Neue Namen, neue Formate und neue Macher im Hintergrund: Die ehemalige Pirelli World Challenge kommt generalüberholt aus dem Winter zurück. Nachdem die Stéphane Ratel Organisation bereits im Mai 2018 Hauptanteilseigner geworden war, hat sie nach intensiven Gesprächen mit den Teilnehmern diverse radikale Änderungen vollzogen. Die 23 für den Saisonauftakt gemeldeten GT3-Renner sind nun der erste Erfolg dieses Neustarts.
Wie es zum Wechsel an der Spitze kam
Die letzten Jahre waren alles andere als einfach für die Pirelli World Challenge. Das ehemals so freie und erfrischend andere Championat hatte nie so recht den Sprung ins Kundensportzeitalter geschafft und mühte sich immer mehr mit den neuen Ansprüchen der Teilnehmer ab. So wirkte es beispielsweise lange Zeit so, als ob die Rennleitung noch aus der Ära des Klubsports stamme, was nicht nur einmal zu handfesten Streitigkeiten mit diversen Teams führte. Und auch die hohe Fluktuation im GT3-Bereich erwischte die Serie mehrmals kalt – zum Beispiel vor der letzten Saison, als unter anderem Cadillac Racing, Magnus Racing, Wright Motorsports und Black Swan Racing auf einen Schlag abgesprungen sind.
Im letzten Mai folgte dann der Höhepunkt einer Entwicklung, die sich schon länger abgezeichnet hatte. Mit der europäischen SRO Motorsports Group übernahm ein langjähriger Partner, unter anderem im Bereich der Balance of Performance, das strauchelnde US-Seriengebilde und kündigte größere Revisionen an. Für die Fans der PWC war dies zweifelsohne zunächst ein Schock, doch der Wechsel war schlussendlich unabdingbar. Als Zugeständnis an die immerhin 29 Saisons alte Serie durften diverse Funktionäre und Vorstandsmitglieder vorerst in Amt und Würden bleiben.
Die Änderungen in der Übersicht
Namen: Beginnen wir mit der offensichtlichsten und wahrscheinlich für Traditionalisten schmerzhaftesten Änderung. Im Rahmen einer weltweiten Angleichung der SRO-Sprintserien, die im Übrigen durch die PWC-Übernahme erst möglich wurde, ist ein gemeinsamer Überbegriff für die drei kontinentalen Championate eingeführt worden: Blancpain GT World Challenge. Dazu kommen dann die jeweiligen geographischen Beschreibungen – namentlich: America, Asia und Europe.
Außerdem hat die SRO auch die US-GT4 mit ihrem EU-Gegenstück in Einklang gebracht und die GT4 America geschaffen. Die Tourenwagenklassen sind zwar wie in der PWC weiterhin divers, aber firmieren unter dem neuen Titel TC America: Die einzige Tourenwagen-Veranstaltungsreihe in der ansonsten bunten GT-Welt der SRO.
Our new look GT3 Championship is gearing up for 2019. Read more about what to expect here:https://t.co/DLUIh0Oqme pic.twitter.com/NwiY866LE4
— GT World Challenge America (@SROAmerica) November 7, 2018
Rennformate: Wenn man so will, ist das neue GT3-Reglement nahezu das genaue Gegenteil der klassischen PWC und eine konsequente Evolution des SprintX-Gedanken. Ab diesem Jahr dauern die beiden Rennen der Königsklasse ganze 90 Minuten und werden einen Fahrerwechsel im Zuge eines Pflichtboxenstopps sehen. Laut dem aktuellen Reglementsentwurf öffnet sich das Fenster dafür nach 40 Rennminuten für zehn Minuten. Die Teams müssen in der von der Strecke abhängigen Mindeststandzeit obligatorisch tanken und alle vier Reifen wechseln. Im Vergleich zu Europa und Asien erhält sich die US-Serie somit trotzdem einen Sonderstatus.
Die GT4 America mit ihren Regionalablegern East und West trägt meist ganz klassisch zwei Rennen mit einer Länge von 60 Minuten aus, jedoch gibt es eine Differenzierung des nationalen Überbaus GT4 in SprintX und Sprint. Für Sprint (ein Pilot) sind laut Reglementsentwurf zwei Rennen mit je 50 Minuten veranschlagt. Klingt kompliziert – ist es auch.
