Nyck De Vries übernimmt in der französischen Sommerhitze die Meisterschaftsführung. Auch der Lokalmatador Anthoine Hubert darf wieder jubeln.
Hauptrennen
Am Samstag präsentierte sich die große Chance für Sergio Sette Camara. Zum ersten Mal in diesem Jahr pilotierte er sein Fahrzeug auf die Pole. Endlich sollte wieder ein Sieg her. Sein bisher einziger Erfolg gelang ihm vor fast zwei Jahren in Spa. Seitdem stand der Brasilianer zwölfmal auf dem Podest, davon dreimal in dieser Saison. Und bisher hatte ihm in diesem Jahr auch noch sein Teamkollege die Show gestohlen.
Es musste nur ein guter Start her, dann könnte auch er wieder auf dem obersten Treppchen Platz nehmen. Der DAMS-Pilot hielt alle Trümpfe in der Hand. Bis die Lichter ausgingen. Der Polesitter kam nur schwerfällig von der Linie weg und schon waren ihm zwei andere Piloten entwischt. Außen De Vries und innen Jack Aitken. Nyck De Vries war nach P4 in der Qualifikation wie eine Rakete aus seiner Startposition geschossen, Aitken kam von 3 auf 2. Dahinter folgten Guanyu Zhou auf P4 vor Callum Ilott, Nicholas Latifi, Nobuharu Matsushita und Juan Manuel Correa.
Für Prema begann das Rennen mit einem Super-GAU. Sean Gelael vertat sich in Kurve 4 komplett und räumte ausgerechnet seinen Teamkollegen Mick Schumacher ab. Weiter hinten im Feld kollidierten auch Nikita Mazepin und Ralph Boschung. Die Rennleitung reagierte mit einem virtuellen Safety-Car. Als dann auch noch der Wagen von Campos-Fahrer Dorian Boccolacci in Runde 2 ohne Feindkontakt ausrollte, wurde die rote Flagge geschwenkt.
Etwa zwanzig Minuten später ging es dann weiter. Die Safety-Car-Runden hatten die Fahrer, welche auf den ungeliebten weichen Reifen ins Rennen gingen, näher an das Boxenfenster gebracht. Die Pflichtboxenstopps dürfen nämlich erst ab der sechsten Runde durchgeführt werden. So kamen schon eine Runde nach dem Restart, zum frühest möglichen Zeitpunkt die ersten Piloten an die Box. Namentlich waren das unter den Punktefahrern der Zweitplatzierte Jack Aitken, Sette Camara (P3) und Nobuharu Matsushita (P7). Kurz darauf folgten auch der Rest der um die Punkte kämpfenden Piloten. Durch seinen früheren Stopp kam Jack Aitken hauchdünn vor De Vries wieder auf die Strecke. Doch in der Mistral-Gerade konterte der ART-Fahrer.
In Runde 10, nach den Stopps lag somit De Vries vor Aitken, Sette Camara, Zhou und Matsushita, der durch einen Undercut ein paar Plätze gut gemacht hatte. Doch diese Fahrer lagen nicht in Führung. Denn wie so oft gab es auch noch eine Gruppe, die auf eine alternative Strategie gesetzt hatte und mit den harten Reifen losfuhr. Luca Ghiotto führte diese Gruppe an, vor Juan Manuel Correa, Jordan King, Anthoine Hubert und Giuliano Alesi. Allesamt waren sie außerhalb der Top-10 gestartet. Mehr dazu später.
Bis zu diesem Zeitpunkt fuhr Callum Illott ein heruasragendes Rennen fuhr. Nach den Pitstopps, überholte er den Meisterschaftsführenden Nicholas Latifi, fuhr die Schnellste Runde und machte Jagd auf Matsushita. In der langgezogenen Kurve 11 kam es aber zur Berührung und Illotts Rennen war beendet. Der Japaner hingegen konnte weiterfahren, verlor allerdings mehrere Positionen. Im 17.Umlauf rollte der Schweizer Carlin-Pilot Louis Deletraz mit technischen Problemen aus.
In den Runden 21 und 22 tauchten die Fahrer, die auf Hart gestartet waren, in der Boxengasse auf. Die Strategie von Luca Ghiotto und Co schien aufzugehen. Der Italiener kam auf P5 wieder auf die Strecke, verlor diesen Platz aber postwendend mit den kalten Reifen. King kam auf dem siebten Rang zurück, Correa als Neunter und Hubert auf P11. Doch dann ging beim UNI-Virtuosi-Fahrer Ghiotto alles schief. Er beschwerte sich am Boxenfunk, dass er Probleme mit der Lenkung habe. Anschließend verbremste er sich mehrmals und verlor Positionen. Als Correa ein paar Runden vor Schluss an ihm vorbeifuhr, fuhr sich Ghiotto zu allem Überfluss auch noch die Aufhängung kaputt. Sein Rennen war damit beendet. Das darauffolgende VSC neutralisierte das Feld für ein paar Runden und machte die vier Sekunden Vorsprung von De Vries auf Aitken uneinholbar. Doch auch wenn der Lauf noch länger gedauert hätte, wäre dem Holländer, der auf der letzten Rennrunde noch die schnellste Zeit hinlegte, keiner gefährlich geworden. Denn Jack Aitken auf P2 war mit Sette Camara beschäftigt. Zwei Runden vor Schluss musste er ihn auch noch passieren lassen. Zur selben Zeit entschied sich weiter hinten auch der Kampf um die Pole für das zweite Rennen. GP3-Champ Anthoine Hubert manövrierte sich mit frischen Reifen an Matsushita vorbei auf Platz 8.
