Nyck De Vries reist mit der Meisterschaftsführung im Gepäck in die Alpenrepublik. Was ihn dort erwartet? Lange Geraden, schweißtreibende Temperaturen und ein paar neue Gesichter.
Frankreich hat das gebracht, was sich schon in Monaco abgezeichnet hat. Nyck De Vries hat einen Lauf und Nicholas Latifi kann nicht mehr mit solch einer Leichtigkeit wie noch zu Saisonbeginn vorne mitfahren. Stand jetzt wird die Meisterschaft zwischen diesen beiden Fahrern entschieden. Doch das kann sich im schnelllebigen Geschäft der Formel 2 ja rapide ändern. Bei 48 möglichen Zählern pro Wochenende sind die Top-7 beinahe in Schlagdistanz. Es muss nur einer oder mehrere der Punkteführenden in einem Hauptrennen ausscheiden oder weit zurückfallen und plötzlich steht das Klassement wieder auf dem Kopf. So geschehen in Monaco. Zumindest wenn man nach der Statistik geht, könnte das auch diese Woche in Spielberg passieren. Nyck De Vries ist nämlich bei seinen vier Formel-2-Rennen auf dem Red Bull Ring noch nie in die Top 12 geschweige denn in die Punkte gefahren. Nicholas Latifi konnte in der letzten Saison in der Steiermark auch gerade einmal ein mickriges Pünktchen einfahren. Er hat aber immerhin ein Podium aus dem Jahr 2017 zu Buche stehen. Genauso wie Sergio Sette Camara, der im letzten Jahr auf dem Treppchen stand. Auch Jack Aitken wird wenig gute Erinnerungen an Spielberg haben, denn bei seinem einzigen F2-Antritt im letzten Jahr ging auch er punktelos nach Hause. Soweit die Statistiken, die natürlich nicht zwangsläufig etwas bedeuten müssen.
Kommen wir aber aus den abgelaufenen Saisonen zum Hier und Jetzt. Denn in der kurzen einwöchigen Pause seit dem Frankreich Grand Prix hat sich das Fahrerkarusell kräftig gedreht.
Pato O’Ward debütiert
Jordan King hat vorgemacht, wie es geht auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen und die Barriere, die sich Atlantischer Ozean nennt zu überwinden. Jetzt macht es ein weiterer Indycar-Pilot. Doch Patricio O’Ward kommt aus der anderen Richtung und gilt in Nordamerika bereits als absolutes Toptalent. Der Indy Lights Champion von 2018 hat dieses Jahr als Teilzeit-Fahrer beim schwächelnden Carlin-Rennstall in der Indycar-Serie debütiert und hat dort gleich einmal seinem Teamkollegen, Ex-Formel-1-Fahrer Max Chilton, im Griff gehabt. Das hat auch Red Bull so beeindruckt, dass man ihn gleich einmal in den Jugendkader befördert hat. Möglicherweise übernimmt O’Ward in der Super Formula den Platz von Dan Ticktum. Der Formel-2-Auftritt von O’Ward in Spielberg bei MP Motorsport ist jedenfalls – vorerst zumindest – nur eine einmalige Sache.
O’Ward ersetzt nämlich den gesperrten Mahaveer Raghunathan, der tatsächlich das Kunststück vollbracht hat in einem einzigen Rennen neun Strafpunkte zu kassieren. Der Inder brach gleich dreimal die Virtual-Safety-Car-Regeln. Zusammen mit seinen Strafpunkten, die er noch aus dem Bahrain-Wochenende mitgenommen hat, als er die karierte Flagge übersah, machte er das Dutzend voll und darf damit in Österreich nicht an den Start gehen. Es sollte wirklich langsam die Frage gestellt werden, was jemand, der so offensichtlich dieser Herausforderung nicht gewachsen ist, überhaupt in der Formel 2 macht. Bei einem Rückstand von über fünf Sekunden auf einer Quali-Runde sollte er sich selbst und sollten sich vor allem auch seine Sponsoren irgendwann die Frage stellen, wo überhaupt der Sinn der Sache liegt.
