Nach den BTCC-Rennen in Snetterton läuft alles auf eine Meisterschafts-Entscheidung zwischen Titelverteidiger Colin Turkington und dem Champion des Jahres 2017, Ashley Sutton, hinaus. Außenseiter-Chancen haben noch Dan Cammish und Tom Ingram. Mit zwei Siegen konnte Turkington in Snetterton die Führung in der Meisterschaft zurückgewinnen, während er dritte Sieg des Tages an Ollie Jackson ging.
Lauf 1
Nach dem verwachsten Croft-Wochenende und dem Fall auf den dritten Rang in der Meisterschaft war Colin Turkington in Snetterton von Anfang an im Attacke-Modus unterwegs und holte sich im erstmals als Experiment ausgetragenen Top Ten-Shootout mit 2 Zehntelsekunden Vorsprung recht deutlich die Pole Position für den ersten Lauf. Nach dem Start musste Turkington dann zwar eine Attacke des von Startplatz drei gestarteten Tom Ingram abwehren, konnte sich aber im weiteren Rennverlauf einige Wagenlängen von den Verfolgern absetzen und sich recht mühelos einen in Sachen Meisterschaftskampf wichtigen Sieg sichern, der ihn dank der Bonuspunkte für die Pole Position, die schnellste Runde und absolvierte Führungsrunde punktgleich mit Ash Sutton machte.
In einem für BTCC-Verhältnisse eher ereignisarmen Rennen fuhr Tom Ingram dahinter einen für ihn ebenso wichtigen zweiten Platz ein, den er aber über weite Strecken gegen Jake Hill im AmD Tuning-Honda verteidigen musste. Hill hatte sich zum zweiten Mal in Folge sensationell für den zweiten Startplatz qualifiziert, kam aber schlechter als Ingram weg und musste dem Toyota-Piloten den Vortritt lassen. Hill hatte zwar das schnellere Auto, fand dann aber keinen Weg mehr am Toyota vorbei. In der siebten Runde probierte Hill es zwar beim Anbremsen zur Haarnadelkurve, kollidierte dabei aber mit Ingram und gab die kurzzeitig gewonnene Position wieder her, um einer möglichen Strafe zu entgehen. Letzten Endes beendete Hill das Rennen auf dem dennoch sehr guten dritten Platz.
Ein wenig mehr Verschiebung hatte es auf den Positionen dahinter gegeben. Rory Butcher, von Platz vier gestartet, erwischte einen eher schlechten Start und musste Dan Cammish, Ash Sutton und Tom Oliphant passieren lassen. Nachdem Sutton und Oliphant in der ersten Kurve aber aneinandergerieten, gewann Butcher zunächst die Position gegen den in die Auslaufzone rodelnden BMW-Piloten zurück und konnte wenige Kurven später auch wieder an Sutton vorbeigehen. In der Folge machte Butcher dann Jagd auf Cmmaish, den er in der fünften Runde mit einem schönen Manöver in der Wilson Hairpin überholen konnte. Gegen Rennende war Butcher dann sogar an Ingram und Hill dran, für einen Angriff auf das Podium reichte es jedoch nicht mehr und Butcher beendete das Rennen schließlich analog zu seinem Startplatz auf Rang vier.
Dan Cammish, der bei den sehr kalten Außentemperaturen (zudem hatte es in der Nacht geregnet) seine Reifen nicht auf eine vernünftige Arbeitstemperatur bekam (ein Problem, das alle FK8 Civics an diesem Tag betraf), musste nach dem verlorenen Platz gegen Butcher noch eine weitere Position an Ash Sutton hergeben und wurde schließlich „nur“ sechster, was ihn im Meisterschaftskampf empfindlich Boden verlieren ließ. Dahinter belegten Adam Morgan, Josh Cook, Senna Proctor und Michael Crees die weiteren Positionen in den Top Ten.
Lauf 2
Mit Startplatz eins und Startplatz zwei versprach der zweite Lauf beste Chancen für Turkington und Ingram: Turkington hatte die Gelegenheit, sich von Sutton abzusetzen, während Ingram weiter an seinem Rückstand in der Punktetabelle feilen konnte – wobei es dazu natürlich am besten wäre, auch vor Turkington die Zielflagge zu sehen. Beim Start behielt Colin Turkington dann aber die Führung gegenüber Ingram, während Jake Hill einen schlechten Start erwischte und u.a. Butcher und Sutton passieren lassen musste. Turkington setzte sich in der Folge ein ganzes Stück von den Verfolgern ab, während Sutton dahinter alles probierte, um an Butcher vorbeizugehen, während dieser gleichzezitg versuchte, Attacken auf Tom Ingram zu setzen.
