Home Formel EinsF1 Formel Eins: Analyse GP von Singapur 2019 – Comeback Vettel

Formel Eins: Analyse GP von Singapur 2019 – Comeback Vettel

von DonDahlmann
3 Kommentare

Der dritte Sieg eines Ferrari in Folge war eine Überraschung. Am Ende gewann Vettel mit viel Glück.

Die bemerkenswerteste Erkenntnis dieses Wochenendes, ist die Tatsache, dass Ferrari das Rennen gewonnen hat. Niemand hatte damit gerechnet, dass die Italiener in Singapur auch nur den Hauch einer Chance haben. Als ich vor dem Rennen die Abstände berechnet habe, lag ich bei rund 0,4 bis 0,6 Sekunden für die Mercedes. Red Bull hatte ich auf Augenhöhe bis maximal 0,2 Sekunden hinter den Deutschen. Bei Red Bull lag ich richtig, bei Ferrari nicht. Aber immerhin war ich da nicht alleine.

Ferrari hatte für das Rennen in Singapur ein neues Upgrade mitgebracht. Es gab eine neue Nase, einen leicht veränderten Frontflügel und einen neuen Unterboden. Das waren zumindest die Teile, die man sehen konnte. Da Ferrari massiv in den Luftfluss vorne eingegriffen hat, wird man vermutlich auch außerhalb des sichtbaren Bereichs etwas verändert haben. Was auch immer Ferrari da gemacht hat – es hat funktioniert. Zwar hatte Ferrari im Renntrim nicht das schnellste Auto, aber in der Quali. Und das war in Singapur entscheidend. Denn überholen ist hier so eine Sache.

Die Qualifikation war dann auch faszinierend anzuschauen. Ferrari legte immer wieder vor, Mercedes schien kein Gegenmittel zu haben. Nach dem ersten Run in Q3 sah Vettel wie der sichere Pole-Sitter aus. Aber dann konnten Leclerc und Hamilton seine Zeit knapp unterbieten. Das muss frustrierend für den Deutschen gewesen sein, der in letzten Wochen sowieso keine gute Figur gemacht hat. Immerhin blieb ihm P3.

Das ausgerechnet dieser dritte Platz perfekt für den Renntag sein würde, konnte keiner ahnen. Klar war, dass man von P3 aus allerdings die größeren Möglichkeiten bei der Strategie haben würde. Wie so oft in diesem Jahr erwies es sich auch in Singapur nicht als hilfreich, wenn man an der Spitze lag.

Dass man Vettel in Runde 20 an die Box holte, war keine große Überraschung. Ich hatte in der Vorschau schon geschrieben, dass das Reifenfenster für die härteste Mischung ab Runde 20 aufgehen würde. Jede weitere Runde brachte natürlich Vorteile, aber Runde 20 war ein guter Zeitpunkt. Ferrari hatte das Tempo vorne erst lange verschleppt, um dann ab Runde 15 zu beschleunigen, damit sich genügend Puffer auf das Mittelfeld ergab.

Es war logisch, dass man mit den frischen Hard einen Vorteil haben würde und ein Undercut gelingen konnte, wenn man freie Fahrt hatte. Die Frage ist allerdings, warum Ferrari Vettel zuerst an die Box holte und nicht Leclerc, damit dieser nicht in Gefahr lief, einen Undercut durch die Mercedes zu erleben. Die Antwort: Man konnte durch den frühen Stopp für Ferrari mehr erreichen. Den Italienern ging es darum Mercedes zu schlagen und Vettel mindestens auf P2 zu bringen. Hätte man Leclerc als ersten an die Box geholt wäre man Gefahr gelaufen, dass Mercedes mit Hamilton eine Runde später reagiert hätte. So hätte man mit Vettel nichts bewegt.

Vettel reichte die eine Runde auf den frischen Reifen und er schnappte sich seinen Teamkollegen, obwohl dessen Stopp sogar zwei Zehntel schneller war. Allerdings – Leclerc verlor die Spitze nicht alleine, weil Vettel eine Runde früher kam. Viel mehr legte Vettel in seiner Outlap die bis dahin schnellste Outlap aller Fahrer hin. Er kam raus und donnerte zwei Sektorenbestzeiten in den Asphalt.

Zum Vergleich hier die beiden In- und Outlaps
Vettel In: 1:56.992
Vettel Out: 2:06.109

Leclerc In: 1:57.053
Leclerc Out: 2:07.019

Für Ferrari wichtiger war nun, dass man Mercedes ausmanövriert hatte. Die Deutschen zögerten. Bottas holte man erst in Runde 22 rein, Hamilton ließ man draußen. Zu dem Zeitpunkt muss Mercedes klar gewesen sein, dass man das Rennen verloren hatte. Da Verstappen mit Leclerc gestoppt hatte, war der dritte Platz auch weg. Was blieb, war die Hoffnung, dass es eine SC-Phase zur rechten Zeit geben würde. Aber die kam nicht.

