Über die Saison von Ferrari könnte man ein ganzes Buch schreiben. Versuche wir es mal etwas kürzer.
Das Chassis ok, aber nicht brillant. Die Chassis-Entwicklung teilweise orientierungslos. Die Strategie teilweise verwirrend. Die Nummer Eins unter seinen Möglichkeiten und sauer über den Erfolg der Nummer Zwei. Der Teamchef teilweise hilflos. Ohne Drama geht es bei Ferrari nicht aber dieses Jahr war es dann doch etwas zu viel. Ich kann gar nicht sagen, wie oft wir in unserem Chat (der öffentliche wie der interne) völlig fassungslos ob der Soap Opera waren, die Ferrari in diesem Jahr zeitweise abgeliefert hat. Das war sicherlich hier und da unfair, aber von den drei Top Teams hat Ferrari am wenigsten aus seinen Möglichkeiten gemacht.
Vielleicht lag es auch daran, dass die Erwartungen vor dem ersten Saisonlauf so hoch waren. Mit Vettel und Leclerc hatte man von allen Top-Teams die vielleicht beste Fahrerpaarung, die Wintertests waren sehr vielversprechend. Und so schlecht startete die Saison ja nicht. In Australien kassierte man eine krachende Niederlage, aber in Bahrain hätte man das Rennen gewonnen, wenn der Motor von Leclerc nicht schlapp gemacht hätte. Aber danach wurde es halt nicht besser.
Während Mercedes massive Fortschritte machte und auch Red Bull ab Mai den Ferrari auf die Pelle rückte, bewegte ich bei den Italienern zunächst nur wenig. Das Rätselraten drehte sich vor allem um das SF90 Chassis. Es machte eigentlich nichts falsch, aber es war eben nicht so gut, wie das von Mercedes. Wir reden hier zwar nur über Nuancen, aber genau die machten es eben aus, dass Mercedes die Ersten acht Rennen in Folge gewinnen konnte. Ferrari war immer irgendwie ein bisschen dran, aber nicht nah genug.
Dass Ferrari nicht in der Lage war, dass Chassis bis zum Sommer nachhaltig zu verbessern, kam nicht ganz unerwartet. Die Entwicklung war in den letzten Jahren schon immer die Achilles-Ferse der Italiener. Meist wurden sie erst im Frühsommer und dann im Herbst von Mercedes überrollt. Selbst wenn man, wie 2018, einen sehr guten Start in die Saison hatte, verlor man alles in den Monaten Juni, Juli, September und Oktober.
Die gute Nachricht in diesem Jahr lautete, dass es dieses Mal etwas anders war. Ferrari bekam die Sache in den Griff und legte bis Mitte Oktober eine beeindruckende Siegesserie hin. Woher die kam, ist aber auch nicht so ganz klar. Sicherlich hatte man das Chassis teilweise verbessert, aber viele Indizien deuten doch auf den Motor hin. Es schien fast so, als habe Ferrari plötzlich 30 PS und mehr zur Verfügung. In den letzten Rennen sah der Vorsprung plötzlich nicht mehr ganz so toll aus.
Red Bull hatte bekanntermaßen bei der FIA nachgefragt, ob bestimmte Modifikationen Fuel Flow Meter, die nicht durch die technischen Regeln abgedeckt waren, erlaubt seien. Die FIA präzisierte die Regeln und scheinbar lief es dann nicht mehr ganz so flott bei Ferrari. Die allerdings alles abstreiten. Dazu muss man aber sagen, dass sie, selbst wenn sie am Fuel Flow Meter gefummelt haben, nichts Irreguläres gemacht hätten. Die Regellücke war ja da.
Der Ferrari-Motor war dann auch das Highlight des Rennstalls in dieser Saison. Man darf ja nicht vergessen: Ferrari ist nicht die Daimler AG oder Honda. Ferrari ist ein zwar sehr gut verdienendes, aber doch im Vergleich zu Daimler oder Honda eher kleines Unternehmen, dass keine 10.000 Autos pro Jahr verkauft. Ferrari macht auch alles selber. Motor, Getriebe, Chassis – alles kommt aus Maranello. Es ist sicher nicht so, dass der „David“ Ferrari gegen den Goliath „Daimler“ kämpft, denn Ferrari hat fast unlimitierte Ressourcen und kann damit auch rücksichtsloser umgehen, als das manch ein Konzern kann. Aber die Besonderheit von Ferrari sollte man schon auch berücksichtigen.
Dies gesagt: Ferrari ist keine Bastlerbude, es ist ein internationaler Konzern. Und während das Management der Auto- und Merchandise Sparte seit Jahrzehnten fast problemlos läuft, ist das Management des F1-Teams weit davon entfernt.
Die vielen Strategiefehler waren das eine. Entweder man war zu aggressiv, oder man war zu ängstlich. Erst, als man für ein paar Rennen ein bisschen besser war als der Rest, lief es besser. Was auch viel über die Hilflosigkeit aussagt, mit der sich Ferrari in den ersten Monaten konfrontiert sah. Siehe Chassis-Entwicklung.
Das viel größere Problem entwickelte sich aber zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc. Wobei man ehrlicherweise sagen muss, dass das Problem zunächst nur bei Vettel lag. Leclerc machte von Anfang nur das, was man von ihm erwartet hatte. Das Vettel da nicht mithalten konnte, das war das Problem. Egal auf welcher Strecke, Leclerc hatte meist die Nase vorn. Nicht so sehr im Rennen, aber in der wichtigen Qualifikation (12:9 für Leclerc). Die schlechtere Ausgangsposition und die teilweise verwirrenden Strategie Entscheidungen führten zu Konflikten auf der Strecke.
Vettel überzeugte in diesem Jahr nicht. Das hat er auch selber nach Abu Dhabi zugegeben. Es gab Ausnahmen, wie in Kanada, aber es waren eben Ausnahmen. Gleichzeitig zeigte er eine erstaunlich hohe Fehlerquote. Die hätte man Leclerc als Rookie bei Ferrari zugestanden, aber nicht eine vierfachen Weltmeister.
Ferrari gelang es vom ersten Rennen nicht, den schwelenden Konflikt zwischen Vettel und Leclerc einzudämmen. Was dann in der überflüssigen Kollision zwischen beiden in Brasilien endete. Aber die hatte sich seit Monaten angekündigt. Das lässt dann nur zwei Schlüsse zu.
Entweder hat man es bei Ferrari nie geschafft sehr klare Regeln aufzustellen oder beide Piloten haben sie ignoriert, ohne das Ferrari etwas dagegen getan hätte oder in der Lage war zu unternehmen. Wenn man aber als Teamchef nicht in der Lage ist in einem Rennen klare Verhältnisse zu schaffen, dann wird es schwer. Anderen Teams ist das gelungen. Mercedes setzte Hamilton und Rosberg ein Ultimatum, ebenso setzte sich Force India im Streit zwischen Perez und Ocon durch (was sicher etwas leichter war). Dass Ferrari im Moment offen mit einem Engagement von Hamilton flirtet ist zumindest ein Anzeichen dafür, dass man die Schuld mehr bei Vettel sieht.
Aber es war ja nicht alles schlecht in diesem Jahr, was Auswirkungen auf 2020 haben kann. Das Chassis hatte Mängel, man hat die aber in den Griff bekommen und weiß, was zu tun ist. Der Motor sollte 2020 wieder an der Spitze stehen. Bleibt die Frage nach einer starken Teamführung und einer besseren Strategie.
Wertung:
Team: 6 von 10
Vettel : 6 von 10
Lecerlc: 8 von 10