Bottas räumt das Feld ab, Hamilton ist nach einer Runde letzter und vorne dominiert Ocon. Langweilig war es in Ungarn nicht.
Das Regen einem F1 Rennen immer hilft, ist eine schon fast abgedroschene Phrase. Aber sie stimmt auf der anderen Seite immer wieder. Vor allem Mischbedingungen gehören zu den Dingen, die die Teams hassen und die Fans lieben. Denn das Rennen wird dadurch schwer vorherzusagen und die fahrerischen Qualitäten der Piloten stehen mehr im Vordergrund. In solchen Fällen muss die Strategie auch passen, was nicht immer einfach ist. Das Rennen in Ungarn zeigte dieses Mal wieder deutlich.
Der Start in Budapest war nass und Bottas räumte in der ersten Kurve gleich mal die Favoriten ab. Der Finne war nach seinem schlechten Start viel zu spät auf der Bremse, rammte Norris, der wiederum Verstappen in Aus schob. Und weil es gerade so gut passte, nahm Bottas auf seinem Weg dann auch noch Perez mit, dem er so hart in die Seite krachte, dass der Honda-Motor des Red Bull wohl nicht mehr einsetzbar ist. Gleichzeitig verbremste sich auch Lance Stroll auf der Innenseite, rammte Leclerc der wiederum Ricciardo berührte und diesen drehte. Der kleine und seltene Fehler von Bottas führte am Ende zu einer Unterbrechung des Rennens, weil derartig viel Trümmer herumlagen, dass man die Strecke sauber machen musste.
Das waren gute Nachrichten für Verstappen, dessen rechte Seite durch den Einschlag von Norris arg in Mitleidenschaft geraten war. Seine Crew reparierte in der länglichen Pause so viel wie es ging. Aber es fehlten Teile des Unterbodens und vor allem die gesamten Barge Boards. Damit war klar, dass Verstappen kaum Chancen auf einen Seig haben würde, zumal er nach dem Unfall auch tief im Mittelfeld steckte.
Der Unfall hatte die Reihenfolge auf den Kopf gestellt. Ocon hatte sich wie Vettel und Latifi durch gemogelt und lagen hinter dem Führenden Hamilton. Bottas, Norris, Leclerc und Stroll waren aus dem Rennen. In der Pause hatte der Regen aufgehört und die Sonne knallte auf eine Strecke, die extrem schnell abtrocknete. In die Einführungsrunde zum Restart machte es deutlich, dass man unbedingt die Slicks benötigen würde. Und so kam es zum vermutlich kuriosesten Start in der F1 Geschichte.
Mercedes und Hamilton entschieden sich gegen einen Wechsel auf die Slicks aber das gesamte (!) Feld hinter ihm sah das anders. So stand der Weltmeister komplett alleine in der Startaufstellung, während der Rest an die Box fuhr. War das eine Fehlentscheidung? Toto Wolff verteidigte sein Team mit dem Hinweis, dass Hamilton an der Box genauso viel Zeit verloren hätte. Da das Team die erste Box hat, hätte man das gesamte Feld passieren lassen müssen bis man den Briten wieder hätte raussenden können. Allerdings wäre Hamilton auch nicht nach einer Runde auf dem letzten Platz, sondern irgendwo im Mittelfeld gelandet. Das hätte ihm dann am Ende vermutlich den Sieg gebracht.
Der kritische Fehler führte dazu, dass Ocon im Alpine den ersten Platz erbte, Vettel auf P2 lag und hinter ihm der erstaunliche Niclas Latifi. Der Kanadier steht bekanntermaßen ziemlich im Schatten seines Teamkollegen, aber schlecht sind seine Leistungen eigentlich nicht. In der Quali liegt er mittlerweile oft nur zwei Zehntel hinter Russell und die Rennen sind auch gut geworden. Erstaunlicherweise konnte er nach dem Restart den dritten Platz auch lange halten und Tsunoda distanzieren.