Im Endeffekt rutschte Hamilton dann von P2 auf P4. Es war das erste Rennen in diesem Jahr, in dem kein Mercedes Fahrer auf dem Podium stand. Hätte Mercedes anders reagieren können? Ferrari hatte sich klug entschieden, ging dabei aber auch ein hohes Risiko. Mercedes hätte mit Hamilton ähnlich agieren können, das hätte ihnen dann den Sieg beschert. Offenbar hatte man aber Angst, dass die Reifen die 41 Runden nicht würden durchhalten können. Am Ende könnten frischere Reifen den Unterschied machen, so die Überlegung. Ein Stopp in Runde 18 wäre allerdings möglich gewesen, da die Lücke, die Vettel nach seinem Stopp in Runde 20 hatte, da schon im Mittelfeld auf war.

Mercedes reagierte in Singapur merkwürdig defensiv. Das ist nicht neu für das Team, die ihre Strategie ja meist aus einer Position der Stärke entwickeln. Dieses Wochenende waren sie aber nicht in dieser Position und die Strategie war daher falsch. Wenn man das Risiko hätte minimieren wollen, hätte man zumindest Bottas früher rein holen müssen.

Im Mittelfeld ging es wild zu. Hinter Lando Norris, der vor allem im ersten Teil des Rennens, alleine unterwegs war. Prügelten sich die Alfa, Racing Point, Toro Rosso und der Renault von Hülkenberg um die Plätze. Der Deutsche hatte beim Start Pech gehabt und musste schon in der ersten Runde an die Box. Dort bekam er die harte Mischung spendiert und fuhr diese dann bis Runde 36, was ihn wieder weit nach vorne brachte. Nach seinem Stopp in der ersten SC-Phase brannte er dann ein echtes Feuerwerk ab und schob sich von P13 auf P9. Ein starkes Rennen.

Als möglicher neuer Arbeitgeber für Hülkenberg wird ja immer wieder Alfa genannt, aber dort lieferte Giovinazzi eines seiner besten Rennen in dieser Saison ab. Obwohl die Alfa nicht zu den besten im Mittelfeld gehörten, hielten sich beide Piloten laufend in den Top Ten. Der Italiener führte zwischenzeitlich sogar das Rennen an. Es waren, wie SkyUK feststellte, die ersten Führungskilometer seit 2015 für ein Auto, dass nicht zu den Top Drei Rennställen gehörte.

Das Duell um die Plätze P8, P9 und P10 war wirklich faszinierend und tröstete ein wenig darüber hinweg, dass das Rennen vorne auch nach den Stopps eher eine Prozession war. Lance Stroll war dabei auch involviert und auch wenn er nicht in die Punkte kam, so lieferte er doch ein sehr beherztes und gutes Rennen ab. Seine Überholmanöver waren sehenswert und hätte er sich nicht selber einen Reifenschaden eingefahren, wären Punkte drin gewesen.

Am Ende stand dann also mal wieder ein Sieg für Vettel. Ferrari hat ihm den Sieg zwar nicht geschenkt, aber man hat ihn zumindest in eine sehr gute Position gebracht. Vettel blieb fehlerlos, hatte allerdings auch keinen Druck von hinten, da man Leclerc in den letzten Runden einbremste. Nachdem Vettel in Spa taktisch für seinen Teamkollegen fahren musste, war das in Ordnung. Allerdings merkt man schon, dass die Stimmung im Team angespannt ist. Mal schauen, wie das weiter geht.

Bilder: Daimler AG, Ferrari, Racing Point, McLaren F1, Alfa, Renault Sport, HaasF1, Williams F1

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3 Kommentare

Dirk 23 September, 2019 - 13:27

Ich fand es auch interessant, dass Mercedes Bottas eingebremst hat, damit er nicht vor Hamilton liegt. Da gab es einen recht eindeutigen Funkspruch, wo man ihm eine Target-Zeit vorgegeben hat, die langsamer war als sein aktuelles Tempo (Frische Reifen, grade schnellste Runde gefahren). Und da sagte man auch, dass es „für das Team“ wäre. Recht eindeutige Stallorder in meinen Augen.

ub 23 September, 2019 - 17:19

Die Outlap von Leclerc mit der von Vettel zu vergleichen, erklärt nicht, warum er hinter Vettel gelandet ist, da er die ja bereits hinter dem Deutschen absolvieren musste (und ist damit zudem irreführend). Den Unterschied des Undercuts könnte man am ehesten an Sektor 2 bei Vettels Outlap vs Leclercs Inlap verdeutlichen und dann auf die Runde hochrechnen, wenn man erklären muss, wieso der Positionstausch zu Stande kam.

Klaus 23 September, 2019 - 23:48

In Hockenheim war bereits kein Mercedes auf dem Podium.

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