Nach dem Rennen wurden die Stewards aktiv. Auf den Punkteplätzen änderte sich aber nichts. Sean Gelael musste für die Kollision mit Mick Schumacher den zweiten Lauf aus der Box starten. Außerdem hatten sowohl Tatiana Calderon, als auch Mahaveer Raghunathan die VSC-Regeln verletzt. Der Inder gleich dreimal. Damit hat Raghunathan in einer halben Saison zu viele Strafpunkte gesammelt und muss am Red Bull Ring aussetzen. Am zweiten Lauf von Le Castellet hingegen durfte er trotzdem teilnehmen.
Sprintrennen
Anthoine Hubert stand wie schon in Monaco auf der ersten Startposition für das kürzere Sonntagsrennen. In Monte Carlo hatte er anschließend gesiegt. Dort ist aber auch Startplatz 1 viel mehr wert als auf allen anderen Strecken des Kalenders.
Auf dem Circuit Paul Ricard starteten hinter ihm Juan Manuel Correa, Jordan King, Nicholas Latifi, Guanyu Zhou, Aitken, Camara und Samstags-Sieger De Vries.
Und der Franzose erwischte bei seinem auch gleich Heimrennen einen hervorragenden Start. Der einzige, der noch besser weg kam war Jack Aitken. Aitken schoss von Platz 6 auf die zweite Position. Dahinter reihten sich Correa, Latifi und Zhou ein. Jordan King hatte etwas Federn lassen müssen. Auf den ersten Runden tat sich nicht besonders viel. Alle Piloten versuchten ihre Reifen zu schonen. Nach vier Runden wurde dann Latifi von einem Überraschungsmanöver von Renault-Junior Guanyu Zhou in Kurve 5 überrascht. Nach ein paar Runden wurde auch der Kampf um die Podiumsplätze eröffnet. Zwischen den ganzen Rookies war es aber ausgerechnet der Meisterschaftsdritte Jack Aitken, der den Kürzeren zog. Erst verlor er seine Position an Correa, dann überrumpelte Zhou ihn in der letzten Kurve, wo eigentlich keine klassische Überholstelle ist, und holte sich P3.
Das alles half Hubert dabei, seine Führung auf über zwei Sekunden auszubauen. Und auch von weiter hinten drohte wenig Gefahr. Der neue Tabellenführer Nyck De Vries, der am Samstag noch das Feld vorgeführt hatte, konnte sich nur mit Mühe auf den siebten Rang vorarbeiten. Zwischenzeitlich. Denn gegen Rennende wurde der ART-Pilot von Louis Deletraz, Callum Ilott und Nobuharu Matsushita gar noch auf den zehnten Platz durchgereicht und blieb punktelos. Ebenso punktelos blieb Luca Ghiotto, der nach seinem Ausfall am Vortag von fast ganz hinten starten musste. Seine Aufholjagd reichte aber nur für den 12.Platz.
Weiter vorne verlief auch der Rest des Rennens für Formel 2-Verhältnisse ziemlich ereignislos. Lediglich um Platz 5 und 6 wurde zwischen den beiden DAMS-Fahrern hart gekämpft. Der Meisterschaftsanwärter Latifi versuchte mit allen Mitteln seine Position gegen Teamkollege Sette Camara zu verteidigen. Der Brasilianer setzte sich aber nach einem harten Kampf durch.
Außerdem ging die Seuchensaison für Mick Schumacher in die nächste Runde. Nach seinem unverschuldeten Crash tags zuvor, musste er am Sonntag einen ungeplanten Stopp einlegen und blieb in nun aussichtsloser Position auf der darauffolgenden Runde stehen. Der Ferrari Academy-Pilot wartet seit nunmehr sechs Rennen auf Punkte.
An der Spitze änderte sich nichts mehr. Hubert kontrollierte den Abstand zu seinen Verfolgern und feierte seinen zweiten Saisonsieg. Ein Sieg der vor allem deshalb ziemlich beeindruckend ist, wenn man bedenkt dass Hubert und Arden im Training und im Qualifying fast ganz am Ende des Feldes lagen. Woher die starke Rennpace kam, weiß wohl nur er selbst.
Das Rookie-Podium komplettierten hinter ihm Juan Manuel Correa, der ebenfalls zum zweiten Mal auf dem Podest stand, und Guanyu Zhou, der damit vor seinem Teamkollegen Luca Ghiotto liegt.
Fazit
Vor Saisonbeginn war Nyck De Vries der Meisterschaftsfavorit und nach einem gemächlichen Start in die Kampagne wird er nun auch diesen Ansprüchen gerecht. Zugleich kann Nicholas Latifi an seinen furiosen Saisonstart nicht ganz anknüpfen. Seine Pace und seine Punkteausbeute in Le Castellet war in Ordnung. Das ist aber sicherlich zu wenig, wenn er De Vries in dessen momentaner Verfassung herausfordern will. Wer sich langsam aber sicher aus dem Titelkampf verabschiedet ist Luca Ghiotto. An seiner Pace liegt das ganz bestimmt nicht, aber an seinen ganzen unnötigen Fehlern. Anstatt dass er am Samstag mit möglicherweise angeschlagener Lenkung das Auto noch irgendwie ins Ziel bringt, ein paar Punkte mitnimmt und am Sonntag nochmal angreifen kann, lässt er sowohl die Startposition als auch die Punkte liegen. Die Kollision mit Correa ist zwar nicht eindeutig seine Schuld, sondern eher etwas aus der Kategorie „Kann mal passieren“. Aber passiert sind ihm solche Missgeschicke in diesem Jahr schon zu häufig.
Bilder: Formula 2