Einfacher ist es Stand jetzt hingegen bei der TC America (TCR/TCA und TC) mit jeweils zwei 40-minütigen Sprints.
Gettin some pit stop action in this second test session of the day @COTA. #GTWorldCh #America #GTCOTA pic.twitter.com/egiwwuXwos
— GT World Challenge America (@SROAmerica) February 28, 2019
Kalender: Wie in Europa und Asien legt die SRO einen großen Fokus auf die Eigenständigkeit ihrer Events. Deswegen werden ab diesem Jahr keine GT3-Abordnungen mehr zur IndyCar geschickt. Die Lücke dürfen immerhin die GT4 und die TCR schließen, die in St. Pete (GT4 Sprint/TCR) und in Long Beach (GT4 Sprint) antreten werden. Die GT3 konzentriert sich hingegen auf die klassischen nordamerikanischen Rundstrecken wie den VIRginia International Raceway, Mosport oder die Road America und rundet den Kalender mit einem mit Spannung erwarteten Wochenende auf dem Las Vegas Motor Speedway ab. Welche Strecke dort zum Einsatz kommt, ist noch nicht final bekannt und man muss leider auch einen Retortenparkplatzkurs zu den besprochenen Möglichkeiten zählen.
Der umfangreich überarbeitete Kalender aller Serien in der Übersicht:
Datum | Rennstrecke | Divisionen |
---|---|---|
01. - 03. März 2019 | Circuit of the Americas | GT3 | GT4 SX | GT4 East | GT4 West | TCR | TC | TCA |
08. - 10. März 2019 | Streets of St. Petersburg | GT4 | TCR |
28. - 30. März 2019 | WeatherTech Raceway Laguna Seca | IGTC California 8 Hours | GT4 West |
12. - 14. April 2019 | Streets of Long Beach | GT4 |
26. - 28. April 2019 | VIRginia International Raceway | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 East | TCR | TC | TCA |
17. - 19. Mai 2019 | Canadian Tire Motorsports Park | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 East |
07. - 09. Juni 2019 | Sonoma Raceway | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 West | TCR | TC | TCA |
12. - 14. Juli 2019 | Portland International Raceway | GT4 SX | GT4 West | TCR | TC | TCA |
30. August - 01. September 2019 | Watkins Glen International | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 East | TCR | TC | TCA |
20. - 22. September 2019 | Road America | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 East | TCR | TC | TCA |
18. - 20. Oktober 2019 | Las Vegas Motor Speedway | GT3 | GT4 | GT4 SX | GT4 West | TCR | TC | TCA |
Stream: Ab diesem Jahr soll es alle Qualifikationen und Rennen der Blancpain GT World Challenge America als Stream auf der eigenen Seite geben. Weitere Infos und die Zeitpläne gibt es wie gewohnt in den mit Schweizer Akribie gepflegten TV/Stream Zeiten.
Die Felder
Alle drei Hauptdivisionen sorgten in der letzten Woche angesichts der soliden Nennlisten für positive Überraschungen. Vor allem die GT3 mit ihren anfänglichen 23 Teilnehmern hat alle Erwartungen bei Weitem übertroffen und bietet eine durch die Bank weg hohe Qualität.
Blancpain GT World Challenge
Exciting 23-car grid set for Blancpain GT World Challenge America opener at @COTA #GTCOTA
Read more: https://t.co/L1kjjAGqZH#gtworldch #america pic.twitter.com/iZdbPwUJFV
— GT World Challenge America (@SROAmerica) February 22, 2019
Insgesamt sechs GT3-Marken werden beim Auftaktwochenende auf dem Circuit of the Americas vertreten sein. Porsche und Ferrari sind mit jeweils sieben Fahrzeugen am häufigsten in der Liste zu finden, darauf folgen Mercedes mit vier AMG GT3, Acura mit zwei NSX GT3, Bentley mit zwei Continental GT3 und ein einziger BMW M6 GT3. Etwas überraschend ist Audi in diesem Jahr nicht dauerhaft in der GT3 anzutreffen.
