Ghiotto und Latifi bestimmen auch in Barcelona das Tempo. Bei Sette Camara hingegen geht momentan nicht viel vorwärts.
Luca Ghiotto war der wahrscheinlich schnellste Fahrer am Wochenende in Barcelona. Dass er trotzdem nicht verhindern konnte, dass Nicholas Latifi die Meisterschaftsführung ausbaute – wenn auch nur um ein paar Punkte – lag in erster Linie an seinen miserablen Starts.
Hauptrennen
Wäre Ghiotto in Rennen 1 von der Pole Position besser weggekommen, es hätte ihn wenig tangiert, dass Dorian Boccolacci auf der ersten Runde in Kurve 10 seinen Bremspunkt meilenweit verpasst hat. So aber traf ihn der Franzose voll auf der linken Seite. Wundersamerweise überlebte die Aufhängung seines Dallaras den harten Einschlag. Dennoch verlor der Italiener mit einem zusätzlichen Boxenstopp die viel Zeit, denn die Pflichtboxenstopps durften erst ab Runde 6 durchgeführt werden.
Den Sieg im Feature-Rennen fuhren sich deshalb andere aus. Ghiottos Teamkollege Guanyu Zhou zum Beispiel, der beim Start von Rang 3 auf 1 gekommen war. Vorbei an Nicholas Latifi, der seinen zweiten Platz aus der Quali trotzdem gehalten hatte. Dahinter folgten nach Runde 1 Nyck De Vries, Jack Aitken und Callum Illott, die alle dank Ghiottos schlechtem Start je einen Platz im Vergleich zum Qualifying gewonnen hatten.
Nicht mehr um den Sieg mitfahren konnten hingegen Mick Schumacher und Giuliano Alesi, die beide in Kurve 4 abgeflogen waren. Schumacher konnte mit einem Platten weiterfahren, sein Tag war aber damit erledigt. Gegen Rennende kollidierte er zu allem Überfluss auch noch mit Juan Manuel Correa und fuhr sich den Frontflügel ab. Alesi konnte sich nicht aus dem Kiesbett befreien und löste somit eine Safety-Car-Phase aus. Den Restart in Runde 4 konnte UNI-Virtuosi-Fahrer Zhou gewinnen. Zwei Runden später fuhr er gemeinsam mit seinem ersten Verfolger Latifi in die Boxengasse und wechselte von den roten Soft-Reifen auf die harte Mischung. In der Zwischenzeit ging Baku-Sieger Jack Aitken in Führung, der wie auch De Vries und Callum Ilott in den folgenden zwei Runden die Boxengasse aufsuchte. Sie waren wie der Großteil des Feldes mit dem schnelleren Reifensatz gestartet. Ralph Boschung, Anthoine Hubert, King und Juan Manuel Correa zählten zu den wenigen, die mit einer alternativen Strategie ins Rennen gegangen waren und die harten Reifen aufgezogen hatten. So waren es auch jene Fahrer, die zu diesem Zeitpunkt die Spitze übernahmen.
In den nächsten Runden schlug der Technik-Teufel kaltherzig zu. Erst erwischte es Nikita Mazepin, der vier Runden verlor, dann Sergio Sette Camara, der neun Runden an der Box verbrachte und sich im restlichen Verlauf des Rennens nur noch mit Ghiotto um die schnellste Rennrunde duellierte. Wobei er – passend zu seinem restlichen Wochenende – auch unterlag.
Vorne tat sich währenddessen wenig, außer dass Boschung, der von einer hervorragenden achten Startposition ins Rennen gestartet war, die Reifen ausgingen und er von Anthoine Hubert und Jordan King gestellt wurde. Nach 25 von insgesamt 37 Runden erlöste Trident den Schweizer schließlich und versorgte ihn mit frischen Pneus. Er kam hinter Ghiotto auf Rang 11 auf die Strecke zurück. Der Italiener hatte sich nämlich bei seiner Aufholjagd schon durch das halbe Feld gepflügt und fuhr im mittleren Abschnitt des Rennens eine schnellste Runde nach der anderen. Währenddessen überholte Jack Aitken De Vries für die dritte Position von denen die noch nicht an der Box waren. Auch an der – Boxenstopp bereinigten- Spitze braute sich etwas zusammen: Latifi schloss langsam zu Guanyu Zhou auf. In Runde 31 war es dann so weit: Nicholas Latifi zog außen in Kurve 1 vorbei. Der Renault-Nachwuchsfahrer Guanyu Zhou konnte auf den letzten Umläufen nicht mit ihm mithalten und musste auch Jack Aitken ziehen lassen. Das war dann auch das Endresultat. Latifi siegte vor dem Campos-Fahrer Aitken, während Guanyu Zhou sein erstes Formel-2-Podium ins Ziel brachte. Rang 4 holte sich – man lese und staune – sein Teamkollege Luca Ghiotto, der auch auf den letzten Runden einen Konkurrenten nach dem anderen stehen ließ. Ohne seinen schlechten Start und der unverschuldeten Kollision mit Dorain Boccolacci wäre gegen die Pace des Italieners wohl kein Kraut gewachsen gewesen. Die Plätze dahinter gingen an Nyck De Vries, Anthoine Hubert, Jordan King, Reverse-Grid Polesitter Callum Ilott, Sean Gelael und Ralph Boschung.
