André Wiegold war am vergangenen Wochenende erstmals selbst bei der Formel E vor Ort. Das sind seine Eindrücke vom Event der Elektroserie.
Am vergangenen Wochenende bin ich dem Ruf von Jaguar gefolgt. Der Hersteller hatte mich zum E-Prix der Formel E nach Berlin eingeladen und den Gästen ein interessantes Programm gestrickt. Im Fokus stand natürlich der zehnte Lauf der Formel-E-Saison 2018/19. Im Rahmenprogramm fuhr außerdem die Jaguar I-PACE eTrophy.
Starten werde ich mit meinen Erlebnissen rund um die Formel E. Am Freitag standen die Trainings der elektrischen Formelserie an. Und gleich zu Beginn: Hat mir ein satter Motorensound gefehlt? Ja! Ist die Formel E deshalb nicht sehenswert? Nein, ganz im Gegenteil. Es war befremdlich, Autos so schnell über die Strecke rasen zu sehen, aber nur das bekannte Pfeifen und die Rollgeräusche zu hören.
Dennoch machte es großen Spaß, die Fahrzeuge auf der Strecke zu verfolgen. Der Kurs auf dem ehemaligen Flughafen Tempelhof wirkte schnell, fordernd und abwechslungsreich. Auf der Gegengeraden kam ich relativ nah an die Streckenbegrenzung heran. Den Tempo-Test bestanden die Autos auf Anhieb: Es war eine der schnelleren Stellen des Kurses und die Fahrzeuge hatten einen Affenzahn drauf.
Nach einem Besuch in der Boxengasse war der Freitag dann aber auch schon zu Ende. Am Samstag folgte das spannende Qualifying und ein gutes Rennen. Nachdem Sebastien Buemi im Zeittraining die Pole-Position geholt hatte, startete die Formel E in den Lauf. Lucas di Grassi setzte sich in einem spannenden Rennen durch und sicherte sich wichtige Punkte.
Großer Verlierer war Meisterschaftskandidat Andre Lotterer. Auch das Jaguar-Duo hatte seine Probleme. Nach einem verkorkstem Qualifying schaffte es Mitch Evans nicht in die Punkte. Alexander Lynn, der im Qualifying in der Superpole starten durfte, war dabei, eine gute Position einzufahren. Er musste jedoch in den Top 10 liegend seinen Boliden wegen eines technischen Defekts abstellen.
Das Rennen beobachtete ich in Kurve 1, wo viele Fahrer versuchten, zu überholen. Der E-Prix von Berlin findet nicht in der Innenstadt statt, weshalb die Strecke relativ breit ist und gute Möglichkeiten bietet, um zu überholen. Auf den großen Leinwänden war es kein Problem das Geschehen abseits des eigenen Sichtfeldes zu beobachten. Trotz des gewöhnungsbedürftigen Sounds unterhielt mich das Rennen sehr – und das ist doch die Hauptsache!
Viele Fans auf den Tribünen
Ich schien nicht der einzige gewesen zu sein, der das Formel-E-Rennen genossen hat. Die vielen Tribünen waren proppenvoll. Die Fans saßen nicht nur einfach da, sondern fieberten richtig mit. Starke Manöver wurden mit lautem Beifall begleitet und der Sieger ausgiebig gefeiert.
Zum Podium strömten hunderte oder gar tausende Zuschauer. Di Grassi, der für Audi den Heimsieg holte, machte es meiner Meinung nach richtig: Er zeigte sich emotional und feierte seinen Sieg mit den Fans – Freudensprünge und Gesten zu den Zuschauern inklusive. So holt man als Rennfahrer die Fans ab!
Ein Event für die ganze Familie
Was mich persönlich sehr gefreut hat, war das heterogene Publikum. Neben dem typischen Motorsport-Fan, der mit Fanartikeln über das Gelände schlenderte, waren vor allem Familien vor Ort. Dem Motorsport fehlt es gefühlt etwas an jungem Nachwuchs und genau da scheint die Formel E anzusetzen.
Es wird mit dem E-Village und den vielen Attraktionen abseits der Strecke ein breites Publikum angesprochen. So kann es die Serie schaffen, neue Fans zu erschließen, die vorher gar nicht so sehr für den Motorsport geschwärmt haben. Es gibt viel zu entdecken, für groß und klein. Um sich alle Stände und Attraktionen anzuschauen, benötigt man sicher eine bis zwei Stunden.
Im Vordergrund stehen innovative Technologien. Von Elektroautos, über Flugtaxis, bis hin zur nachhaltigen Kleidung wurden viele Neuheiten vorgestellt. Auch das SimRacing spielt bei der Formel E eine wichtige Rolle. Daher ist es auch möglich, Simulatoren selbst auszuprobieren.
Sichtung talentierter Mädchen
Im Rahmen des Projekts „The Girls on Track – Dare to be Different“ hatten junge Mädchen und Frauen die Möglichkeit, verschiedene Stationen zu durchlaufen. Dazu gehörte neben einer E-Kart-Strecke ebenfalls ein Simulator, bei der die schnellste Zeit innerhalb von fünf Minuten gefahren werden musste.
