Das Motorsportjahr 2018 – eine Saison voller unglaublicher Überraschungen, schmerzhafter Enttäuschungen und Geschichten für die Ewigkeit. In diesem Best-of blickt Phil auf die fröhlich vor sich hin wabernde GT3-Blase, den rasanten Aufstieg der IndyCar Series und der IMSA sowie auf die Menschen der vergangenen zwölf Monate zurück.
Man, was war das für ein Jahr! Auf den unzähligen Asphaltbändern, -streifen und Dirt Tracks dieser Welt ging es wieder mächtig rund und neue Rivalitäten lassen auf ihre Fortsetzung in der kommenden Saison hoffen. Diese ist in den meisten Fällen zwar noch einige Monate entfernt, doch mit den 24 Stunden von Dubai und Daytona sowie den 12 Stunden von Bathurst wird auch 2019 mit einem Kickstart beginnen. Es ist also Zeit, nochmal schnell auf das Jahr 2018 zurückschauen – bevor in Nordafrika, in Peru, in Daytona und in Dubai die Motoren schon wieder aufheulen.
Bestes Rennen
Da hat der Kollege Don bei der Auswahl der Kategorien aber gleich zu Beginn eine extrem harte Nuss ausgepackt! Denn normalerweise denkt man sofort an die großen, zeitlosen Rennen des Kalenders. An die wilden Jagden durch die Steilkurven von Daytona und Indianapolis, die Tag-Nacht-Ritte durch den Süden von Le Mans, die Hügel der Eifel sowie der Ardennen oder auch über die Spitze des Mount Panorama. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Die waren in diesem Jahr keineswegs schlecht, aber nahezu chronisch fehlte allen das gewisse Extra. Dieser Moment, an den man mit starken, ehrlichen Emotionen zurückdenkt! Dieser Moment, in dem Leben für immer verändert werden!
Stattdessen war vor allem das Gemecker groß. Man denke beispielsweise an das Tankdrama von Land Motorsport in Daytona, die nebulöse Irrfahrt auf dem Ring und die grandios schlechten Reglementsfehltritte in Le Mans und Spa. Wie nervig!
Deswegen möchte ich den Titel „Bestes Rennen“ heuer an all die kleinen Serien vergeben, die uns 2018 so sehr begeistert haben. Denn wir alle erinnern uns „an dieses eine Rennen“ des MX-5 Cups, der Continental Tire Sports Car Challenge, des Ginetta GT4 Supercups und so weiter. Besonders lobend erwähnt sei an dieser Stelle aber noch das Rennen der IMSA SportsCar Championship auf der Road America. Ihr ahnt sicherlich, wer damals gewonnen hat.
Fahrer/Hero des Jahres
Wie Don möchte ich keinen einzelnen Fahrer nur wegen der Leistung in einem speziellen Umfeld herausgreifen. Dafür ist und bleibt der Motorsport schlicht zu unterschiedlich und am Ende des Tages sprechen Siege und Titel auch für sich. Aus diesem Grund nenne ich in dieser Kategorie lieber Menschen, die in ihrer Funktion als Sportler Besonderes für die Szene geleistet haben.
In diesem Jahr hat uns vor allem der Mensch Robert Wickens berührt. Der aus der DTM bekannte Kanadier startete fulminant in seine erste IndyCar-Saison und lieferte prompt Top-10-Ergebnisse – eine Leistung, die man gar nicht hoch genug einschätzen kann. Zusammen mit Alexander Rossi prägte er das Bild der aufstrebenden jungen Konkurrenz in der boomenden Serie und setzte nicht nur die Meistermannschaften von Penske und Ganassi ordentlich unter Druck.
Doch dann kam der unheilvolle 19. August mit seinen bis heute erschreckenden Bildern. Seit diesen bangen Minuten und Stunden auf dem Pocono Raceway sind nun bereits einige Monate vergangen und während sich die IndyCar-Elite anschließend sehenswert um den Titel stritt, begann ein langer Weg für Wickens. In einem sehr ehrlichen Blog-Post beschrieb seine Freundin Karli Woods die täglichen Herausforderungen unter anderem so:
Sometimes reading all those positive comments makes us angry because it seems people can just say “you’re doing great, keep it up you’ll be back in a car in no time!”. It’s almost jealousy that they can write those comments and then just go back to their normal life, and we have to go back to our reality. Most of the time seeing those comments puts smiles on our faces, but other times after a bad day it can be frustrating for that reason.
Wir drücken dem Kanadier und seiner Familie weiterhin die Daumen und wünschen alles erdenklich Gute. Die Geschichte ist noch lange nicht zu Ende erzählt!
We made a new commercial!! Hopefully they sponsor us soon… pic.twitter.com/OrpjnRvZ3n
— Dinner With Racers (@DWRshow) March 12, 2018
Ein weiterer beeindruckender Mensch des Jahres 2018 war Mick Schumacher. Für viele ärgerlicherweise nur eine Projektionsfläche seines Vaters kämpfte sich das sympathische Talent durch ein hartes Formel-3-Jahr und wird zu Recht in die Formel 2 aufsteigen. Dort wird sich im kommenden Jahr seine Motorsport-Zukunft nun wahrscheinlich entscheiden. Doch egal, in welche Richtung es gehen wird: Als Motorsportfreund kann man ihm nur das Beste wünschen.