Pro-Klasse (sechs Nennungen)
In der höchsten Division zeichnet sich ein spannender, wenn auch etwas kleiner Meisterschaftskampf mit Beteiligung von drei Marken ab:
Bentley
Nachdem das letzte Jahr für K-PAX Racing kaum katastrophaler hätte sein können, will man heuer mit neuem Material und besser vorbereiteten Werksfahrern zurückschlagen. Im #3 K-PAX Racing Bentley Continental GT3 werden Rodrigo Baptista und Maxime Soulet ins Lenkrad greifen. Beide waren 2018 noch halbwegs solide unterwegs und sollten dank der veränderten Vorzeichen noch näher an der Spitze dran sein.
The thunder rolls into the 2019 @SROAmerica Championship… ⚡️
K-PAX Racing, which will be fielding two second-generation @BentleyRacing #ContinentalGT3 cars, has a new look this season.#BringTheThunder pic.twitter.com/Y30c8WqKta
— K-PAX Racing (@KPAXracing) February 26, 2019
Für ihre Kollegen Álvaro Parente und Andy Souček im #9 K-PAX Racing Bentley Continental GT3 heißt es hingegen passend zum inoffiziellen Motto der Serie: Alles auf Anfang! Das Duo der Nummer 9 hatte letztes Jahr das meiste Pech in der Form schwerer Unfälle und anderer Ungereimtheiten abbekommen und konnte nur selten wirklich vergleichbare Leistungen zeigen. Obwohl man auf dem Papier anhaltend das potentiell bessere Duo ist, wird man erst im Laufe der Saison einen wirklichen Favoriten im Bentley-Lager ausmachen können – wenn überhaupt!
Porsche
Der Hersteller aus Zuffenhausen macht insgesamt die Hälfte der Pro-Klasse aus und wird von den erfahrenen und erfolgreichen Truppen von Alegra Motorsports sowie Wright Motorsports vertreten. Beide konnten bereits in der PWC Erfolge sammeln und bringen dank IMSA-Programmen zudem reichlich Langstreckenerfahrung mit.
Alegra Motorsports
Nach dem Auf und Ab der letzten Saison hat das Team aus Tampa auf zwei Pro-Autos aufgestockt – ursprünglich wollte man hingegen noch in Pro und Pro-Am splitten. Laut der aktuellsten Nennliste teilen sich die Deutschen Wolf Henzler und Marco Holzer den #24 Alegra Motorsports Porsche 911 GT3 R. Im Schwesterauto mit der #22 kommen Teamchef-Sohn Michael de Quesada und Daniel Morad zum Einsatz. Michael nimmt somit den zuerst für seinen Vater eingeplanten Platz ein, was ein reines Silber-Gespann zur Folge hat.
Wright Motorsports
New season, new car, new look.😎We're heading into #GTCOTA week with a great team of both new and familiar faces behind us.
READ: https://t.co/l9Zs4wCwEH pic.twitter.com/29cRaUwp9T
— Wright Motorsports (@WrightRac1ng) February 25, 2019
Mit Wright Motorsports kehrt das überragende Meisterteam des Jahres 2017 zurück. Für ihr Comeback setzt die Truppe aus Ohio auf ihren damaligen Starfahrer Patrick Long. Dieser wird im #58 Wright Motorsports Porsche 911 GT3 R vom letzten GT3-Sprint-Champion Scott Hargrove unterstützt.
Ferrari
@RFerriAuto returns to defend GT title with a familiar duo behind the wheel of the Ferrari 488 GT3 machine. @toni_vilander and @MiguelMolinaM2 look to @COTA next weekend to start their title defense 👍🏼#GTCOTA #gtworldch #america #ferrari #gt3 #rferri @ferrari @pirelliusa pic.twitter.com/yYWwhLuGAl
— GT World Challenge America (@SROAmerica) February 20, 2019
Obwohl der #61 R. Ferri Motorsport Ferrari 488 GT3 etwas verloren in der Pro-Nennliste daherkommt, ist er mit Miguel Molina und Toni Vilander absolut herausragend besetzt. Die Italo-Kanadier gehen als Gesamttitelverteidiger in das neue Jahr und sie wollen es garantiert auch wieder so abschließen. Mit der lückenlosen Leistung der letzten Saison sollten sie gute Chancen haben.
Pro-Am-Klasse (elf Autos)
We see you, @COTA.
