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Sachstandsbericht Nachwuchsformeln: August 2021

von StefanTegethoff
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Die meisten Junior-Formeln sind oder waren in der Sommerpause – Zeit für einen Überblick, was dort aktuell so los ist und welche Namen man sich für die nächsten Jahre schon einmal merken sollte.

Ich werde hier im Blog in den nächsten Monaten immer mal wieder auf die Nachwuchs-Formelserien schauen und über den Stand der Dinge in der einen oder anderen Serie berichten. Die Auswahl wird dabei subjektiv und eurozentrisch sein – falls jemand seine Lieblingsserie vermisst, bitte ich das zu entschuldigen, aber es gibt in diesem Bereich immer noch so viel Vielfalt, dass ich kaum alles im Blick behalten kann. Hier und da wird es vielleicht mal einen Blick über den Teich auf die „Road to Indy“ geben, aber im Wesentlichen wird es um F2, F3 sowie Rennserien aus dem Formula Regional- oder F4-Spektrum gehen.

F2 und F3: Diskussion über Kalender und Wochenendformat

Das große Diskussionsthema in diesem Jahr sind die stark überarbeiteten Kalender und Wochenend-Formate der Formel 2 und Formel 3, die beide im Rahmen der F1 antreten. Um den Teams, von denen mehrere in beiden Serien Autos einsetzen, Personal und Kosten zu sparen, wurde entschieden, dass an einem F1-Rennwochenende nur noch entweder die F2 oder die F3 auf dem Programm steht. Da die F3 (wie in den vergangenen Jahren) den Großteil der Europarennen bestreit, gab es dadurch im Formel 2-Kalender massive Verschiebungen. Deren Saison erstreckt sich in diesem Jahr von März bis Dezember – bei nur acht Events, statt zwölf in den Jahren zuvor.

Dadurch beinhaltet der Kalender gewaltige Lücken: acht Wochen Pause nach dem ersten Lauf, sechs Wochen nach dem dritten Lauf, nochmal acht Wochen nach dem vierten Lauf (in dieser endlosen Sommerpause sind wir aktuell), und nach den zwei September-Rennwochenenden stehen dann ganze zehn Wochen (!) Pause vor dem Saisonabschluss in Jeddah und Abu Dhabi an. Auf die Formel 2 werde ich in der nächsten Ausgabe einen genaueren Blick werfen, die Serie kehrt Mitte September in Monza aus den überlangen Sommerferien zurück.

Für die Fahrer muss es extrem schwierig sein, über eine so zerfaserte Saison die Anspannung und die Performance hoch zu halten. Eine F2-Saison ist teuer, sodass man kaum nebenher noch andere Programme durchziehen kann, wie vielleicht auf F4- oder Formula Regional-Level. Liam Lawson mit seinem starken DTM-Engagement und Christian Lundgaard mit dem IndyCar-Einzelauftritt sind hier die Ausnahmen. Auch der Gedanke, dass Piloten F2 und F3 in einer Saison bestreiten würden, war Unsinn: dies hat nur Matteo Nannini versucht, bis seine Sponsoren das F2-Engagement beendet haben.

Auch nicht ganz ausgereift ist für mich das neue Wochenend-Format beider Serien. In den letzten Jahren war es stets so, dass es ein Qualifying gab, das die Startreihenfolge für das längere Feature-Rennen am Samstag bestimmte. Das kürzere Sprintrennen am Sonntag wurde dann in der Reihenfolge des Ergebnisses des Hauptrennens – mit teilweisem Reverse Grid – gestartet. Ich bin kein Reverse Grid-Fan, auch wenn es Action bringt, aber das war in Ordnung.

2021 gibt es drei Rennen, das dritte ist länger und bringt mehr Punkte. Das Qualifying bestimmt das Grid für das erste und das dritte Rennen, im ersten starten aber die Top 10 (F2) bzw. Top 12 (F3) im Reverse Grid. Das zweite Rennen startet, wie das erste endete, aber wieder mit teilweisem Reverse Grid. Selbst nach der halben Saison in beiden Serien ist das immer noch kompliziert. Vor allem aber heißt es, dass ein schlechtes Qualifying einem Piloten gleich drei Rennen versauen kann. Und wenn man sich gut qualifiziert und dann noch ein starkes Rennen 1 hinlegt, wird man gleich zweimal bestraft. In der Summe kann man zudem in den beiden Reverse Grid-Rennen mehr Punkte holen als im Hauptrennen, das in der korrekten Reihenfolge startet. Mir gefällt dieses Format nicht. Darum bin ich froh, dass vor wenigen Wochen angekündigt wurde, dass sowohl die Kalender als auch die Rennformate für 2022 auf den Prüfstand gestellt werden.

