Die „kleine“ Prototypen-Klasse, die LMP2, bietet momentan nicht nur Stabilität zwischen all den Diskussionen über Hypercars, GTE+ und was dem ACO gerade noch so einfällt. Sie bietet vor allem auch guten Rennsport mit einem großen Starterfeld.
Zwanzig Fahrzeuge sind in dieser Klasse gemeldet, nachdem das Feld auf insgesamt 62 Starter erweitert worden ist. Und diese zwanzig sind eine bunte Mischung aus sehr erfahrenen, bereits oft in Le Mans gestarteten Teams und Neulingen, die beispielsweise über die LMP3-Klasse aufgestiegen sind. Auch fahrerseitig sind junge Heißsporne dabei, die erstmalig in Le Mans antreten und sich noch eine Karriere erkämpfen wollen, ebenso wie alte Hasen, große Namen und der eine oder andere „Gentleman Driver“, also nicht-professionelle Fahrer, die im Tagesgeschäft ihr Geld in anderen Berufen verdienen. Auf jedem Auto muss mindestens ein als Silber oder Bronze bewerteter Pilot sitzen, um den Pro-Am-Gedanken dieser Klasse zu wahren – gerade bei den Topteams sind die Silber-Fahrer aber oft junge hungrige Nachwuchsfahrer, die zwar noch keine großen Erfolge vorzuweisen haben, aber Speed durchaus…
In den letzten fünf Jahren wurde das beste LMP2-Team dreimal Fünfter im Gesamtklassement, einmal sogar Zweiter: das war 2017, in dem Jahr, als die Werks-LMP1 von Porsche und Toyota sich allesamt mit größeren oder kleinere Defekten und sonstigen Problemen herumschlugen. Der Klassensieger ist also durchaus oft in Reichweite des Podiums nach 24 Stunden zu finden, aber wirklich reichen tut es nur äußerst selten. Auch in diesem Jahr dürften wohl die beiden Werks-Toyotas und die beiden LMP1-Boliden des sehr erfahrenen und gut eingespielten Rebellion-Teams die besten Chancen haben, vor den LMP2-Spitzenreitern ins Ziel zu kommen, so wie es auch im Vorjahr war.
Der Wettbewerb in der LMP2 ist auf der technischen Seite weiterhin stark eingeschränkt: seit 2017 haben nur vier Hersteller Lizenzen, Chassis für diese Klasse anzubieten, und nur drei davon werden wir in Le Mans sehen: Oreca, Ligier und Dallara. Motoren werden sogar nur von Gibson für alle Teams bereitgestellt, das V8-Einheitstriebwerk mit 4,2 Litern Hubraum und natürlicher Beatmung leistet um die 600 PS. Es bringt die Boliden auf den langen Geraden-Abschnitten in Le Mans auf bis zu 350 km/h, je nach Aero-Setup und Windschatten; die höchsten LMP2-Topspeeds am Testtag lagen deutlich über denen der LMP1-Toyotas.
Die größte Veränderung aufseiten der technischen Ausrüstung in dieser Klasse ist, dass Michelin wieder richtig Fuß gefasst hat. Jahrelang hatte Dunlop in der LMP2 deutlich die Oberhand bei der Reifenversorgung, sowohl zahlenmäßig als auch von der Qualität her. Doch vor dem Beginn der Superseason gab es bereits Anzeichen, dass Michelin sich wieder stärker auf die LMP2 fokussieren würden, denn mehrere WEC-Teams vermeldeten, die zweijährige Saison auf deren Gummis zu bestreiten. Es gab eine komplette Überholung der LMP2-Reifen, möglicherweise auch, weil bei Michelin Entwicklungskapazitäten freigeworden sind, denn nun muss man eben keine individuellen Reifen für drei höchst anspruchsvolle Werke in der LMP1 mehr kreieren, wie noch vor wenigen Jahren. So starten in diesem Jahr mehr als die Hälfte der LMP2-Boliden – elf von 20, um genau zu sein – auf Michelin-Pneus, der Rest auf Dunlops. Wir haben also einen echten Reifenkrieg in dieser Klasse.
