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WSeries: Bericht Norisring 2019 – Racingblog vor Ort

von Florian Niedermair
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Der Anspruch der WSeries ist es ja, höherer Motorsportklassen zu erreichen. Eine Pilotin in der Formel 1, die aus der Serie kommt. Das ist das erklärte Ziel. Und wenn es dann schon mal eine ist, sollen noch weitere folgen. Dagegen sind das allerdings was die Serie momentan leistet Babyschritte. Aber immerhin Schritte. Am Norisring konnten wir einen Blick hinter die Kulissen, ins Paddock und in die Hospitality der jungen Rennserie werfen.

Freitag Mittag. Das erste Training ist geschlagen. Um 12 wird im Fuhrpark, der fast direkt am Dutzendteich liegt, noch emsig analysiert und mit den Renningenieuren über die Performance des Wagens räsoniert. Es wird fließig geschraubt, getüftelt und gewerkelt. Langsam machen sich die Fahrerinnen auf in die Hospitality. Die in modernem Design gehaltene Hospitality ist sozusagen das Herzstück der WSeries und erinnert auf den ersten Blick eher an ein etwas zu neumodisch geratenes Strandcafè als an das wandernde Hauptquartier einer Rennserie. Die Hospitality ist ein zweistöckiges Gebäude mit einer in den serientypischen gelb und violett-Tönen gehaltenen Glasfassade, die mit dunkel eingefärbten Metallträgern zusammengehalten wird.

Vor dem Hauptquartier stehen die obligatorischen Lenkräder mit denen F1 gespielt werden kann. Zentral vor dem Eingang wurde ganz prominent einer der Tatuus T-318-Renner platziert, der der Lackierung nach Jamie Chadwick gehörte.

Vor dieser Hospitality finden sich die Pilotinnen zusammen. Manche gehen in den separaten Trakt auf der rechten Seite, zu welchem nur die Fahrerinnen Zugang haben. Andere bleiben im „öffentlichen“ Teil des Gebäudes und diskutieren miteinander. „Wir können sehr gut trennen zwischen dem was auf und dem was neben der Strecke passiert. Deshalb ist unser Verhältnis im Fahrerlager ziemlich gut” meint Beitske Visser dazu. „Aber in dem Moment wo ich meinen Helm aufsetze, ist es mir egal wer im anderen Auto sitzt. Da will man dann nur noch gewinnen“.

 

Training

Der Helm wird dann wieder am Nachmittag aufgesetzt, wenn das zweite freie Training startet. Auch wenn es eine eigentlich unbedeutende Trainingssitzung ist, geht es für drei Pilotinnen schon um das ganze Rennwochenende. Denn am Wochenende teilnehmen dürfen 20 Fahrerinnen, aber das Rennen starten dann nur 18. Das heißt, es wird der letzte Startplatz zwischen den beiden Reservistinnen Sarah Bovy und Vivien Keszthelyi und der in der Meisterschaft auf dem letzten Rang liegenden Megan Gilkes ausgefahren.

Offiziell mitgeteilt wird das Ergebnis dieses „Vorqualifyings“ am späten Nachmittag beim Fahrerbriefing im zweiten Stock der Hospitality, wo bei Schulklassenatmosphäre der Communications Director Matt Bishop die Fahrerinnen und die Pressevertreter auf den neuesten Stand bringt – inklusive Geburtstagsständchen für die Pressesprecherin Annie Bradshaw versteht sich.

Unter anderem teilt Bishop mit, dass Vivien Keszthelyi dank ihrer besseren Rundenzeiten in den Trainingssitzungen am Samstag beim Qualifying und dem Rennen an den Start gehen darf. Für Gilkes und Bovy ist das Rennwochenende somit schon früh zu Ende.

Qualifying

Am Samstag geht es dann am frühen Morgen in den Kampf um die Pole Position. Entsprechend der ziemlich kurzen Strecke sind die Zeitabstände ziemlich gering. Zwischen der Polesitterin Marta Garcia und Vivien Keszthelyi auf dem vorletzten Platz lag weniger als eine Sekunde. Nur Alice Powell, die ihren Wagen schon frühzeitig mit einem technischen Problem abstellen musste, hatte mehr Rückstand. In den Top-5- lagen wieder einmal bekannte Gesichter: Chadwick auf P2 hatte weniger als eine Zehntel Rückstand. Fabienne Wohlwend kam auf den dritten Rang und Visser wurde Fünfte. Dazwischen gab es eine kleine Überraschung: Gosia Rdest klassifizierte sich auf der vierten Position.

Rdest ist eine der wenigen Fahrerinnen, die bereits vorher Erfahrungen auf dem 2,3 Kilometer langen Kurs sammeln konnten. Sie nahm zwischen 2015 und 2017 am Audi TT-Cup teil, der jeweils am Norisring Station machte. Auch Fabienne Wohlwend und Vivien Kesztelyhi traten in dem Audi-Markenpokal 2017 am Dutzendteich an. Keszthelyi meinte aber, dass es keinen Vorteil bringe, die Strecke schon einmal gefahren zu sein. „Ich bin hier nur mit dem TT Cup gefahren und es ist vollkommen etwas anderes. Vielleicht wäre es sogar einfacher, sich mit dem Fahrzeug auf die Strecke einzustellen, wenn ich noch nie hier gefahren wäre“.