FIA Formula 3 Championship

Die Formel 3 – die einzige Serie, die sich noch so nennen darf (siehe dazu unten GB3) – hat vier von sieben Saison-Läufen bestritten. Die Pausen sind hier zum Glück nicht ganz so lang wie bei der F2, weil die F3 ja hauptsächlich die Europa-Rennen der Formel 1 im Kalender hat. Warum man dann aber – wenn man anderswo von Kosteneinsparungen redet – zum Saisonfinale den ganzen Tross nach Austin, Texas verschiffen muss, um dort nach anderthalb Monaten Pause den Meister auszufahren, ist mir unerklärlich. Vorher stehen noch Rennen in Spa und Zandvoort an.

Dominator der Saison ist der Norweger Dennis Hauger. Er hat zwei Poles geholt und hat in den im „normalen“ Grid gestarteten dritten Rennen zwei Siege und zwei zweite Plätze geholt. Er ist schnell und kann Rennen kontrollieren. Dass er in einem Prema-Auto sitzt, hilft sicherlich, das italienische Team hat die FIA F3 seit 2019 (als es den neuen Namen, neue Autos und eine neue Team-Zusammensetzung gab) in jeder Saison dominiert.

Um Platz 2 streiten sich Jack Doohan (Sohn von Motorrad-Legende Mick), Prema-Nummer 2 Olli Caldwell und Frederik Vesti. Der Däne ist aktuell der Mercedes-Junior, der auf der Nachwuchs-Leiter am „höchsten“ unterwegs ist, lässt man mal George Russell außen vor. Er ist von Prema, mit denen er 2019 den Formula Regional-Titel und 2020 Platz 4 in der F3 holte, zu ART gewechselt. Im nächsten Jahr müsste der Sprung in die F2 folgen, wenn er vorankommen möchte, und den Speed hat er, wie er zumindest am Red Bull Ring mit dem Sieg im dritten Lauf zeigen konnte.

Eine ziemlich verkorkste Saison erlebt der dritte Prema-Pilot, Arthur Leclerc, Bruder von Charles. Schlechte Qualifyings, teilweise auch technische Probleme, haben ihn bei dem aktuellen Wochenend-Format weit zurückgeworfen. Bemerkenswert war aber sein Auftritt in Le Castellet: nach einem technischen Problem in der Quali musste er in zwei von drei Rennen von ganz hinten starten, schaffte es in Lauf 1 mit vielen Überholmanövern auf die Reverse Grid Pole (Platz 12), und gewann den zweiten Lauf von dort aus. Im dritten musste er wieder von hinten starten, schaffte es aber „nur“ auf Platz 13. Am Red Bull Ring zeigte er erneut starke Aufholjagden: nach Ausfall in Rennen 1 erreichte er im zweiten Lauf von hinten Rang 6, im dritten übertrieb er es und fiel aus. Am Hungaroring wurde er im dritten Lauf Zweiter von der Pole aus. Wenn der Heißsporn Leclerc-Junior endlich mal Stabilität in seine Ergebnisse kriegen würde, könnte er sicherlich noch in die Top 5 vorstoßen.

Zwei Wechsel im Fahrerkader gibt es ab Spa bei Charouz Racing: der sechzehnjährige amtierende US-Formel 4-Champion Hunter Yeany übernimmt das Auto von Enzo Fittipaldi; der Enkel von Emerson konnte in seiner anderthalb Jahren in der F3 bisher nicht an die Erfolge aus der Formel 4 (italienischer Champion 2018) und Formula Regional (Vize-Meister 2019). Beide Erfolge fuhr er mit Prema ein, mit den schwächeren Teams HWA und Charouz erreichte er in der F3 nur vereinzelt gute Resultate, wobei er zuletzt besser in Schwung zu kommen schien. Der zweite neue Pilot ist Zdenek Chovanec , er ersetzt den punktelosen Franzosen Reshad de Gerus. Nicht dabei ist in Spa zudem Kaylen Frederick, der positiv auf Covid-19 getestet wurde. Der US-Amerikaner hat bereits die letzten vier Rennen verpasst, nachdem er sich in Spielberg am Daumen verletzt hatte. Diesmal wird es keinen Ersatzfahrer geben.

