Zum zweiten Mal trägt die Formula E in der Schweiz ein Rennen aus, nachdem man dort im Vorjahr den Rundstrecken-Rennsport wiederbelebte. Diesmal wird allerdings in Bern statt in Zürich gefahren.
Grund für die Verlegung ist das Züri Fäscht, das Züricher Stadtfest, das Anfang Juli in der größten Stadt der Schweiz stattfindet. Nächstes Jahr sollte der ePrix wieder dort ausgetragen werden, allerdings ist im nun veröffentlichten, wenn auch noch unfertigen Kalender bislang kein Schweizer ePrix vorgesehen. Für das Jahr 2021 ist aber auch Genf als dritter möglicher Austragungsort im Gespräch.
Nun sind wir aber erstmal in Bern, der Bundesstadt (de facto Hauptstadt) der Schweiz. In der Altstadt kann dort nicht gefahren werden, denn die liegt auf einem Bergrücken in der Aareschlaufe, besteht hauptsächlich aus mehr oder weniger engen Kopfsteinpflaster-Straßen und ist zudem noch als UNESCO-Weltkulturerbe eingetragen. Man hat aber eine Streckenführung im direkten Umfeld der Altstadt gefunden: von der Altstadt, in der man das Fan-Village einrichtet, muss man nämlich nur einmal über die Nydeggbrücke gehen, schon steht man an der „Bärengraben“-Passage der Kurven 3-5.
Das ist der tiefste Punkt der Strecke; denn das bemerkenswerte an dieser Strecke ist: sie hat deutlich mehr Höhenunterschiede aufzuweisen als alle bisherigen Formula E-Strecken. Rom hatte ca. 20m Höhenunterschied aufzuweisen – in Bern werden es ca. 50 m sein. Start/Ziel ist demgegenüber am höchsten Punkt der Strecke, auf der Laubeggstraße. Hier wird das Feld mit 250 Sachen mitten durch ein Wohngebiet fahren. Die längste Gerade hat knapp 600 Meter, am Ende geht es in eine sehr enge Schikane, danach nochmal 200 Meter geradeaus. In einer Linkskurve umfährt man den „Rosengarten“, eine historische Parkanlage, und dann geht es durch Grünflächen in Hanglage hinab zum bereits angesprochenen Bärengraben (dort ist tatsächlich ein Tiergehege, in dem Braunbären gehalten werden).
Diese Passage ist interessant: nach 500m Vollgas bergab auf dem „Aargauerstalden“ geht es in eine Rechtskurve, die unmittelbar in einen Kreisverkehr führt, in dem die Piloten mehr oder weniger eine 180°-Linkskehre zu bewältigen haben. Das Bremsen in der Kurve wird sicherlich einer der Knackpunkte dieser Strecke sein, das Überholen dürfte aber schwierig sein, weil der Kreisverkehr nicht besonders groß ist. Nach der Kehre mit Blick auf die Altstadt geht es nochmal rechts rum und dann auf dem „Großen Muristalden“ wieder den Berg hinauf. Spannend hier: nach 300m Bergauf-Beschleunigung geht es in eine langgezogene, recht schnelle Linkskurve, die mit recht hohen Geschwindigkeiten durchfahren werden sollte, allerdings zum Ende hin etwas zu zieht. Eine Herausforderung, der die FE-Autos und die Michelin-Reifen nicht allzu oft gegenüber stehen. Nach weiteren 250 Metern geradeaus folgt eine spitzwinklige, langsame Kurve, die möglicherweise eine gute Überholmöglichkeit bieten könnte, auch wenn die Straße am Ausgang sehr eng zu sein scheint.
Nach einer kurz darauf folgenden 90°-Rechts ist man auf der Schlosshaldenstraße und damit wieder auf dem Plateau angekommen, es geht nochmal gut 250 Meter geradeaus. Eingangs dieser Geraden ist die Attack Mode Activation Zone abseits der Ideallinie eingerichtet, man muss nach der Rechtskurve rechts bleiben, um sie zu erwischen. Am Ende der Schlosshaldenstraße folgt eine Links-Rechts-Links-Schikane. Ob die eine Überholmöglichkeit darstellen kann, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Wird es zu eng, kann es eher ein Crash-Hotspot werden. Danach sind die Piloten wieder auf der Startgeraden.
Die Strecke scheint einige spektakuläre Passagen zu bieten, durchaus in der Theorie auch einige Überholmöglichkeiten. Allerdings scheint sie im animierten Video auch zumindest teilweise recht eng geraten zu sein. Elf Kurven auf einer Länge von ca. 2,7 km, für die Formula E ist das schon fast ein ungewöhnliches Verhältnis mit vielen Vollgas-Passagen. Das wird auch das Energiemanagement schwierig machen, es sei denn, die enge Strecke und die Schikanen bescheren uns viele Gelbphasen.
