Home LMS24 H Le Mans Analyse 24H von Le Mans 2019: LMP1 – Ein Sieg nach Plan

Analyse 24H von Le Mans 2019: LMP1 – Ein Sieg nach Plan

von DonDahlmann
4 Kommentare

Es war vorher klar, dass es vorne an der Spitze keine Überraschung geben würde. Dafür war Toyota zu stark.

Le Mans – Kein Rennen ist gemeiner, hartherziger und fieser. Aber auch kein Rennen gibt einem ein so großes, unerreichbares Gefühl eines Sieges. Tränen und Jubel liegen eng beieinander, manchmal sogar innerhalb einer Box. Und das macht Le Mans so großartig, so einzigartig. Deswegen sind diese 24 Stunden die schwierigsten 24 Stunden im Motorsport, auf die sich die Teams ein Jahr und länger vorbereiten. Und deswegen feiern nicht nur die Sieger, sondern auch und vor allem die Teams, denen es nur darum geht das Rennen zu beenden. Aber für die, die schon eine Hand am Pokal haben und am Ende doch verlieren, ist es eine tiefe Enttäuschung.

Diese herbe, tiefe Enttäuschung musste die #7 von Toyota erleben. Mike Conway, Kamui Kobayashi und Jose Maria Lopez hatten das Rennen seit Mittwoch im Griff. Sie waren klar der schnellere Toyota, holten die Pole und Conway drehte im Rennen die schnellste Runde, die jemals in Le Mans gefahren wurde. Das Rennen lief problemlos für die #7, man führte 339 von 385 Runden. Und es wären sogar mehr gewesen, hätte man nicht Pech mit dem Safety Car gehabt hätte und so den Vorsprung von rund 90 Sekunden gegenüber der #8 einbüßte. Der Vorsprung wäre auch größer gewesen, hätte die Teamleitung die #7 einfach fahren lassen, denn die #8 hatte dem Speed der #7 nichts entgegen zu setzen. Nur so kam die #8 überhaupt an ihre Führungsrunden.

Aber bei Toyota handelt man streng nach Protokoll. Und das sah feste Rundenzeiten zu festen Zeiten im Rennen vor. Zu Beginn setzte man sich schnell von den Privaten ab, die im Rennen in diesem Jahr zwar schneller waren, aber nicht schnell genug. Die beiden Toyota fuhren stur ihr Programm, bauten den Vorsprung bis Mitternacht auf drei Runden aus legten nur ab und zu mit frischen Reifen einen Zwischensprint ein. Bis um kurz vor 14.00 Uhr waren die Positionen bezogen, das Rennen gelaufen. Und dann stellte sich Toyota mal wieder selber ein Bein.

Drama in der letzten Stunde

Ein Sensor meldete am Auto von Lopez einen schleichenden Plattfuss. Ärgerlich, aber kein Problem, denn die #7 hatte rund 2 Minuten und 40 Sekunden Vorsprung. Der Sensor meldete einen Luftverlust vorne rechts, dem Lopez allerdings per Funk widersprach. Das Problem sei an einem Hinterreifen, nicht vorne. Toyota holte die #7 rein, wechselte aber nur den laut Sensor defekten vorderen rechten Reifen. Nach ein paar Metern stellte sich dann raus: es war der falsche Reifen. Der Sensor hatte gelogen. Lopez musste eine Runde in einem Notprogramm um den Kurs humpeln. Die zwei Minuten Vorsprung waren weg, die #8 vorne.

Warum Toyota nicht alle vier Reifen gewechselt hat, was sie beim zweiten Stop machten, bleibt ihr Geheimnis. Zumal man später bestätigte, dass man noch einen frischen Satz Reifen in petto hatte. Man hätte nun erwarten können, dass man die #7 von der Leine lässt, aber Toyota scheute das Risiko und gab die Parole „Position halten“ an Lopez raus. Das mag einen unfair vorkommen, aber man kann auch verstehen, dass man jedes Risiko vermeiden wollte. Kobayashi kommentierte nach dem Rennen trocken „Im Moment mag ich Le Mans nicht besonders.“

Man kann jetzt argumentieren, dass man die beiden Autos den Sieg hätte untereinander ausfahren lassen sollen. Immerhin hatte man sechs Runden Vorsprung. Aber wie blöd hätte Toyota da gestanden, wenn beide beim hektischen Überrunden kollidiert wären? Es liegt nicht in der Mentalität von Toyota, schon gar nicht, nach so vielen, knapp verpassten Siegen, dass man dem Racing den Vorzug vor dem Ergebnis gibt. Und mal ehrlich – das haben Audi, Porsche und Peugeot auch nie anders geregelt. Denn wie gesagt, Le Mans ist zu wichtig, zu einzigartig. In ein paar Jahren fragt keiner mehr, wie der Sieg zustande kam, man sieht nur den Sieg.

