Was ein bisschen Regen doch aus einem Rennen machen. Zum dritten Mal in Folge begeisterte die F1 am Sonntag.
Eine Analyse des überaus chaotischen Rennens ist schwer zu gestalten. Es gab zu viele Boxenstopps, zu viele unterschiedliche Reifen und zu viele Unterbrechungen. Und fast alle Fahrer und Teams leisteten sich in Hockenheim Fehler. Von daher mache ich es diese Woche mal anders und schlüssele das Rennen an Hand der Piloten in der Reihenfolge auf, wie sie ins Ziel gekommen sind.
Max Verstappen
Man kann nicht sagen, dass er und sein Team keine Fehler gemacht hätten. Der hübsche 360-Grad Dreher im Motordrom hätte auch anders ausgehen können, ebenso die Entscheidung von Red Bull ihn zwischendurch auf die Medium zu setzen. Die erwiesen sich als die absolut falsche Wahl und führten auch zu seinem Dreher. Aber ansonsten hat man natürlich alles richtig gemacht. Der Red Bull war, wie erwartet, im Rennen und in der Quali stark. Das sich Red Bull und Honda massiv verbessert haben, konnte man in den letzten Wochen deutlich sehen. Das Verstappen dazu ein fantastischer Regenfahrer ist, dürfte bekannt sein. Nachdem er die Spitze erobert hatte, stand er allerdings auch nie wirklich unter Druck.
Sebastian Vettel
Das gute Rennen von Vettel und der zweite Platz, kommenden von P 20, kann nicht über die Probleme von Ferrari hinwegtäuschen. In der Quali fielen erst Vettel in Q1 und später in Q3 Leclerc wegen Motorproblemen aus. Das allein ist schon nicht akzeptabel, immerhin wollte man mal Weltmeister werden. Im Rennen sah es zwischendurch auch nicht so doll für den Deutschen aus. Nach furiosen Start klemmte Vettel dann lange hinter Räikkönen, an dem er nicht vorbeikam. Das passierte dann später noch mal. Auf den Soft sah die Sache dann ganz anders aus. Die vielen Safety Car Phasen sorgten dafür, dass er in Kontakt mit der Spitze blieb. Fahrerisch ein brillantes Rennen von ihm.
Daniil Kvyat
Der Russe bescherte dem kleinen Team das erste Podium seit Monza 2008. Dort kam er hin, weil sich Toro Rosso sehr früh, in Runde 45, dazu entschied, Kvyat auf Slicks zu setzen. Da war es noch ziemlich feucht, aber Magnussen, der in Runde 39 zu den Soft gegriffen hatte, zeigte sehr gute Rundenzeiten. Kvyat hatte bis Runde 39 ein unauffälliges Rennen und lag so um P11. Der Reifenwechsel bugsierte ihn dann auf P3, weil Toro Rosso ein gewaltiger Undercut gegen alle anderen gelang. Das war ein bisschen Glück, aber gleichzeitig leistete sich Kvyat im gesamten Rennen absolut keinen Fehler. Wirklich sehr gutes Rennen, vor allem in der kritischen Phase um Runde 45 bis 48.
Lance Stroll
Ein sehr gutes Rennen lieferte auch Stroll. Er war nach dem frühen Ausfall von Perez die einzige Speerspitze von Racing Point, die in Deutschland einen stark verbesserten Wagen vorstellten. Stroll lag im Rennen allerdings hoffnungslos zurück und konnte sich aus dem Hinterfeld auch nicht lösen. Das Team setze in Runde 45 dann alles auf eine Karte und setzte Stroll auf die Slicks. Danach lieferte er ein fehlerloses und sehr gutes Rennen ab. Immerhin war er schnell genug, um selbst Bottas auf Distanz zu halten und zu frustrieren. Was im Abflug des Finnen endete. Gegen Vettel konnte er nichts ausrichten.
