Die diesjährige Ausgabe der 24h von Le Mans enttäuschte nicht. Es gab Dramen, Regen und einige Überraschungen.
Fast wäre das Rennen für Toyota schon in der ersten Kurve zu Ende gewesen. Richard Westbrook verbremste sich im Glickenhaus auf der regennassen Fahrbahn in der Dunlop-Schikane und rammte die #8 von Toyota. Die drehte sich und nahm auf ihrem Weg fast das Schwesterauto mit. Westbrook entschuldigte sich später, aber für die #8 begann damit ein Rennen, das von Problemen geprägt war. Zum Glück hatte die Berührung keine schwerwiegenden Konsequenzen für beide Fahrzeuge, auch wenn die #8 bis auf den letzten Platz zurückfiel.
Schon vor dem Rennen war klar, dass die Toyota einen beträchtlichen Vorteil haben würden. Die Quali-Zeit von 3.23.900min war schneller, als man gedacht hätte. In der idealen Rundenzeit wären sogar noch ein paar Zehntel drin gewesen. Aber auch so war man etwas mehr als eine Sekunde schneller als die prognostizierten 3.25min. Alpine und Glickenhaus kamen auf niedrige 3.26min und lagen damit im Fahrplan. Aber die ultraschnelle Rundenzeit von Toyota zeigte auch, dass die Japaner im Rennen große Reserven haben würden. Sollte es eng werden, könnte man bequem längere Zeit um die 3.27min fahren. Etwas, was die Konkurrenz auf gar keinen Fall würde schaffen können.
Ebenfalls überraschend waren die 13 Runden Stints der Toyota. Man ging eigentlich von 12 Runden aus, was die Konkurrenz auch schaffte. Aber Toyota gelang es, zumindest bei Rundenzeiten von 3.30min, noch eine weitere Runde aus dem Tank zu quetschen. Ein klarer Vorteil.
Den Toyota im Rennen allerdings nicht nutzen konnte. Nach circa zwei Drittel des Rennens stellten sich Probleme bei der #8 ein. Die Stint wurden nach jedem Tankvorgang immer kürzer und sanken am Morgen bis auf nur noch drei Runden ab. Man rätselte über die Ursache. Die Tankanlage konnte es nicht sein, das hätte man gelöst. Es lag am Auto. Toyota hatte aber schon ein ähnliches Problem in Monza.
Nach dem Rennen ließ man verlauten, dass beide Autos Probleme mit dem Fuel Collector hatten. Das ist ein Teil der Benzinanlage, die dafür sorgt, dass auch wirklich jeder Tropfen Sprit aus dem Tank kommt, auch wenn große laterale Kräfte das restliche Benzin in einem leeren Tank an die Seite drücken. Offenbar dachte der Collector aber schon nach wenigen Runden, dass der Tank leer sei. Was eine Warnmeldung nach sich zog und damit auch die Möglichkeit, dass das Auto in ein Notprogramm schalten würde, wenn es davon ausging, dass der Tank zu leer für das volle Tempo sei. So ungefähr die offizielle Erklärung. Man habe dann im Rennen einen Work-Around für das Problem gefunden.
So ganz kann das aber nicht alles gewesen sein. Nachdem die #8 nach einem Stint über drei Runden an der Box war, sperrte sich das System komplett. Man hielt am Streckenrand an, vollzog ein Reset des Autos und danach fuhr die #8 einen 11 Runden Stint. Die Frage ist, warum man diesen Reset nicht bei jedem Stopp durchgeführt hat. Sicher, das dauert dann etwas länger, aber man verlor durch die vielen Stopps an beiden Autos mehr Zeit. Es muss noch ein anderes Problem mit der Benzinanlage gegeben haben, dass sich nicht so einfach lösen ließ.
Der Vorsprung der Toyota war aber auch nicht so groß. Gerade mal vier Runden waren es am Ende. Vielleicht wären es bei vollem Tempo und ohne Probleme fünf Runden am Ende gewesen, aber mehr auch nicht. Die Nervosität der Japaner war also verständlich. Zum Mal sowohl der Alpine als auch beide Glickenhaus keinerlei Anzeichen von Problemen zeigten.
