Die IMSA macht Ernst: Ab 2022 ersetzt eine neue Klasse namens GTD PRO die kriselnde GTLM-Division für GTE-Autos. In der GTD PRO werden zwar wie in der normalen GTD FIA-GT3-Fahrzeuge antreten, doch erstmals sind dort auch offiziell Werksteams erlaubt. Die Auswirkungen des Umbruchs sind bereits bei den diesjährigen 24 Stunden von Daytona spürbar.
Hintergrund
Im Sportwagen-Rennsport sind GT-Klassen oft die unbesungenen Helden: Sie stellen die Hälfte des Feldes, bringen neue Fahrer sowie Teams in die Serien und liefern sich dank Kontrollmechanismen wie der BoP auch noch die besten Duelle. Trotzdem werden sie immer im Schatten der Prototypen bleiben, und schaffen es in vielen Fällen nur wegen misslungener Manöver oder als störende Elemente des Verkehrs in die Übertragung.
Eine angenehme Ausnahme von dieser Regel war in den letzten fünf Jahren die GTE-Pro in der WEC (als GTLM in der IMSA). Beflügelt vom Ford-Einstieg schaffte es die GT-Königsklasse sogar, der übermächtigen LMP1-Hybrid-Konkurrenz ordentlich Sendezeit abzuringen. Mit dem schrittweisen Zerfall der LMP1 wurden die GT-Fights dann immer formatfüllender.
Doch ähnlich wie die LMP1 verschluckten sich zuletzt auch die GTE-Profiklassen an ihrem eigenen, kostenintensiven Erfolg. Die Ausstiege von Ford und Aston Martin sowie die Teilausstiege von BMW (WEC) und Porsche (IMSA) haben die jeweiligen Felder zuletzt kollabieren lassen, neue Hersteller sind nicht in Sicht. Diesseits und jenseits des Atlantiks diskutieren die Organisatoren deshalb schon seit Monaten intensiv über die Zukunft. In Nordamerika hat man nun die Konsequenzen gezogen und wird die GTLM nach der aktuellen Saison einstampfen. GT-Fans werden den harten GTE-Schlachten zwar nachtrauern, doch der Schritt hin zu GT3-Autos war unausweichlich. Spannend wird nun, wie der ACO darauf reagieren wird. Ein mögliches Szenario wäre die Übernahme von GT3-Boliden ab 2023 – wenn auch die neuen (bislang bekannten) LMDh-Projekte von Audi, Porsche und Acura zu den Hypercars dazustoßen werden.
GTLM (sechs)
Beim letzten Auftritt der GTLM bei den 24 Stunden von Daytona gehen immerhin sechs Autos an den Start. Abseits der Endurance-Läufe (Daytona, Sebring, Watkins Glen und Road Atlanta) droht hingegen ein Trio aus zwei Werks-Corvetten und einem privaten Porsche 911 RSR – letzterer immerhin mit gutem Willen aus Weissach ausgestattet. Was ist mit den anderen? BMW Motorsport und der US-Partner Rahal Letterman Lanigan Racing haben ihr Programm vor einigen Wochen offiziell auf den Endurance Cup runtergekürzt, Risi Competizione – meist nicht gut auf die IMSA-Oberen zu sprechen – ist mittlerweile nur noch in Daytona am Start.
BMW (zwei)
Das Gefühl einer Abschiedstour kennen die Fans des BMW M8 GTE nur zu gut. Das Auto, das in die übergroßen Fußstapfen, Pardon, das übergroße Auto, das in die Fußstapfen der Vorgänger M6 GTLM und Z4 GTLM trat, ist in der WEC nur noch eine ferne Erinnerung, in der IMSA hingegen wie ein Zombie, der sich von Jahr zu Jahr schleppt. Letzteres allerdings durchaus erfolgreich: In Daytona strebt BMW den dritten GTLM-Klassensieg in Folge an, und auch sonst konnte man häufig die ressourcenintensive Konkurrenz von Porsche und GM herausfordern – mit freundlicher Unterstützung der BoP-Macher natürlich. Wenn die beiden Quartette gut durch die Nacht kommen, kann der M8 GTE zweifelsohne als Rolex24-Legende in sein letztes Jahr gehen.
