An diesem Wochenende bildet China fast schon das Zentrum des Motorsports, denn neben dem legendären GP von Macau findet auch das Rennen über 6 Stunden der FIA WEC statt, bevor sich die WEC in die Winterpause verabschiedet und erst wieder in Sebring die Motoren erklingen lässt.
Das Rennen in Fuji ist schon wieder drei Wochen her, da fahren die Boliden diesmal seit 2011 zum bereits achten Mal in China und zum siebten Mal in Folge auf dem Shanghai Int. Circuit, nachdem man 2011 noch im Rahmen des damaligen ILMC in Zuhai gastierte. In der LMP1 funktionierte der Toyota, damals noch als TS030 oder TS040 immer recht gut auf dieser Strecke, und gerade im Jahre 2018, als die Mannen aus Köln-Marsdorf das einzige Werksteam sind, sollten sie auch diesmal wieder einen überlegenen Doppelsieg einfahren können. Die privaten LMP1 haben zwar zum einen einen erhöhten Energieverbrauch über einen Stint von knappen 3 kg bekommen, dazu auch noch einen höheren Energieverbrauch pro Runde, aber bis auf wenige Zehntel wird dies im Rennen nicht so viel bringen. Bislang mussten die Privaten auch etwas segeln lassen, da der immens hohe Kraftstoffdurchfluss von 115 kg / h dazu führt, dass die erlaubte Benzinmenge pro Runde nicht ausreicht um permanent Vollgas fahren zu können, was zur Folge hatte, dass die Privaten vom Gas müssen.
Hier hat sich dann schon ein wesentlicher Punkt im Vergleich zu einem Werksteam bemerkbar gemacht: Der TS050 oder früher der 919 oder R18 mussten zwar viel mehr Segeln um Sprit zu sparen, aber die Teams hatten jeweils ein Team aus mehreren Ingenieuren und sündhaft teure Mess, Regel und Simulationssysteme entwickelt, um den Kraftstoffverbrauch in Bezug auf die Rundenzeit zu optimieren. Ein Unterfangen, was jeweils viele Millionen gekostet hat, aber auf der anderen Seite auch zu großen Rundenzeitengewinnen geführt hat. Dies können sich aber weder Rebellion, noch SMP oder ByKolles leisten, da diese nicht die Gelder dafür zur Verfügung haben. Insofern hilft dies zwar etwas, den Abstand zu den Toyotas zu verringern und zusätzlich müssen die aus dem Ärmel geschüttelten Rechnungen nicht zig mal nachgerechnet werden, da diese nun deutlich weniger Sprit sparen müssen als dies z.B. in Silverstone der Fall war.
Ein wesentlicher Punkt für den im Rennen noch deutlich größeren Unterschied ist das Thema Reifen. Toyota verwendet speziell entwickelte Reifen, welche seit 2012 in enger Zusammenarbeit mit Michelin für viel Geld an die besonderen Bedürfnisse des TS050 entwickelt worden sind. Die Privaten fahren mit den gleichen Reifen, haben aber komplett verschiedene Fahrzeugkonzepte, wodurch das Zusammenspiel mit den Reifen nicht so gut funktionieren kann. Durch das Hybridsystem verhält sich der TS050 komplett anders. Zum einen wird beim Bremsen Energie zurückgewonnen, sowohl an der Vorderachse als auch an der Hinterachse, was das Rollverhalten beim Anbremsen doch stark beeinflusst. Zum anderen muss der Wagen deutlich mehr Segeln, was zur Folge hat, dass die Vorderreifen eher auskühlen können. Der Hauptpunkt betrifft aber auch das Herausbeschleunigen aus engen Kurven. Beim Toyota müssen die Hinterräder knapp 200 PS weniger übertragen, dafür aber die Vorderräder mehr als 200 kW mehr als bei den Nichthybriden, wodurch diese dort wiederum deutlich stärker gefodert sind. Auch ist die Gewichtsverteilung von Vorder- zu Hinterachse aufgrund des KERS vorne sowie des Batteriepakets eine komplett andere als bei den Nichthybriden. Dies macht sich zum einen in der maximalen Rundenzeit im Qualy bemerkbar, aber noch viel mehr im Laufe des Rennens, wenn die Autos Doppelstints fahren müssen.