Im Übrigen gibt es weiterhin die drei bekannten Chassis von Oreca, Ligier und Dallara, auch wenn fünf Namen auf der Entry List stehen. Doch beim von G-Drive gemeldeten „Aurus 01“ handelt es sich ebenso um einen Oreca 07 wie bei dem von Signatech eingesetzten „Alpine A470“ – es stecken natürlich jeweils Marketing-Gründe hinter diesem „Rebadging“. Oreca stellt auch in diesem Jahr wieder das zahlenmäßig und qualitativ stärkste Paket, zwölf der zwanzig Starter setzen auf die Autos aus dem Hause von Hughes de Chaunac. Halb so viele Ligier P217, entwickelt und gebaut von Jacques Nicolets in Le Mans ansässiger Firma Onroak, finden wir in der Starterliste und nur zwei Dallara P217 als die Exoten des Feldes. Vom Riley Mk.30, der nur 2017 einmal von Keating Motorsports in Le Mans eingesetzt worden ist, ist leider nichts mehr zu sehen, die amerikanisch-kanadische Entwicklung war aber auch das schwächste Chassis des Quartetts, gerade in Le Mans mit seinen speziellen Anforderungen.
Am Testtag vor anderthalb Wochen fehlten dem besten Ligier etwa 2,3 Sekunden auf die Top-Orecas. Das entspricht etwa dem, was auch im Vorjahr der Rückstand zu sein schien, abgesehen von einer Fabelrunde, die Will Stevens in der dritten Quali-Session gelang. Dessen Runde war nur etwa eine halbe Sekunde langsamer als die Klassen-Pole, doch das konnte außer Stevens niemand replizieren. Der beste der Dallaras war am Testtag von der Bestzeit her etwas näher dran, aber das Paket scheint insgesamt weniger ausgereift und muss in der Regel hinter den Ligiers aus der LMP-erfahrenen Onroak-Schmiede zurückstehen, auch wenn es nicht mehr die massiven Probleme gibt wie 2017, als sich die Dallara-Piloten über die aerodynamischen Eigenschaften des Low Downforce-Kits für Le Mans lautstark beklagten, weil es zwar hohe Topspeeds, aber viel zu wenig Abtrieb bot. Inzwischen sind aber alle drei Autos weiterentwickelt worden und der Dallara ist immerhin auch die Basis für den in der IMSA-Meisterschaft so erfolgreichen Cadillac DPi. In Le Mans wird immer mit spezifischen Low Downforce-Aerokits angetreten, denn keine andere Strecke des Jahres stellt ähnliche Anforderungen.
Die Top-Teams
Beginnen wir mit den Titelverteidigern, die auch in genau der gleichen Formation antreten wie im Vorjahr: Signatech Alpine Matmut mit dem rehomologierten Oreca-Chassis #36 und dem Fahrertrio Nicolas Lapierre, Andre Negrao und Pierre Thiriet. Der einzige Unterschied: die Franzosen sind von Dunlop zu Michelin gewechselt. Der Ex-Peugeot- und Toyota-Werksfahrer Lapierre ist als Platin-Pilot gemeldet und hat bisher bei jedem seiner drei LMP2-Auftritte in Le Mans den Klassensieg geholt, zweimal davon mit Signatech. Thiriet war lange mit Sponsorengeldern seines Vaters bei TDS angedockt, wo es jedoch nur zu Platz 2 reichte, seinen ersten Klassensieg holte er – verdient! – im Vorjahr. Negrao ist der jüngste und unerfahrenste der drei, hat jedoch als Teil des Siegerteams im Vorjahr auch seine Langstrecken-Qualitäten bewiesen. Außerdem führt dieses Team die LMP2-Meisterschaftswertung in der World Endurance Championship an, wenn auch nur knapp.
