Regen sorgt in der Formel Eins immer für gute Rennen. So auch in der Türkei.
Lewis Hamilton wird in der Geschichte der Formel Eins eine besondere Rolle spielen. Die sieben WM-Titel sind das eine, aber wie er sie herausgefahren hat, ist eine andere Sache. Natürlich sitzt er im besten Auto. Aber das ist bei Bottas auch der Fall. Und Bottas fehlen 110 Punkte auf den Briten. Wäre der Finne alleine im Team, müsste Mercedes noch um die WM bangen, denn Verstappen liegt nur 27 Punkte hinter Bottas. Das Rennen in der Türkei lief einerseits sicher etwas glücklich für den Briten, auf der anderen Seite waren es auch seine Strategie Calls und sein Können, die ihm den Sieg möglich gemacht haben. Er war, neben Perez und Vettel, einer der wenigen Piloten, der sich keinen Fehler erlaubt hat.
Ist er der beste Fahrer aller Zeiten? Die Frage ist wie immer schwer zu beantworten. Es fehlen die Vergleiche. Vor 20 Jahren war Schumacher der Beste, vor 30 Jahren war es Senna. Davor Lauda, Fittipaldi, Stewart, Jim Clark, Jack Brabham oder Juan Manuel Fangio. Es gibt nur eine Sache, die Hamilton von all den genannten Fahrern unterscheidet: Er ist nie in einer anderen Rennklasse angetreten und hat dort für Furore gesorgt. Aber so ist das mit den aktuellen F1-Fahrern. Sie sind Spezialisten, keine Allrounder, die an ihren freien Wochenenden nebenbei noch etwas Geld verdienen müssen.
Aber von den Spezialisten ist der Hamilton sicher der Beste. Und vielleicht haben wir in diesem Jahr den besten Hamilton aller Zeiten gesehen. Jedenfalls war das Rennen in Türkei mal wieder ein Beweis für seine Fahrkunst und seine Übersicht im Rennen.
Dabei sah es gar nicht nach einem Sieg für Mercedes aus. Die Deutschen taten sich schwer auf den rutschigen Track in der Türkei. Die harten Reifen und eine Strecke ohne Grip ließen Erinnerungen an das zweite Rennen in Silverstone in diesem Jahr wach werden. Dort steckten die Mercedes ebenfalls in Problemen, weil sie die Reifen nicht auf Temperatur bekamen. Das Spiel schien sich in der Türkei zu wiederholen, weil Mercedes mit den Regenreifen und Intermediates nicht zurecht kamen.
Die Qualifikation entwickelte sich daher zu einem echten Krimi mit überraschendem Ausgang. Die Mercedes schafften es in Q3, waren aber chancenlos, als es um die Pole ging. Das hätte eigentlich eine Sache für die Red Bull sein müssen, aber überraschenderweise hatte Racing Point etwas dagegen. Und es war Lance Stroll, der alle mit einer sehr bemerkenswerten Leistung überraschte. Der Kanadier zeigte im Regen am Samstag, wie viel Talent in ihm steckt. Die Pole war sicher eine Überraschung, aber die Art und Weise, wie Stroll sie herausfuhr war grandios. Immerhin ließ er nicht nur seinen Teamkollegen, sondern auch den im Regen immer starken Verstappen hinter sich.
Es war die erste Pole seit 2014, die nicht von Mercedes, Ferrari oder Red Bull erobert wurde. (Williams, Massa, Österreich). Und es brauchte eine Strecke mit neuem Asphalt und sehr viel Regen, damit das gelingen konnte. Was auch einiges über die Formel Eins aussagt. Vielleicht ändert sich das ja ab 2022. Zumindest kann man das hoffen.
Stroll versemmelte auch nicht, wie viele andere, den Start des Rennens. Obwohl die Wettersituation nicht sonderlich gut war, absolvierte Stroll seine Führungsrunden problemlos. Und auch als die Strecke etwas abtrocknete und er auf die Intermediates wechselte, behielt er die Führung. Es sah gut aus für Racing Point denn 37 Runden währte das Glück für das Team und für Stroll. Doch dann kam eine entscheidende Phase im Rennen.
Zur Mitte des Rennens entschieden sich einige Teams, allen voran die gut im Rennen liegenden Ferrari, frische Intermediates aufzuziehen. Für Racing Point stellte sich angesichts der guten Sektorenzeiten die Frage, was man machen sollte. Stroll beklagte abbauenden Grip auf einer Strecke, die zwar teilweise eine halbwegs trockene Ideallinie bot, aber halt nicht überall. Für Slicks war es deutlich zu früh. Also was tun?
