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24h Le Mans 2021: Vorschau LMP2-Klasse – Welchen Oreca hätten’s denn gern?

von StefanTegethoff
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Die LMP2-Klasse ist seit dem Reglements-Umbau 2011/12 ein wesentliches Standbein und ein großer Spannungsfaktor für den 24 Stunden-Klassiker. Auch in diesem Jahr ist wieder ein starkes Feld mit 25 Autos am Start – ein Platz auf dem Gesamt-Podium scheint möglich.    

Insbesondere wenn die Felder in der Top-Klasse – bisher LMP1, nun Hypercar – schwächeln, treten die LMP2-Fahrzeuge in den Vordergrund. Am eindringlichsten war dies 2017 der Fall, als Porsche und Toyota mit Problemen zu kämpfen hatten, während die besten der etwas langsameren LMP2-Boliden konstant und problemfrei auf der Strecke blieben: nur um eine Runde wurde damals der zeitweise führende Jackie Chan DC Racing-Oreca vom Hybrid-Porsche 919 nach stundenlanger Aufholjagd geschlagen.

In diesem Jahr sind nur fünf Hypercars am Start – und ob der neue Glickenhaus-Prototyp so sauber durch die 24 Stunden kommt, wie das erfahrene Rebellion-Team in den letzten Jahren, bleibt abzuwarten. Zudem sind die LMP2-Boliden von den Rundenzeiten her recht nah dran an der neuen Hypercar-Generation: am Testtag fuhr die LMP2-Spitze 3‘31er-Zeiten, die schnellsten Hypercard-Runden lagen bei 3’29. Da entsteht nicht viel Puffer für eventuelle Reparaturen an den deutlich anfälligeren Autos der Top-Klasse. Ein Gesamtpodium für den Klassensieger der LMP2 ist also denkbar. So oder so wird der Klassensieg über die gesamte Distanz hart umkämpft sein.

Für ein noch engeres, dichteres Feld sorgt die Tatsache, dass nahezu alle Teams inzwischen auf Chassis des dominierenden Herstellers Oreca umgestiegen sind. Ein einziger Ligier ist am Start (der aber keine Rolle spielen wird), Dallara ist ganz von der Entry List verschwunden, Riley-Multimatic hat in Europa eh nie eine Rolle gespielt. Der Gibson-Motor ist standardmäßig vorgeschrieben, ebenso die Reifen von Goodyear. Ich finde das schade. Le Mans stand (und steht) für mich immer für technische Vielfalt – dass die zweite Prototypen-Klasse nun de facto ein „Markenpokal“ mit Oreca-Gibsons ist, ist enttäuschend.

Daran wird sich aber auch so schnell nichts ändern, denn das aktuelle Regel- und Technikpaket wurde bis zum Ende der Saison 2023 verlängert. Neue Chassis-Hersteller außer den vier nominierten dürfen nicht einsteigen, und da Nachbessern ebenfalls stark eingeschränkt ist, werden alle Teams (im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten) einen Oreca 07 haben wollen. Das diesjährige Bild werden wir also auch 2022 und 2023 wiedersehen, wahrscheinlich wird dann auch noch der letzte Ligier verschwunden sein.

Neu ist aber die Einführung einer Pro/Am-Subkategorie. Die Fahrertrios setzten sich bekanntermaßen aus Profis, Halbprofis und sogenannten „Gentleman Drivers“ (betuchten Hobby-Rennfahrern, die oft jahrelang auf einen Start in Le Mans hinarbeiten) zusammen, die in vier Kategorien eingeteilt werden: Platin und Gold gelten als Profis, Silber und Bronze als „Amateure“, wobei die Klassifizierung nach Erfahrung und Erfolgen läuft. Gerade bei den Silber-Piloten gibt es auch einige sehr schnelle Nachwuchs-Fahrer. Das bekannte Reglement in der LMP2-Klasse besagt, dass mindestens ein Silber-Pilot Bestandteil jedes Fahrertrios sein muss. Damit die als Bronze eingestuften Gentleman-Fahrer auch etwas haben, worum sie kämpfen können, wurde nun die „Pro/Am“ geschaffen, in der ein Team eingeordnet wird, wenn mindestens ein Bronze-Pilot im Auto gemeldet ist. Die anderen beiden Cockpits sind auch hier frei besetzbar.