Carlos Sainz
Dass man im Kies steht, den Rückwärtsgang einlegen und wenden muss und am Ende doch noch auf P5 landet, passiert einem vermutlich auch nicht so oft. Sainz gelang das Kunststück. Dabei lang er bis Runde 24 auch weit hinten, profitierte dann aber von der Entscheidung von McLaren ihn nicht auf die Soft zu setzen (was alle anderen machten). Nach ein paar Runden stellte sich raus, dass McLaren die richtig gelegen hatte, was Sainz in die Punkte spülte, da alle anderen noch mal an die Box kamen. Er war dann paradoxerweise einer der wenigen, die nicht davon profitierten in Runde 45 auf die Soft gewechselt zu haben. Er blieb auf P5.
Alexander Albon
Sein Rennen lief ein bisschen komisch. In der ersten Phase setzte er sich gegen etliche Gegner durch und ruderte sich in die Punkte. Und das, obwohl Albon laut eigener Aussage sein erstes volles Regenrennen fuhr. Bemerkenswert war, dass er gleich zweimal Gasly überholen konnte, den er alt aussehen ließ. Zwar wechselte Toro Rosso ihn in Runde 25 auch auf die Slicks, revidierte diese Entscheidung aber nach einer Runde wieder. Da zu der Zeit eine VSC-Phase lief, hatte er einen „freien“ Stopp, der ihm nicht schadete. Im Chaos um Runde 45 kam auf P4 in die Box, verlor aber gegen Sainz an der Box. Auf kalten Reifen kassierten ihn dann Kvyat und Magnussen. Letzteren konnte er aber wieder überholen. Das Rennen von Albon war schwieriger und ereignisreicher, als das von Kyvat.
Kimi Räikkönen & Antonio Giovanazzi
Beide wurden am Ende noch bestraft. Und zwar deswegen:
„The stewards found the torque in the clutch at the start did not match the torque demand as the driver released the clutch within the specified 70 millisecond maximum period. This time was measured at approximately 300 milliseconds.
They compared this breach to that of a false start with a potential advantage and therefore opted to give both drivers a 10-second stop-and-go penalty, which equates to 30 seconds added to each of their race times.“
Damit fallen beide aus den Punkten, aber ich wollte sie dennoch in die Analyse aufnehmen.
Gutes Rennen des Finnen, der so Verhältnisse mag. Nach dem Start lag er sogar auf P3, musste aber Verstappen passieren lassen. Dazu kam ein kleiner und ein größerer Ausrutscher, der ihn P6 kostete. Natürlich machten auch andere Piloten Fehler, aber da tatsächlich etwas mehr drin gewesen für Sauber. Sehenswert war sein Duell mit Vettel, den er kunstvoll hinter sich halten konnte.
Gutes Rennen des Italieners, der so langsam in Schwung kommt. Er leistete sich, wie sein Teamkollege, auch einen gröberen Schnitzer, der ihn zurückwarf. Nicht gut war auch die Entscheidung von Sauber um Runde 26 beide Autos auf de Medium zu setzen. Das half beiden nicht. Hätte man die McLaren Strategie angewendet, wäre man mit beiden Autos weiter vorne gelandet.
Romain Grosjean & Kevin Magnussen
Es war vielleicht die Aktion des Rennens, dass Haas Magnussen schon in Runde 39 auf die Slicks setzte. Bis dato waren die Haas im Rennen völlig untergegangen schlugen sich zeitweise mit den Williams rum. Zu verlieren hatte man nichts, also die Soft. Magnussen benötige rund zwei Runden, bis die ersten guten Sektorenzeiten kamen und dass er in der Zeit das Auto auf der Strecke halten konnte, war schon bemerkenswert.
Und weil das beim Dänen so gut lief, setzte man Grosjean dann auch auf die Soft. Bei beiden bedeutete das, dass sie mit einem Undercut plötzlich in die Punkte rutschten. Allerdings ging es auch in Deutschland nicht ohne Probleme durch das Rennen. Gegen Ende berührten sich die Teamkollegen schon wieder – das hätte auch anders ausgehen können. Man wird das Gefühl nicht los, dass Haas dringen mindestens einen Fahrer austauschen sollte.