Ganz vorn mit dabei war in den letzten Jahren durchgehend das britische Team Jota Sport, wenn auch zuletzt als Einsatzteam für unterschiedliche Geldgeber unter deren Banner. Nun ist man jedoch im dritten Jahr in Folge als Jackie Chan DC Racing am Start, diesmal mit zwei Orecas. In dieser Konstellation reichte es vor zwei Jahre für den Doppelsieg in der Klasse, und zugleich für zwei Plätze auf dem Gesamt-Podium. Als Fahrer sind auf der #37 David Heinemeier-Hansson, Jordan King und Ricky Taylor gemeldet, auf der #38 Ho-Pin Tung, Stephane Richelmi und Gabriele Aubry. Gentleman Driver Heinemeier-Hansson ist der Le Mans-erfahrenste dieser Piloten; er, Tung und Richelmi haben schon Klassensiege auf dem Konto. Mit IndyCar-Pilot Jordan King ist ein Rookie dabei, der allerdings in diesem Jahr auch schon zum Klassensieg beim WEC-Lauf in Sebring seinen Beitrag geleistet hat. Etwas stärker und runder würde ich trotzdem die #38 einschätzen, die auch in der WEC um die Fahrer-Meisterschaft kämpft. Beide Wagen starten auf Dunlops.
Das dritte Team, das in den letzten Jahren in Le Mans immer wieder vorn zu finden war, ist TDS Racing. Die setzen zunächst mal einen Dunlop-bereiften Oreca für Francois Perrodo, Matthieu Vaxiviere und Loic Duval ein, die #28 ist auch für die WEC gemeldet, liegt dort allerdings auf dem letzten Rang der Teamwertung mit zwei Ausfällen und einer Disqualifikation. Stärker einzuschätzen ist das von TDS betreute, aber unter G-Drive Racing gemeldete Auto mit der #26, das zwar unter dem Namen der russischen Edelmarke Aurus läuft, aber ebenfalls ein Oreca ist.
In diesem G-Drive Racing-TDS-Auto sitzen Roman Rusinov, der die Sponsoren-Gelder bringt, aber zugleich einer der schnellsten LMP2-Piloten ist, Formula E-Champion Jean-Eric Vergne sowie Job van Uitert am Steuer. Der 21-jährige Niederländer ist (noch?) einer der unbekannteren Piloten im Feld, er ist aus der Formel 4 (Vizemeister in Italien 2017) über die LMP3 (ELMS-Champion 2018 mit RLR Msport) nun in die LMP2 aufgestiegen. Dort führt das G-Drive-Team nach dem Sieg im zweiten Lauf in Monza aktuell die Meisterschaftswertung an; Platin-Pilot Vergne war dort nicht dabei, er verstärkt das Team nach 2018 zum zweiten Mal in Le Mans. Vor einem Jahr wurde ihnen allerdings der Klassensieg aberkannt, weil man die Tankanlage modifiziert und sich so einen erheblichen Vorteil bei der Boxenstopp-Dauer verschafft hatte. Schon 2013 war das Team mit Rusinov wegen Schummelns bei der Tankgröße vom Ergebnis ausgeschlossen worden. Damit fehlt ihm weiterhin der Le Mans-Sieg, den er so dringend zu wollen scheint und seit 2012 immer wieder mit wechselnden Teams in Angriff genommen hat.