Bei Alpine kann man nach dem Rennen sagen, dass man das Maximum erreicht hat. P3 ist ein gutes Ergebnis für den mehrfach eingebremsten LMP1 und es war klar, dass man ohne Probleme bei Toyota auch nicht mehr würde erreichen können. Ein wenig mehr wäre aber vielleicht drin gewesen, denn am Ende fehlten auf P2 nur zwei Runden. Und die verlor man teils durch eigenes Verschulden, teils durch Pech.
60 Sekunden verlor man gleich in der ersten halben Stunde des Rennens, als man sich Ausgangs Indianapolis ohne Berührung drehte. Diesen Rückstand konnte man dann auch nicht zufahren und das resultierte dann bei der SC-Phase darin, dass man im zweiten SC hinter dem Führenden landete und so weitere Zeit verlor. Insgesamt summierten sich diese Verluste auf knapp drei Minuten, also fast eine Runde. Anderthalb Runden verlor man dazu in der Nacht, als man sich drehte und aus dem Kies geborgen werden musste.
Die unterschiedlichen SC Schlangen wären so oder so gekommen, aber die fast zwei Runden, die man wegen eigener Fehler verlor, wären nicht nötig gewesen. Das hätte die Toyota auch unter mehr Druck gesetzt. Allerdings muss man auch sagen, dass die Alpine über die Distanz bei normalem Tempo der Toyota und ohne deren Probleme am Ende vermutlich so wieder eine weitere Runde verloren hätten. Ansonsten hatten die Franzosen ein ereignisarmes Rennen ohne technische Probleme. Nicht einmal musste das Auto in die Box geschoben werden.
Das gilt auch für beide Glickenhaus und das war die eigentliche Überraschung im Rennen. Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass die Autos so zuverlässig laufen würden. Wenn man bedenkt, dass das erste Chassis erst im Februar noch nicht mal fertig war und das man ein Chassis bei einem Testunfall verloren hat, dann kann man die Truppe nur loben. Natürlich hat man die Wagen vorher getestet, aber sicher nicht in dem Ausmaß, in dem Toyota das seit fast zwei Jahren gemacht hat. Die fehlenden Tests waren auch der Grund, warum man das erste Rennen in Spa ausgelassen hat.
Mit einem mehr oder weniger brandneuen Auto in Le Mans anzureisen, um dann ein technisch fehlerfreies Rennen abzuliefern, ist schon aller Ehre wert. Da kann man sich vermutlich auch bei Joest bedanken, die den Renneinsatz koordinieren und im Hintergrund sicher noch mehr helfen. Mit einem so guten Rennen konnte man sicher nicht rechnen.
Allerdings gibt es bei Glickenhaus auch noch einige Baustellen. Das Auto ist zwar auf Anhieb durchaus schnell, aber um an die Spitze zu kommen, muss man mehr leisten. Die 3.26min in der Quali waren nicht schlecht, aber im Rennen fehlte dann doch etwas. Man war auch nicht ganz auf dem Niveau des Alpine und eigentlich hätte man vor diesem sein müssen. Im Grunde müsste man das Auto noch mindestens zwei Sekunden pro Runde schneller machen, damit man um den Sieg mitfahren kann. Ob das Chassis das Potenzial hat? Vielleicht. Ob Glickenhaus die Möglichkeiten dafür hat, ist dann wieder etwas anderes. Es ist halt kein Werksteam.
Leider fehlte in Le Mans in diesem so wieder die Spannung um den Kampf um den Gesamtsieg. Die entstand eigentlich aus der Frage, ob die Toyota technische Probleme bekommen würden. Das ist für Le Mans zu wenig. Natürlich war es wieder ein Übergangsjahr, aber der ACO hatte auch die Daten, die es dem Alpine mit einer besseren BoP ermöglicht hätten den Toyota etwas mehr entgegenzusetzen. Aber das wollte man scheinbar nicht. Immerhin kommt dann im nächsten Jahr Peugeot dazu und ab 2023 dann Ferrari, Audi, Porsche und noch andere Hersteller.
Immerhin hat an diesem Wochenende dann auch endlich der Toyota gewonnen, der sonst immer von Pech verfolgt wurde. Die #7 war schon so oft nahe dran und immer wieder wurde der Sieg verwehrt. Nun haben Kamui Kobayashi, Mike Conway und Jorge Maria Lopez endlich den langersehnten Sieg bekommen. Das freut mich besonders für Kobayashi, dem vermutlich schnellsten Fahrer im Fahrerkader von Toyota.
Bilder: ACO