Nick Cassidy gewann den wilden Saisonauftakt der japanischen Super Formula in Suzuka, bei dem nur zwölf Fahrzeuge das Ziel sahen. Vom zwölften Startplatz kommend, strotzte der TOM’s-Pilot gleich vier Safety-Car-Phasen und setzte sich gegen Titelverteidiger Naoki Yamamoto sowie Kenta Yamashita durch. Großes Pech für die beiden Rookies Tadasuke Makino und Alex Palou.
„Alles ist möglich in der Super Formula“, kommentierte ein strahlender Nick Cassidy gegenüber dem japanischen Fernsehen nach der Zieldurchfahrt. Damit beschrieb der 24-jährige Neuseeländer einen chaotischen Rennverlauf, bei dem er seine Strategie perfekt umsetzte, um vom zwölften Startplatz aus seinen zweiten Karriereerfolg einzufahren. Dass er letztlich auf der höchsten Stufe des Podiums stehen würde, überraschte ihn nach der Qualifikation selbst. Aus einem selbst für Team TOM’s unerklärlichen Grund fehlte es Cassidy, der im Winter von Kondo Racing zu der legendären Mannschaft von Nobuhide Tachi wechselte, an Downforce. Das Resultat: Ein Rückstand von rund 1,5 Sekunden auf den letztlichen Polesetter Tadasuke Makino in Q2. Aus der Not entstand eine Strategie, die einen frühen Reifenwechsel vorsah. Ein Plan, der bereits in der Vergangenheit funktionierte. Doch dieses Mal half eine Safety-Car-Phase mit.
Dabei startete das Wochenende mit einer faustdicken Sensation. Nachdem Nakajima Racing bereits bei den Vorsaisontests ein Statement setzte, legten die beiden Neuzugänge Tadasuke Makino und Alex Palou in der Qualifikation für den Saisonauftakt noch mal eine Schippe drauf. So schrieb der ehemalige Formel-2-Pilot Makino Geschichte, als es ihm als ersten Fahrer gelang, bei seinem Debüt die Pole-Position zu erobern. Blickt man auf die Zeit vor der Gründung der Super Formula respektive Formula Nippon im Jahr 1996, die allerdings nicht in den Statistiken der Japan Race Promotion (JRP) miteinbezogen wird, gelang dieses Kunststück zuletzt Roberto Moreno 1984 im All-Japan Formula 2 Championship – dem spirituellen Vorgänger der japanischen Formel 3000 sowie der heutigen Super Formula. Den Streckenrekord von Kazuki Nakajima im Jahr 2017 nur knapp verfehlend, setzte sich Makino mit 1:36.060 hauchdünn gegen seinen Teamkollegen Alex Palou (1:36.089) durch. Der Spanier, der zuletzt in der japanischen Forme-3-Meisterschaft fuhr und in den vergangenen beiden Jahren bereits mehrmals an Super-Formula-Testfahrten teilnahm, dominierte bis zum finalen Qualifying-Teil die Zeitenhatz. Für Nakajima Racing war es die erste Pole-Position seit Motegi 2010. Ähnlich dem Rennen sah die Qualifikation aufgrund mehrerer Unfälle gleich drei Unterbrechungen mittels der roten Flagge. Die Top 5 wurden von Naoki Yamamoto und Nirei Fukuzumi, die beide von Team Mugen zu Docomo Team Dandelion Racing dieses Jahr wechselten, sowie Yuhi Sekiguchi komplettiert.
Am Start ließ der ehemalige Formel-2-Rennsieger Tadasuke Makino nichts anbrennen und verteidigte umgehend seine Führung. Dahinter zog zunächst Alex Palou gegenüber Naoki Yamamoto den Kürzeren. Da Palou wie auch sein Stallgefährte jedoch auf den weicheren Soft-Mischung von Serienausstatter Yokohama startete, gelang es ihm mit Hilfe der Overtake-Systems OTS in einem spektakulären Manöver einen Umlauf später außen in Kurve eins wieder am Titelverteidiger vorbeizuziehen. Wie gehabt erhöht OTS den Benzinfluss um 10% pro Aktivierung. Anders als in den vergangenen Jahren ist die Nutzung jedoch nicht mehr auf fünf Aufladungen á 25 Sekunden limitiert. Stattdessen können die Fahrer den Overtake-Knopf nun beliebig oft für insgesamt 100 Sekunden nutzen. Die farblichen LED-Lämpchen an der Airbox zeigen an, wie viel Zeit noch übrig ist. Sind die 100 Sekunden fast aufgebraucht, wechselt die Farbe von Grün auf Rot.
