Monza hat wieder geliefert. Das Rennen in Italien dürfte zu den besten Rennen des Jahres gehören.
Es dürfte kaum jemanden geben, der Daniel Ricciardo nicht diesen Sieg gegönnt hat. Der Australier hatte eine miserable Saison bis zur Sommerpause und viele hatten Ricciardo schon abgeschrieben. Keine Chance gegen Norris, zu alt, Mojo verloren. Tatsächlich schien Ricciardo an sich zu zweifeln und Monaco war sicher ein Tiefpunkt in seiner Karriere. Umso erstaunlicher ist seine Form seit Ende August. Und vor allem seine Leistung in Monza.
Aber der Reihe nach. Denn in Monza war ja alles mal wieder etwas anders, denn es gab ein Sprintrennen am Samstag. Das bedeutete die Qualifikation am Freitag und ein weiteres Training am Samstag. Also wenig Zeit, um die Autos vorzubereiten. In der Vorschau hatte ich vermutet, dass Red Bull und Mercedes gleichauf sein würden, aber tatsächlich fehlte den Österreichern in der Quali doch ein paar Zehntel. Was im Rennen aber anders war, hier lagen beide Teams sehr eng zusammen. Es lief also auf einen Kampf der beiden Teams heraus. Wäre da nicht McLaren gewesen, die sowohl in der Quali als im Sprintrennen eine sehr gute Leistung zeigten. Das Auto war vor allem auf den Geraden schnell, was in Monza ja nicht ein Nachteil ist.
Das Sprintrennen selber war recht eintönig. Bottas hatte für das Rennen am Samstag einen neuen Motor bekommen, was sicher etwas mehr Leistung brachte. Allerdings bedeutete dies auch eine Strafversetzung nach ans Ende der Startaufstellung für das Hauptrennen. Der Finne war am Wochenende nach der Bekanntgabe seines Wechsels zu Alfa gut gelaunt. Nach Pole in der Quali gewann er das Sprintrennen locker. Hamilton startete von P2, hatte aber einen schlechten Start und musste Verstappen und beide McLaren passieren lassen. Was am Ende für den Ausgang des Rennens am Sonntag noch wichtig sein sollte.
Die Strafe bedeutete, dass Verstappen auf der Pole für das Hauptrennen stand, mit Ricciardo neben ihm auf P2. Dahinter starteten Norris und Hamilton. Den Start gewann dann überraschend der Australier, der Verstappen schon auf dem Weg zur ersten Kurve hinter sich lassen konnte. Hamilton schnappte sich Norris und versuchte in der zweiten Schikane an Verstappen vorbeizukommen. Der Niederländer machte die Tür allerdings wie immer zu robust zu und zwang Hamilton in den Notausgang. Das nutzte wiederum Norris, um sich an Hamilton wieder vorbeizuschieben.
Die Überraschung war dann, dass sich Ricciardo vor Verstappen halten konnte. Der Red Bull schien zwar schneller, aber eben nur marginal. Das reichte, um den McLaren wirklich zu gefährden, zumal sich Ricciardo keinen Fehler erlaubt. Vorne war das Rennen bis zum ersten Stopp dann auch eher statisch und die Frage war, wer wann an die Box kommen würde. Gestartet waren alle, bis auf Hamilton, auf den Medium. Die Haltbarkeit der Medium lag bei rund 20 bis 25 Runden, aber ein Undercut auf den Wechsel auf die Hard war schwierig.
McLaren machte es richtig und holte Ricciardo als Ersten an die Box. Red Bull reagierte eine Runde später, aber schon die Zwischenzeiten der Sektoren zeigten, dass der Overcut nicht funktionieren würde. Ricciardo vergrößerte im zweiten und dritten Sektor den Vorsprung leicht. Der Stopp von Red Bull ging dann allerdings in die Hose, weil vorne rechts die Radmutter nicht fest war. Verstappen verlor rund 10 Sekunden durch das Malheur, was ihn weit zurückwarf.