Die Frage stellte sich einigen Teams und Fahrer. Auch bei Mercedes überlegte man länger, ließ den in dem Moment auf P3 liegenden Hamilton aber draußen. Die Lage für Mercedes stellte sich aber auch etwas anders dar. Aufgrund der Probleme die Reifen auf Temperatur zu bekommen, war ein Wechsel auf frische Intermediates mit Risiken verbunden. Wie man bei Bottas sehen konnte, der nach diversen Drehern (sechs waren es im gesamten Rennen) auch mit frischen Intermediates nicht in Schwung kam.
Für Ferrari war die Situation eine andere. Deren Chassis sorgt dafür, dass die Reifen schnell auf Temperatur kommen und so war der Wechsel auf neue Intermediates auch richtig. Aber wie war die Situation bei Racing Point? Man entschied sich zum einen auf den Fahrer zu hören, auf der anderen Seite splittete man die Strategie und ließ Sergio Perez draußen. Es sollte die richtige Entscheidung gewesen sein.
Mit den neuen Intermediates war Stroll eine „lame duck“. Er rutschte um die Strecke, verlor seinen Rhythmus und musste mehrere Konkurrenten passieren lassen. Am Ende blieb ihm nur der neunte Platz, was nach der Pole dann doch eine Enttäuschung war. Interessant ist dabei sein Abstand zu Perez am Ende. Der betrug rund 50 Sekunden im Ziel. Rund 22 Sekunden gehen auf das Konto des Boxenstopps. Aber den Rest verlor er vor allem in den ersten 15 Runden nach seinem Stopp, als er sich Graining einfing und noch mehr Zeit verlor. (Nachtrag: Erklärung von Racing Point)
Hätte Stroll das Rennen ohne Stopp gewinnen können? Vermutlich nicht. Denn je mehr die Strecke abtrocknete, desto besser kam Hamilton zurecht. Aus den Intermediates waren mittlerweile mehr oder weniger Slicks geworden. Zwar hatten sie nicht den Grip eines Slicks, aber sie waren auf Betriebstemperatur, was auf dem rutschigen Track extrem wichtig war.
Perez hatte exakt die Strategie, die Hamilton nutzte, aber je besser die Strecke wurde, desto schneller wurde der Brite. Am Ende deklassierte der Weltmeister Perez um satte 30 Sekunden. Was ungefähr dem Abstand entspricht, den Mercedes halt vor den Racing Point hat. So gern man mal einen anderen Piloten ganz oben auf dem Treppchen gesehen hätte, es war nicht realistisch. Bestenfalls wäre P2 und P3 für Racing Point herausgekommen, aber es war auch kein Fehler es mit frischen Intermediates zu versuchen.
Die zweite Überraschung des Rennens waren mit Sicherheit die Ferrari. Die Roten waren in der Türkei in guter Form, weil sie die Reifen wie erwähnt schnell auf Temperatur bekamen. Zwar passte das nicht in der Qualifikation, aber im Rennen lief es dafür umso Vettel hatte endlich mal wieder ein gutes Rennen und blieb während der gesamten Zeit in Kontakt zum Podium. Fast noch besser lief es für Leclerc, der in der ersten Runde noch im hinteren Mittelfeld hing, sich im Verlauf des Rennens aber zu Vettel nach vorne kämpfte. In der letzten Runde versuchte er dann noch Perez auf P2 zu schnappen, verbremste sich aber und musste Vettel passieren lassen.
Ein verdienter Lohn für den Deutschen, der damit endlich mal wieder auf dem Podium war. Überhaupt war es ein gutes Rennen von Vettel, der zeigen konnte, dass er eben nicht sein Mojo verloren hat. Seine Fahrt in den ersten Runden und im letzten Drittel des Rennens war sehr gut. Aston Martin wird beruhigt sein.
Überhaupt nicht gut lief es für Red Bull und das war die dritte Überraschung. Eigentlich waren Wetter und Strecke genau richtig für die Österreicher. Aber sowohl Verstappen als auch Albon fanden sich im Rennen neben der Strecke wieder. In beiden Fällen kostete dies Red Bull mindestens das Podium. Verstappen hatte eines seiner schlechtesten Rennen der jüngeren Vergangenheit. Man hatte mehrfach den Eindruck, dass er frustriert und ungeduldig war und so das Auto überfuhr.
Bei Albon lief es auch nicht gut. In der Quali mal wieder geschlagen, im Rennen machte er Fehler. Er landete zwar direkt hinter Verstappen, aber sein Fehler zur Mitte des Rennens hat Red Bull vermutlich ein Podium gekostet. Das macht seinen Platz bei Red Bull nicht sicherer. Das Team will in den nächsten zwei Wochen entscheiden, was man 2021 machen will. Die sehr gute Performance von Sergio Perez macht Albon das Leben nicht einfacher.
Die F1 macht jetzt eine Pause von 14 Tagen. Dann geht es mit dem Triple Header in Bahrain und Abu Dhabi weiter.
Bilder: Ferrari, Daimler AG, McLaren, Renault, Racing Point, Alfa Romeo, Williams, Haas.