Die ersten Stopps zeigten allerdings, dass der Undercut in Ungarn sehr gut funktionierte. Mercedes stellte Hamilton auf eine Zwei-Stopp-Strategie um, da er im hinteren Mittelfeld hängen geblieben war. Der frühe Stopp führte dazu, dass er Ricciardo und Verstappen hinter sich lassen konnte, was logischerweise enorm wichtig war. Da er noch einen frischen Satz der Medium hatte und so in der Lage war, die harten Reifen auszuquetschen, fuhr er eine Rundenbestzeit nach der anderen und wühlte sich durchs Feld.
Der Undercut führte zu einigen Veränderungen im Feld. Latifi fiel auf P6 zurück, Sainz rückte nach vorne. Vorne wartete man mit den Stopps. Am interessantesten waren dabei die Funksprüche zwischen Sainz und seinem Team. Die wollten, nachdem Hamilton auf den neuen Reifen so schnell war, den Spanier an die Box holen, was dieser ablehnte. Und er sollte Recht behalten. Seine Rundenzeiten waren gut genug um Ferrari die strategischen Optionen offenzuhalten. Denn ein Stopp hätte den Ferrari weit zurück in den Kampf ins Mittelfeld zugeworfen. Später sagte Sainz auch korrekt voraus, dass Hamilton noch mal würde stoppen müssen. Es war schon erstaunlich, mit welcher Präzision Sainz die Calls machte.
Ganz vorne lieferte Esteban Ocon das beste Rennen seines Lebens ab. Obwohl Vettel das sichtbar schnellere Auto hatte, kam der Deutsche nicht am Franzosen vorbei. Das lag weniger an der Angriffslust von Vettel, sondern daran, dass man in Ungarn nicht überholen kann, wenn man nicht mindestens eine Sekunde pro Runde schneller ist oder neue Reifen hat. Vettel verlor Zeit vor allem im kurvenreichen zweiten Sektor, wo man nicht so dicht auffahren kann. Ocon nutzte die Batterie zudem geschickt, in dem er sich die Zusatzleistung für die beiden DRS-Zonen aufbewahrte. Dazu machte Ocon einfach keinen Fehler.
Der Druck für den Franzosen darf man dabei nicht vergessen. Er steht bisher im Schatten von Fernando Alonso, seine Leistungen sind bisher eher mau, auch wenn Alpine ihn schon mit einem neuen Vertrag ausgestattet hat. Und plötzlich liegt er in Führung, hinter ihm ein vierfacher Weltmeister in einem etwas schnelleren Auto, der permanent Druck macht. Ocon meisterte die Situation grandios. Kein Verbremser, kein Rutscher, keine Überanspruchung der Reifen, keine Fehler beim Stopp. Auch wenn er mit seinen 24 Jahren schon einige Erfahrung in der F1 hat, man kann ihn wirklich nicht genug loben.
Hätte Aston das Rennen dennoch gewinnen können? Durchaus. Zum einen verlor man bei Stopp rund eine Sekunde, die Vettel vermutlich am Ende fehlten, um Ocon zu überholen. Zum anderen war Vettel auch in manchen Situationen etwas vorsichtig. Auch wenn sie nur wenig Lücken auftaten, einmal hätte er eine Chance gehabt. Aber man darf dabei auch nicht vergessen, dass es für Aston auch um Punkte gegen Alpine geht. Hätte er den Wagen bei so einem Manöver beschädigt, wäre der Punkteverlust groß gewesen.
Ob Vettel allerdings seinen zweiten Platz behalten darf, ist eine andere Sache. Dem Team gelang es laut der FIA nicht nach dem Rennen die geforderte Menge von einem Liter Sprit aus dem Auto zu holen. Mehr als 0,3 Liter waren es nicht. Laut des Teams müssten aber 1,4 Liter noch im Tank sein. Vettel wurde dementsprechend disqualifiziert. Aston hat Protest eingelegt. Das Auto wurde versiegelt und man wird dann abwarten müssen, wie die Sache ausgeht.