Rennen

Das Rennen startet am Nachmittag um kurz nach vier. Vor dem Start war nicht ganz klar, was das Wetter machen würde. Denn während dem Porsche-Cup-Lauf vorher hatte es leicht zu nieseln begonnen. Nur wenige Minuten vor dem WSeries-Start schien der Regen noch etwas zuzunehmen. Doch pünktlich zum Rennstart hörte der leichte Niederschlag wieder auf und trotz der schwülen Luft ging die vierte Runde der WSeries bei trockenem Wetter über die Bühne.

Das Rennen selbst war dann vom Anfang bis zum Ende eine Marta-Garcia-Show. Die Spanierin distanzierte ihre Konkurrentninnen schon früh im Rennen und hielt ihren Vorsprung bis zur Zielflagge. Für sie war es der erste Sieg und das zweite Podium der Saison. Sie habe sich vor der Saison die Top-5 in der Meisterschaft als Ziel gesetzt und freue sich über alles was darüber hinausgehe, sagte sie noch tags zuvor. Mit dem Sieg auf dem Norisring hat sie ihre dritte Position in der Meisterschaft gefestigt. Eine Platzierung in den Top-5 ist damit so gut wie sicher.

Der Kampf um Platz 2 entschied sich auch fast schon in der ersten Kurve. Beitske Visser kam am besten aus der Startbox und ging von der fünften Startposition auf den zweiten Platz nach vorne. Ganz zum Leidwesen ihrer engsten Konkurrentin im Meisterschaftskampf Jamie Chadwick, die eine Position verlor. Die Abstände verschoben sich im Laufe des Rennens zwar noch ein bisschen. Aber Chadwick konnte Visser erst in den letzten Runden unter Druck setzen. Doch der Schlusssprint der Britin kam zu spät. Auch Wohlwend auf Rang 4, kam auf diese Position schon nach Kurve 1 und hielt diese bis zum Schluss unter zunehmenden Druck von Emma Kimiläinen. Kimiläinen musste nach einem Unfall im Auftaktrennen im Mai für die letzten zwei Runden aussetzen. Rang 5 bei ihrer Rückkehr ist also ein sehr positives Ergebnis für sie. Pech hatte hingegen Jessica Hawkins. Auf Platz 5 liegend versagte bei ihrem Wagen der Antriebsstrang. Damit liegt sie weiterhin bei null Zählern. Gosia Rdest, die im Qualifying die beste Performance ihrer bisherigen Saison zeigte, beschädigte schon in Kurve 1 ihren Frontflügel. Der Vollständigkeit halber: Die weiteren Punkte sicherten sich Miki Koyama, Tasmin Pepper, Sabre Cook, Esmee Hawkey und Naomi Schiff.

Dementsprechend gemischt ist auch die Stimmung in der Hospitality nach dem Rennen. Jessica Hawkins sitzt ernüchtert vor einem auf der Wand platzierten Bildschirm, auf dem in Dauerschleife die Rennhighlights durchlaufen Währenddessen kehren auch die Top-3 von der Podiumszeromonie zurück und platzieren die Glastrophäen auf der Theke hinter dem Eingang.

Aus sportlicher Sicht können wir aus dem Wochenende in Nürnberg doch eine erfreuliche Lehre ziehen. Nämlich: Es gibt mehr siegfähige Fahrerinnen als nur Visser und Chadwick. Gut zu sehen ist außerdem, dass die Meisterschaft jetzt noch ziemlich offen ist. Vor der Saison war zu befürchten, dass Chadwick den anderen um die Ohren fährt. Doch nun trennen sie gerade einmal zehn Punkte von Beitske Visser und 23 von Marta Garcia.

Vor Ort war es einmal sehr interessant, die Serie hinter den Kulissen zu betrachten. Die Atmosphäre im ganzen Hauptquartier wirkt ziemlich freundlich und kollegial. Sowohl zwischen den Fahrerinnen als auch im Umgang mit den Pressevertretern. Wenn man sich mit den dort anwesenden Personen unterhält ist allgegenwärtig, die Hoffnung, dass die Pilotinnen tatsächlich bessere Aufstiegschancen in andere Motorsportklassen erhalten können. Von Formel 1 ist dabei meist als Traum die Rede. Als konkrete Ziele nennen die Pilotinnen eher Rennserien wie die Formel E oder die DTM.

Dieser Artikel wurde durch eine Enladung des WSeries-Sponsors Puma Motorsport zum DTM-Event am Norisring ermöglicht.

Ein besonderer Dank geht auch an unsere Leser Rallomat und j82, die uns ihre Schnappschüsse des Wochenendes zur Verfügung gestellt haben. Eine Galerie der Bilder findet ihr in der DTM-Analyse meines Kollegen Max.

Bilder: WSeries/Puma

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