#24 BMW Team RLL M8 GTE
John Edwards (Platin)
Jesse Krohn (Gold)
Augusto Farfus (Platin)
Marco Wittmann (Platin)
#25 BMW Team RLL M8 GTE
Connor De Phillippi (Gold)
Philipp Eng (Platin)
Timo Glock (Platin)
Bruno Spengler (Platin)
Corvette (zwei)
Never change a winning team? Nicht im Hause GM! Das Corvette-Projekt wurde über den Winter umfangreich überarbeitet und kaum ein Bereich blieb unangetastet. Für viel Aufregung sorgte dabei der Wechsel an der Spitze: Nach einem Vierteljahrhundert musste Doug Fehan seine Rolle als Corvette-Programmchef räumen, an seine Stelle trat Laura Wontrop Klauser. Dadurch kombiniert GM das Kundensport-Department (DPi und Camaro GT4) mit dem Corvette-Werkseinsatz von Pratt & Miller. Mit Wontrop Klauser bekam nämlich die Architektin des DPi-Erfolgs die neue Gesamt-Chefposition zugeteilt. Eine Vorahnung bezüglich der GTD PRO? Außerdem hat man den Fahrerkader aufgefrischt und dafür bei der Konkurrenz gewildert. So muss man sich nun an Nick Tandy und Alexander Sims in Corvette-Rennanzügen gewöhnen – oder aus der Sicht der Rivalen das Fürchten lernen.
#3 Corvette Racing C8.R
Antonio Garcia (Platin)
Jordan Taylor (Platin)
Nicky Catsburg (Platin)
#4 Corvette Racing C8.R
Tommy Milner (Platin)
Nick Tandy (Platin)
Alexander Sims (Platin)
Courtesy of IMSA Courtesy of IMSA
Ferrari (eins)
In Le Mans zuhause – in der IMSA ein Gast: So oder so ähnlich könnte man die aktuelle Ausrichtung des italo-amerikanischen Rennstalls Risi Competizione beschreiben. Owner Giuseppe Risi lieferte sich in den letzten Jahren viele Streitereien mit der IMSA und trat zuletzt nur noch in Daytona an. Das ist glücklicherweise auch in diesem Jahr noch einmal der Fall. Wie gewohnt bekommt der Einzelkämpfer aus Houston dabei Werks-Support von Ferrari und hofft auf etwas mehr BoP-Glück als in den letzten Ausgaben.
#62 Risi Competizione Ferrari 488 GTE
James Calado (Platin)
Alessandro Pier Guidi (Platin)
Jules Gounon (Gold)
Davide Rigon (Platin)
Porsche (eins)
Der Schock ist groß gewesen, als Porsche im letzten Jahr den Ausstieg aus der GTLM verkündet hat. Offiziell führte man damals Budget-Gründe im Zuge der Pandemie an, viele vermuteten jedoch erste Investitionsentscheidungen im Vorfeld des LMDh-Projekts. Einige Monate später ist nun zwar das neue Prototypen-Programm offiziell bestätigt, dennoch wird auch in diesem Jahr wieder ein werksunterstützter Porsche 911 RSR in Daytona und bei den nachfolgenden Läufen starten, Überraschung! Möglich wurde das Last-Minute-Projekt durch eine Zusammenarbeit des Serien-Sponsors WeatherTech mit Proton Competition und Porsche Motorsport. Lead-Driver der Nennung ist Sponsor-Sohn Cooper MacNeil, während Porsche das Line-Up mit eigenen Werksfahrern ergänzt und Proton sein Know-how aus unzähligen GTE-Am-Programmen zur Verfügung stellt – eine mehr als solide Mischung. Die Vorbereitung des 911 RSR fand sogar in der Werkstatt des ehemaligen Werkseinsatz-Dienstleisters Core Autosport statt. Wenn der gar nicht so langsame Cooper MacNeil in diesem Jahr strategisch klug zum Einsatz kommt, steckt in dem Newcomer damit durchaus ein Sieganwärter.
#79 WeatherTech Racing Porsche 911 RSR-19
Cooper MacNeil (Silber)
Kévin Estre (Platin)
Richard Lietz (Platin)
Gianmaria Bruni (Platin)
GTD (19)
Für die GT3-Klasse der IMSA war es ein erfreulicher Winter. Neben altbekannten Teams wie Vasser Sullivan (ab diesem Jahr ohne AIM) oder Turner Motorsport kündigten auch viele weitere Mannschaften ihre Rückkehr in die SportsCar Championship an. Dazu kommen in Daytona wieder diverse Gaststarter, die das Feld auf insgesamt 19 Nennungen anwachsen lassen – ein stabiler Wert für die GT-Basis. Noch steht das Full-Season-Feld nicht in seiner Gänze fest, doch die GTD PRO sollte ein gutes Argument dafür sein, ein Jahr Übung zu sammeln.