Ein Ansatz wäre jetzt theoretisch, dass die Privaten halt auch mit Michelin oder Dunlop ihre eigenen Reifen entwickeln sollen, aber dafür fehlt es denen an zwei Dingen: Zeit und Geld. So etwas dauert Monate, wenn nicht sogar ein oder zwei Jahre, um auf dieses Niveau zu kommen und verschlingt Unmengen an Testtagen und viele Mio. €. Etwas, was sich Rebellion, SMP und Co. einfach nicht leisten können, und was nachwie vor ein ungelöstes Problem darstellt. Die FIA WEC hat zwar reagiert und einen extra Testtag vor dem Rennen deswegen in Shanghai angesetzt, allerdings bekommen diese deswegen auch nicht auf sie abgestimmte Reifen geliefert. In Verbindung mit dem Hybridsystem hat dies in Fuji dafür gesorgt, dass die TS050 den besten privaten, den R13 rund um Neel Jani, Andre Lotterer und Bruno Senna ohne Probleme um 4 Runden deklassiert haben, obwohl die Strecke in Fuji nicht so sehr auf die Reifen geht wie es in Shanghai der Fall sein wird.
Im Kampf um Platz 3 wird es wohl wie in Fuji einen engen Kampf zwischen den SMP BR01 und den R13 von Rebellion geben, da die SMP in Sachen Chassis zu jenem Oreca von Rebellion aufgeschlossen haben und gerade bei Gelbphasen einen leichten Reichweitenvorteil besitzen. Dies können sie immer dann ausspielen, wenn eine FCY, eine Slow Zone oder ein SC zum Einsatz kommt, da dann die maximale Stintlänge aufgehoben ist. Um die hinteren Plätze werden sich daher wieder ByKolles und Dragonspeed duellieren, während man von Ginetta gar nichts mehr hört, wodurch es nicht verwunderlich wäre, wenn hier im Laufe des Winters das Kapitel LMP1 geschlossen werden würde, denn Interessenten an der jetzigen Klasse oder gar jenem Auto gibt es wohl gar keine.
Den prominentesten Gaststarter gibt es in der GTE-Pro. Nach 2014 wird wieder eine Corvette in der WEC außerhalb Le Mans an den Start gehen, denn Corvette Racing bringt eine C.7 mit Oliver Gavin und Tommy Milner an den Start. Dieses Engagement wird aber nicht von Corvette finanziert, oder ist eine Initiative des ACO, sondern Red Line ist ein großer Corvette Händler in China und auf desen Initiative geht dieser Einsatz zurück, welcher auch von RedLine finanziell gestemmt wird. Daher geht die Corvette nicht im klasischen Gelb sondern in einer Silber / Rot Lackierung an den Start. Ob man hier aber Chancen auf den Sieg hat, wage ich zu bezweifeln, denn im Vergleich zu Le Mans muss man 27 kg zuladen und bekommt einen kleineren air restrictor verpasst, während die anderen Teams bis auf Ferrari allesamt Gewicht aus den Autos nehmen dürfen.
Der Kampf um die Spitze wird in der Klasse insofern immer härter, da BMW nun mittlerweile in Sachen absolutes Tempo vorne reinfahren kann, wie man an der Pole und dem zweiten Platz in Fuji sehen konnte. Nur der bislang sehr ausbaufähige Reifenverschleiß hat einen Sieg von Tom Blomquist und Antonio Felix da Costa verhindert, womit dieser an den deutlich reifenschonenderen Porsche RSR mit Michael Christenen und Kevin Estre ging, obwohl der BMW in der Spitze das schnellste Auto war. Die Strecke in China liegt dem M8 vermutlich nicht ganz so gut wie in Fuji, aber die Tendenz dürfte wohl ziemlich ähnlich sein. Ebenfalls sollte man den neuen Aston Martin auf der Rechnung haben, denn nach den anfänglichen Problemen hat Aston Martin den neuen Vantage nun sehr gut aussortiert, wie man in Silverstone sehen konnte und Shanghai kommt Silverstone in Sachen Kurven doch näher als dies in Fuji der Fall war. Ich habe es vorher schon angedeutet, aber in Sachen Balance of Performance hat sich einiges getan. Zwar musste die Corvette 27 kg zuladen, im Vergleich zu Le Mans, aber alle anderen Marken außer Ferrari durften Gewicht ausladen, was gerade für die Corvette ein deutliches Manko darstellt. Von der reinen Papierform her sollte der Ferrari somit im Nachteil sein, der hohe Reifenverschleiß der Strecke könnte aber sein Vorteil sein, denn der Ferrari verfügt über das mit Abstand beste Reifenmanagement. Dies konnte man sowohl in Spa als auch in Silverstone sehen, als man zwar im Zeittraining 1 Sekunde von der Spitze weg war, im Rennen allerdings durch die sehr konstante Reifennutzung sich Stück für Stück nach vorne arbeiten konnte.