Das waren gute Nachrichten für Mercedes und Hamilton, die jetzt P3 sicher hatten und mit der harten Mischung ein wenig länger fahren konnten. Allerdings sah man auch an der Mercedes Box, dass die frischen Hard einen deutlichen Vorteil hatten. Der Fehler von Red Bull beim Stopp zwang Mercedes dann zusätzlich sofort zu reagieren. Hamilton kam rein, aber auch dauerte der Stopp zwei Sekunden länger als er sollte. Und dies alles führte dann zu dieser Szene:
Another hugely dramatic moment in the Verstappen/Hamilton title battle 💥😮#ItalianGP 🇮🇹 #F1 pic.twitter.com/P4J4bN6wX2
— Formula 1 (@F1) September 12, 2021
Die Kommissare, darunter Vitantonio Liuzzi, entschieden sich dazu, Verstappen eine Strafe zu geben. Er muss beim nächsten Rennen drei Plätze in der Startaufstellung zurück. Meiner Meinung nach ist das ein Rennunfall. Oder besser gesagt, ein typischer Hamilton vs. Verstappen Unfall. Beide hätten zurückstecken können, beide haben es nicht gemacht. Es hätte fast schon einmal in einer ähnlichen Situation im Rennen zwischen beiden gekracht, als Verstappen in der zweiten Schikane keinen Millimeter von seiner Linie abwich. In dieser Situation war es Hamilton, der sich stur zeigte. Immerhin hatte Verstappen auch noch die Möglichkeit die Schikane abzukürzen, so wie es viele andere Fahrer in einer derartigen Situation machen. Hamilton hat offensichtlich beschlossen, dass er ebenso hart fährt, wie das Verstappen macht.
Die Strafe macht auch eher den Eindruck, dass die Rennleitung die harte Fahrweise des Niederländers bremsen möchte. Wenn Verstappen rein hält, dann macht er das kompromisslos und oft ohne Rücksicht auf Fahrer rechts oder links. Ich mag seine Fahrweise in solchen Situationen nicht, weil sie vom guten Willen der anderen Piloten lebt und er damit rechnet, dass diese schon zurückstecken. Eine Strafe für eine solche Fahrweise ist also ok. In diesem Fall wirkt das allerdings etwas konstruiert.
Die Kollision sorgte für ein Safety Car, was das Feld einigermaßen durcheinander warf. Für einen Moment sah es so aus, als ob beide Ferrari die großen Gewinner sein würden. Die waren am Wochenende gut unterwegs, nicht überragend, hielten sich aber im Rennen zumindest in der Reichweite der Spitze. Ferrari war vor dem Unfall nicht an der Box, also bekamen sie einen freien Stopp geschenkt. Bei McLaren gab es die Sorge, dass zumindest ein Ferrari den Sprung an die Spitze schaffen würde. Es reichte dann nicht ganz, aber Leclerc schob sich auf P2 nach vorne. Auch Norris profitierte vom Ausfall und dem SC, lag aber hinter dem Ferrari.
Allerdings hatte Ferrari nach dem Restart keine Chance gegen die schnelleren McLaren, die auf der Geraden einfach besser waren. Offenbar fehlen dem Ferrari-Motor immer noch ein PS auf den Mercedes. Ricciardo konnte sich vorne halte und Norris kassierte Leclerc in einem sensationellen Manöver in der Kurva Grande in dem er
teilweise aufs Gras ging. Damit war das Rennen aber noch nicht gelaufen.
Denn von hinten nahten sowohl Perez, als auch Bottas im Mercedes. Der hatte sich schon vor dem SC gut in die Punkte gearbeitet und lag hinter dem Red Bull. Der Finne war auußerordentlich schnell unterwegs was auch daran lag, dass er als einziger aus der Spitzengruppe die Medium in der Schlußphase zur Verfügung hatte. Die frischen Reifen nutze er auch aus. Perez wiederum hat insgesamt auch kein schlechtes Rennen, hatte seine Quali Runde geopfert um Verstappen einen Windschatten zu geben. Nach dem Sprintrennen lag er nur auf P8, kämpfte sich nach vorne und lag dann auf P4 hinter Leclerc.