Ein wenig glücklich war der Sieg natürlich, aber Alpine und Ocon haben sich den verdient. Immerhin haben die Franzosen in den letzten Jahren (auch hier im Blog) viel Prügel einstecken müssen. Aber der im Winter erfolgte Umbau des Teams scheint sich auszuzahlen. Ebenso die Verpflichtung von Fernando Alonso.
Der Spanier landete zwar nur auf P5 (vor der Disqualifikation von Vettel), aber er war es, der den Ausgang des Rennens entscheidend beeinflusste. Er bewegte sich im Rennen meist hinter Sainz, der er nicht entscheidend unter Druck setzen konnte. Aber er hielt den von hinten anstürmenden Hamilton über viele Runden auf. Der Brite steckte mit seinen älteren harten Reifen zunächst hinter Sainz fest bis sich Mercedes dazu entschloss den zweiten Stopp einzulegen. Damit fiel der Weltmeister wieder hinter Alonso zurück.
Die entstandene Lücke konnte Hamilton schnell wieder zufahren, aber dann packte Alonso seine gesamte Erfahrung aus knapp 20 Jahren Formel Eins aus. Ohne unfair zu sein, machte der den Alpine extra breit auf der Strecke und lieferte ein Lehrstück in Sachen defensives Fahren ab. Ich habe lange nicht jemanden so gut verteidigen sehen und es war ein Fest dem Spanier zusehen. Natürlich gelang Hamilton das Manöver mit den frischeren Reifen dann irgendwann doch, aber er hatte entscheidend Zeit in diesem Zweikampf verloren. Am Ende lag er nur 2,7 Sekunden hinter dem Sieger. Und er hatte das schnellere Auto und die besseren Reifen.
Hinter Alonso kamen die beiden Alpha Tauri auf P6 und P7 ins Ziel. Und damit gab es wieder Punkte für Tsunoda, bei dem ein deutlicher Aufwärtstrend zu erkennen ist. Aber die eigentliche schöne Story lag hinter den beiden. Denn Williams gelang es endlich mal wieder Punkte zu holen. Der gute Start von Latifi war dabei ein entscheidender Faktor. Das Traditionsteam entschied sich für eine defensive Strategie. Damit gab man zwar P3 auf, aber es bedeutete auch, dass man sicher um P6 liegen würde. Dazu kam, dass man wenig Druck von hinten hatte. Verstappen und Ricciardo hatten beschädigte Autos und kamen nicht vom Fleck. Hinter Latifi sicherte George Russell ab. Der einzige Konkurrent hätte Alfa Romeo sein müssen.
Und deren Leistung war extrem enttäuschend. Vielleicht passt das Auto nicht auf den langsamen Strecken, aber auffällig ist, dass es für Alfa im Moment nur rückwärts geht. Es mag auch daran liegen, dass man die Entwicklung eingestellt hat und sich auf 2022 konzentriert. Dennoch hätte man in Ungarn, gerade in so einem Rennen, mehr von Alfa erwarten müssen. Die Fortschritte bei Williams sind deutlich zu sehen und Alfa kann im Moment nicht mithalten. Sollte die Disqualifikation von Vettel Bestand haben, würde Räikkönen zwar auf P10 vorrücken, aber das ist in meinen Augen immer noch zu wenig.
Ein hervorragendes Rennen hatte Mick Schumacher. Der Deutsche hatte seinen Haas in FP3 mal wieder zerlegt, nachdem er vielversprechende Ergebnisse gezeigt hatte. Das Chaos am Start überlebte er unbeschadet und konnte sich sogar auf P10 vorfahren. Nach dem Restart konnte er diesen auch gegen Verstappen über etliche Runden halten. Der Niederländer musste sich schon sehr robust gegen den Haas durchsetzen. Am Ende konnte Schumacher auch den zweiten Alfa mit Giovinazzi hinter sich halten und landete auf P13.
