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WSeries: Bericht Brands Hatch 2019

von Florian Niedermair
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Die Würfel sind gefallen: Jamie Chadwick erobert auf ihrer Heimstrecke den ersten Titel in der reinen Frauen-Serie. Doch das „Brand Finale“ hätte auch ganz anders ausgehen können.

Jamie Chadwick hielt am Sonntagnachmittag triumphierend die von den Fans mitdesignte Trophäe hoch. Doch der Titelgewinn war alles andere als eine klare Sache. Ganz im Gegenteil: Die Fahrt der Britin wirkte eher nervös als kalkuliert und am Ende hatte sie Glück, dass ihr Wagen es überhaupt bis zur Ziellinie schaffte.

 

Chadwick gegen Visser

Nach dem Qualifying sah es noch nach einer einfachen Aufgabe für die ehemalige britische Formel-3-Pilotin aus. Chadwick ging mit 13 Punkten Vorsprung und von der Pole Position in den finalen Lauf der Saison. Beitske Visser fuhr nur auf die fünfte Startposition.  Dazwischen platzierten sich Alice Powell, Esmee Hawkey und Emma Kimiläinen als willkommener Puffer für Chadwick. Und auch der Start verlief ganz im Sinne der Britin. In den ersten Minuten sah es nach einem Start-Ziel-Sieg aus auf der Strecke, wo Chadwick bereits in der britischen Formel-3 vor einem Jahr ganz oben stand.

Sie verlor aber bald einen Puffer zwischen ihr und Visser als Esmee Hawkey eine Durchfahrtsstrafe für einen Frühstart erhielt. Und auch Chadwick selbst konnte sich nicht von Powell und Kimiläinen lösen. Anfangs war es schwer einzuschätzen, ob Chadwick nur auf Nummer sicher ging, um keine Fehler zu machen und nicht die Meisterschaftsführung zu riskieren oder ob ihr schlicht und einfach die Pace fehlte. Doch als nach etwa zehn Minuten Alice Powell in Paddock Hill Bend innen Chadwick attackierte, wehrte sich Jamie Chadwick gegen ihre Landsfrau anstatt sie einfach ziehen zu lassen. Ein eher unnötiges Risiko, denn sollte Chadwick ihren Wagen beschädigen und keine Punkte mitnehmen, wäre sie plötzlich die Meisterschaft los. Doch Powell ließ sich in Druids nicht aufhalten. In Surtees ging dann auch noch Kimilainen durch. Von nun an büßte Chadwick immer mehr an Boden ein und war nach kurzer Zeit nur mehr knapp vor Visser, die auch weit schneller konnte aber nicht vorbeikam.

Elf Minuten vor Schluss waren die beiden schon acht Sekunden hinter den Führenden. Dasselbe Bild gab es auch beim Kampf um die Führung, Kimilainen war schneller, kam auf dem legendären britischen Kurs aber nicht an Powell vorbei.

Ein Dreher von Miki Koyama brachte das Safety-Car auf die Strecke und machte den Vorsprung der Top-2 wieder zunichte. Doch es half der Finnin nicht, Alice Powell blieb vorne und brachte den Sieg nach Hause.

Dahinter ging es um die Meisterschaft. Visser wurde zunehmend aggressiver, als sie Chadwick im Mittelsektor attackierte bewies die Britin allerdings erneut ziemlich wenig Umsicht. Wenn nämlich die Holländerin vorbeiging, hätte Chadwick immer noch locker den Titel. Das einzige was sie sich nicht leisten konnte, war eine Beschädigung an ihrem Auto. Trotzdem versuchte sie die Tür zuzuwerfen. Visser touchierte mit ihrem Frontflügel sogar das Hinterrad von Chadwick und kam vorbei. Jamie Chadwick hatte viel Glück, dass ihr rechter Hinterreifen das überlebte. Sonst wäre die Meisterschaft weg gewesen.

 

Die Top-12 dürfen bleiben

So aber brachte sie den ersten WSeries-Titel nach Hause. Obwohl der vierte Platz von der Platzierung her die schlechteste Leistung der Saison war und auch ihre Fahrt am Samstag sehr nervös und nicht besonders schnell wirkte, ist es über die gesamte Saison gesehen verdient. Nach dem Lauf sagte sie selbst, dass es im Auto die „schlimmsten dreißig Minuten ihres Lebens“ gewesen seien. Nach dem Sieg in der MRF Challenge Formula 2000 im Winter und dem Titel in der britischen GT4 2015 war es schon ihr dritter Titel im Rennsport.

Eine beeindruckende Saison lieferten auch Beitske Visser und Alice Powell. Ihre letzten Auftritte in Formelwagen lagen schon einige Jahre zurück. Trotz relativ wenig Streckenzeit hielten sie aber auf Anhieb mit Chadwick mit. Wobei Powell natürlich durch technische Probleme auf dem Norisring und den Start-Crash in Misano keine Chance mehr ganz nach vorne hatte.

Dasselbe gilt natürlich auch für Emma Kimilainen, die ohne ihren unverschuldeten Unfall in Hockenheim sicher auch um die Meisterschaft mitgefahren wäre.

Startberechtigt für die nächste Saison sind die ersten zwölf in der Meisterschaft. Darunter natürlich neben den bereits erwähnten Pilotinnen auch die Siegerin vom Norisring Marta Garcia, oder die Misano-Polesitterin Fabienne Wohlwend, die Japanerin Miki Koyama, die Ex-GP3-Pilotinnen Sarah Moore und Vicky Piria, sowie die Südafrikanerin Tasmin Pepper. Mit dem letzten Rennen rutschten auch Sabre Cook und Jessica Hawkins noch in die Top-12. Die restlichen Pilotinnen müssen für 2020 wieder durch ein Auswahlverfahren wenn sie antreten wollen.

Wer von den Fahrerinnen wirklich noch in der Serie mitfahren wird, weiß man momentan natürlich noch nicht. Das hängt wohl von den Alternativen ab. Schon in diesem Jahr waren einige Fahrerinnen im Feld, für die die WSeries die einzige Möglichkeit war, für eine volle Saison an den Start zu gehen.

Die Preisgelder werden abgesehen von den ersten paar Positionen kaum dafür ausreichen besonders viel zu bewirken. Die Aufstiegschancen hängen also in erster Linie von Sponsoren ab. Es wird sich also noch zeigen, ob und wohin die Fahrerinnen den Sprung schaffen beziehungsweise wer der WSeries erhalten bleibt.

2020 winken sogar erstmals Punkte für die Superlizenz. Ansonsten ist noch nicht so viel über die kommende Saison bekannt. Es sollen mehr Runden ausgetragen werden, wobei allerdings noch nichts Konkretes veröffentlicht worden ist. Hoffentlich dann auch mit mehr als nur einem Lauf pro Wochenende. In Assen hat das ja zumindest von außen betrachtet gut funktioniert.

 

Bilder: WSeries

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