Die goldene Regel – etwas abgedroschen, aber immer noch gültig – ist in Klassen mit gemischten Fahrerbesetzungen: das schwächste Glied der Kette bestimmt, was möglich ist. Die Profis nehmen sich meist bei den Rundenzeiten nur ein paar  Hundertstel hier, ein paar Zehntel dort ab. Sicher, über die lange Distanz kann auch das einen Unterschied machen. Aber ein starker Gentleman Driver, der solide Rundenzeiten ohne Dreher fahren kann, ist das „Gold“ wert, was ihm als Fahrereinstufung nicht zukommt. Wenn der Bronze- oder Silberfahrer seine mindestens sechs Stunden Fahrzeit sauber abgespult bekommt, können am Sonntagmittag die hungrigen Jungspunde oder erfahrenen Profis um die Podiumsplätze kämpfen.  Oft genug hat uns die LMP2 so in den letzten Jahren spannende Kämpfe zwischen hochklassigen Piloten in den letzten Rennstunden geboten.

Die Multi Car-Teams

Sechs Teams sind mit mehr als einem Auto am Start, auf die möchte ich im Folgenden zuerst eingehen. Wahrscheinlich wird auch das Sieger-Trio aus dieser Gruppe stammen, denn diese Teams sind nicht nur zahlmäßig gut aufgestellt, sondern bringen auch jeweils mindestens ein sehr stark besetztes Auto an den Start. Hinzu kommt, dass die meisten von ihnen jahrelange Erfahrung in Le Mans, in der Klasse oder mit ihrem Oreca-Boliden haben.

Im Vorjahr gelang es United Autosports im fünften Versuch endlich, den Klassensieg zu holen. Der Umstieg des früheren Ligier-Spitzenteams auf ein Oreca-Chassis dürfte dabei geholfen haben, hat aber auch das Ende für echten Wettbewerb zwischen den beiden Herstellern eingeleitet. Das Team des Briten Richard Dean und des US-amerikanischen McLaren-Chefs Zak Brown bringt in diesem Jahr sogar drei Autos an den Start. Speerspitze ist die #22 mit den Titelverteidigern Felipe Albuquerque und Phil Hanson (mit 22 Jahren schon zum fünften Mal in Le Mans dabei!), die neuerdings vom schweizerischen Silber-Piloten Fabio Scherer unterstützt werden. Dieses Auto hat in zwei von drei WEC-Läufen 2021 den Klassensieg geholt und gehört klar zu den Favoriten.

Paul di Resta, Mitglied der Vorjahres-Siegerbesatzung, ist in die #23 gewechselt. Diese teilt er mit den britischen Landsleuten Alex Lynn und Wayne Boyd. Lynn war die letzten Jahre GTE-Werksfahrer für Aston Martin und hat kürzlich sein erstes Formula E-Rennen gewonnen. Boyd steigt als LMP3-Champion der europäischen wie auch der asiatischen Le Mans-Serie in die LMP2 auf. Diese Besatzung ist so nur für das 24h-Rennen zusammengesetzt, daher vielleicht noch nicht so eingespielt wie die #22, aber auch nicht zu unterschätzen. Etwas schwächer sehe ich die #32 mit Jonathan Aberdein, Nicolas Jamin und Manuel Maldonado. Die ist aus zwei ELMS-Trios neu zusammengesetzt. Maldonado ist der Cousin von Pastor und hat mit Wayne Boyd zusammen die LMP3 der Asian LMS gewonnen. Ex-DTM-Pilot Aberdein ist erstmalig in Le Mans am Start, Jamin wurde im Vorjahr für Panis Racing Klassendritter.