United Autosports gehört auch in diese Auflistung der Top-Teams, denn die anglo-amerikanische Truppe, mitgegründet und nach wie vor teilweise im Besitz von McLaren Racing-Chef Zak Brown, ist das am besten aufgestellte unter den Ligier-Teams. Zweimal sind sie jetzt in Le Mans angetreten und haben einen dritten (2018) und einen vierten (2017) Klassenrang geholt, jeweils als bester Ligier. Der Wagen geht auf dem Circuit de la Sarthe leider nicht so gut wie der Oreca, aber mit solider Arbeit am Steuer und in den Boxen ist ein Podiumsergebnis drin, und das ist United Autosports auch in diesem Jahr wieder zuzutrauen. Für einen Klassensieg braucht es aber Probleme der Top-Orecas. Die #22 wird – wie im Vorjahr – pilotiert von Phil Hanson, der mit 19 Jahren schon sein drittes Le Mans bestreitet, Filipe Albuquerque, der trotz starker Leistungen noch kein Podium in Le Mans erreichen konnte, und Paul di Resta, für den es der zweite Le Mans-Start ist. Der zweite Wagen trägt die Startnummer #32, hier sitzen neben Alex Brundle – der zwar zwei Klassenpodien aufzuweisen hat, aber noch keinen Sieg – mit dem irischen Le Mans-Rookie Ryan Cullen und William Owen zwei Silber-Piloten am Steuer; in der diesjährigen ELMS konnte dieses Trio beim Lauf in Monza aber immerhin vor dem Schwesterauto das erste Podium für das Team holen.
Das Dragonspeed-Team des US-Amerikaners Elton Julian tritt nur mit einem Oreca in der LMP2-Klasse an, teilt seine Ressourcen aber auf zwei Klassen auf, denn mit ihrer ELMS-LMP2-Besatzung fahren sie gleichzeitig in der LMP1 um das Gesamt-Podium mit. In der LMP2-Klasse sind die beiden Platin-Piloten Anthony Davidson (Ex-Peugeot- und Toyota-Werksfahrer) und Pastor Maldonado (letzter Sieger für Williams in der F1) neben dem Mexikaner Roberto Gonzalez gemeldet. Maldonado und Gonzalez sind auch im Vorjahr schon zusammen für das Team in Le Mans angetreten. Glaubt man den Zeiten vom Testtag und aus dem Vorjahr, handelt es sich hier um ein fahrerisch gut aufgestelltes Team, das auch zuletzt den Klassensieg im WEC-Lauf von Spa-Francorchamps holte. Allerdings stehen sowohl Maldonado als auch Davidson im Ruf, auch mal über das Limit gehen zu können und dann kann es in Le Mans auch schnell vorbei sein mit den Podiumschancen.
Das Mittelfeld, einschließlich einiger Geheimtipps
Das aus dem Segelsport kommende französische Team IDEC Sport hat im letzten Jahr für Verblüffung gesorgt, als der inzwischen auch nicht mehr ganz so junge Paul-Loup Chatin im dritten Quali-Training die Bestzeit fuhr und so die Klassen-Pole holte. Er, Gentleman Driver Paul Lafargue und Profi Memo Rojas, der schon dreimal die 24h von Daytona gewonnen hat, waren dann lange in den Top 5 und am frühen Morgen sogar auf Podiumskurs unterwegs, bis ein Getriebeschaden in der 21. Stunde das Rennen für sie beendete. Das Team kommt in derselben Besetzung zurück und bildet mit Signatech Alpine und Dragonspeed die Speerspitze der Michelin-bereiften Orecas.
Ebenfalls in der Quali für Aufsehen sorgte im Vorjahr Panis-Barthez Competition, die als bester Ligier nur eine gute halbe Sekunde hinter der Polezeit des IDEC Sport-Orecas lagen, weit vor den Markenkollegen, etwa von United Autosports. Diese Fabelrunde drehte vor zwölf Monaten Will Stevens, der auch dieses Jahr wieder dabei ist, ebenso wie Julien Canal, der zwischen 2010 und 2012 drei GT-Klassensiege in Le Mans holte, aber auch seit seinem Wechsel in die LMP2 ein solider Silber-Pilot ist. Neu im Lineup ist der Österreicher René Binder, der nach sechs IndyCar-Läufen für Juncos 2018 dem Formelsport den Rücken gekehrt hat und nun bei den Sportwagen sein Glück sucht. Am Testtag und in der ELMS war der Speed bisher noch nicht so recht da, aber über Konstanz lässt sich über die 24h auch viel erreichen, so wie im Vorjahr immerhin Platz 9 in der Klasse raussprang.
