnte. Bleibt abzuwarten, ob er diese Tendenz bei Trident fortsetze kann. Nachrücker beim Schweizer Jenzer-Team ist ein weiterer Deutscher, Jannes Fittje, der sich beim Debüt in Budapest am Samstag unter schwierigen Bedingungen aus allem heraushielt und einen respektablen 13. Platz einfuhr.

Aktuelle Top 5:

  1. Antoine Hubert (129 Punkte)
  2. Callum Ilott (114 Punkte)
  3. Leonardo Pulcini (99 Punkte)
  4. Nikita Mazepin (98 Punkte)
  5. Pedro Piquet (67 Punkte)

Nächstes Rennwochenende: 25./26. August in Spa-Francorchamps (mit F1)

 

Formula Renault 2.0 Eurocup

Mit sieben verschiedenen Siegern in bislang zwölf Rennen geht es auch in der bedeutendsten der Formula Renault-Meisterschaften bunt zu, und das, obwohl auch hier – wie in der F3-EM – auf ein Reverse Grid-System verzichtet wird. Die meisten Siege hat bislang ein weiterer Brite in der langen Liste der in diesem Text benannten starken britischen Nachwuchsfahrer, Max Fewtrell. Dreimal stand er ganz oben auf dem Podium, aber beim ersten Lauf am Red Bull-Ring gab es nach einem regenbedingten Abbruch nur halbe Punkte. Fewtrell und die beiden vor ihm platzierten Piloten Vivtor Martins und Christian Lundgaard gehören zum Renault Sport-Juniorkader, der hier in der Serie natürlich stark vertreten ist.

Meisterschaftsführender ist allerdings der für das deutsche Team Josef Kaufmann Racing startende Chinse Ye Yifei. Der französische F4-Meister von 2016 konnte zwar erst einmal gewinnen (Monza), legte aber konstant gute Leistungen an den Tag und beendete erst zwei  Rennen außerhalb der Top 5, nur einmal ganz außerhalb der Punkte. Das ist so sonst nur dem Dänen Lundgaard gelungen, der dabei aber weniger Podien eingefahren hat und daher zehn Punkte zurück liegt.

Mit Richard Verschoor und Neil Verhagen sind in dieser Serie auch ein ehemaliger und ein neuer Pilot des Red Bull Junior Teams am Start. Allerdings liegen diese beiden derzeit auf den Plätzen 11 und 12 der Meisterschaftstabelle, wobei der im Winter vom Brausehersteller geschasste Niederländer Verschoor lustigerweise ausgerechnet am Red Bull-Ring mit Rang 2 sein bestes Saisonresultat einfahren konnte.

Aktuelle Top 5:

  1. Ye Yifei 157 Punkte)
  2. Christian Lundgaard (147 Punkte)
  3. Victor Martins (127 Punkte)
  4. Max Fewtrell (125,5 Punkte)
  5. Logan Sargeant (100 Punkte)

Nächstes Rennwochenende: 1./2. September auf dem Hungaroring (mit Blancpain GT)

(Foto: Renault Sport)

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