Friday is the @SROAmerica season kickoff in Austin, where our Mercedes-AMG GT3 sportscar will race on the only active Formula 1 track in the USA: the same track where the CrowdStrike brand will be seen again on another incredible Mercedes in November. #GTCOTA pic.twitter.com/v8zmWdY2rM
— CrowdStrikeRacing (@CrowdStrikeRcng) February 27, 2019
Wie so häufig in der Welt der GT3 ist auch die Pro-Am-Klasse der neuen Blancpain GT World Challenge America ein sportlicher Geheimtipp. Mit elf Nennungen und fünf Marken ist sie nicht nur die größte, sondern ebenfalls die diverseste GT3-Klasse und kann etliche starke Pro-Fahrer aufweisen. Besonders interessante Personalien sind IMSA-Hero Colin Braun (#04 DXDT Racing Mercedes AMG GT3 – George Kurtz), Mill-Verweigerer sowie Austin-Aushilfe Ryan Eversley (#5 Gradient Racing Acura NSX GT3 – Till Bechtolsheimer), Ryan „Razzle Dazzle“ Dalziel (#63 DXDT Racing Mercedes AMG GT3 – David Askew), Maximilian Buhk (#71 P1 Motorsports Mercedes AMG GT3 – „JC“ Perez) und Dennis Olsen (#91 Wright Motorsports Porsche 911 GT3 R – Anthony Imperato). Da die Amateure zwangsläufig einen Bronze-Grad haben müssen, der bekanntlich weit gestreut ist, sind noch kaum nachhaltige Vorhersagen zu treffen.
Am-Klasse (sechs Autos)
Ein stilechtes Am-Duell zwischen zwei Porsche und vier Ferrari rundet das erste Starterfeld des Jahres ab. Mit Risi Competizione wird sogar ein großer Name der GT-Szene vertreten sein und sein Know-how aus der GTE einbringen. Allein von den Fahrernamen her wirkt jedoch der #14 GMG Racing Porsche 911 GT3 R (James Sofronas/Brent Holden) am besten aufgestellt.
Pirelli GT4 America
🏆Watch us chase first in the 2019 Pirelli World Challenge with Ian James in the #50 Avezzano in Sprint and drivers Matt Keegan & Preston Calvert in the #51 Avezzano in SprintX🏆
Visit https://t.co/x1gIgBDNpK for more info or keep an eye on our website linked in our bio pic.twitter.com/UNZPeYJdJp
— Panoz LLC (@panozllc) February 13, 2019
Wie im vergangenen Jahr ist die GT4-Division weiterhin das nennungstechnische Herzstück der Veranstaltungsreihe. Über die beschriebenen Divisionen hinweg herrscht eine sehenswerte Bandbreite an Fahrern, Teams und Fahrzeugen, die durch Exoten wie den Panoz Avezzano GT aufgelockert wird. Und obwohl sicherlich viele Fahrer und Teams hier gänzlich unbekannt sind, gelten viele davon in den USA als respektierte und traditionsreiche Organisationen, die nur nie den Sprung in den großen Motorsport gewagt haben. Ein mögliches Problem der GT4 America ist jedoch die hohe Segmentierung des Feldes (Klassen und Unterserien), welche die Gefahr schnell aufbrechender Felder mit sich bringt.
TC America
4️⃣7️⃣ Touring Cars set to race in TC America at @COTA next weekend. Full entry list at https://t.co/wNl5wSSFP9 #GTCOTA #tcamerica #tcrseries #tcr #touringcar #austin #atx @pirelliusa pic.twitter.com/srGgiYeQzy
— GT World Challenge America (@SROAmerica) February 23, 2019
Auch wenn der Fokus dieser Vorschau auf der GT-Szene liegt, sind einige kurze Sätze zu den Tourenwagen-Championaten sicherlich angebracht. Zum einen entspricht ihr Mix aus einem Fahrer pro Nennung, teils ziemlich seriennahen Autos und kurzen Sprints noch sehr dem Urcharakter der PWC und zum anderen sind die jeweiligen Felder durchweg okay. Die TCR (TCR/TCR Cup) hat zwölf, die TC (v.a. BMW M235iR Cup) 17 und die TCA (u.a. Mazda Global MX5 Cup) ebenfalls 17 Starter. (Stand: 27.02.2019; ein Auto weniger als im Tweet)
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Bilderquelle/Copyright: PWC (SRO Motorsports Group)