Acura (eins)
Porsche, Audi, Lamborghini und jetzt Acura: Nachdem Magnus Racing lange ein Synonym für 911er gewesen ist, geht das muntere Markenwechseln jetzt schon in die dritte Runde. Zusätzlich zum GTD-Meisterauto Acura NSX GT3 hat Magnus mit dem Traditionsteam Archangel einen neuen Einsatzpartner und mit IMSA-GTD-Champion Mario Farnbacher eine fantastische Daytona-Unterstützung hinzugewonnen. Sollte die Umstellung problemlos gelingen und im Rennen alles rund laufen, ist wieder ein Top-Ergebnis denkbar.
#44 Magnus with Archangel Acura NSX GT3
John Potter (Bronze)
Andy Lally (Gold)
Spencer Pumpelly (Silber)
Mario Farnbacher (Gold)
Aston Martin (zwei)
Als erste GTD-Marke hat sich Aston Martin am Donnerstag positiv über die GTD-PRO-News geäußert und sogar schon eine intensive Zusammenarbeit mit Kunden- und Partner-Teams angekündigt. Zwei passende Anwärter für mögliche GTD-PRO-Programme sind in der Form von Heart of Racing und TF Sport in diesem Jahr bereits am Start. Nachdem die letzte Ausgabe nach zwei Unfällen früh für Aston gelaufen war, ist es kaum möglich, den Vantage GT3 in Sachen BoP und Daytona-Standfestigkeit ordentlich einzuschätzen. Beide Nennungen haben jedoch starke Piloten im Aufgebot.
#23 Heart of Racing Team Aston Martin Vantage GT3
Ian James (Silber)
Roman De Angelis (Silber)
Darren Turner (Platin)
Ross Gunn (Gold)
#97 TF Sport Aston Martin Vantage GT3
Maxwell Root (Silber)
Charlie Eastwood (Gold)
Ben Keating (Bronze)
Richard Westbrook (Platin)
Courtesy of IMSA Courtesy of IMSA
Audi (eins)
Freunde der vier Ringe mussten lange warten, doch mit NTE Sport fand sich kurzfristig doch noch eine Einsatztruppe für den R8 LMS GT3. Mit JR Hildebrand ist sogar ein größerer Name im Aufgebot, doch in der Breite ist das Aufsteiger-Team aus der Pilot Challenge vorerst im hinteren Feld einzuordnen.
#42 NTE Sport Audi R8 LMS GT3
Alan Metni (Bronze)
Andrew Davis (Silber)
JR Hildebrand (Gold)
Don Yount (Bronze)
BMW (eins)
Auch in diesem Jahr hält Turner Motorsport tapfer zu BMW und wird wie gewohnt einen stark besetzten M6 GT3 an den Start bringen. Zusätzlich zur IMSA-Legende Bill Auberlen sorgt diesmal auch IndyCar-Youngster Colton Herta für reichlich Star-Power bei den 24 Stunden. Dank der beiden soliden Silber-Jungs Robby Foley und Aidan Read ist man daher zweifelsohne im Favoritenkreis.
#96 Turner Motorsport BMW M6 GT3
Bill Auberlen (Gold)
Robby Foley (Silber)
Aidan Read (Silber)
Colton Herta (Gold)
Ferrari (zwei)
Ähnlich wie in der GTLM war der Daytona International Speedway auch für die GTD-Nennungen von Ferrari zuletzt ein schwieriges Pflaster. Während es in den Qualifikationen meist noch gut lief, fehlte in den Rennen die Pace im Vergleich zur Spitze, wodurch man über die Distanz den Anschluss verlor. Dennoch wäre es ein Fehler, Ferrari heuer nicht auf dem Zettel zu haben – allein angesichts der beiden starken Quartette.
#21 AF Corse Ferrari 488 GT3
Simon Mann (Silber)
Nicklas Nielsen (Gold)
Daniel Serra (Platin)
Matteo Cressoni (Silber)
#63 Scuderia Corsa Ferrari 488 GT3
Ed Jones (Gold)
Bret Curtis (Bronze)
Ryan Briscoe (Platin)
Marcos Gomes (Silber)
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Lexus (zwei)
Wenn man so will, ist Vasser Sullivan für Lexus bereits so etwas wie ein GTD-PRO-Team. Die Mannschaft mit Wurzeln in der IndyCar stellt seit Jahren die bestmöglichen Kader zusammen und bringt die Fahrerstufen-Vorgaben dabei regelmäßig an ihre Grenzen. Mit den unten aufgeführten Neuverpflichtungen scheint es ihnen diesmal noch besser als eh schon gelungen zu sein. Somit sollten die in die Jahre gekommenen Lexus RC F GT3 weiterhin an jedem Wochenende zu den Favoriten gehören.