Kommen wir zum stärkeren der beiden Dallara-Teams, ebenfalls mit einem Nachwuchsmann aus dem Formelsport: Racing Team Nederland mit Nyck de Vries. Er ist aktuell in seiner dritten Formel 2-Saison und zeigt sich als ernsthafter Titelaspirant. Mit Platin-Pilot Giedo van der Garde und dem CEO der Supermarkt-Kette Jumbo Frits van Eerd als Geldgeber und drittem Fahrer ist es eine rein niederländische Unternehmung. Die drei treten auch in der WEC an, dort ist ihre Standardplatzierung der fünfte Rang: sie sind konstant „best oft he rest“ hinter den Oreca-Topteams. Wie im Vorjahr ist damit auch diesmal wieder eine ordentliche Top Ten-Platzierung in Le Mans möglich, auch wenn van Eerd zu den langsameren nicht-professionellen Fahrern gehört.
Ein Überraschungs-Podium fuhr im Vorjahr das französische Graff-Team ein, das in derselben Besetzung wieder antritt: Jonathan Hirschi (zum siebten Mal in Le Mans), Tristan Gommendy (bereits zum zehnten Mal) und Vincent Capillaire (zum sechsten Mal) pilotieren den Michelin-bereiften Oreca. Gommendy ist der schnellste unter den dreien, vor allem aber hat jeder von ihnen viel Le Mans-Erfahrung und kann den Wagen zügig und konstant um den Kurs steuern. In der laufenden ELMS-Saison gab es bislang zwei fünfte Plätze, allerdings ohne Capillaire. Dessen Name ist vor allem aus 2017 hängen geblieben, als er am Ende der Boxengasse dem führenden Toyota an der roten Ampel den „Daumen hoch“ zeigte und so dessen Ausfall mitverursachte.
Aus Italien zum dritten Mal am Start ist das Team Cetilar Villorba Corse, das beim Debüt 2017 als LMP3-Aufsteiger direkt einen starken achten Klassenrang einfahren konnte. Sie setzen nicht nur auf ein Chassis der Landsleute von Dallara (auf Michelins), sondern auch auf dieselbe rein italienische Besatzung wie vor zwei Jahren. Diese besteht aus dem Pharma-Unternehmer Roberto Lacorte, seinem Freund Giorgio Sernagiotto, dessen Fahrerkarriere mit diesem Team wiederbelebt werden konnte, und dem erfahrenen Andrea Belicchi, der bereits zum zehnten Mal in Le Mans am Start sein wird.
Erstmalig in Le Mans am Start ist das dänische Team High Class Racing, das seit 2017 in der ELMS-LMP2 antritt, aber es für Le Mans bislang immer nur auf die Reserveliste geschafft hatte. Doch im dritten Jahr werden Treue und Geduld belohnt. Und mit dem Dunlop-bereiften Oreca ist auch möglicherweise direkt im ersten Jahr eine gute Platzierung möglich, denn das Team hat mit Mathias Beche einen sehr starken Piloten am Start, der in seinen Einsätzen für Rebellion Racing bereits einen LMP1-L-„Klassensieg“ und 2018 mit Rang 3 ein Gesamtpodium in Le Mans holen konnte. Er verstärkt das seit drei Jahren zusammen antretende dänische Duo Anders Fjordbach / Dennis Andersen, die nach der Einstellung der Renault Sport Trophy Ende 2016 eine neue Herausforderung suchten. Diese fanden sie in der ELMS, doch dort lief es nie wieder so gut wie in den ersten beiden Läufen 2017, als sie direkt zweimal das Podium erreichten. Mit der nun endlich angenommenen Le Mans-Bewerbung stehen sie der ultimativen Herausforderung im Motorsport gegenüber.