Aber langsam Fahren ist das eine, mehrmals Flaggensignale nicht zu beachten oder ganz einfach zu übersehen ist eine Stufe höher und schon aus Gründen der Sicherheit ein fahrlässiges Risiko gegenüber allen anderen Fahrern und Streckenposten. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich Raghunathan nach seiner Sperre solche Aussetzer spart oder MP Motorsport irgendwann die Reißleine zieht und ein wirklich hoffnungsvolles Nachwuchstalent ans Steuer setzt.
Maini ersetzt Boccolacci
Während der Campos-Pilot Jack Aitken Feature-Siege gefeiert hat und auf Rang 3 in der Meisterschaft liegt, musste sich sein Teamkollege Dorian Boccolacci erst zurechtfinden. Doch auch der Franzose, der Mitte letzten Jahres aus der GP3 aufgestiegen ist und debütiert hat, zeigte schon vereinzelt anständige Leistungen. Wie etwa beim Wochenende in Monaco wo er im Hauptrennen auf den vierten Platz fuhr. Zugegeben, er hatte einiges an Dusel, dass er auf der richtigen Strategie war und somit nicht eine Runde verlor, aber seine Pace war an dem Wochenende durchaus in Ordnung.
Doch vorerst war es das mit den F2-Auftritten des 20-Jährigen. Boccolacci hat budgetäre Probleme und muss zumindest für die nächsten zwei Wochenenden zuschauen, wie Arjun Maini seinen Platz übernimmt. Maini fuhr in der letzten Saison für Trident auf den 16.Tabellenrang der Formel 2, wechselte aber für diese Saison in die European Le Mans Series, wo er für RLR MSport in der LMP2-Klasse einen Oreca pilotiert. Er wird in Spielberg und Silverstone am Start sein. Ob er auch in Ungarn für Campos fahren wird, oder ob dort Dorian Boccolacci zurückkehrt ist noch unbekannt.
Auch Trident tauscht Fahrer
Finanzielle Probleme sind auch dafür verantwortlich, dass man Ralaph Boschung diese Woche nicht im Auto erleben wird. Der Schweizer, der für den notorisch erfolglosen Trident-Rennstall am Lenkrad drehte, hat in der laufenden Saison gerade einmal drei Zähler einfahren können. Er war damit aber immer noch besser unterwegs als sein Teamkollege Giuliano Alesi, der erst in Frankreich seinen ersten und einzigen Punkt einfuhr.
Boschung war in seiner dritten Formel-2-Saison. Allerdings war er auch 2017 bei Campos und 2018 bei MP Motorsport nicht erfolgreicher unterwegs. Er erreichte den 19. und 18. Tabellenrang. Schon in den letzten Jahren musste er jeweils zu Saisonende aussetzen.
Sein Ersatzmann heißt Ryan Tveter. Der Amerikaner fährt somit sein erstes Formel-2-Rennen. In den zwei abgelaufenen Saisonen war Tveter für Trident in der GP3 aktiv, wo er im Mittelfeld unterwegs war. Zu Beginn der 2019er Saison hat er aber keinen Fahrersitz mehr erhalten – weder in der Formel 3 noch in der F2. Wie viele Rennen Ryan Tveter fahren darf, hängt wohl vor allem davon ab, ob Boschung im Laufe der Saison irgendwann wieder das nötige Kleingeld zusammenbekommt, um das Cockpit zu finanzieren.
Reifen und Co
Der Red Bull Ring in Spielberg ist aufgrund seines Streckenlayouts kein besonders Reifen belastender Kurs. Deshalb bringt Pirelli mit den Super Soft und Soft die zwei weichsten Mischungen nach Österreich. Bei den heißen Temperaturen jenseits der 30 Grad könnten deshalb die Pneus dennoch eine Rolle spielen. Im Vergleich zum Circuit Paul Ricard ist Überholen wesentlich einfacher, was ein durchaus turbulentes Rennen verspricht.
Übrigens: Nur ein einziger Fahrer im momentanen Feld hat auf diesem Level auf dem Red Bull Ring gewonnen. Nämlich Jordan King in der GP2-Saison 2016.
Startzeiten
Qualifying: Freitag, 16.55 Uhr
Rennen 1: Samstag, 16.45 Uhr
Rennen 2: Sonntag, 11.00 Uhr
Bilder: Formula 2