Die Zahlen sprechen mal wieder für sich, aber die Mercedes Rüstung zeigte hier und da erste Risse.
Da gibt es keine Diskussion. Hamilton gewann den WM-Titel mit 125 Punkten Vorsprung vor dem ersten Nicht-Mercedes Piloten. In der Konstrukteurs-WM lag man Ende mit satten 235 Punkten vor Ferrari. Man hat, mal wieder, alles gewonnen, was es zu gewinnen gab und das auch nicht knapp oder unverdient. Erneut war das Mercedes Team das Maß aller Dinge. Und das galt für alle wichtigen Punkte: Chassis, Chassis-Entwicklung, Motor, Strategie und Management. Man hat sich einfach keine Fehler erlaubt.
Und das in einem Jahr, dass intern nicht leicht für Mercedes war. Der Tod von Niki Lauda hat das Team hart und vor allem Toto Wolff hart getroffen. Nicht nur menschlich, sondern auch in der Arbeit. Lauda galt als einer wichtigsten Architekten des Erfolges, weil er das „große Ganze“ verwaltete. Er war im Team eine absolute Respektsperson, jemand, dem auch Lewis Hamilton nicht widersprach. So eine überlebensgroße Person zu verlieren, ist nicht einfach. In Sachen Management hat man die Lücke mit einer leichten Verschiebung im Management korrigiert, in dem man James Allison eine noch größere Rolle zugesprochen hat.
Ein weiterer Verlust, den man nicht unterschätzen sollte, ist der Abgang von Aldo Costa. Der hatte nach seinem Rauswurf von Ferrari, fast alle Chassis der letzten Jahre entworfen und mit seinem verantwortet. An Talent mangelt es bei Mercedes zwar nicht, aber ich bin gespannt, wie sich der Weggang von Costa auf die Entwicklung des Autos im nächsten Jahr auswirken wird. Einen positiven Hinweis lieferte das Team aber mit der Weiterentwicklung des Chassis in diesem Jahr ab.
Die Saison lief für Mercedes, man ist schon fast geneigt zu sagen, wie immer fast perfekt ab. Der Saisonstart mit acht Siegen in Folge war es allerdings. Die WM war eigentlich nach dem Rennen in Frankreich gelaufen, spätestens aber nach dem grandiosen Wochenende in Ungarn, wo man die eigentlich schnelleren Red Bull schlagen konnte.
Ein paar Risse in der perfekten Rüstung konnte man allerdings danach sehen. Zu Beginn der zweiten Saisonhälfte folgen drei sieglosen Rennen, was schon fast erstaunlich war. Auch die Tatsache, dass Lewis Hamilton kaum noch eine Pole holen konnte. Erst im letzten Rennen gelang ihm das wieder. Im September und Anfang Oktober schimmerte ein bisschen durch, wie die Saison auch hätte laufen können. Mit einem sehr starken Ferrari-Team und Red Bull, die ebenfalls am Sockel von Mercedes kratzen.
Dass Mercedes für ein paar Rennen von der Rolle war lag daran, dass man die Entwicklungen zurückgefahren hatte. Der Vorsprung war groß genug, die Kapazitäten im Werk konzentrierte man lieber auf das Jahr 2020 und 2021. Allerdings schob man Mitte Oktober dann noch ein paar Updates nach und im letzten Rennen sogar noch mal einen neuen Motor. Aber so ist das, wenn man so überlegen ist: man selbst schwächere Phasen einplanen.
2020 sollte für Mercedes nicht schlechter laufen. Da muss man ehrlich sein. Eine Schwäche des diesjährigen Chassis war dessen Empfindlichkeit in Sachen Streckentemperaturen. Stiegen die in Richtung 50 Grad Celsius hatte man zu Beginn der Saison arge Probleme mit dem Reifenverschleiß. Das bekam man aber im Verlaufe des Jahres etwas besser in den Griff. Da man im nächsten Jahr ausnahmsweise mal die gleichen Reifen wie im Vorjahr verwenden wird, weiß man, was zu tun ist. Ebenfalls weiß man um die Schwäche beim Topspeed, hier wird man ebenfalls nacharbeiten. Was im Endeffekt bedeutet, dass man 2020 mit einem sehr, sehr guten Chassis an den Start gehen wird.
Bei den Fahrern gab es ebenfalls wenig zu beklagen. Bottas erwischte einen sehr guten Start in die Saison, aber dann verließen ihn mal wieder das Glück und die Konzentration. Toto Wolff bezeichnete Bottas, sehr zu dessen Ärger, in dieser Saison mal als „Wingman“ von Hamilton. Aber ehrlich gesagt: genau das ist er. An guten Tagen ist er nicht langsamer als Hamilton, an außergewöhnlichen ist er auch mal besser. Aber genau hier liegt das Problem: Wenn man jemanden wie Hamilton schlagen will, dann benötigt man ausschließlich außergewöhnliche Wochenende in der gesamten Saison. Bottas ist bestimmt nicht langsam, aber eben nicht auf dem Niveau des Briten.
Der wiederum wird in England schon als Halb-Gott verehrt. Sechs WM-Titel, nur einer weniger als Schumacher und irgendwie scheint es noch niemanden zu geben, der Lewis Hamilton das Wasser reichen kann. Er macht aber auch einfach alles perfekt. Er kann aggressiv sein, wenn er es sein muss, und dann gibt es außer Verstappen vielleicht niemanden, der ihn hinter sich halten kann.
Er kann aggressiv verteidigen, wie er in Ungarn und Monaco gezeigt hat und dann kommt auch kein Verstappen vorbei. Er kann cruisen, wenn es sein muss, er kann ein Rennen lesen und hat manchmal den besseren Überblick als seine Strategen an der Box. Er ist der perfekte Formel Eins Fahrer und weil er mittlerweile auch noch weniger emotional ist als es Schumacher oder Senna waren, ist er ihnen in diesem Punkt überlegen. Man muss kein Fan von ihm sein, aber es ist schwer nicht einer zu werden. Was ihm vielleicht ein bisschen abgeht, ist der Humor von Verstappen. Manchmal wirkt er etwas zu verbissen, aber genau deswegen ist vermutlich auch sechsmal Weltmeister geworden.
Wertung
Team: 9 von 10
Hamilton: 10 von 10
Bottas: 7 von 10