Stand:

  1. Dennis Hauger (Prema) – 152 Punkte
  2. Jack Doohan (Trident) – 89 Punkte
  3. Olli Caldwell (Prema) – 86 Punkte
  4. Frederik Vesti (ART) – 80 Punkte
  5. Aleksandr Smolyar (ART) – 73 Punkte

  1. Arthur Leclerc (Prema) – 44 Punkte

Nächstes Rennwochenende: Spa-Francorchamps (F1), 27.-29. August

 

W Series

Im Rahmen des F1-Grand Prix in Spielberg ist die W Series in ihre zweite Saison gestartet. Die 2020er-Saison der nur Frauen offenen Juniorformel ist Corona-bedingt komplett ausgefallen, jetzt muss man versuchen, wieder etwas Schwung aufzunehmen. Gut ist dabei, dass die W Series ins F1-Rahmenprogramm aufgenommen wurde. So sind die Damen wenigstens auch ähnlich im Blickfeld der F1-Teams wie die F3-Piloten. Schade – und auch etwas unfair – ist im Vergleich dieser beiden Serien aber, wie wenig Zeit auf der Strecke der W Series zugestanden wird. Fahrzeit ist das A und O für den Rennsport-Nachwuchs, und da ist ein einzelnes Rennen pro Wochenende (im Vergleich zu drei Läufen bei F2 und F3 oder zwei bei der FRECA) doch ein schwaches Angebot.

Die W Series verfolgte bisher die Herangehensweise der „alten“ Formel 2 (von vor 10 Jahren), in der die Autos zentrale eingesetzt und vorbereitet werden, ohne dass dabei einzelne Teams zum Einsatz kommen. Das mag ein charmanter Gedanke im Hinblick auf Chancengleichheit sein, ist aber so weit weg von der Arbeitsweise in allen anderen Serien (auch in denen, auf die die Pilotinnen vorbereitet werden sollen), dass man für 2022 auf ein klassisches Team-Modell umschwenken möchte. In diesem Jahr wird es übergangsweise „Fake-Teams“ geben: eigentlich sind weiterhin alle Autos zentral betreut, aber es gibt unterschiedliche Lackierungen und Team-Namen. Die erinnern teilweise an alte lizenzfreie Motorsport-Videospiele, z.B. Racing X und Veloce Racing. Spannend wird sein, welche Teams sich ab der nächsten Saison in der W Series engagieren.

Vier Läufe hat die W Series dieses Jahr bisher absolviert, es ist Saison-Halbzeit. Die Meisterschaft scheint zwischen Jamie Chadwick und Alice Powell ausgetragen zu werden: die beiden Britinnen haben je zwei Läufe gewonnen und liegen mit 73 bzw. 72 Punkten an der Spitze. Die Verfolger-Gruppe liegt bei 37-34 Punkten, derzeit angeführt von der Spanierin Nerea Marti.

Das Problem an der Sache: Jamie Chadwick hat bereits die Meisterschaft 2019 geholt, Alice Powell wurde Dritte. Beide sind nicht wirklich vorangekommen. 2020 fuhr Chadwick dann Formula Regional mit Top-Team Prema, wo sie ein Podium holte, und ansonsten solide Top Ten-Ergebnisse – aber die Serie hatte in der Regel auch nur um die 12 Autos am Start. Wohin bringt sie also ein eventueller zweiter W Series-Titel? Ein Cockpit in der Formula 3 wäre wünschenswert, um zu schauen, wie sie dort zurechtkommt, aber das schwache Formula Regional-Jahr wird es ihr schwer machen, ein Cockpit zu finden, selbst bei zwei W Series-Titeln.

Ich weiß auch zur Mitte der zweiten W Series-Saison noch nicht, ob eine reine Frauen-Serie der richtige Weg ist, Frauen im Motorsport zu fördern. Aber wenn man dieser Herangehensweise eine ernsthafte Chance geben möchte, müsste man ab 2022 auch mindestens ein zweites Rennen pro Wochenende – am besten insgesamt mehr Track Time – einführen. Neben der Umstellung auf das klassische Team-basierte Format wäre das aus meiner Sicht der wichtigste Punkt.