SMP und Rebellion

Den hätten die Privaten sicher gerne abgestaubt, aber Toyota gab sich keine Blösse. Nicht einmal musste ein Auto kurz in die Box geschoben werden. Ganz anders SMP und Rebellion. Wobei man sagen muss, dass die SMP ein überraschend starkes und gutes Rennen gefahren ist. In der Quali rückte man Toyota bis auf sechs Zehntel auf die Pelle, aber im Rennen war die Pace im Stint nicht gut genug. Dazu kam der hinlänglich beschriebene Rundenvorteil der Toyota, der dringend abgeschafft gehört.

Die SMP taten, was sie konnten und fuhren lange am Limit. Die #17 mit Sarrazin, Orudzhev und Petrov war ein bisschen flotter als die #11 mit Vandoorne, Aleshin und Petrov. Beide Autos mit dem AER-Turbo liefen aber überraschend problemlos. Die Rennpace war gut und stabil, man ließ die Toyota nicht komplett enteilen und richtete sich auf P3 und P4 ein. Die #17 blieb auch in der Nacht etwas flotter, aber dann versenkte Orudzhev das Auto in den Porsche Kurven ohne sichtbaren äußeren Einfluss heftig in einen Reifenstapel. Die #11 erbte P3, musste sich aber lange mit der #3 von Rebellion auseinandersetzen.

Bei Rebellion lief in der Woche einiges schief. Erst flogen dem Team die neuen Gibson Motoren um die Ohren. Die brachten zwar angeblich 30 PS mehr, aber waren offensichtlich nicht sehr haltbar. Im Rennen nutzte man die „alten“ Gibson und war damit sehr flott unterwegs. Teilweise gingen die Rundenzeiten in Richtung 3.18 Minuten. Aber an diesem Wochenende stand man sich bei Rebellion selber im Weg. Die #1 kassierte wegen eines Plattfuss, einer losen Radmutter und einem Dreher gleich zu Beginn des Rennen einen Rückstand von einigen Runden, den man nie mehr aufholen konnte. Das war aber nichts gegen die Kette von Problemen bei der #3.

Thomas Laurant versenkte am Samstagabend die #3 beim Anbremsen an der zweiten Schikane den Rebellion heftig in die Leitplanken. Das sah dann final aus. Aber der Franzose konnte den Rebellion an die Box bringen und profitierte dabei von der FCY, die er selber ausgelöst hatte. An der Box angekommen tauschte man die Nase, kontrollierte die Aufhängung und schickte den Wagen nach etwas mehr als drei Minuten wieder auf die Strecke. Das war schon unglaublich. Zwar hatte man fast eine Runde auf die SMP verloren, aber der Rebellion hatte die bessere Rennpace und ein bisschen Glück mit den Safety Cars. Nach ein paar Stunden kassierte die #3 tatsächlich beide SMP und lag auf P3.

Aber dann ging es doch wieder bergab. Die Liste der technischen Probleme war ellenlang, die der Ausflüge neben die Strecke war auch nicht kurz. Probleme mit den hinteren Bremsen und eine bizarre drei Minuten Strafe, weil man die Reifensätze in der falschen Reihenfolge verwendet hatte, beendeten dann die Hoffnung auf ein Podium. Mehr als P4 und P5 war für beide Rebellion nicht drin. Aber vom Speed her hätte man mehr rausholen müssen.

Die beiden anderen LMP1 standen mehr an der Box als sonst wo. Der Dragonspeed kämpfte von der ersten Runde in Le Mans am Mittwoch mit Probleme, vor allem am Getriebe. Am Renntag ging überhaupt nichts. Das Auto fuhr ein paar Runden, stand dann stundenlang an der Box, fuhr wieder ein paar Runden, stand usw. Irgendwann in der Nacht gab das Getriebe dann endgültig auf und das unwürdige Drama war beendet.