Zu den stärksten Konkurrenten dürfte Jota gehören. Hier kommen beide Autos aus der WEC. Den Klassensieg bei den 8h von Portimao konnte die #38, seit Jahren bekannt als „Mighty 38“, holen, die mit LMP1-Veteran Anthony Davidson, dem Vorjahres-FE-Champion Antonio Felix da Costa und dem inzwischen recht erfahrenen mexikanischen Silber-Piloten Roberto Gonzalez extrem stark besetzt ist. Dieses Trio wurde im Vorjahr für Jota Klassenzweiter in Le Mans – hinter der #22 von United. Und so könnte auch das Duell an der Spitze in diesem Jahr lauten. Die #28 ist mit Stoffel Vandoorne (Mercedes Formula E-Team, Ex-F1-Pilot in den schlechten McLaren-Jahren), Sean Gelael (der nach vier mäßig erfolgreichen Jahren die Formel 2 hinter sich gelassen hat) und Tom Blomqvist (zweiter Le Mans Start für den Ex-DTM-Piloten) eher als gemischte Wundertüte mit wenig Le Mans-Erfahrung einzuordnen.  Nach zwei WEC-Podien kann aber auch dieses Team an einem guten Tag um die Top 5 mitfahren.

Das dritte Top-Team dürfte G-Drive Racing sein. Roman Rusinov jagt seit vielen Jahren einem Le Mans-Klassensieg hinterher, bislang allerdings erfolglos. 2018 kam er zwar als erster ins Ziel, doch das Auto wurde disqualifiziert. Aktuell hat Rusinov eine stabile Partnerschaft mit Algarve Pro Racing, die beide seiner Autos einsetzen, dafür in diesem Jahr aber keines unter ihrem eigenen Namen. Die russische Flagge darf auch in Le Mans nicht auf dem Auto prangen, dafür steht dort aber – wie gewohnt – der Name des russischen Auto-Herstellers Aurus; es handelt sich aber um handelsübliche Oreca 07-Chassis.

Das starke Auto ist hier ganz klar die #26, in der neben dem erfahrenen und schnellen Rusinov selbst der frisch gebackene Formula E-Champion Nyck de Vries sowie als Silber-Pilot der erst 18-jährige Franco Colapinto sitzen. Letzterer gewann 2019 die spanische F4 und tritt aktuell in der Formula Regional European Championship an, wo er einen zweiten Platz zu Buche stehen hat. Hier baut sich jemand früh ein zweites Standbein auf, es ist Colapintos erster Le Mans-Start. Damit ist er auch der Risikofaktor in dieser Besatzung, aber zumindest auf kürzeren Distanzen lief es bisher gut: den vierstündigen ELMS-Lauf in Le Castellet konnte das Trio gewinnen.

Die #25 ist das erste Auto (in meiner Reihenfolge hier), das in der Pro/Am-Klasse gemeldet ist: der US-amerikanische Bronze-Pilot John Falb war schon zweimal mit Algarve Pro Racing in Le Mans am Start, diesmal wird er unterstützt von Roberto Merhi (dritter Le Mans-Start für den Formel 3-Euroseries-Champion von 2011) und dem jungen Le Mans-Neuling Rui Andrade. In der ELMS war für dieses Trio bisher ein Podium drin, ich rechne hier nicht mit einer vorderen Platzierung. Im Kampf der Pro/Am-Besatzung mag aber etwas drin sein, und für Falb dürfte der Sieg in dieser Sub-Klasse das Ziel sein.

In den letzten paar Jahren etabliert hat sich IDEC Sport. Das Motorsport-Team der Familie Lafargue wird gemanagt vom Ex-LMP1-Piloten Nicolas Minassian. 2018 haben sie mit der Klassenpole erstmalig auf sich aufmerksam gemacht, 2019 und 2020 stehen ein fünfter und ein sechster Klassenrang in Le Mans zu Buche.  Die #48 ist das Top-Auto des Teams: neben Silber-Pilot Paul Lafargue sitzen hier Paul-Loup Chatin und der Le Mans-Veteran Patrick Pilet am Steuer. Die beiden fuhren am Testtag absolute Top-Zeiten. Für dieses Trio sollte ein Top 5-Resultat im Bereich des Möglichen sein, wenn sie sauber durchs Rennen kommen.