Lewis Hamilton
Gleich zwei Dreher in einem Rennen, dazu einer mit einem Schaden am Frontflügel. Dazu eine Strafe, weil er nach seinem Dreher hinter der Pylone, die die Boxeneinfahrt begrenzt, die Box angesteuert hatte. Nein, das war nicht das Rennen des Briten. Oder von Mercedes. Die hatten für Hockenheim ein größeres Update mitgebracht, dass allerdings wohl mehr Sorgen verursachte als Vorteile zu bringen. Über das gesamte Wochenende war man gegen Ferrari zu langsam, die Pole in der Quali war ein Geschenk, da beide Ferrari ausgefallen waren.
Das sich Hamilton mal Fehler erlaubt, ist schon ungewöhnlich. Aber es zeigt auch, wie schwierig der Mercedes an diesem Wochenende zu fahren war. Die hatten zudem einen Zirkus in der Box, weil man 125 Jahre Motorsport feierte und die Marketingabteilung die Mechaniker in weiße Overalls samt Schiebermütze steckte. Sah hübsch aus, aber Toto Wolff beklagte nach dem Rennen die „Ablenkung“.
Robert Kubica & George Russell
Weil beide Alfa eine 30-Sekunden Strafe kassierten (siehe oben) rutschte Robert Kubica auf P10. Der erste WM-Punkt für Williams in diesem Saison.
Auch Williams hatte ein großes Update dabei und es brachte leider auch wenig Fortschritt für die Briten. Der Abstand in der Quali betrug weiter rund 1.5 Sekunden. Im Rennen setzte Williams auf eine gegenläufige Strategie und ließ beide Piloten lange draußen. Das spülte diese in die Top Ten, aber da konnte man sich nicht halten. Bedauerlich ist, dass es Williams selbst in so einem chaotischen Rennen nicht gelingt in die Punkte zu kommen, weil man einfach zu langsam ist.
Die Verlierer des Rennens
Pierre Gasly
Nach einer guten Quali auf P4, lief es für den Franzosen im Rennen überhaupt nicht. Erst fiel er wie ein Stein durchs Feld, dann steckte er im Mittelfeld fest und hatte mehrere leichte Ausflüge. Das war alles nicht so schlimm. Aber das er sich gleich zweimal von Albon überholen ließ und das am Ende ein Toro Rosso und nicht ein zweiter Red Bull auf dem Podium stand, dürfte nicht gerade förderlich für seine Karriere sein. Am Ende verschätzte er sich auch noch bei einem Überholmanöver an Albon und fiel aus. Das war schon eine Demütigung.
Valterri Bottas
Das war nicht das Wochenende des Finnen. Von Hamilton und Verstappen in der Quali gebügelt, iim Rennen dann unauffällig und eher zurückhaltend unterwegs. Gegen Verstappen konnte er nichts ausrichten und das ihn das Team auf Medium setze, war nicht seine Schuld. Sein Rennen war durch diese Entscheidung nicht gerade leicht, aber er blieb dank der SC-Phasen an der Spitze dran. Dass er dann in der Schlussphase nicht an Stroll vorbei kam und dann auch noch aus dem Rennen crashte, dürfte seine Aktien bei Mercedes nicht steigen lassen. Sicher, er hatte mal wieder viel Pech in der Saison, aber es dürfte Mercedes auch klar sein, dass Bottas gegen Hamilton eben nicht auf Dauer ankommt. Man wird sich was überlegen müssen.
Nico Hülkenberg
Wie bei Bottas steht bei ihm eine Vertragsverlängerung an und Renault ist sich nicht sicher, ob man den Deutschen behalten will. Es lief zunächst gut für den Deutschen, der zeitweise auf dem zweiten Platz hinter Verstappen lag. Auf dem Podium hätte er sich eigentlich auch gut halten können, denn schneller als Stroll und Kvyat war er allemal. Aber dann kam mal wieder eine Schwäche von Hülkenberg zum Vorschein. In den entscheidenden Situationen leistet er sich einen Fehler. Zwar war er nicht der einzige mit einem Fehler (Leclerc, Hamilton, Bottas), aber so oft liegt Renault auch nicht aussichtsreich im Rennen und das einzige, was er hätte machen müssen, wäre den Wagen auf der Strecke zu halten. Das dürfte seine Vertragsverhandlungen bei Renault massiv erschweren.