LMP3-Aufsteiger und Gentleman Driver-Entries
Für die über Michelin Le Mans Cup und LMP3 aufgestiegene französische Mannschaft Duqueine Engineering steht ebenfalls das Le Mans-Debüt bevor. Sie hatten einen guten Start in die ELMS-Saison mit Platz 3 in Le Castellet. Für Le Mans hat man sich einen Superstar als Verstärkung engagiert: Porsche-Werkspilot Romain Dumas, dreifacher Gesamtsieger (mit Audi und Porsche) wird zum neunzehnten Mal (in Folge!) in Le Mans am Start sein. Er unterstützt den nahezu ebenso erfahrenen Franzosen Pierre Ragues (12. Auftritt) und den ebenfalls aus Frankreich stammenden Nachwuchsmann Nicolas Jamin. Dieser hat aber interessanterweise seine Laufbahn überwiegend in den USA bestritten: USF2000, Pro Mazda und schließlich 2017 Indy Lights mit Andretti Autosport mit drei Rennsiegen. 2018 kehrte er nach Europa zurück, um bei den Sportwagen sein Glück zu finden. Am Testtag war Jamin (knapp) der schnellste der drei Piloten, aber was bemerkenswerter ist: alle drei waren sehr nah beieinander, so nah, wie in kaum einem anderen Team. Und das kann in der LMP2 Gold wert sein, denn oft entscheidet der Speed des langsamsten Piloten über das Gesamtresultat in dieser Pro-Am-Klasse. Mit diesem Trio auf Oreca und Michelins geht was…
Das Team RLR Motorsport / Tower Events hat bereits eine Le Mans-Historie, wenn auch nicht immer unter diesem Namen: in den Jahren 2010-11 haben sie einen alten offenen MG Lola-LMP2 in der damaligen Le Mans Series eingesetzt, ab 2012 dann wurden sie als Einsatzteam für Greg Murphy unter dem Label Murphy Prototypes tätig. In fünf Le Mans-Starts holten sie unter anderem einen fünften LMP2-Rang und verhalfen Brendon Hartley zu seiner LMP-Karriere. Seit 2017 treten sie wieder unter eigener Flagge an, diesmal in Verbindung mit John Farano, dem kanadischen Besitzer einer Gerüstbau-Firma in Toronto, aus der auch das Unternehmen Tower Events hervorgegangen ist, das temporäre Tribünen für Veranstaltungen bereitstellt. Farano hat Langstrecken-Erfahrung, zählt aber zu den langsameren Piloten im Feld. Ihn unterstützen Norman Nato, der im Vorjahr mit SMP Racing sein Le Mans-Debüt gab und vor wenigen Wochen beim ELMS-Lauf in Monza mit G-Drive den Sieg holte, sowie Arjun Maini, ein indischer GP3- und Formel 2-Absolvent der letzten Jahre. Er kam am Testtag nah an Natos Bestzeit heran; Konstanz von Farano und eine brauchbare Pace von Maini wären die Schlüssel für ein ordentliches Resultat des Teams.
Das aus einem am Autodromo do Algarve bei Portimao ansässigen Driver Coaching-Unternehmen hervorgegangene Rennteam Algarve Pro Racing ist nun schon auch mehrfach in Le Mans am Start gewesen, bediente dabei aber unterschiedliche zahlende Fahrerkunden. Diesmal sind der ebenfalls aus dem Fahrercoaching-Bereich kommende David Zollinger und der US-Manager John Falb (sonst LMP3 mit United Autosports) dabei. Zollinger vertritt den verletzten Mark Patterson. Unterstützt werden sie vom jungen französischen Profi Andrea Pizzitola, der im Vorjahr Teil der disqualifizierten „Klassensieger“-Besatzung von G-Drive Racing war. Der Wechsel von Ligier zu Oreca dürfte dem Team in Le Mans einen kleinen Vorteil im Vergleich zu früheren Jahren verschaffen, aber der Erfolg dieses Entries wird nicht an ein paar durch das bessere Chassis gewonnenen Zehnteln, sondern am Zusammenwirken des Fahrertrios hängen, sofern die Technik nicht streikt.