Das zweite Auto, die #17 wird gemeinsam mit dem US-Team Era Motorsport eingesetzt und ist mit dem IT-Unternehmer und Bronze-Fahrer Dwight Merriman als Pro/Am-Entry gemeldet. Der US-Amerikaner wird unterstützt von den beiden Briten Kyle Tilley und Ryan Dalziel (LMP2-Klassensieger in Le Mans 2012 mit Starworks). In der ELMS lief dieses Jahr für beide Autos bisher wenig zusammen, aber bei den 24 Stunden von Daytona konnte Era mit der Besatzung Merriman / Tilley / Dalziel / Chatin den LMP2-Klassensieg holen. Ganz unbedarft ist also auch diese Truppe nicht.

Eine starke Debutsaison im LMP-Feld zeigt bisher das belgische Team WRT, ansonsten bekannt für den (erfolgreichen) Einsatz von GT-Audis. Die #31 tritt in der WEC an und ist mit Robin Frijns, Adels-Spross Ferdinand Habsburg und Charles Milesi recht ordentlich besetzt, wobei Frijns und Habsburg Le Mans-Neulinge sind. Milesi mit seinen 20 Jahren hat als einziger schon ein 24h-Rennen an der Sarthe bestritten, allerdings das Ziel nicht erreicht. Trotz eines Podiums beim WEC-Lauf in Spa rechne ich hier noch nicht mit einem Top-Ergebnis.

Sehr spannend ist die #41, die in der ELMS auch schon zwei Siege einfahren konnte und die Tabelle anführt. Hier sitzt mit Robert Kubica ein hochgeschätzter Ex-F1-Pilot am Steuer, dessen Karriere durch einen Rallyeunfall ausgebremst wurde. Louis Deletraz ist ein schneller Nachwuchsmann, der zwar ein paar Formel 2-Podien einfahren konnte, es aber leider nie ganz nach oben geschafft hat; sein Le Mans-Debüt gab er im Vorjahr im Rebellion-LMP1 und wurde Gesamt-Vierter. Dritter im Bunde ist der chinesische Silber-Pilot Yifei Ye, der auch erst 21 Jahre alt ist und – wie Kubica – sein Le Mans-Debüt feiert. Im Vorjahr räumte er die Euroformula Open-Meisterschaft ab, die allerdings auch nicht so stark besetzt war. Hier fehlt es noch an Erfahrung, aber ich rechne damit, dass man dieses Auto zumindest in der Anfangsphase vorn sehen wird.

Das letzte der Zwei-Wagen-Teams ist die dänische Equipe High Class Racing. Hier liegt das Augenmerk auf der #49, in der das Vater-Sohn-Duo Jan und Kevin Magnussen gemeinsam antritt. Für Kevin ist es nach dem Ende der F1-Karriere das Le Mans-Debüt; Jan ist jahrelang Werkspilot für Corvette gewesen und kann vier Klassensiege vorweisen – es ist seine 23. Le Mans-Teilnahme, seit 1999 ist er ohne Unterbrechung dabei! Unterstützt werden sie vom High Class-Stammpiloten Anders Fjordbach. Maßstab für die Magnussens muss der achte LMP2-Klassenrang von Vater und Sohn Brundle aus dem Jahre 2012 sein ;-)

Das zweite High Class-Auto, die #20, hat mit Marco Sorensen (Aston Martin GT-Werkspilot) und Ricky Taylor (Corvette, aber auch mehrere LMP2-Einsätze) auch zwei erfahrene Le Mans-Starter im Aufgebot. Hier kommt als dritter der dänische Bronze-Pilot Denis Andersen hinzu, weshalb das Auto auch als Pro/Am gemeldet ist. Andersen war schon 2019 mit dem Team (aber anderen Co-Piloten) in Le Mans, damals reichte es zum 11. Klassenrang. Ein ähnlich solides Resultat sollte auch diesmal möglich sein, für mich gehört das Auto zu den Favoriten unter den Pro/Ams.

