Home TourenwagenBTCC BTCC: Silverstone 2018 – Da waren es nur noch zwei

BTCC: Silverstone 2018 – Da waren es nur noch zwei

von Sebastian Focks
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Colin Turkington gegen Tom Ingram lautet das Duell um den BTCC-Titel 2018. Mit einem Kraftakt ist es dem Toyota-Piloten in Silverstone gelungen, seine Chancen auf die Meisterschaft zu bewahren und den Rückstand auf Colin Turkington wenigstens um ein paar Zähler zu verkleinern. Neben Tom Ingram holten sich auch Sam Tordoff und Aiden Moffat je einen Sieg in Silverstone, was diese BTCC-Saison schon jetzt zu einem Rekordjahr mit 16 verschiedenen Siegern macht.

Lauf 1

Für die bis dato noch drei Haupttitelaspiranten startete das Wochenende in Silverstone eher bescheiden. Sowohl Colin Turkington als auch Tom Ingram und Ashley Sutton mussten lernen, dass viel Zusatzballast auf dem National Circuit von Silverstone alles andere als willkommen ist. Turkington und Ingram zogen sich mit Startplatz 18 und 19 noch am besten aus der Affäre, während es für den amtierenden Champion Sutton nur zu Platz 25 reichte. Zusätzlich zum Gewicht litt der Subaru auf den vielen schnellen Abschnitten auf der britischen Traditionsstrecke erwartungsgemäß unter seinem mangelndem Top Speed.

Den Ton an der Spitze gaben derweil zunächst die Motorbase-Ford von Sam Tordoff und Tom Chilton an, die sich die Startplätze eins und drei sicherten. Dazwischen platzierte sich sensationell Ricky Collard, der in Silverstone erneut seinen noch immer an einer Gerhinerschütterung laborierenden Vater am Steuer des WSR-BMWs vertrat. Obwohl Collard beim Start dank Heckantrieb etwas besser weg kam als Tordoff, verlor er bereits in Copse Corner einige Positionen und war zunächst nur noch fünfter hinter den beiden führenden Ford, Teamkollege Andrew Jordan und Jack Goff.

Für Andrew Jordan, der mit einem guten Resultat ebenfalls noch im Meisterschaftskampf hätte mitmischen können, endeten alle Träume in Runde elf, als er mit Problemen an der Gasannahme die Box ansteuern musste – ein Defekt, der nun schon mehrfach im Laufe der Saison an seinem BMW vorgekommen ist und den das Team einfach nicht in den Griff bekommt. Zeitgleich zu Jordans Ausfall war es Collard gelungen, an Goff vorbeizugehen, womit der BMW-Junior nun zwar wieder Dritter war, es aber nicht mehr schaffte, die Lücke zu den enteilten Fords zuzufahren.

Die wiederum lieferten sich in den letzten Runden noch ein spannendes Duell, als Tom Chilton dank ausbleibender Stallregie den Druck auf Sam Tordoff erhöhte und sich formatfüllend im Rückspiegel seines Teamkollegen breit machte. Letzten Endes behielt der Vizemeister von 2016 aber die Oberhand und holte sich seinen ersten BTCC-Sieg seit seiner Rückkehr in die Meisterschaft. Chilton komplettierte den Motorbase-Doppelerfolg mit Rang zwei und Ricky Collard holte sich auf Platz drei sein erstes Podium in der BTCC. Knapp dahinter kreuzten die Hondas von Jack Goff und Matt Simpson sowie Adam Morgan im Mercedes die Ziellinie.

Von den Meisterschaftsaspiranten schaffte Colin Turkington nach einem kämpferischen Rennen mit Rang acht hinter Mike Bushell das beste Resultat und konnte seinen Vorsprung in der Meisterschaft damit zwischenzeitlich auf 50 Punkte ausbauen. Ash Sutton, ebenfalls sehr stark unterwegs, betrieb mit Rang elf Schadensbegrenzung, während es für Tom Ingram auf Platz 15 nur zu einem einzigen Punkt reichte. Der Toyota-Pilot hatte diesen Lauf aber ganz bewusst bereits im Vorfeld taktisch weggeworfen, da er das Rennen auf den härteren Optionsreifen bestritt, die bis zu eine halbe Sekunde pro Runde langsamer waren als der standardmäßig verwendete Medium-Reifen. Durch diesen Zug, hatte Ingram für die verbleibenden zwei Rennen die besseren Reifen zur Verfügung, während seine Kontrahenten den harten Reifen noch fahren mussten.