In der LMP2 gab es in Fuji eine doch mittelgroße Überaschung, denn Jota Sports bzw. Jackie Chan DC Racing hat seine alte Stärke aus dem Jahre 2017 wieder gefunden und mit einer fulminanten Fahrt einen glatten Doppelsieg eingefahren. Maßgeblich war hierbei, dass die beiden Mannschaften extrem ausgeglichen unterwegs waren, denn vom reinen Speed her waren Signatech und TDS Racing etwas stärker unterwegs. Dazu kam, dass die sehr starke Mannschaft von Dragonspeed rund um Anthony Davidson, Pastor Maldonado und Ricardo Gonzalez nach Problemen mit 12 Runden Rückstand abgeschlagen vorletzter wurde. Diese Mannschaft dürfte aber gerade für Shanghai interessant sein, da diese neben dem Racing Team Netherland die einzigen sind, welche mit Michelin in der Klasse antreten, während alle anderen auf Dunlop unterwegs sind. Im Trockenen war das Kräfteverhältnis bislang relativ ausgeglichen, was die beiden Reifenmarken angeht, allerdings hat der Michelin im nassen wohl leichte Vorteile, was in Shanghai durchaus ein Faktor werden könnte, wenn man sich die Wetterprognosen ansieht. Ansonsten wird die Klasse wohl wieder mindestens einen Vierkampf aus dem Oreca von Signatech Alpine mit N. Lapierre, P. Thieret, und Alexandre Negrao, dem Oreca von TDS Racing mit F. Perrodo, Matthieu Vaxiviere und Loic Duval erleben. Obwohl ich die beiden Jota Sports Oreca von Jackie Chan DC Racing anfangs nicht so auf dem Schirm hatte, halte ich diese aber gerade in Shanghai für leicht favorisiert, da Strecke intensiv mit den Reifen umgeht. Wobei gerade die LMP2 eine sehr ausgeglichene Mannschaft brauchen, da sie mehr Fahrerwechsel als Reifenwechsel haben und es einem Team nicht viel bringt, wenn man zwei sehr schnelle, aber sehr reifenmordende Fahrer hat und der Silberfahrer dann auf gebrauchten Reifen hoffnungslos unterlegen ist und mehrere Sekunden pro Runde verliert.
In der GTE-Am wird es vermutlich wieder auf den Zweikampf der beiden alten Aston Martin gegen die RSR von Proton Racing und Project One hinauslaufen, wobei aktuell die RSR hier das Maß der Dinge sind, zumal Shanghai dem Mittelmotor gegenüber den alten Vantage mehr entgegenkommen sollte, als dies noch in Fuji der Fall war. Dies gilt insbesondere was den Reifenverschleiß angeht. Shanghai ist normal aufgrund des etwas raureren Belages und der zwei langen Schneckenkurven sowie der mittelschnellen Sektion im Mittelteil, bestehend aus der schnellen Links, der mittelschnellen Rechts und der Doppel Links, eine sehr reifenmordende Strecke. Dies konnte man vor allem in 2017 sehen, als die GTE allesamt zum letzten Stint ihre noch halbwegs besten Reifen aus den zur Verfügung stehenden 4,5 Sätzen zusammenkratzen mussten und dennoch wie auf rohen Eiern über die Strecke rutschten. Daher sehr ich im Kampf um den Klassensieg einen Zweikampf aus dem Project One RSR mit Joerg Bergmeister, Egidio Perfetti und Patrick Lindsay, sowie dem Proton RSR mit Julien Andlauer, Christian Ried und Matt Campbell. Ganz schwer einzuschätzen sind allerdings noch die F488 GTB von Spirit of Race sowie Clearwater Racing, da ihnen zwar die Strecke entgegen kommen sollte, andererseits aber die Fahrerbesatzungen nicht so ausgeglichen wie bei den Porsche sind.
Ein weiterer Faktor wird evtl. das Wetter sein, denn am Freitag fand das freie Training größtenteils unter nassen Bedingungen statt, womit zum einen die Trainingszeit unter trockenen Bedingungen sehr gering war, zum anderen aber besteht immer noch die Gefahr von Regenschauern für den Sonntag, welche sämtliche Planspiele über den Haufen werfen kann. Diese Regenschauer würden aber den TS050 noch deutlich mehr in die Karten spielen, womit der Kampf an der Spitze der LMP1 noch eintöniger wäre. Das letzte WEC-Rennen im Jahre 2018 beginnt am Sonntag um 04.00 Uhr und kann parallel zum Wahnsinn von Macau auf der WEC Homepage sowie im Sport1 Liveastream verfolgt werden.