Anders als seine direkten Konkurrenten startete Naoki Yamamoto auf der härteren Medium-Mischung. Zumindest für die ersten Kilometer erwies sich dies als Nachteil, da er in Runde drei auch von Yuhi Sekiguchi überholt wurde, der somit beim Start gleich zwei Positionen gewinnen konnte. Die meisten Plätze in den ersten fünf Umläufen machte Red-Bull-Junior Daniel Ticktum gut, der nach seinen beiden letztjährigen Einsätzen heuer in Japan um die nötigen Formel-1-Superlizenz-Punkte bei Team Mugen kämpft. Von Startplatz 16 kommend, arbeitete er sich so zunächst auf die elfte Position vor. An der Spitze tobte derweil der Kampf der beiden Nakajima-Racing-Piloten, die sich im Schlepptau rund fünf Sekunden von den Verfolgern absetzten. Lange sollte dieser allerdings nicht anhalten, denn nach bereits fünf Runden bekam Alex Palou eine Durchfahrtsstrafe aufgebrummt. Grund war ein Verstoß gegen das Startprozedere, nachdem ein Mechaniker noch ein Teil von seinem SF19-Honda eine Minute vor der Formationsrunde entfernte.
Just zum gleichen Zeitpunkt kam Nick Cassidy für seinen vorzeitigen Boxenstopp herein, um von den Medium- auf die Soft-Pneus zu wechseln. Eine Strategie, die er schon zu Kondo-Racing-Zeiten nutzte, um außerhalb des Verkehrs Zeit zu gewinnen und in die Punkteränge vorzustoßen. Dieses Mal sollte zusätzlich jedoch auch das Glück auf seiner Seite sein. So musste im neunten Umlauf erstmals das Safety Car ausrücken, nachdem Ryo Hirakawa wegen eines Reifenschadens in der pfeilschnellen 130R verunfallte. Zum gleichen Zeitpunkt erwischte es auch Rookie Tristan Charpentier, der das Real-Racing-Cockpit von Koudai Tsukakoshi übernahm, und ebenfalls wegen einem Platten in just der gleichen Kurve abflog. Beide Fahrer konnten von alleine aussteigen und blieben unverletzt.
Unverzüglich nutzte das Feld die Neutralisierung zur Absolvierung des Pflichtboxenstopps. Einzig Kamui Kobayashi, Alex Palou sowie Yuji Kunimoto entschieden sich, draußen zu bleiben. Der Reifenwechsel sollte gleichzeitig auch das Ende für Yuhi Sekiguchis Siegträume sein, nachdem der Impul-Pilot einen Umlauf später erneut mit einem technischen Problem in die Boxenstraße gekrochen kam und rückwärts in die Garage geschoben wurde. Nick Cassidy war selbstredend der große Profiteur der SC-Phase, die ihn auf die fünfte Position nach vorne spülte. Beim Restart in Runde elf machte der Neuseeländer sofortigen Gebrauch seiner griffigeren Soft-Pneus und überwältigte Tadasuke Makino, der auf die härtere Medium-Mischung wechselte und anschließend auch von Naoki Yamamoto geschnappt wurde. Der letztjährige Vizemeister ging auch an Yuji Kunimoto vorbei, wodurch er sich auf Position drei zunächst die virtuelle Führung übernahm. Der Meister von 2016, der von Cerumo-Inging zu Kondo Racing dieses Jahr wechselte, wurde auf seinen Medium-Reifen zunächst nach hinten durchgereicht.
Lange sollte die Grünphase allerdings nicht anhalten. Bereits im 16. Umlauf krachte es erneut. Dieses Mal flog Kazuki Nakajima in der Degner-Kurve nach einem zu gewagten Manöver von Rookie Harrison Newey ab. Ironischerweise krachte es zwischen den Beiden bereits am Samstag in der Qualifikation, als der Sohn des legendären Formel-1-Designers Adrian Newey in der Löffelkurve die Kontrolle über sein Fahrzeug verlor. Für die Aktion im Rennen wurde der B-Max Racing with motorpark (B-Max Racing ging Ende letzten Jahres ein Joint Venture mit dem deutschen Motopark-Team ein) mit einem Strafpunkt für gefährliches Fahren belegt. Daniel Ticktum sowie Hiroaki Ishiura nutzten die Gelegenheit, um abermals für einen weiteren frischen Satz Reifen hereinzukommen. Der zweifache Super-Formula-Champion von 2015 und 2017 kam wegen eines Getriebeproblems jedoch nicht mehr vom Fleck – und musste den Saisonauftakt vorzeitig aufgeben.
