Ich bin mit dem Motorsport groß geworden. Mein Vater ist früher privat Rennen gefahren, meine Kindheit habe ich zum größten Teil im alten Fahrerlager des Nürburgring verbracht. Schwere Unfälle, vor allem auf der Nordschleife, gehörten zum Alltag. Wenn der Streckensprecher sagte „Startnummer XY, Unfall Brünnchen, Fahrer ok“ sagte, war alles in Ordnung. Aber wenn „Bitte ein Teammitglied oder Angehöriger der Startnummer XY zur Rennleitung“, dann wusste man, dass etwas schiefgegangen war. Zumindest so schief, dass jemand nach Adenau ins Krankenhaus abtransportiert werden musste. Der Tod war ein ständiger Begleiter und man wusste das auch.
Daran wurde man auch erinnert, wenn man am Dienstag oder Mittwoch die „Motorsport Aktuell“ (MSA) aus dem Briefkasten holte. In den 80ern gab es alle paar Wochen einen schwarz umrandeten Kasten, in dem der Tod eines Rennfahrers beklagt wurde. Natürlich waren alle betroffen, natürlich gab es auch damals schon nach dem Tod Diskussionen über die Sicherheit. Aber der Tod war eben auch, nun ja, normal.
Der erste tote Rennfahrerheld, an den ich mich erinnern kann, war Hans Georg Bürger, ein F2-Pilot. Ihn erwischte es in Zandvoort, eine Strecke, die damals berüchtigt für ihre lasche Sicherheit war. Er kam während des Trainings von der Piste ab und wurde von einem der hölzernen Pfosten der Fangzäune erschlagen. Damals dachte man, dass ein paar etwas tiefer in die Erde gerammte Holzpflöcke samt Metallzaun ein Auto verlangsamen würden. Erfahren hat man von seinem Tod im übrigen dann aus der MSA ein paar Tage später.
Der nächste, der folgte, war Gilles Villeneuve. Zu dessen Tod gab es dann TV-Bilder. Bis heute habe ich in Erinnerung, wie sein roter Ferrari in Zolder durch die Luft segelt, eine Wolke aus Staub und Schrott, und einer dieser Schrottteile, die rumfliegen, ist gar kein Schrott, sondern Villeneuve samt seines Sitzes.
Es folgten viele weitere Rennfahrer. Rolf Stommelen 1983 war für meinen Vater ein Schock, da er ihn noch aus gemeinsamen Zeiten kannte. Schlimm war der „schwarze Sommer“ 1985, als hintereinander Manfred Winkelhock und Stefan Bellof verstarben. Da dachte vielen „Jetzt reicht es.“ Ich auch. Aber wie das so ist – ein paar Wochen später stand man wieder an der Strecke.
Der Tod ist mittlerweile, dankenswerterweise, ein seltener Begleiter im Motorsport. Die Sicherheit der Fahrzeuge und der Strecken sei Dank. Aber es gibt immer noch Strecken, bei denen man weiß, dass sie schwierig sind. Monza ist so eine Strecke, Le Mans und eben Spa. Wenn etwas in Raidillon de l’Eau Rouge schiefgeht, dann ist es nie ein leichter Unfall.
Man vergisst leicht, dass, auch wenn die Autos sicherer geworden sind, die Geschwindigkeiten und die Physik sich nicht verändert haben. Dass die Rundenrekorde, die neuen, nie erreichten Höchstgeschwindigkeiten ein Tanz auf der Rasierklinge sind. Ein Unfall heute ist nicht anders, als ein Unfall vor 30 oder 40 Jahren. Was sich verändert hat, ist die Sicherheit der Chassis, aber in manchen Fällen ist ein Grenze erreicht. So wie bei Alan Simonson, Jules Bianchi und Anthoine Hubert.
Motorsport ist gefährlich. Wir vergessen nur manchmal, wie gefährlich er ist.
4 Kommentare
Vielen Dank für den Beitrag!
Da ja immer der Versuch unternommen werden sollte Unfälle dieser Art zu verhindern scheint es sinnvoll, die Sicherheitsausstattung oben in der Radillion zu überdenken.
Der Asphalt ist da sicher gut aber mehrlagige Reifenstapel mit der Kunststoffplatte davor scheinen bei ungünstigen Aufprallwinkeln das Fahrzeug nicht immer gut aufzufangen und die Energie abzubauen. Eher scheint es durch die elastischen Reifen zu einem Abprallen zu kommen, das das Fahrzeug wieder auf die Stecke stößt.
Habt ihr da mehr Hintergrundinformationen ob sich vielleicht die Tecpro-Barrieren da anders verhalten?
Insgesamt scheint mir deren Konstruktion besser hinsichtlich der Energieaufnahme zu sein.
Gerade bei einem Highspeed-Kurs wie Spa sollte da nichts unversucht bleiben. Besonders wenn man daran denkt mit welchem fast erschreckenden Speed die F1 dort unterwegs ist und aus vielen Kurven 300+ km/h Flat-Geraden macht. Für 2021 wird sich das ja auch kaum ändern, nur sind dann die Wagen im Zweifel noch dichter an einander dran, wenn die Aerodynamik robuster wird.
Danke für den Beitrag, Don. Das Thema Tod durch Motorsport wird medial immer sehr gern umschifft. Solche Beiträge helfen bei der Aufarbeitung, ohne mit dem nackten Finger auf angezogene Leute zu zeigen. Vielleicht traut ihr euch auch noch an eine Aufarbeitung des Unfalhergangs. Auch hier liest man wenig, und wenn doch, dann häufig gespickt mit Halbwahrheiten.
Hallo Heiko, wir haben gerade einen Podcast aufgenommen, in dem wir alternative Sicherheitsmaßnahmen diskutieren. Tec-Pro wäre eine Möglichkeit, die aber am Unfall selber nichts geändert hätte. Ist aber auch nur eine Vermutung.
Hallo UB, was die Analyse des Unfalls angeht – das ist eher eine Aufgabe für die Experten. Die FIA wird dazu in einigen Wochen sicher einen Bericht abliefern. Was man aus den Videoaufnahmen erkennen kann, reicht leider nicht. Wir wissen, dass Hubert beim Ausweichen des querstehenden Wagens von Alesi ausgewichen und seinerseits schon einen sehr schweren Einschlag in die Reifenstapel auf der vom Fahrer aus gesehen rechten Seite hatte. Der Wagen von Hubert stand dann quer zur Fahrrichtung auf der asphaltierten Auslauffläche rechts. Correa hatte, nach vor ihm Fahrzeuge ausgewichen sind, kaum Zeit zu reagieren und konnte nicht sehen, dass Hubert an der Stelle stand. Er traf den Arden auf Höhe des Cockpits.
Wie gesagt, die FIA ist in diesen Dingen sehr gründlich und wird dazu einen Bericht veröffentlichen.
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