Die Single Car-Entries aus der World Endurance Championship

Mit der Startnummer #1 tritt das Richard Mille Racing Team an. Wie im Vorjahr handelt es sich hierbei um ein von dem Uhrenhersteller gesponsertes reines Damen-Team. Die technische Betreuung erfolgt durch das Signatech-Team, das dieses Jahr kein LMP2-Auto unter eigenem Label an den Start bringt, sondern in der Hypercar-Klasse mit einem übergeleiteten LMP1-Chassis sein Glück gegen die Werks-Toyotas versucht. Pilotiert wird der #1-Oreca von Tatiana Calderon, Sophia Flörsch und Beitske Visser – die Zusammensetzung ist damit unverändert gegenüber dem ersten Einsatz im Vorjahr. Da reichte es zu einem sehr ordentlichen neunten Klassenrang, bestes Resultat der laufenden WEC-Saison war ein sechster Platz in Portimao. Ein erneutes Top Ten-Resultat wäre eine starke Leistung der drei.

Erwähnt wurde Alex Brundle eben schon, auch er ist in diesem Jahr wieder am Start: in der gelb-grünen #34 des polnischen Teams Inter Europol Competition. Ein Klassensieg fehlt dem 31-jährigen Briten noch, aber auch in diesem Jahr wird es schwer. Er und Renger van der Zande können ein ordentliches Tempo gehen, aber Jakub Smiechkowski, Sohn eines Bäckerei-Unternehmers, dem auch das Team gehört, ist einer der langsameren Silber-Piloten. Das Team gilt also nicht als Pro/Am-Entry, aber wird es schwer haben, gegen die anderen starken Profi-Besatzungen in die Top Ten der Klasse zu kommen.

Alle weiteren WEC-Single Car-Teams sind in der Pro/Am-Subkategorie gemeldet. In Le Mans inzwischen bekannt ist das gelbe Auto des Racing Team Nederland (#29) um den Supermarkt-Magnaten Frits van Eerd. Er ist inzwischen zum fünften Mal mit seinem Team dabei und 2018 gelang ihm mit Klassenrang 7 auch ein äußerst beachtliches Resultat. Van Eerd ist nicht übermäßig schnell, aber bewegt das Auto solide um den Kurs. Wie in den letzten drei Jahren wird er unterstützt von Giedo van der Garde. Den Platz des zu G-Drive abgewanderten Nyck de Vries übernimmt mit Job van Uitert ein anderer junger Niederländer. Eine Wiederholung des Top Ten-Resultats von 2018 wäre ein großartiges Ergebnis für das Trio.

Ebenfalls in Gelb gehalten ist das Auto von ARC Bratislava (#44), das zum zweiten Mal in Le Mans dabei ist. Teamchef Miro Konopka und sein Sohn Matej bilden den Kern der Besatzung, gehören aber auch zu den langsameren Piloten des Feldes. Der 30-jährige Brite Oliver Webb würde sicherlich gern an sein starkes LMP2-Debüt 2014 (mit Signatech) anknüpfen, aber in diesem Trio wird das schwierig. Nach fünf Ausfällen mit ByKolles wird er aber schon froh sein, wenn er wieder mal die Zielflagge sehen könnte. Er wird sicherlich versuchen, sich für bessere Cockpits in den nächsten Jahren zu empfehlen.

Einen großen Namen finden wir in der Pro/Am-Besatzung der #21 von Dragonspeed USA: Juan Pablo Montoya gibt sich die Ehre und tritt zum dritten Mal an der Sarthe an. Beim Debüt 2018 reichte es zum dritten Klassenrang, allerdings im Top-Team United Autosports. Dragonspeed ist zwar auch schon seit einigen Jahren dabei, gehört aber eher zur zweiten Garde der LMP2-Teams. Ben Hanley ist ein solider Pilot (am Testtag genauso schnell wie Montoya), er und Bronze-Pilot Henrik Hedman treten seit Jahren gemeinsam für Dragonspeed an. Das Lineup ist für einen Mittelfeld-Platz gut, mit etwas Glück kann es in die Top Ten gehen.