Dort habe ich mit Rennfahrerin Laura Luft gesprochen, die sich für den weiblichen Nachwuchs einsetzt. „Hier am Simulator können wir sofort sehen, ob jemand Talent hat“, so das Fazit von Luft, die mit ihrer Erfahrung das Projekt unterstützt und ebenfalls Mitglied bei Dare to be Different ist.
„Der Kartsport ist und bleibt natürlich ebenfalls ein wichtiger Bestandteil der Rennvorbereitung. Das SimRacing ist eine kostengünstige Alternative, professionellen Motorsport zu betreiben, Talente zu fördern und zu trainieren. Es bietet der breiten Masse eine actionreiche Freizeitbeschäftigung,“ so Thomas Hölzlhammer, Geschäftsführer der Nürburgring eSport Lounge, der die Simulatoren zur Verfügung stellte.
An den Folgetagen waren natürlich auch Jungs und Männer an den Stationen willkommen, weshalb jeder in den Geschmack kam, das Angebot zu nutzen.
Die Jaguar I-PACE eTrophy im Rahmenprogramm
Ein kleiner Wermutstropfen ist, dass es nur eine einzige Serie im Rahmenprogramm gibt. Dafür hat die Jaguar I-PACE eTrophy auf dem Kurs in Tempelhof abgeliefert. Doch bevor ich zum Rennen komme, möchte ich einen kleinen Exkurs machen, denn ich hatte die Chance, die Straßenvariante des Elektrorenners zu testen.
Am Freitagmorgen bekam ich für zwei Stunden die Schlüssel für das 400 PS starke Elektromobil. Ich bin kein Automotive-Tester, deshalb spare ich mir Details über Innenraum, Stauraum und andere Faktoren, die ein Straßenauto ausmachen. An einer geeigneten Stelle testete ich die Leistung des Autos. Die Beschleunigung war beeindruckend. Die 400 PS drückten mich in den Sitz, das hat großen Spaß gemacht und war eine tolle Erfahrung.
Am Samstag nach dem Formel-E-Rennen gingen dann zwölf I-PACE-eTrophy-Fahrer an den Start. Im Rennen ging es verdammt eng zu: An der Spitze entbrannte ein heißer Dreikampf um den Sieg. Caca Bueno aus Brasilien setzte sich letztendlich durch. Im Mittelfeld fuhr sich Celia Martin für das Jaguar Team Deutschland in die Herzen der Fans. Sie verteidigte ihre Position mit allen Mitteln und voller Härter. Die Fans honorierten die kämpferische Leistung mit lautem Applaus!
Das Fazit
Die Formel E ist anders als NASCAR, anders als DTM, anders Formelsport, anders als der GT-Sport. Der Sound ist gewöhnungsbedürftig. Das Event an sich lässt aber keine Langeweile aufkommen. Die komplette Familie wird angesprochen und es gibt viel zu entdecken. Deshalb bin ich der Meinung, dass hier viel richtig gemacht wird. So hat der Motorsport die Chance, neue Fans zu generieren, klasse!
Die Rennen sind spannend. Trotz des fehlenden Sounds sehe ich persönlich keine Emotionslosigkeit. Die harten Kämpfe im Feld, die unvorhersehbaren Resultate und die abwechslungsreichen Streckenteile haben es in sich und reißen mit. Ich habe mich einfach auf die Formel E eingelassen und wurde nicht enttäuscht. Sie ist von heute auf morgen sicher nicht zu meiner Lieblingsserie geworden, aber dennoch hat sie in meinen Augen eine klare Daseinsberechtigung und zurecht ihre eigene Fanbasis.
Das ist kein Bekehrungsversuch, denn Geschmäcker sind verschieden und das ist auch gut so. Ich bin positiv überrascht von der gebotenen Unterhaltung und deshalb freue ich mich schon auf meinen nächsten Formel-E-Besuch.
Euer André Wiegold
1 Kommentare
Ich finde, dass die Formel E noch viel zu schlecht weggekommt. Ich war jetzt das zweite Mal in Berlin dabei und aufs Neue wieder begeistert. „Trotz des fehlenden Sounds“? Ich würde lieber sagen: „Ohne den störenden Lärm“. Es ist doch viel besser, wenn Autos leise sind und man Kindern keine Ohrenschützer aufsetzen muss. Dazu sind die Rennen in Berlin beide für mich sehr unterhaltsam gewesen. Dazu beigetragen haben aber auch zwei Dinge, die mich sonst beim Motorsport stören: Das Qualifying und das Rennen sind an einem Tag! Durch dieses kompakte Format kann man einen Tag mit Motorsport verbringen, auch wenn ich persönlich mir in Berlin etwas spätere Zeiten gewünscht hätte. Die Länge des Rennens war insgesamt gut. Ich brauche keine 2h-Rennen, die am Ende nur über Boxenstops entschieden werden, ich fand es toll, dass in Berlin das Rennen auf der Strecke entschieden wird und wurde. Eine feste Rundenzahl statt der aktuell vorhandenen Zeitbegrenzung würde mir aber noch mehr zusagen. Dann wäre das Energiemanagement noch ein Stückchen wichtiger.
Mein Fazit ist, dass die Formel E als Zuschauer momentan am interessantesten ist. Renndauer und generelles Konzept der Serie sprechen mich persönlich einfach sehr an. Einzig die Stadtkurse, die ich sonst nur aus dem TV kenne, dürften noch hier und da etwas breiter sein.
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