Bei Kolles lief es zunächst gar nicht so schlecht. Man war zwar zu langsam, aber immerhin hielt der Kolles durch. Allerdings war dann in der Nacht ebenfalls Feierabend. Der Gibson Motor machte Probleme, irgendwann stand das Auto dann neben der Strecke und wart nicht mehr gesehen.

Am Ende holte die #8 mit Nakajima, Alonso und Buemi den zweiten Sieg in Folge und man sicherte sich auch die Weltmeisterschaft. Es ist der erste WM-Titel der FIA für einen japanischen Fahrer überhaupt, was Nakajima vermutlich Helden-Status in seinem Heimatland einbringen wird. Fernando Alonso ist damit der erste Pilot, der Formel Eins Weltmeister und Weltmeister auf der Langstrecke ist. Zwar gab es schon mal eine Langstreckenweltmeisterschaft zwischen 1953 und 1993, aber das war bis 1981 eine reine Team-WM ohne Fahrertitel.

Was sich ändern muss

Auch in diesem Jahr war das Rennen eine einseitige Angelegenheit. Zwar betrug der Abstand der Toyota in diesem Jahr „nur“ sechs Runden, also knapp 20 Minuten (2018: 12 Runden), aber ein echter Kampf war das nie. Die Toyota fuhren im Schongang um den Kurs. Meist lagen ihre Rundenzeiten um die 3.22 Minuten, drin wären aber auch 3.19 bis 3.18 Minuten gewesen. Dass Conway die schnellste Runde in der zweite Runde des Rennens ablieferte, sagt schon einiges aus. Die Rebellion hätten den Druck zumindest mit frischen Reifen erhöhen können, lagen deren Zeiten doch öfter bei 3.19 Minuten. Aber dafür hatten sie zu viel Pech.

Aber selbst wenn SMP und Rebellion konstante 3.20er Zeiten hätten fahren können, sie hätten keine Chance gehabt. Die #8 kam 34mal an die Box, der SMP #11, der ebenfalls problemlos durchfahren konnte, musste 39mal stoppen. Dazu kam auch, dass die Stopps von Toyota meist rund 10 Sekunden kürzer waren. SMP verlor also alleine zwei Runden an der Box.

So verständlich es ist, dass Toyota auch in diesem Jahr auf den vor der Saison ausgehandelten Stintlängen Vorteil beharrt hat, damit muss in der neuen Saison, die in nicht mal drei Monaten startet, Schluss sein. Es verzerrt den Sport und lässt den Privaten keine Chance.

Sicher – Toyota investiert mehr als Rebellion und SMP zusammen. Und ja, Toyota ist im Moment wichtig für Le Mans und den ACO, weil sie Geld und große Namen bringen. Aber dem Sport tut die Sache nicht gut. Auch wenn die Zuschauerzahlen laut ACO stabil sind. 258.000 Besucher sollen da gewesen, kaum weniger als zum Beispiel 2015, als Toyota, Audi und Porsche um den Sieg kämpften (263.000 laut ACO).

Nicht jedes Rennen kann in der letzten Stunde entschieden werden, nicht jedes Rennen in Le Mans ist eine Schlacht. Aber man kann zumindest die Rahmenbedingungen so gestalten, dass man einen Auseinandersetzung hat. David gegen Goliath – das war schon immer eine Geschichte, die die Fans angezogen hat.

Daher wäre es gut, wenn ACO und FIA den Stintlängen Vorteil der Toyota beenden. Toyota hat nun zwei Le Mans Siege und einen WM-Titel – und das ist alles hochverdient. Aber man sollte nun auch schauen, dass der sportliche Wettbewerb fairer wird.

Bilder: FIA WEC, Screenshot

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4 Kommentare

Hans-Werner 17 Juni, 2019 - 18:10

Kleine Anmerkung. Lopez saß zu dem Zeitpunkt in der #7, nicht Conway.

DonDahlmann 18 Juni, 2019 - 00:49

Du hast natürlich Recht! Danke für den Hinweis, ich korrigiere das.

Stefan 17 Juni, 2019 - 20:13

Hallo Don,
an dieser Stelle ein herzliches Danke an das ganze Team für die vielen Berichte rund um Le Mans – wie immer gelungen!!

DonDahlmann 18 Juni, 2019 - 00:50

Danke schön!

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