Sprintrennen
Ilott kam im Sprintrennen nicht gut von der Pole weg. Die besten Starts erwischten die Fahrer aus der zweiten Reihe, Anthoine Hubert und Nyck De Vries, die sich sofort auf den ersten beiden Positionen einordneten. Auch keinen guten Start hatten Vortagessieger Latifi und – mal wieder – Luca Ghiotto, der aber im Gegensatz zum Vortag keinen Gegnerkontakt zu beklagen hatte. Direkt während der ersten Runde musste auch schon das Safety-Car ausrücken. Nobuharu Matsushitas Motor gab nämlich seinen Geist auf und ging in Flammen auf.
Nach dem Restart in Runde 5 geschah erst einmal nicht besonders viel. Mit der Freigabe von DRS drei Runden später attackierte und überholte De Vries den führenden Franzosen. Der Arden-Pilot konnte wenig dagegenhalten und musste sich bald nach hinten orientieren. Im späteren Verlauf des Rennens büßte er seine zweite Position an Callum Ilott ein.
Ein paar Plätze weiter hinten verlor Ghiotto keine Zeit und setzte erneut zu einer Aufholjagd an. Erst überholte er Aitken in Kurve 7 und bremste in den folgenden Runden King und Zhou nach der zweiten DRS-Gerade aus, womit er schon auf Platz 4 lag.
Schadensbegrenzung betrieb auch Latifi, der sich nach seinem missglückten Start auch langsam wieder nach vorne arbeitete, wenn auch nicht in so einem Tempo wie sein Meisterschaftsrivale. Nach erfolgreichen Manövern gegen Sean Gelael, Jack Aitken und Jordan King war er auf der sechsten Position. Dort blieb er bis ins Ziel.
Anders als Luca Ghiotto, der sich auch von Hubert nicht aufhalten ließ und sich in den letzten acht Umläufen an Callum Ilott ranpirschte. In der finalen 26. Runde fuhr er dann außen am Briten vorbei, der Ghiotto genügend Platz ließ. Nach den ersten Punkten tags zuvor, wollte Ilott seine erste Podestplatzierung wohl nicht riskieren. Der einzige, den Ghiotto nicht mehr einholen konnte war Nyck De Vries, der nach einem nicht ganz plangemäßen Saisonstart seinen ersten Rennsieg in diesem Jahr perfekt machte. Rang 4 ging an Guanyu Zhou vor Hubert, Latifi und Jordan King, der bei den nächsten Läufen in Monaco abwesend sein wird, weil er am Indy 500 teilnimmt. Wer bei MP Motorsport den 25-Jährigen ersetzen wird ist noch unklar. Den letzten Punkt sicherte sich Jack Aitken nach einem Duell mit Mick Schumacher. Der Deutsche überquerte die Ziellinie zwar vor dem Campos, erhielt aber eine 5-Sekunden-Strafe, weil er nach einem Ausflug in die Auslaufzone in Kurve 1 nicht wie vorgesehen rund um die Pylone auf die Strecke zurückkehrte.
Fazit:
Nicholas Latifi ist weiterhin auf Titelkurs. Der Sieg im Hauptrennen ist bereits sein dritter Erfolg dieses Jahr und im Gegensatz zu seinem momentan größten Konkurrenten Luca Ghiotto ist er auch mehr oder weniger fehlerfrei unterwegs. Der Italiener hingegen hat nach seinem Rabenwochenende in Baku wieder zurück zu alter Form gefunden und 28 Punkte eingesammelt. Es hätten aber durchaus mehr sein können, wenn er am Start nicht jeweils massiv Plätze verloren hätte. So liegt der UNI-Virtusoi-Fahrer nur wenige Punkte vor Nyck De Vries und Jack Aitken.
DRIVERS‘ STANDINGS
Latifi maintains his advantage over Ghiotto, with 26 points between them
Strong showings from de Vries and Aitken get them in the mix too#SpanishGP 🇪🇸 #F2 pic.twitter.com/BQDlL12xTM
— Formula 2 (@FIA_F2) May 12, 2019
Schwer enttäuscht wird wohl Sergio Sette Camara aus Barcelona abreisen. In Spanien zerstörte ihm ein technisches Problem das Hauptrennen und dadurch auch die Startposition für das Sonntagsrennen. Ein Wochenende zum Vergessen also für den Brasilianer. Doch auch sonst war er nicht auf Augenhöhe mit Teamkollege Latifi. Nachdem er schon aus Baku gerade mal vier Zähler mitnehmen konnte, hat er schon 60 Punkte Rückstand auf die Spitze.
Bilder: Formula 2