Lauf 2

Wie gut sich diese Taktik auszahlte, zeigte der zweite Lauf, in dem Tom Ingram eine sensationelle Leistung zeigte und sich Position um Position durch das Feld arbeitete. Solche Aufholjagden haben wir schon einige Male im Laufe der Saison von Ingram gesehen und sie zeigen, wie unfassbar gut der Speedworks-Toyota unterwegs ist, wenn er keinen Erfolgsballast zugeladen hat. Bereits nach einer Runde lag Ingram auf Position zehn und zwei Umläufe später schon auf Position acht direkt hinter Rivale Colin Turkington. In der vierten Runde setze er sich beim Anbremsen von Brooklands außen neben den BMW und konnte vorbeiziehen. Parallel entwickelte sich einige Positionen davor ein leichtes Chaos, als Adam Morgan sich Platz drei von Ricky Collard schnappte und der BMW-Pilot dadurch leicht aus dem Tritt geriet und sich ein Rückstau im dahinter eng miteinander kämpfenden Feld entwickelte. Ingram nutze diese Situation aus und überholte mit seinem „rocketship“ (O-Ton Ingram) bei der Anfahrt zu Becketts gleich drei Kontrahenten (Simpson, Collard und Goff) und war plötzlich Vierter.

Während Sam Tordoff an der Spitze einige Wagenlängen enteilt war, machte Ingram nun Jagd auf Adam Morgan, der wiederum den vor ihm fahrenden Chilton unter Druck setzte. In der siebten Runde fuhren alle drei Kontrahenten Seite an Seite über die Gegengerade und Ingram gelang es, sowohl den Mercedes als auch den Ford beim Anbremsen von Brooklands stehen zu lassen. Mit einer schnellsten Runde nach der anderen fuhr Ingram dann die Lücke zum führenden Tordoff zu und überholte diesen in Runde zehn recht mühelos für die Führung. Bis zum Fallen der Zielflagge war Ingram auf über sechs Sekunden vom Rest des Feldes enteilt und sicherte sich zum genau richtigen Zeitpunkt Saisonsieg Nummer drei.

Entscheidender als der Sieg war jedoch, dass Ingram sieben Plätze vor Colin Turkington ins Ziel kam und damit den Abstand in der Meisterschaft auf 36 Zähler reduzieren konnte. Turkington kämpfte in diesem Lauf mit stumpfen Waffen, da nun er die härteren Optionsreifen fahren musste. Daran gemessen ist der errungene achte Platz noch ein mehr als respektables Ergebnis.

Geplatzt waren die Meisterschaftsträume derweil für Ashley Sutton. Der Subaru-Pilot musste das Rennen aus der Boxengasse in Angriff nehmen, da sein Auto in der Pause zwischen den Rennen (!) am Unterboden beschädigt worden war und sein Team bis zur letzten Minute daran arbeitete. Sutton wurde am Ende mit nicht gut gehendem Auto abgeschlagener Vorletzter und fiel in der Meisterschaft auf Rang fünf hinter Adam Morgan und Tom Chilton ab.

Morgan hatte einen großen Sprung in der Meisterschaftstabelle hinlegen können, da er sich gegen Rennende noch den zweiten Platz von Sam Tordoff erkämpft hatte. Hinter den Podiumsrängen erreichte Ricky Collard mit Platz Vier erneut ein sehr gutes Resultat, gefolgt vom Honda-Duo Jack Goff und Matt Simpson sowie Aiden Moffat, der kurz vor Schluss noch Colin Turkington überholen konnte. Hinter Turkington auf Platz acht komplettierten Tom Chilton und Rob Austin die Top Ten. Chilton hatte in der zweiten Rennhälfte noch einige Positionen eingebüßt, da auch er mit dem härteren Optionsreifen unterwegs war.

Lauf 3

Die Reifenwahl sollte auch für den letzten Lauf des Tages eine entscheidende Rolle spielen, da die Vorteile klar bei den wenigen Piloten lagen, die den harten Reifen bereits gefahren waren, während der Großteil des Feldes erst jetzt damit antrat. Die umgedrehte Startaufstellung beförderte Aiden Moffat auf die Pole Position. Außer Colin Turkington und Tom Ingram, die sich nebeneinander in Startreihe vier einfanden, war der Mercedes-Pilot der einzige Fahrer in den Top Ten, der auf dem besseren Mediumreifen starten konnte.

Nach mehreren sehenswerten Positionswechseln kristallisierte sich ab der Rennhälfte eine Spitzengruppe bestehend aus den richtig bereiften Moffat, Ingram, Austin, Turkington, Chilton und Cook heraus, die sich nach einer Safety Car-Phase vom Rest des Feldes absetzen konnte und Stoßstange an Stoßstange ihre Runden drehte. Während Aiden Moffat seine Führung verteidigte, suchte dahinter jeder nach einer Möglichkeit, eine Attacke auf den jeweils vor ihm fahrenden zu setzen, musste aber gleichzeitig aufpassen, dadurch keinen Angriff vom Hintermann zu ermöglichen.

Die Kampfgruppe, die hier um den Sieg – und im Falle von Ingram und Turkington – auch um die Meisterschaft kämpfte, ließ das Herz eines jeden Tourenwagenfans höher schlagen. Ingram bemühte sich sichtlich darum, Moffat den Sieg abzukämpfen, um den Punkterückstand auf Turkington weiter zu verkleineren, während Turkington alles versuchte, um am zwischen ihm und Ingram liegenden Alfa von Rob Austin vorbeizugehen, sich aber gleichzeitig mit Chilton und Cook in seinem Rückspiegel auseinandersetzen musste. In der zwanzigsten Runde schaffte es Turkington dann endlich, Austin mit einem besseren Exit aus Luffield hinter sich zu lassen und attackierte sogleich Ingram.