Delighted to announce that I will continue the partnership with @PREMA_Team for 2019, making the step up to the FIA Formula 2.🏎 Ich freue mich auf die Fortsetzung der Partnerschaft mit Prema Racing für 2019 in der FIA Formel 2 – ein logischer Schritt auf meinem sportlichen Weg. pic.twitter.com/A9dfoUC37Z
— Mick Schumacher (@SchumacherMick) November 27, 2018
Ebenfalls in der Formel 3 erfolgreich war die Münchnerin Sophia Flörsch. Doch bei ihr ging es nicht um Titel oder Siege, sondern um den Beweis: Sie kann mit den besten Jungfahrern der Welt mithalten. Selbst in einem Hinterbänklerauto und erst recht, wenn man verspätet einsteigen muss. Dass ein faszinierendes Jahr mit einem Nahezu-GAU enden sollte, war dann schon fast bezeichnend für den Berg, den sie erklimmen muss. Wer ihre Karriere bisher verfolgt hat, weiß aber, mit welcher Energie sie zurückkommen wird.
You are right, @PippaMann. I also feel sad. Business with big hopes. Thats why women are not taken seriously. Not my understanding of racing. @fiawim @fia https://t.co/qXyiNA2dz6
— Sophia Floersch (@SophiaFloersch) November 28, 2018
Auch wenn sich wahrscheinlich noch endlos Geschichten finden lassen (zum Beispiel der Titel von Flick Haigh in der British GT), schließe ich die Kategorie mit der für mich inspirierendsten Motorsport-Persönlichkeit des Jahres: Louise Cook. Die 31-Jährige aus dem britischen Kent arbeitet sich seit Jahren durch die Stufen der WRC und hat neben Crowdfunding-Kampagnen sogar Pokale dafür verkaufen müssen. 2018 war ebenfalls wieder ein harter Kampf um jeden Pfund-Betrag und geprägt von etlichen Roadtrips ins Ungewisse. So brach die hoffnungsvoll-fröhliche Britin beispielsweise in die Türkei auf, ohne zu wissen, ob sie das nötige Geld zusammenbekommt:
Time for a road trip! 🙈 pic.twitter.com/ow1Jpg7SAc
— Louise Cook (@LouiseCookGB) September 6, 2018
Schlussendlich klappte es und die Abenteurerin biss sich durch die härteste Rallye des Jahres. Auf dass sie noch oft Staub aufwirbeln kann!
Pechvogel des Jahres
Hier erlaube ich mir mal das Privileg, komplett subjektiv zu sein: CORE autosport. In einem heroischen Kampf gegen die IMSA und die übermächtigen DPi-Konkurrenten verfehlten sie auf den letzten Metern der Saison knapp den Gesamttitel. Hätte die IMSA nur einmal nachgegeben, sei es im Vorfeld von Mid-Ohio oder vor dem Petit Le Mans, wären wir nicht um die Motorsport-Geschichte des Jahres betrogen worden.
Natürlich ging es dabei ausschließlich um das ganz große Geld. Wer lässt sich schon gerne von einer Pro-Am-Truppe aus Rock Hill, South Carolina schlagen? Doch Colin Braun und Jon Bennett haben dank ihrer eigenen Leistung Siege gefeiert und hätten somit eine faire Chance verdient gehabt.
Eine weitere unschöne Nummer war das Splitten der Prototypen-Klasse – eine Entscheidung, die CORE an den Rand der Chancenlosigkeit im Jahr 2019 gebracht hat. Wäre Extreme Speed Motorsports, ebenfalls ein gigantischer Pechvogel, nicht in der Winterpause zerbrochen, hätten die Vizemeister in den traurigen Resten der LMP2-Klasse herumeiern müssen. So konnten sie immerhin die Nissan-DPi-Restbestände aufkaufen. Also, liebe IMSA, hier ein guter Vorsatz für Euch: Weniger Gier, mehr Verstand! Dann schmeißt Ihr Eure sonst so gute Arbeit auch nicht mit dem eigenen Hintern um.
Goodbye dear friend. You were good to us. #Oreca #IMSA #Prototype #LMP2 pic.twitter.com/I6dEwjIsDQ
— CORE autosport (@COREautosport) December 27, 2018
Schönster Moment des Jahres
In einem Jahr, in dem ich die Chance hatte, sowohl die 24 Stunden von Le Mans als auch von Spa vor Ort zu erleben, ist die Auswahl schier endlos. Eines ist nämlich klar: Motorsport erlebt man am besten an der Strecke selbst. Wenn ich jedoch ganz ehrlich bin, muss ich wieder CORE autosport auspacken. Vor allem der erste Sieg im Canadian Tire Motorsport Park sorgte für viele glückliche Minuten.