Sutton, in dem Wissen, dass Turkington an der Spitze mühelos einem weiteren Sieg entgegenfuhr und damit die Führung in der Meisterschaft übernehmen würde, wollte unbedingt an Butcher und Ingram vorbei, aber der Toyota-Pilot wirkte wie ein Bremsklotz, der sich einfach nicht überholen ließ. Einer der Höhepunkte war, als Suttons Onboard-Kamera zeigte, wie er hektische Handsignale an den vor ihm fahrenden Butcher gab und ihm bedeutete, Ingram unbedingt weiter zu attackieren. Im weiteren Rennverlauf reihten sich dann auch Dan Cammish und der beim Start zurückgefallene Jake Hill in die Verfolgerpositionen ein.
Mit dem deutlich in Führung liegenden Turkington und der Kette an Verfolgern, die es nicht schaffte, an Ingram vorbeizugehen, schienen die Positionen dann bereits bezogen, als ein Crash von Jack Goff in der vorletzten Runde eine Safety Car-Phase einläutete. Laut BTCC-Reglement können bei einem Safety Car-Einsatz bis zu drei zusätzliche Rennrunden an die ursprünglich geplante Distanz angehängt werden, so dass das Feld nach der Bergung von Goffs VW noch mal zu einem letzten Sprint über eine Rennrunde entlassen wurde.
Turkington ließ aber auch dieses Mal nichts anbrennen und leitete zum richtigen Zeitpunkt den Restart ein, so dass er sich direkt wieder absetzen und mühelos einem weiteren Sieg entgegen fahren konnte. Dahinter ging es allerdings etwas wilder zur Sache, als Rory Butcher beim Anbremsen zur Wilson-Hairpin in das Heck von Ingrams Toyota krachte. Ingram konnte glücklicherweise weiter fahren und behielt auch seine zweite Position; Butcher, mit ordentlich onduliertem Auto, verlor jedoch eine Position gegen Ash Sutton und konnte sich nur mit Mühe gegen Dan Cammish verteidigen, der dann durch die missglückte Attacke auf den Ford-Piloten an Fahrt verlor und in letzter Sekunde noch von Jake Hill geschlagen wurde.
Mit dem dritten Platz hinter Ingram konnte Sutton somit in letzter Minute immerhin etwas Schadensbegrenzung im Meisterschaftskampf betreiben. Rory Butcher musste sich dahinter mit dem vierten Platz begnügen, während Jake Hill letzten Endes fünfter und Dan Cammish sechster wurden. Josh Cook, Ollie Jackson, Adam Morgan und Chris Smiley belegten die weiteren Positionen in den Top Ten. Der Hyundai-Pilot Chris Smiley wurde dann auch auf die Pole Position des dritten und letzten Lauf des Tages gelost.
Lauf 3
Ein möglicher Hyundai-Debüt-Sieg hatte sich aber bereits wenige Meter nach dem Start erledigt. Smiley kam vergleichsweise schlecht weg und musste Adam Morgan, Ollie Jackson und Josh Cook vorbeiziehen lassen. Während Cook noch in der ersten Runde nach einem Gerangel mit Dan Cammish mehrere Positionen zurückfiel (Cammish verlor ebenfalls einige Positionen, beide konnten aber weiterfahren), schnappte sich Ollie Jackson mit einem tollen Manöver in Agostini die Führung von Morgan.
In der vierten Runde schaffte es auch Rory Butcher an Smiley vorbeizugehen, so dass sich in der Reihenfolge Jackson, Morgan, Butcher ein Spitzentrio bildete, das sich von den übrigen Verfolgern, die hinter dem langsameren Smiley festhingen, absetzen konnte. Erster Verfolger von Smiley war Ash Sutton gefolgt von Jake Hill, Tom Ingram und Colin Turkington. In der fünften Runde probierte Sutton eine Attacke auf Smiley, die jedoch fehlschlug und zu einem leichten Rückstau führte, der es Tom Ingram ermöglichte in einem irren Manöver auf der Bentley Straight sowohl an Hill und Sutton als auch an Smiley vorbeizugehen.