Ein sicher ungewöhnliches Rennen mit einem verdienten Sieger. Es hätte mich auch für Aston Martin und Vettel gefreut, aber durch die Disqualifikation ist das nun hinfällig. Erstaunlich sind in diesem Jahr die Fehler bei der Strategie von Mercedes. Es war nicht das erste Mal, dass man in diesem Jahr völlig daneben lag. Auch der Fehler von Bottas dürfte dem Team schwer im Magen liegen. Man hatte die Chance auf einen Doppelsieg. Dass Verstappen nur auf P10 (P9) kam, half zwar die Führung in der WM zu übernehmen, aber die Chancen von Bottas auf einen Vertrag dürften eher gefallen sein.
Ein Wort noch zu Vettel. Der zeigte sich in Ungarn in Regenbogenfarben und zeigte damit seine Unterstützung für die LBGQ+-Community in Ungarn, die dort unter politischen und sozialem Druck steht. Am Donnerstag hatte er Schuhe mit dem Regenbogenmotiv, Samstag und Sonntag dann eine Maske und ein T-Shirt mit dem Aufdruck „Some Love“. Dies behielt er auch nach der Erklärung gegen Rassismus während der Hymne Ungarns an. Wofür die FIA ihm am Ende mit einer Verwarnung belegte. Und damit die leicht möglichste Strafe aussprach. Schönes Statement, vor allem von Vettel.
Die F1 geht jetzt in die Sommerpause und kommt Ende August wieder zurück. In der WM ist es weiter spannend. Hamilton hat gerade sechs Punkte Vorsprung, Mercedes in der WM nur 10. Um P3 streiten sich McLaren (163) und Ferrari (160). Die haben sich vom Mittelfeld abgesetzt, das ebenfalls eng zusammen liegt. Alpine (75), Aston (66) und Alpha Tauri (64) dürften bis zum Ende der Saison eng zusammenbleiben. Williams liegt nun mit sechs Punkten vor Alfa und den punktelosen Haas.
Bilder: Ferrari, Daimler, Alpine, Aston Martin, Williams, Haas, McLaren
3 Kommentare
Vettel ist für sein Team nur noch Ballast. Er hat die Gastfreundschaft der Ungarn schamlos mißbraucht, um bei den Mainstreammedien wohlfeilen Applaus einzustreichen. Die FIA hätte hier viel härter reagieren müssen, aber nach dem man schon Hamiltons Provokationen hat durchgehen lassen, war das präjudiziert. Die immer stärkere Politisierung in zalreichen Sportarten, die von extremen Aktivisten vorangebracht wird, führt zu einer spaltung und dazu dass das eigentliche Sportgeschehen immer stärker ins Hintertreffen gerät.
Es ist eine „Provokation“ für Gleichberechtigung und Menschenrechte einzutreten? Ich glaube, Sie sollten hier nicht mehr mitlesen.
Ja schon, sicher, irgendwo markant wie Sainz Calls liefert, wenngleich andere Fahrer das auch können (und Sainz ist ja nun auch kein Rookie mehr). Aber eigentlich muss man das von der anderen Seite betrachten: erstaunlich dass Ferrari immer noch beträchtliche Schwächen in Strategie und Taktik aufweist, mit schwacher Analyse und subidealen Calls. Das ist seit Jahren ein dickes Problem im Team, was auch schon mehr als einmal entscheidend die eigenen Chancen auf einen Meisterschaftskampf beschnitten hat, und es wird aus welchen Gründen auch immer einfach nicht abgestellt (mMn ist das noch immer schlichtweg Führungsschwäche). Darf eigentlich nicht sein dass der Fahrer das besser überblickt als das Team dahinter.
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