McLaren war ein neben Toro Rosso vielleicht die Überraschung des Jahres. Allerdings mit Abstrichen.
Ganz unzufrieden wird man bei McLaren in diesem Winter nicht sein. Immerhin hat man das beste Saisonergebnis seit 2012 erreicht. Dazu der dritte Platz von Carlos Sainz in Brasilien und die Tatsache, dass man die B-Weltmeisterschaft in beiden Kategorien erreicht hat. Dass man dabei das Werksteam von Renault geschlagen hat, spricht auch für McLaren. Allerdings ist das Budget von McLaren jetzt auch nicht wahnsinnig viel kleiner, als dass von Renault, so dass McLaren schon auf Augenhöhe mit einem Werksteam kämpfen konnte.
Aber natürlich war nicht alles nur toll. Zwar hat das Team einen großen Schritt gemacht, aber der Abstand zu den Top Drei ist immer noch erschreckend groß. Dazu kam eine gewissen Volatilität bei den Ergebnissen. Man sammelte in 15 von 21 Rennen Punkte, konnte sich nicht bei jedem Rennen vom Mittelfeld absetzen. Stabil wurden die Ergebnisse vor allem in der zweiten Saisonhälfte, als man regelmäßig beide Autos weit vorne ins Mittelfeld bringen konnte. Die aufsteigende Form von Lando Norris war dabei sehr hilfreich.
Aber die Basis für den Formanstieg von McLaren liegt wohl in der Neustrukturierung, die Zak Brown in den letzten zwei Jahren vollzogen hat. Der Amerikaner scheint ein Händchen für Talent und Organisation zu haben, außerdem hat er offenbar auch die volle Rückendeckung der Besitzer von McLaren. Ein richtiger Coup war die Verpflichtung des Ex-Porsche WEC Teamchef Andreas Seidl. Der fügte sich nicht nur schnell ins Team ein, seine Arbeit scheint sich auch sehr schnell bemerkbar gemacht zu haben. Seidl und Brown bilden nun so etwas wie die Doppelspitze bei McLaren, während sich Gil de Ferran um die IndyCar-Aktivitäten des Teams kümmert.
Seidl hat das Team intern durch gekämmt und offenbar auch für diverse Änderungen in der Aerodynamik Abteilung gesorgt. Er hat innerhalb weniger Monate die Geldgeber davon überzeugen können, dass man einen neuen Windtunnel benötigt und nun auch bauen wird. Offenbar transportiert er die Philosophie von Porsche mit zu McLaren. Die besagt: so viel wie möglich im eigenen Haus zu machen, da wo man bessere Zulieferer findet, nimmt man diese.
Das bedeutet auch, dass der Restrukturierungsprozess von McLaren bei weitem noch nicht abgeschlossen ist. Auch 2020 wird wohl eher ein Jahr, in dem man nicht damit rechnet, die großen Drei an der Spitze angreifen zu können. Gleichzeitig wird man den Angriff von Renault und eventuell Racing Point abwehren müssen. Es wird nicht leicht, den vierten Platz in der WM zu verteidigen. Gleichzeitig setzt man sich bei McLaren aber 2021 höhere Ziele. Die komplett neuen Autos bieten eine Chance für alle und daher ist es auch verständlich, dass sich McLaren ab 2021 auch für Mercedes-Motoren entscheiden hat.
Fahrerisch ist McLaren ebenfalls gut aufgestellt. Carlos Sainz ist so ein „Hidden Champion“, der mehr kann, als man vielleicht auf den ersten Blick sieht. Er blieb in diesem Jahr fehlerlos, war immer schnell, schaffte es häufig in Q3 und legte damit auch die Ausgangsbasis für die 96 Punkte, die er am Ende einsammelte. In der Vergangenheit hatte er allerdings auch immer mal wieder Rennen, in denen er nicht so ganz auf der Höhe war. Was in diesem Jahr eher nicht der Fall war, aber die die teilweise etwas schwankende Form von McLaren macht das schwer zu beurteilen.
Lande Norris hatte eine sehr gute Debütsaison. Man darf nicht vergessen, dass Norris direkt aus der F2 kommt und erst 20 Jahre alt ist. Er hat zu Beginn etwas Zeit benötigt um sich einzugewöhnen, was nicht ungewöhnlich ist. Ab Mitte der Saison lieferte er teilweise sehr gute Rennen ab. In Sachen Quali-Speed war er sogar besser als Sainz (11:10 in der Quali). Sein Rennspeed war allerdings wirklich sehr gut. Er dürfte zu jenen Fahrern gehören, die schwer zu überholen sind (Auch wenn Perez ihn in Abu Dhabi abgekocht hatte). Dazu kommt auch noch seine sehr erfrischende, sehr offene und humorvolle Art. Er hat Charakter und genau das braucht die Formel Eins.
Wertung:
Team: 7 von 10
Sainz: 8 von 10
Norris: 7 von 10