Charles Leclerc
Der Ferrari-Pilot war der Jagd auf Hamilton und Verstappen und musste zum Zeitpunkt des Rennens ein hohes Risiko eingehen. Dass das Motodrom tückisch ist, weiß ja auch Vettel. Aber auf der anderen Seite hat Leclerc mindestens ein Podium, wenn nicht sogar den Sieg in der vorletzten Kurse weg geworfen. Das mag mit seiner Unerfahrenheit zusammenhängen und auch andere Fahrer, die mehr Erfahrung hatten, landeten im Aus. Der Ausfall war ein bisschen Pech, aber das klebt Ferrari ja in dieser Jahr an den Fersen.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, Racing Point, McLaren F1, Alfa, Renault Sport, HaasF1, Williams F1
Anmerkung: Warum gibt es keine Bilder von Red Bull oder Toro Rosso?
Die Teams stellen die PR-Bilder normalerweise zur Verwendung für Presseberichte mit einer speziellen Lizenz zur Verfügung. Diese ist zeitlich nicht limitiert und gilt weltweit. Red Bull hat sich entschlossen, Bilder nur noch für 6 Monate zu lizenzieren. Das bedeutet, dass wir die Bilder nach sechs Monaten löschen müssten, um nicht Gefahr zu laufen, eine Abmahnung, Rechnung etc. zu bekommen. Der Aufwand dafür ist nicht gerechtfertigt. Wir werden also in Zukunft leider keine Bilder mehr von Red Bull verwenden. Dies gilt auch für Bilder von Toro Rosso, da sie über die gleiche Plattform vermarktet werden.
4 Kommentare
@Don
Das neue Update von Mercedes hat auch den Vorteil in langsamen Kurven weg genommen. Im letzten Sektor hat man nie Zeit aufgeholt sondern immer verloren. Hoffentlich macht Mercedes nicht den selben Fehler wie Ferrari letztes Jahr und lässt das Update drauf. Das muss ab Ungarn wieder runter. Ansonsten wird die eigentlich sichere WM für Mercedes doch noch mal spannend.
Ich versteh Mercedes auch nicht warum man beiden Fahrern nach dem letzten Stop die roten Reifen gegeben hat .Die Mercedes waren am ganzen WE mit den roten Reifen zu langsam. Warum hat man nicht mindestens einen die gelben gegeben.Mit denen waren die Mercedes deutlich besser unterwegs.
Noch eine Anmerkung zu Hamilton: Er ist Ende Motodrom abgeflogen, als dort schon Leclerc stand, wo also mindestens gelb geschwenkt wurde, wenn nicht schon SC war. Ich dachte ja, die Regeln der FIA wären inzwischen so, dass dort sowas nicht mehr passieren sollte, und wenn einer abfliegt, wo schon gelb ist, dass es dann auch mal härtere Strafen gibt. Stattdessen erhält Hamilton nur eine Strafe, weil er den Poller an der Boxeneinfahrt dann nicht mehr korrekt umfahren hat.
Btw, ich glaube, dass wurde von den Fernsehkamera nur bedingt erfasst, Vettel hätte in der letzten Runde an der Mercedes Tribüne, fast noch seinen 2. Platz verloren https://www.youtube.com/watch?v=TThoy3gFO2M
@Rallomat danke für die Info. Ich hatte es in den Abständen gesehen, es wurde aber im Fernsehen nicht gezeigt, dachte mir schon, dass er da irgendwo einen Fehler gemacht haben muss. Er war 3 bis 4 Sekunden hinter Verstappen und dann auf einmal 7 Sekunden, und Kvyat war recht nah dran an ihm.
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