Als das Rennen in der 18. Runde erneut angepfiffen wurde, attackierte Alex Palou umgehend den führenden Kamui Kobayashi unter Zuhilfenahme von OTS. Der KCMG-Pilot konnte jedoch auf der Innenseite verteidigten, als ein plötzlicher Reifenschaden das Rennen des 22-Jährigen letztlich endgültig zerstörte. Abermals musste das Feld mittels dem Safety Car neutralisiert werden, um den Honda-angetriebenen SF19-Boliden des Spaniers zu bergen. Derweil entschloss sich der neue KCMG-Teamchef und zweifacher Super-Formula-Meister Tsugio Matsuda, seinen Schützling draußen zu lassen. Anstatt in den Verkehr mit den Medium-Reifen zurückzufallen, sollte Kobayashi stattdessen nach dem Restart einen entsprechenden Vorsprung herausfahren, um zumindest einen der vorderen Punkteränge einzuheimsen. Der Plan ging zunächst auf: Als in Runde 22 zum wiederholten Male die grüne Flagge geschwenkt wurde, setzte sich der ehemalige Formel-1-Pilot sofort von seinen Verfolgern ab. Dahinter konnte Tadasuke Makino nicht mit Nick Cassidy sowie Naoki Yamamoto mithalten. Bereits nach der Qualifikation erklärte der 21-jährige Japaner, dass seine Performance aufgrund einer leichten Setup-Änderung auf den Soft- besser als auf den Medium-Reifen sei. Besagte Aussage spiegelte sich auch im Rennen wider, da er sich hauptsächlich auf den im Rückspiegel immer größer werdenden Kenta Yamashita konzentrieren musste.
Im 27. Umlauf startete Yamashita in Kurve eins eine Attacke gegen Makino, welche sein Landsmann jedoch abwehren konnte. Eine Runde später endete sein Rennen im Reifenstapel der Löffelkurve, als auch er einen Reifenschaden hinten rechts erlitt. Makino konnte zwar eigenständig aussteigen, wirkte in den ersten Minuten aber außer Atem. Damit blieb es bei einem einzigen Geschichtsbucheintrag am vergangenen Wochenende. Bislang gelang es seit 1996 noch keinem Rookie, bei seinem Super-Formula-Debüt zu gewinnen. Zieht man allerdings die spirituellen Vorgängerserien hinzu, gelang dieses Kunststück zuletzt der japanischen Motorsportlegende Masahiro Hasemi im Jahr 1974 – damals noch unter dem All-Japan-Formula-2000-Banner.
Mit der vierten und finalen Safety-Car-Phase wurden Kamui Kobayashis Pläne endgültig zerstört. Dennoch blieb er erneut draußen, während Yuji Kunimoto endlich seinen Pflichtwechsel durchführte, nachdem er zunächst bis auf die 13. Position zurückflog. Mit frischen Soft-Gummis entfachte der Kondo-Racing-Pilot jedoch förmlich. Direkt nach dem Restart in Runde 32 krallte er sich gleich mehrere Fahrzeuge, darunter die beiden von Red Bull gesponsorten Boliden von Daniel Ticktum sowie Lucas Auer, der Ende letzten Jahres ins Förderprogramm des Energy-Drink-Herstellers berufen wurde und als Teamkollege von Harrison Newey bei B-Max Racing with motorpark sein erstes Jahr in Japan bestreitet. Zugleich profitierte er von zwei Durchfahrtsstrafen gegen Nirei Fukuzumi sowie LeMans-Neuzugang Artem Markelov, der so aus den Punktepositionen flog.
An der Spitze baute Kamui Kobayashi auf den finalen Kilometer seinen Vorsprung auf Nick Cassidy um rund drei Sekunden aus. Der Neuseeländer hatte bereits die virtuelle Führung inne, weshalb er sich auf den sich hinter ihm befindlichen Naoki Yamamoto konzentrierte. Der amtierende Meister konnte allerdings nicht ganz mit seinem letztjährigen Titelrivalen mithalten. Stattdessen musste sich der Dandelion-Pilot gegen Kenta Yamashita verteidigen, dessen Angriffsversuch er in der 41. Runde jedoch gekonnt abwehrte. Just im finalen Umlauf kam letztlich Kamui Kobayashi zu seinem Pflichtboxenstopp herein. Der erarbeitete Vorsprung war jedoch nicht groß genug, weshalb er bis auf die zehnte Position zurückflog. Am Ende profitierte er von einer Zeitstrafe gegenüber Kazuya Oshima. Der LeMans-Pilot überholte zu früh beim finalen Restart, weshalb er auf das Endergebnis 30 Sekunden aufgebrummt bekam. Ähnlich Cassidy wechselte der Japaner im siebten Umlauf seine Reifen und kämpfte sich von Startplatz 13 auf den fünfen Rang vor. Seine Bemühungen blieben aufgrund der Zeitstrafe jedoch unbelohnt.