Das slowakische Team des ARC Bratislava kommt aus der LMP3 und ist 2017 schon einmal in der LMP2 in Le Mans angetreten. Frontmann ist der Immobilien-Entwickler Miroslav Konopka, der auch damals schon mit am Start war. Als Unterstützer auf dem Dunlop-bereiften Ligier hat er diesmal den 25-jährigen Schweden Henning Enquist (kam über die VdeV-Serie in die ELMS) und den 24-jährigen Russen Konstantin Tereschenkow (2014 immerhin Zweiter der Euroformula Open) gewinnen können. Tereschenkow dürfte der stärkste Pilot im Lineup sein, und es ist immer spannend, zu sehen, ob die Youngster nicht doch überraschen können, aber insgesamt sind von diesem Team keine Wunderdinge zu erwarten.
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— Ligier Automotive (@LigierAutomotiv) June 10, 2019
Erstmalig in Le Mans am Start ist das zweite Team aus Osteuropa, Inter Europol Competition aus Polen. Die Aufsteiger aus der LMP3-Klasse um den 27-jährigen Jakub Smiechkowski holten in der vergangenen Saison den Klassen-Titel in der Asian Le Mans Series und Rang 2 in der ELMS. Der Umstieg in die höhere Klasse stellt sich in der laufenden Saison aber bislang als größere Herausforderung dar. Außerdem musste das Team noch eine Vertretung für den in Monza verunfallten Leo Roussel finden, der sich eine Wirbelfraktur zuzog. Seinen Platz wird der Brite James Winslow einnehmen, der aber immerhin schon dreimal in Le Mans am Start gewesen ist. Der dritte Mann im Michelin-bereiften Ligier ist ebenfalls ein Brite, Nigel Moore. Er ist der schnellste der drei und konnte 2017 bereits mit Tockwith Motorsport einen ordentlichen neunten Klassenrang in Le Mans holen.
Das möglicherweise schwächste Team ist ein großer Name: Larbre Competition, einstmals Klassensieger im GT-Sport, zieht sich in der LMP2 zuletzt auf reine Gentleman Driver-Einsätze zurück. Aus dem Vorjahr wieder dabei sind die beiden Erben namhafter Parfum-Imperien Erwin Creed und Romano Ricci. Ergänzt werden sie diesmal vom texanischen Juwelier und Rolex-Händler Nick Boulle, der im Vorjahr den Oak Racing / Onroak-Chef Jacques Nicolet bei seinem möglicherweise letzten Le Mans-Einsatz unterstützen durfte. Die drei sind zwischen 1978 und `89 geboren, im Schnitt ist es also für einen reinen Amateur-Einsatz eine junge Besetzung. Diese Teams gehören in Le Mans dazu, aber viel zu erwarten (in Form eines Top-Ergebnisses) haben wir von den dreien nicht. Spaß haben sie sicherlich…
Der Spirit von Le Mans
Für manche ist dabei sein alles, aber es wird auch hart gekämpft in der LMP2. Erfahrene Einsatzteams mit Weltklasse-Piloten in ihren Lineups werden sich um den Klassensieg und die Podiumsplätze balgen, während die Halbprofis und Gentleman Driver ihr Bestes geben, um sie zu unterstützen oder zumindest nicht im Weg zu stehen. Von diesem Kontrast lebt die Klasse und lebt auch das Rennen. Selbst wenn sich in dieser Klasse mal schnell ein Favorit offenbaren und etwas davonziehen sollte: das Rennen ist lang und durch unterschiedlich starke Fahrer oder technische Probleme kommt oft nochmal Bewegung rein, selbst wenn es zeitweise statisch scheinen mag. Aber selbst dann lohnt sich der Blick auf den Zeitnahme-Monitor, denn in Langstreckenrennen spielen sich auch dort manchmal spannende Duelle oder Aufholjagden über viele Stunden ab. Und dass es für manche diesmal auch noch um den WEC-Titel geht, macht die Sache umso spannender.
(Bilder: WEC Media / ELMS Media)