Das letzte WEC-Team in der LMP2 ist ein neuer Name: Realteam Racing steht auf dem Oreca mit der #70 und der Schweizer Flagge. Dahinter steckt aber eine bekannte Größe: TDS Racing aus Frankreich ist seit knapp einem Jahrzehnt in Le Mans am Start und war auch des Öfteren vorn mit dabei. In diesem Jahr tritt das Team unter dem Label des Schweizer Finanzunternehmers Esteban Garcia an, der auch selbst am Steuer sitzt und als Bronze-Pilot die Am-Komponente bildet. Mit Loic Duval (Gesamtsieg 2013 mit Audi) und Norman Nato (frisch gebackener Formel E-Rennsieger, im Vorjahr LM24-Gesamtzweiter mit Rebellion) hat er sich äußerst starke Unterstützung geholt, und TDS ist auch ein Top-Team. Wenn Garcia sauber durch seine Stints kommt, können der Pro/Am-Sieg und ein Top Ten-Klassenergebnis drin sein.

Die weiteren Single Car-Entries

Ein neuer Name in der Klasse ist Risi Competizione (#82): wohlbekannt als Le Mans-Teilnehmer, aber eigentlich in den GT-Klassen, tritt das US-Team diesmal in der LMP2 an. Vor fast 20 Jahren war das Team von Giuseppe Risi in den USA schonmal mit Prototypen unterwegs. Die Rückkehr versuchen sie nun mit den beiden Platin-Piloten Oliver Jarvis (Klassensieger 2017 und Ex-Audi-Werkspilot) und Felipe Nasr, der sich in der amerikanischen IMSA-Serie einen Namen gemacht hat. Hinzu kommt der Brite Ryan Cullen, der mit Jarvis im Vorjahr für G-Drive in Le Mans startete (DNF). Dieses Auto finde ich sehr schwer einzuschätzen, auch weil sie in dieser Konstellation in keiner Serie antreten. Ich sehe das Auto in den ersten Stunden im Vorderfeld, aber ob sie gut über die Distanz kommen, ist fraglich.

Ebenfalls aus den USA kommt PR1 Motorsports Mathiasen (#24), die als Pro/Am-Entry erstmalig an der Sarthe antreten. 2010 stieg das Team in die damals neue LMP Challenge-Klasse der American Le Mans Series ein, seit 2014 gehören sie zur Grundausstattung der IMSA Sportscar Championship und haben zweimal in Folge den LMP2-Klassentitel geholt. Dafür gab es als Belohnung die LM24-Einladung. Mit Simon Trummer und Gabriel Aubry hat man sich zwei europäische Piloten mit einiger Erfahrung bei diesem Rennen geholt, Aubry wurde 2019 Klassenzweiter. Beide waren auch am Testtag schnell unterwegs. Der Am-Pilot im Auto ist Patrick Kelly: ein Videospiele-Entwickler (Call of Duty), der sich dem Motorsport zugewandt hat. Bemerkenswert ist vor allem, dass er bei einem Verkehrsunfall einen Hirnschaden davon trug, sich davon aber erholen konnte und nun seinen Traum realisieren kann, in Le Mans zu starten. Hier muss man schauen, wie das Team sich akklimatisieren kann, beim „Testlauf“ in Spa wurden sie im WEC-Feld Klassenelfte.