#12 Vasser Sullivan Lexus RC F GT3
Robert Megennis (Silber)
Zach Veach (Gold)
Townsend Bell (Gold)
Frankie Montecalvo (Silber)
#14 Vasser Sullivan Lexus RC F GT3
Aaron Telitz (Silber)
Oliver Gavin (Platin)
Kyle Kirkwood (Silber)
Jack Hawksworth (Gold)
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Lamborghini (drei)
In den letzten Jahren war der Huracán GT3 das Go-to-GT3-Auto in Daytona. Paul Miller Racing und das GRT Grasser Racing Team zeigten jeweils dominante Leistungen, und auch in diesem Jahr war man bislang vorne dabei. Alles andere als Top-Leistungen wäre also schon eine große Überraschung. Erst recht, da die Vertreter der Kampfstier-Marke weiterhin mit bestmöglichem Fahrerpersonal antreten.
#1 Paul Miller Racing Lamborghini Huracán GT3
Bryan Sellers (Gold)
Madison Snow (Silber)
Corey Lewis (Silber)
Andrea Caldarelli (Platin)
#19 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3
Misha Goikhberg (Silber)
Franck Perera (Platin)
Albert Costa (Gold)
Tim Zimmermann (Silber)
#111 GRT Grasser Racing Team Lamborghini Huracán GT3
Rolf Ineichen (Silber)
Mirko Bortolotti (Platin)
Steijn Schothorst (Silber)
Marco Mapelli (Gold)
Courtesy of IMSA Courtesy of IMSA
Mercedes (drei)
Gut, aber für Top-Ergebnisse nicht schnell genug – mit dieser Formel lassen sich die letzten Daytona-Auftritte des Mercedes AMG GT3 wohl am besten beschreiben. So kann es für die Stuttgarter nur gelegen kommen, dass heuer ein starkes Trio an den Start gehen wird und die – nun auf mehrere Schultern verteilten – Chancen damit massiv gesteigert werden. Zumindest ein Sprung in Richtung Top 5 steht damit in den Karten.
#28 Alegra Motorsports Mercedes AMG GT3
Daniel Morad (Silber)
Michael de Quesada (Silber)
Billy Johnson (Gold)
Maxi Buhk (Platin)
#57 Winward Racing Mercedes AMG GT3
Russell Ward (Silber)
Philip Ellis (Silber)
Indy Dontje (Silber)
Maro Engel (Platin)
#75 Sun Energy 1 Mercedes AMG GT3
Kenny Habul (Bronze)
Raffaele Marciello (Platin)
Mikaël Grenier (Silber)
Luca Stolz (Gold)
Courtesy of IMSA Courtesy of IMSA Courtesy of IMSA
Porsche (vier)
Ein großer Profiteur des GTLM-Ausstiegs von Porsche war das IMSA-Kundensportprogramm in der GTD. Denn mit Laurens Vanthoor und Earl Bamber sind gleich zwei Spitzenpiloten in die GTD abgewandert – Bamber hat sich im Zuge dessen sogar bei einem Team beteiligt. Und auch sonst ist der Fahrermix konstant gut und bietet mit Christina Nielsen und Katherine Legge zwei erfreuliche Rückkehrerinnen.
#9 Pfaff Motorsports Porsche 911 GT3 R
Zacharie Robichon (Silber)
Laurens Vanthoor (Platin)
Lars Kern (Silber)
Matt Campbell (Gold)
#16 Wright Motorsports Porsche 911 GT3 R
Trent Hindman (Silber [Stand: 2020]- Ersatz für Ryan Hardwick nach Gehirnerschütterung)
Patrick Long (Platin)
Jan Heylen (Silber)
Klaus Bachler (Gold)
#64 TeamTGM Porsche 911 GT3 R
Ted Giovanis (Bronze)
Owen Trinkler (Silber)
Hugh Plumb (Bronze)
Matt Plumb (Silber)
#88 Team Hardpoint EBM Porsche 911 GT3 R
Rob Ferriol (Bronze)
Earl Bamber (Platin)
Katherine Legge (Gold)
Christina Nielsen (Silber)
© Porsche Motorsport © Porsche Motorsport Courtesy of IMSA © Porsche Motorsport
Weitere Informationen und Details zu den Klassen und Roar-Ergebnissen gibt es sowohl in der ersten Vorschau des Kollegen André als auch in unserem Podcast. Informationen zu TV-Sendern und Streams findet Ihr wie gewohnt hier. Traditionell möchten wir Euch außerdem wieder mit einem Liveblog durch die 24 Stunden bringen – wir freuen uns drauf!
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