WE DID IT!!! We won the #Mobil1SCGP!!! pic.twitter.com/kzD8DZuCjC
— CORE autosport (@COREautosport) July 8, 2018
The No. 54 comes home! #Mobil1SCGP pic.twitter.com/AghzfenhTl
— CORE autosport (@COREautosport) July 8, 2018
The team is LOVING THIS!!!! #Mobil1SCGP #Oreca #COREautosport #Mosport #IMSA pic.twitter.com/9O3qqefBoh
— CORE autosport (@COREautosport) July 8, 2018
Der zweite Erfolg auf der Road America hatte wenig später bereits den nächsten Freudentanz im Hause Phil zur Folge. Wenn Motorsport doch nur immer so schön wäre!
Ooops we did it again!!! #CTRRS pic.twitter.com/7PSAjMt2Jh
— CORE autosport (@COREautosport) August 5, 2018
Bestes Manöver des Jahres
Hier mache ich es mal kurz und knapp – passend zum Gewinner der Kategorie. Es ist Zeit für ein gutes, altes „NHRA Pedal Fest“:
Did you see this run?! 😳
How would you describe the @Air_Doug and Billy Torrence pedalfest in just 1️⃣ word?! #WildWednesday pic.twitter.com/BWe6sq6I9W— #NHRA (@NHRA) February 28, 2018
Glücksmoment des Jahres
Der schwere Macau-Zwischenfall und die späte Erkenntnis, dass dem Japaner Sho Tsuboi auf die absurdeste Weise ein unvorstellbarer T-Bone-Einschlag erspart blieb. Die letzte Einschätzung kann natürlich aber auch nur im Nachhinein getroffen werden, denn sein wir mal ehrlich: Selbst der größte Optimist hätte diesen exakten Ausgang, allen voran für Sophia Flörsch, nie vorhergesehen.
第65回マカオグランプリ:FIA F3ワールドカップでの負傷者5名は生命の別状なしも、フローシュは脊椎骨折。坪井は経過観察 https://t.co/4C2tzmvyyH #MacauGP #FIAF3WorldCup #F3jp #JF3 pic.twitter.com/FKexWdXOOH
— autosport web (@AUTOSPORT_web) November 18, 2018
Danke nochmal an alle Beteiligten (Streckenposten, Medical Crew, etc.), die das glimpfliche Ende ermöglicht haben!
GT3-Jahr 2018
Ja, ich kann nicht anders! Zum Jahresende möchte ich nochmal wie ein sturer Pfarrer zum Thema GT3 auf Euch einreden (wenigstens klingle ich nicht an Eurer Haustüre).
Die GT3-Szene hat auch heuer wieder bewiesen, dass sie ein absolutes Erfolgskonzept ist. Überall auf dem Planeten zeigten Championate enge Zweikämpfe und Titelentscheidungen. Da war es völlig egal, ob es um die eigene Klasse oder die Gesamtehren ging. Der Grund für diesen Erfolg lässt sich zwar auf verschiedene Faktoren zurückführen, doch zu den gewichtigsten gehören die Aero-Pakete und die neuen Autos. Es wirkt dabei schon fast wie eine Faustregel, dass frische Maschinen der Szene neues Leben einhauchen. Doch vereinzelte Entwicklungen wie der Aufstieg des ADAC GT Masters waren mehr als bemerkenswert.
Eine weitere positive Erkenntnis lautet, dass das Wachstum der GT4 wie erhofft der GT3 eher geholfen hat und zumindest die GT3-Kosten nicht weiter eskaliert sind. Evo-Paket-Konzepte wie das von Audi und Lamborghini zeigen, wie eine nachhaltigere Modellwelt aussehen kann und muss. Trotzdem sorgen Kaliber wie der neue McLaren 720S GT3 oder der neue Aston Martin Vantage GT3 weiter für Sorgenfalten hinsichtlich zukünftiger Performance-Level. Hier haben die BoP-Kommissionen etwas Arbeit vor der Brust und wir sicherlich wieder viel zu meckern. Gehört doch auch irgendwie dazu, oder?
夕焼けエモい。
#Suzuka10H #泡トラ pic.twitter.com/SvjHrd5LN2— 鈴鹿サーキット (@suzuka_event) August 24, 2018
Abschließend bleibt mir nur noch, Euch einen guten Rutsch und ein tolles neues Jahr zu wünschen. Vielen Dank an die bunte Chat-Truppe, die zu jeder Zeit für die dümmsten Scherze zu haben ist (auch wenn sie manchmal missverstanden werden)! Vielen Dank an meine wahnsinnig versierten Blog-Kollegen, die den Wald aus Clickbait und Pseudonews zu durchschauen vermögen und mit starken Meinungen glänzen! Und vielen Dank an alle Motorsport-Verrückten da draußen, die den Sport erst zu dem machen, was er ist: ein absurd unterhaltsamer Spaß!
Bilderquelle/Copyright: ADAC Motorsport; Audi Sport; Felix Töllich; IMSA