Drei französische Teams sind noch im Angebot.  Das stärkste davon ist Panis Racing (#65): mit Will Stevens, James Allen und Julien Canal ist der Oreca sehr ordentlich besetzt. Den letzten ELMS-Lauf in Monza konnte das Trio gewinnen und am Testtag waren Stevens (zweitschnellster) und Allen vorn dabei, Canal gehört zu den schnellsten und erfahrensten „dritten Piloten“ des diesjährigen LMP2-Feldes (12 Teilnahmen, drei GT-Klassensiege, zwei LMP2-Klassenpodien). Hier geht was, eine Wiederholung des dritten Platzes aus dem Vorjahr ist nicht auszuschließen.

Namentlich bekannt ist auch SO24-Dirob by Graff (#39): SO24 ist eine Vereinigung aus der Region Sarthe, die Fahrer aus der Gegend promoten möchte. Seit einigen Jahren hat man sich bei Graff Racing angedockt und bringt diesmal die beiden in Le Mans geborenen Brüder Arnold und Maxim Robin an den Start. Dritter Mann ist der ebenfalls aus Le Mans stammende Vincent Capillaire, der seit 2014 jedes Jahr dabei war. Stärkstes Resultat für die Kombination SO24/Graff/Capillaire war ein zweiter Klassenrang (sechster Gesamtrang) 2018 – da hatte man aber mit Jonathan Hirschi und Tristan Gommendy noch zwei ganz andere Kaliber im Auto. Auch die magereren ELMS-Ergebnisse der laufenden Saison sagen: hier ist kein Top-Ergebnis zu erwarten.

Das zum dritten Mal an der Sarthe antretende Duqueine Team (#30) bildet den Abschluss der französischen Mannschaften. Direkt beim Debüt 2019 gelang ein starker siebter Platz in der Klasse (Gesamtrang 12). Seit dem Vorjahr, als das Team ausfiel, ist Tristan Gommendy Teil des Teams; der Franzose hat dreimal Platz 2 in der LMP2 geholt, aber noch keinen Sieg. Guillermo „Memo“ Rojas ist mir immer noch als Dominator der alten Grand-Am Rolex Series (gemeinsam mit Scott Pruett) im Gedächtnis, hat sich aber inzwischen auch in Europa einen Namen gemacht: zwei ELMS-Titel 2017 (mit G-Drive) und 2019 (mit IDEC Sport) sowie einen fünften Platz mit IDEC in Le Mans 2019 hat er vorzuweisen. Dritter Mann im Bunde ist René Binder, der sein drittes Le Mans 24 bestreitet und am Testtag deutlich schneller als seine beiden Gefährten war. Nominell ist das eine gute Besatzung, aber die Resultate dieser Saison sind mau und auch die Test-Zeiten von Gommendy und Rojas sind nicht vertrauenerweckend. Hier muss man sich überraschen lassen…

Und last, but not least (oder maybe doch?) felt noch das Racing Team India Eurasia (#74), das den einzigen Ligier (und damit den einzigen Nicht-Oreca im LMP2-Feld) an den Start bringt. Allein dafür feiere ich das Team schon. Eigentlich hätten hier die beiden Inder Narain Karthikeyan und Arjun Maini am Steuer sitzen sollen, doch die mussten wegen Corona-Reisebeschränkungen davon Abstand nehmen. So hat das Eurasia-Team den Startplatz übernommen und bringt eine Pro/Am-Besatzung, bestehend aus zwei Bronze-Piloten, John Corbett aus Australien und Tom Cloet aus Belgien, an den Start. Die beiden gehörten am Testtag zu den langsamsten im Feld und werden von Silber-Pilot James Winslow unterstützt. Der hat auch einige Le Mans-Erfahrung, wird aber auch keine Bäume ausreißen. Das Ziel dieser Truppe muss das Erreichen der Zielflagge sein, alles andere ist Bonus.

Wir dürfen uns für das 24 Stunden-Rennen auf einen spannenden Kampf zwischen den Top-Teams der Klasse freuen, bei dem vielleicht auch ein Gesamt-Podium herausspringen kann. Aber auch das breitgefächerte Mittelfeld und die vielen Geschichten um Väter und Söhne, Geschwister oder Gentleman-Fahrer sind immer einen Blick wert.

(Bilder: WEC / ELMS Media)

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