Der Meisterschaftsstand vor dem Bern ePrix
Für Sebastien Buemi ist es dieser Lauf – der letzte in Europa vor dem Doubleheader-Finale in New York – das Heimrennen. Es wäre die passende Gelegenheit für den ersten Saisonsieg des Ex-Champions. Sein Landsmann Edoardo Mortara hat in Hong Kong bereits einen Sieg geholt. Doch für Buemi droht das zweite sieglose Jahr in Folge, nachdem er in den ersten drei FE-Saison jeweils mindestens drei Rennen gewonnen hatte. Die letzten beiden Läufe haben Jean-Eric Vergne und Lucas di Grassi gewonnen, die damit auch die ersten Zweifach-Sieger der Saison geworden sind. Die beiden waren die stärksten Piloten der Vorsaison und führen auch nun wieder die Tabelle an.
Allerdings ist es knapp: 102 Punkte hat Vergne (DS Techeetah), 96 di Grassi (Abt Audi), 86 der noch sieglose Lotterer (DS Techeetah), 82 da Costa (BMW Andretti) und 81 Frijns (Virgin mit Audi-Motoren). Danach werden die Abstände größer, also dürften es diese fünf sein, die den Titel in den kommenden drei Läufen unter sich ausmachen werden. Ein Unfall auf der schwierig scheinenden Strecke kann dabei schnell zum Herausfallen aus dieser Führungsgruppe führen. Logische Konsequenz der vorigen Auflistung ist, das DS Techeetah mit zwei Top 5-Piloten auch die Teamwertung anführt.
Der Kalender für die Saison 2019-20
Die kommende Saison wird nun doch nicht erst kurz vor Weihnachten beginnen, wie zwischenzeitlich kolportiert wurde, sondern der Ad Diriyah ePrix nahe Riad wird am 22. Und 23. November ausgetragen – als Doubleheader. Es folgt eine Tour durch Asien und Südamerika mit den alten bekannten Hong Kong, Santiago und Mexico City. Allerdings stehen hier auch noch zwei „TBC“-Termine im Kalender, wo also noch kein Austragungsort benannt ist; einer davon wird allerdings in China sein, man sucht wohl einen Ersatz für Sanya, wo dieses Frühjahr gefahren wurde. Mit Marrakesch ist der einzige ePrix auf dem afrikanischen Kontinent auch rausgeflogen, dabei eignete sich der semipermanente Kurs dort eigentlich recht gut für die Formula E.
In Europa stehen noch Rom, Berlin und Paris auf dem Plan, Monaco ist turnusmäßig nächstes Jahr wieder raus, dafür kommt London wieder rein, wie schon bekannt war. Dort wird das Saisonfinale ausgetragen, wieder als Doubleheader. Etwas irritierend ist für einen Außenstehenden die Reiseplanung: zwischen Paris und Berlin wird erstmalig der Seoul ePrix in Südkorea ausgetragen, nach Berlin geht es dann nach New York, bevor der Tross zum London-Finale wieder nach Europa zurückkehrt. Dazwischen liegen mehrwöchige Zeiträume, wahrscheinlich, weil man das gesamte Material per Schiff um die Welt schickt. Aber kosteneffizient scheint mir dieses Hin und Her trotzdem nicht zu sein, und man reißt die Saison im Frühjahr auseinander, anstatt durch einen Europa-Block im Zwei-Wochen-Rhythmus Fahrt aufzunehmen.
Der Bern ePrix im TV
Eurosport überträgt am Samstag das Rennen live um 18 Uhr. Die Qualifikation läuft ab 13:30 Uhr auf Eurosport 2. Die öffentlich-rechtlichen sind wieder raus, das war nur als begrenztes Gastspiel bei ARD und ZDF geplant. Die BBC hat die Formula E weiterhin auch live und on-demand im iPlayer.
Zur Vorbereitung auf das letzte Europa-Rennen gibts hier Highlight-Momente der bisher so verrückten Saison nochmal – nur ein ganz bisschen selbstironisch – aufbereitet:
It’s survival of the fastest 💨
Watch the 2019 @juliusbaer #SwissEPrix on June 22nd #ABBFormulaE pic.twitter.com/DZYEqI9o0W
— ABB Formula E (@FIAFormulaE) June 15, 2019
(Bilder: Formula E Media)