Während Ingram sich schnell absetzen konnte und versuchte, zum Spitzentrio aufzuschließen, blieb für die übrigen Verfolger der Hyundai-Bremsklotz zunächst weiter bestehen. Zum Ende der sechsten Runde probierte Sutton dann in der langgezogenen Coram-Rechtskurve vor Start-Ziel eine weitere Attacke, die für ihn aber erneut schlecht ausgehen sollte. Zwar kam er zunächst an Smiley vorbei, dieser konterte dann aber erfolgreich auf der Start-Ziel-Geraden, wodurch Sutton keine Möglichkeit hatte, sich gegen den ebenfalls angreifenden Colin Turkington zu verteidigen, der an beiden Kontrahenten vorbeiziehen konnte. In der auf die erste Kurve folgenden Hairpin verlor der aus dem Tritt gebrachte Sutton dann noch eine weitere Position gegen Dan Cammish, die er sich kurz darauf aber wieder zurückholen konnte.
Was Sutton vorher nicht geschafft hatte, gelang Colin Turkington dann recht mühelos, als er in Agostini an Smileys Hyundai vorbeizog. Kurz darauf gingen schließlich auch Sutton, Cammish und Hill vorbei, wobei Cammish den Hyundai zu guter letzt recht rabiat abräumte und neben die Strecke beförderte. Gegen Rennhalbzeit stellte sich das Geschehen also folgendermaßen dar: An der Spitze fuhr das Trio bestehend aus Jackson, Morgan und Butcher, die sich immer mal wieder probierten gegenseitig zu attackieren. Dahinter schloss Tom Ingram nach und nach zur Spitze auf und mit etwas mehr Abstand folgten dahinter Turkington, Sutton und Cammish.
Um es vorwegzunehmen: Auch wenn Adam Morgan es immer mal wieder probierte, fuhr Jackson am Ende hochverdient seinen zweiten BTCC-Sieg ein und Morgan durfte sich immerhin über ein gutes Podiumsresultat freuen. Dahinter brach dann aber gegen Rennende noch mal BTCC-typisches Chaos aus. Pünktlich zur letzten Rennrunde hatte es Ingram geschafft, an Butcher dran zu sein und probierte sogleich am Ford vorbeizugehen. Mit Turkington und Sutton hinter ihm zählte für Ingram jeder Punkt, um seine geringen Chancen in Sachen Meisterschaft aufrecht zu halten.
In der letzten Runde gelang es Ingram dann sich in Corams neben Butcher zu setzen und war beim Abbremsen auf die letzte enge Linkskurve Murrays auch eigentlich schon vorbei – durch Ingrams Attacke geriet Butcher jedoch neben die Ideallinie, verpasste seinen Bremspunkt und räumte Ingrams Toyota am Kurvenscheitelpunkt breitseits ab. Man möchte Butcher hier keine Absicht unterstellen, auch wenn die Rennkommissare in nachträglich mit Strafpunkten auf seine Lizenz belegten.
Durch die Kollision in deren Folge Ingram und Butcher in die Wiese neben der Strecke rutschten, konnten dann Colin Turkington und Ash Sutton vorbeiziehen. Butcher, der schneller als Ingram zurück auf die Strecke fand, sah die Zielflagge mit ramponiertem Auto dahinter auf Platz fünf. Es folgten Dan Cammish und Josh Cook, dann schließlich Ingram sowie Hill und Moffat.
Hier die Übersicht aller Einzelergebnisse der drei Läufe aus Snetterton:
Meisterschaft und Ausblick
Mit zwei Siegen und einem dritten Platz ist Colin Turkington ganz klar der Gewinner der Rennen in Snetterton. Dieses Ergebnis kam nach seinem Debakel-Wochenende in Croft genau zum richtigen Zeitpunkt und bringt ihm vor dem Saisonfinale die Führung in der Meisterschaft zurück. Ash Sutton, der jedes der drei Snetterton-Rennen hinter Turkington beendete, liegt jedoch nur neun Punkte zurück. Die Zeichen stehen also gut, dass wir uns auf ein spannendes Saisonfinale in Brands Hatch freuen dürfen.
Dan Cammish liegt mit 25 Punkten Rückstand auf dem dritten Platz in der Meisterschaft, muss aber eigentlich schon darauf hoffen, dass sowohl bei Turkington als auch bei Sutton in mindestens einem Lauf etwas deutlich schief läuft. Gleiches gilt für Tom Ingram, der mit 34 Punkten Rückstand auf dem vierten Meisterschaftsrang liegt. Wäre es nicht zur Kollision mit Butcher gekommen und Ingram hätte den letzten Lauf auf Platz drei oder vier beendet, würde er jetzt auf dem dritten Tabellenplatz liegen, was aber nichts an der Ausgangslage ändern würde, dass ein möglicher Titelgewinn nur über Nullnummern bei Turkington und Sutton laufen würde.