Stand:

  1. Jamie Chadwick – 73 Punkte
  2. Alice Powell – 72 Punkte
  3. Nerea Marti – 37 Punkte
  4. Sarah Moore – 36 Punkte
  5. Emma Kimiläinen – 35 Punkte

Nächstes Rennwochenende: Spa-Francorchamps (F1), 27.-29. August

 

GB3 Championship (ehem. British Formula 3)

Die GB3 ist vielleicht noch nicht jedem ein Begriff, denn unter diesem Namen existiert sie erst seit wenigen Wochen: die FIA hat die Nutzung des F3-Labels untersagt, das man allein für die FIA F3 Championship genutzt sehen möchte. Das ist insofern für mich in Ordnung, als die GB3 bzw. British Formula 3 der letzten Jahre sowieso eigentlich eine Formel 4-Serie ist. Gefahren wird mit einer Variante des Tatuus F4-Chassis, das unter anderem auch in der italienischen, der deutschen und der spanischen Formel 4 eingesetzt wird, wenn auch mit einem schwächeren Motor als in der britischen Serie. Aber vonseiten des Veranstalters Motorsport Vision möchte man gerne an die „gute alte Zeit“ der britischen F3 mit Piloten wie Ayrton Senna erinnern und besteht deswegen auf die „3“ im Namen. Eigentlich ist der neue Name auch ein schöner Seitenhieb Richtung F1-Management mit der Anlehnung an den früheren Namen von deren Formel 3-Serie, GP3.

Zum Sport: Die GB3 hat im August, in der Sommerpause der meisten anderen Serien zwei Rennwochenende ausgetragen: Snetterton und Silverstone standen auf dem Programm. Beide Male war der Star der italienischen F4, Oliver Bearman (dazu in einem der nächsten Berichte mehr), mit am Start, der in der GB3 ein Teilzeit-Programm fährt. Der räumte in Snetterton auch prompt den Sieg im ersten Rennen ab, im zweiten übernahm er die Führung, fiel dann aber mit mechanischem Defekt aus (Sieger: Sebastian Alvarez). In Lauf 3, der in der GB3 mit Reverse Grid – bezogen auf die Quali-Zeiten! – ausgetragen wird, war Bearman wieder stark unterwegs, rutschte dann aber bei einsetzendem Regen von der Strecke und verlor die gewonnenen Positionen wieder. Es siegte Roman Bilinski  aus Polen, der erst ab dem dritten Saison-Event eingestiegen ist (vorher trat er noch in der Britischen F4 an), aber seitdem stark unterwegs ist.

In Silverstone konnte der deutliche Führende der Meisterschaft, Zak O’Sullivan, seinen ersten Sieg seit drei Events (Donington Anfang Juli) holen,  die anderen beiden Läufe gingen an Ayrton Simmons. Bilinski fiel zweimal aus, was seine Aufholjagd in der Tabelle (aufgrund der zwei verpassten Events zu Saisonbeginn) erst einmal stoppte. Dabei lag er eigentlich wieder auf Podiumskurs, trug aber in einem Zweikampf mit dem Brasilianer Roberto Faria Schaden davon. Seine F4-Saison hat Bilinski nun auch offiziell beendet und wird sich auf die F3 fokussieren. Oliver Bearman holte einen zweiten und einen vierten Platz; auf ihn werden wir in einem der nächsten Berichte genauer schauen, wenn es um die italienische F4 geht.

Stand:

  1. Zak O’Sullivan (Carlin) – 399 Punkte
  2. Christian Mansell (Carlin) – 291 Punkte
  3. Roberto Faria (Fortec) – 283 Punkte
  4. Ayrton Simmons (Chris Dittmann Racing) – 276 Punkte
  5. Reece Ushijima (Hitech) – 271 Punkte

  1. Roman Bilinski (Arden) – 221 Punkte

  1. Oliver Bearman (Fortec) – 163 Punkte

Nächstes Rennwochenende: Oulton Park (British GT), 11.-12. September

(Titelbild: Ferrari Media)

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1 Kommentare

Pitwall Media 26 August, 2021 - 09:39

Super geschrieben und sehr informativ – vielen Dank dafür!!!

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