Somit gewann Nick Cassidy nach Fuji 2018 sein zweites Super-Formula-Rennen vor Naoki Yamamoto sowie seinem ehemaligen Teamkollegen Kenta Yamashita. Nach dem Rennen zeigte sich der TOM’s-Pilot überglücklich. „Natürlich hatte Glück heute auch eine Rolle gespielt“, erklärte er in der Pressekonferenz. „Unsere Strategie war jedoch perfekt und die Kommunikation mit dem Team hat hervorragend geklappt.“ Zugleich erklärte er, dass das neue Overtake-System die Art der Duelle etwas veränderte. „Es ist nun etwas einfacher zu erkennen, wenn jemand den Knopf drückt.“ Lachend fügte er an: „Es fühlte sich fast so an, als ob ich während dem Rennen mit Naoki Yamamoto sprechen konnte.“ Dass zuvor angesprochene Downforce-Problem warf dennoch einige Rätsel auf, zumal er auch im Rennen unter diesen Litt: „Während der Vorsaisontests hatten wir eines der schnellsten Autos. Wir müssen herausfinden, wo das Problem an diesem Wochenende lag.“
Obgleich Nick Cassidy und Naoki Yamamoto zu neuen Teams wechselten, starteten sie in die neue Saison so wie sie die vergangene beendet haben: Auf den beiden vordersten Positionen. Größter Unterschied war jedoch die Reihenfolge. Stand der jetzige Dandelion-Pilot Ende letzten Jahres noch ganz oben in Suzuka, war es nun Cassidy, der die oberste Stufe des Treppchens erklomm. Das packendende Titelduell der beiden letztjährigen Rivalen scheint 2019 somit in eine zweite Runde zu gehen. Für Team TOM’s war es der erste Sieg seit Kazuki Nakajimas Triumph beim Saisonauftakt im Jahr 2017.
„Ich hatte ein paar Performance-Probleme mit den Medium-Reifen“, erklärte der drittplatzierte Kenta Yamashita. „Dennoch bin ich sehr froh über das heutige Ergebnis. Heute war erst das erste Rennen. Bei den sechs weiteren Läufen werde ich alles geben, um zu gewinnen.“ Mugen-Neuzugang Tomoki Nojiri, der mit Naoki Yamamoto die Cockpits tauschte, beendete den Suzuka-Auftakt auf dem vierten Rang. Bester Rookie des Rennens wurde Sho Tsuboi. Der letztjährige Formel-3-Rekordsieger (Tsuboi gewann 17 der insgesamt 19 Rennen) beendete sein Super-Formula-Debüt im Cockpit von Cerumo-Inging auf dem fünften Rang, nachdem er in der Qualifikation verunfallte und vom 18. Platz starten musste. Yuji Kunimoto kämpfte sich nach seinem späten Boxenstopp noch auf die sechste Position vor. Lucas Auer beendete sein Japan-Debüt auf dem siebten Rang. Der finale Punkterang ging an Daniel Ticktum, der von der Strafe Kazuya Oshimas profitierte. Der junge Brite gab sich nach dem Rennen etwas frustriert, da es das gesamte Wochenende etwas an Speed fehlte.
Die größten Pechvögel des ersten Saisonlaufs waren jedoch eindeutig Nakajima Racing. Anstatt eines möglichen Doppelsieges mussten Tadasuke Makino sowie Alex Palou das Rennen vorzeitig jeweils wegen eines Reifenschadens beenden. Einziges Trostpflaster: Makinos Bonuspunkt für die Pole-Position sowie die schnellste Rennrunde von Alex Palou. Trotz des Pechs gelang es der Mannschaft rund um Satoru Nakajima, ihre hervorragende Performance während der Wintertests zu bestätigen. Nachdem die SF14-Ära bereits den Aufstieg von kleineren Teams wie Cerumo-Inging wie auch Kondo Racing sah, könnte das SF19-Zeitalter das Wiedererwachen der ehemaligen Meistertruppe sein. Es ist zugleich auch ein Beweis für die Chancengleichheit in der Super Formula. Der neue Wagen von Dallara überzeugte auf der Strecke mit einigen packenden Duellen. Einzig die vielen Reifenschäden dürfte für ein wenig Kopfzerbrechen sorgen.
Als nächstes steht der zweite Saisonlauf auf dem Autopolis Circuit in der Oita-Präfektur auf am 18. und 19. Mai auf dem Programm. Vergangene Saison musste das Rennen aufgrund von Starkregen sowie Nebel leider abgesagt werden.
Ergebnis Round 1 Suzuka
Aktueller Meisterschaftsstand
Copyright Photos: Japan Race Promption (JRP), Toyota Gazoo Racing, Honda Racing, Suzuka Circuit