Während ab Position vier noch munter die Plätze zwischen Cook, Austin und Chilton bis zum Fallen der Zielflagge getauscht wurden (in den letzten beiden Runden gesellten sich auch noch die Dynamics-Honda von Matt Neal und Dan Cammish dazu), sollte sich auf den ersten drei Plätzen derweil nichts mehr ändern. Aiden Moffat holte sich seinen ersten Saisonsieg 2018, was ihn zum 16. Sieger in diesem Jahr macht und damit einen neuen BTCC-Rekord aufstellt. Zwischen Ingram und Turkington wurde es in den letzten beiden Kurven noch mal sehr eng, aber letzten Endes konnte Ingram eine Position besser abschneiden als sein Meisterschaftsrivale und damit zwei weitere Zähler gut machen.

Josh Cook wurde am Ende Vierter, gefolgt von Rob Austin, Tom Chilton, Matt Neal und Dan Cammish. Mit etwas Abstand komplettierten mit Andrew Jordan und Ricky Collard die besten hart bereiften Piloten die Top Ten. Adam Morgan, vor dem Start des Rennens noch plötzlich auf den dritten Rang in der Meisterschaft nach vorne gespült, hatte wie viele andere keine Chance auf den harten Reifen und landete außerhalb der Punkte.

Meisterschaft

Vor dem in zwei Wochen in Brands Hatch stattfindenden Meisterschaftsfinale führt Colin Turkington mit komfortabel erscheinenden 34 Punkten die Meisterschaft vor Tom Ingram an. Gemessen daran, dass es für einen Sieg 20 Punkte gibt und insgesamt inklusive aller Bonuspunkte noch 67 Punkte zu vergeben sind, benötigt Ingram eigentlich schon eine Nullnummer von Turkington in einem der drei noch ausstehenden Läufe in Brands Hatch. Wichtig wird vor allem sein, dass sich der Toyota-Pilot bereits in der Qualifikation eine gute Grundlage erarbeitet und dann alle Läufe vor Turkington abschließt. Für Turkington dagegen wird es vor allem darum gehen, sich nicht stressen zu lassen, sollte Ingram in einem der Rennen deutlich vor ihm liegen und stattdessen einfach konstant in die Punkte zu fahren – eine Stärke, die Turkington, wie wohl kaum einen anderen Fahrer im Feld auszeichnet.

Egal, wie es am Ende ausgeht, ich bin mir sicher, dass wir uns auf ein schönes Meistserschaftsfinale mit einem am Ende würdigen Meister freuen können.

Ein Meister des Jahres 2018 steht derweil bereits fest! Dan Cammish liegt in der Jack Sears Trophy, an der alle Piloten, die vor dem Start der Saison noch nie auf dem Podium gestanden haben, teilnehmen, uneinholbar vorne und holt sich (fast schon erwartungsgemäß) den Titel. Auch wenn Cammish kein sensationelles Rennwochenende in Silverstone hingelegt hat, war er dennoch besser unterwegs als sein engster Verfolger Chris Smiley. Kurios: Im Gegensatz zu Smiley und auch Matt Simpson, der in der Trophy-Wertung auf Platz vier liegt, konnte Cammish bislang kein Rennen in diesem Jahr gewinnen, hat aber deutlich mehr Konstanz als seine Konkurrenten gezeigt.

Der Vollständigkeit halber noch kurz ein Blick in die übrigen Meisterschaftsstände: In der Independent-Wertung führt logischerweise Tom Ingram, hat hier aber den Titel bei weitem noch nicht sicher. Gerade einmal zwanzig Punkte trennen ihn von Tom Chilton, der nach Silverstone auch in der Gesamt-Meistserschaft nach vorne gerückt ist und hinter Turkington und Ingram auf Platz drei liegt. Der Motorbase-Pilot hat auf eher unspektakuläre Weise eine sehr starke, von viel Konstanz geprägte Saison hingelegt. Auf den weiteren Positionen folgen in der Independent-Wertung mit nur noch rechnerischen Meistserschaftschancen Adam Morgan und Jack Goff.

Bei den Teams führt so gut wie uneinholbar Team BMW (West Surrey) vor Power Maxed Racing und Halfors Yuasa Racing (Team Dynamics). Fast das gleiche Bild zeigt sich auch in der Herstellerwertung, in der BMW führt, dahinter aber Honda knapp vor Vauxhall liegt. Alle Meisterschaftsstände sowie die Resultate der drei Läufe aus Silverstone können wie üblich auf der Website von TSL Timing ausführlich nachgelesen werden.

Das Saisonfinale der BTCC steigt am 30.9. auf dem altehrwürdigen Grand Prix-Circuit von Brands Hatch. Die genauen Startzeiten könnt ihr wie üblich in unserem TV-Planer nachlesen.

Bilder: btcc.net

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