Ebenfalls noch rechnerische Chancen auf den Titel hat Rory Butcher auf Meisterschaftsplatz fünf. 63 Punkte Rückstand würden aber schon mehrere wundersame Ereignisse erfordern, damit Butcher sich am Ende zum Champion krönen lassen könnte. Hier eine Übersicht der kompletten Meisterschaftsstände:
Die weiteren Stände in der Meisterschaft inklusive Independent-, Team- und Hersteller-Wertung können bei TSL Timing angeschaut werden (PDF). In der Teamwertung führt Team BMW (WSR) recht komfortabel vor Halfords Yuasa Racing (Team Dynamics). Das gleiche Bild zeigt sich bei den Herstellern, wo BMW vor Honda führt. In der Independent-Wertung wird es zu einer Entscheidung zwsichen Ash Sutton und Rory Butcher kommen, wobei Suttons Vorsprung mit 60 Punkten analog zur Gesamtmeisterschaft schon sehr deutlich ist. Das Bild wiederholt sich in der Independent-Teamwertung, wo derzeit Laser Tools Racing die Nase vor Motorbase Performance hat. Mit dem in dieser Saison stark fahrenden Jackson neben Butcher besteht hier aber für Motorbase noch die gute Chance an Laser Tools Racing vorbeizuziehen, da Suttons Teamkollege Aiden Moffat deutlich weniger konstant unterwegs ist.
In der Jack Sears Trophy für den besten Fahrer, der vor der Saison noch nie auf dem Podium gestanden hat, führt derzeit Michael Crees vor Carl Boardley und Bobby Thompson. Thompson musste die Läufe wegen Spätfolgen seines mehrfachen Überschlags in Croft auslassen und wurde von Ethan Hammerton vertreten, wird aber nach derzeitigem Stand das Saisonfinale bestreiten können.
Das Saisonfinale findet am kommenden Wochenende auf dem Indy Circuit von Brands Hatch statt. Die Entscheidung, in dieser Saison nicht wie üblich zum Saisonende auf dem GP Circuit zu fahren, fiel durch die Corona-bedingt verschobene Saison die nun im englischen Spätherbst enden wird und man berechtigterweise Fragezeichen hinter die zu erwartenden Wetterbedingungen machte. Möglicher Frost und/oder Dauerregen lässt sich auf dem kürzeren Indy Circuit deutlich einfacher abfedern als auf dem größeren GP Circuit mit seinen langen Passagen durch den Wald.
Eine Prognose, wer von den Titel-Kandidaten Vorteile auf dem Indy Circuit haben wird, gleicht einem Blick in die Kristallkugel. Bei den Rennen auf dem GP Circuit zu Beginn der Saison konnte sich neben Colin Turkington auch Dan Cammish einen Sieg holen. Bei Cammish mache ich aber wegen der zu erwartenden niedrigen Temperaturen und dem weiter oben bereits angesprochenen Problem, dass die FK8-Civics dann anscheinend mit den Reifen haben, ein Fragezeichen. Zudem ist die Performance auf dem GP Circuit nicht wirklich auf den Indy Circuit, der eine ganz andere Streckencharakteristik hat, übertragbar.
Die letzten BTCC-Rennen auf dem Indy Circuit fanden vor über anderthalb Jahren zum Saisonauftakt 2019 statt. Damals siegten bei wechselhaften Bedingungen Josh Cook im BTC Honda, Andrew Jordan beim damaligen Debüt des neuen 3er BMWS und Rory Butcher, damals noch im FK2-Civic von AmD Tuning unterwegs. Angesichts der zu erwartenden niedrigen Temperaturen würde ich generell die üblichen Vorteile bei den hecktrieblern von BMW (Turkington) und Infiniti (Sutton) sehen – einfach weil sie ihre Reifen schneller auf Temperatur bringen können.
Aber es kann auch einfach den ganzen Tag Regen und alles im Chaos versinken, weshalb wir uns am besten einfach überraschen und auf einen spannenden Saisonabschluss freuen sollten. Die Startzeiten könnt ihr wie gewohnt unserem TV Planer entnehmen. Lauf 1 startet leider parallel zur Formel 1 in Istanbul, während der dritte Lauf wegen der kurzen Tageslichtzeit deutlich früher als gewohnt stattfindet.
Bilder: btcc.net
1 Kommentare
Go Sutton!
Comments are closed.