Der Zweikampf der beiden spitzte sich in der zweiten Schikane zu. Perez versuchte es außen, Leclerc machte die Linie dicht und der Mexikaner kürzte die Schikane minimal ab. Dabei ging er aber am Ferrari vorbei, was dann wieder eine Strafe von fünf Sekunden nach sich zog. Das wäre vermeidbar gewesen. Perez war deutlich schneller und hätte warten können. Auch das Team hätte seinen Fahrer darauf hinweisen können, dass er den Platz zurückgeben muss. So verlor er P3, aber im Rennen sah es auch nicht so aus, als könne er die führenden McLaren gefährden. So fiel er am Ende dann wieder hinter Leclerc zurück und kam nur auf P5.
Für einen Moment sah es allerdings auch so aus, als würde Bottas das Rennen noch gewinnen können. Beide McLaren konnten sich nicht von Perez lösen und dem hing wiederum Bottas im Nacken. Mit den frischeren Medium hatte der Mercedes eine sehr gute Pace und sah deutlich schneller aus. Aber der Mexikaner verteidigte sich geschickt und der Vorteil der frischen Medium verpuffte. Wäre Bottas an Perez vorbeigekommen, hätte es für McLaren vorne eng werden können. Allerdings bin ich mir auch sicher, dass Bottas sich schwergetan hätte Norris zu überholen. Im Sprintrennen hatte sich schon Hamilton die Zähne am McLaren ausgebissen.
Die McLaren kontrollierten dann das Rennen in den letzten Runden problemlos. Norris schirmte Ricciardo ab und Australier fuhr im letzten Umlauf sogar noch die schnellste Runde des Rennens. Für McLaren war es der erste Sieg seit Brasilien 2012 und der erste Doppelsieg seit Kanada 2010. Nicht nur die Fahrer lieferten eine sensationelle Leistung ab. Man muss auch die Führung von Zak Brown und Andreas Seidl loben, die das Team ganz unten übernommen haben und in wenigen Jahren einen GP-Sieg holen konnten. Und das war kein geschenkter Sieg. Ricciardo hat das Rennen gewonnen, weil er und das Auto so gut waren. Sein erster Stint zeigte, dass man den Sieg auch hätte holen können, wenn Red Bull nicht den Fehler beim Stopp gehabt hätte. Es wäre enger geworden, aber möglich war es.
Die weiteren Punkte holten sich Sainz, Stroll, Alonso, Russel und Ocon. Zu Lance Stroll muss man noch erwähnen, dass er in der ersten Runde sich extrem robust an seinen Teamkollegen Vettel vorbei bugsiert hatte. Der hatte sich nach dem Start vor den Kanadier gesetzt, verlor durch das Manöver aber jede Menge Plätze. Am Ende kam für den Deutschen nur P12 raus. Das Bemerkenswerte daran allerdings ist, dass er hinter Latifi ins Ziel kam und in der zweiten Hälfte des Rennens auch nicht an ihm vorbeikam.
Die Williams gingen überraschend gut, was erneut für den Aufwärtstrend des Teams spricht. Latifi lag auch lange in den Punkten, verlor aber seinen Platz in Punkten an Russell, weil dieser das SC für seinen Stopp ausnutzte. Aber beide Williams gingen in Monza recht gut und das man erneut Punkte sammeln konnte, zementiert deren Position in der Team-WM.
Das beide Alpine in Punkte fahren konnte, war auch nicht zu erwarten. Im Fall von Ocon half der Ausfall von Verstappen und Hamilton, aber Alonso wäre auch zumindest auf P10 gekommen. Ich hatte die Franzosen allerdings noch etwas stärker eingeschätzt. Das Alonso nicht an Stroll vorbeifahren konnte, war dann doch etwas überraschend.
Der Pechvogel des Rennens war ein bisschen Antonio Giovinazzi im Alfa Romeo. Der Italiener überraschte mit einer sehr guten Quali auf P10 und im Sprintrennen landete er sogar auf P8. Sein Rennen war allerdings schon nach der zweiten Schikane im Eimer, als er mit einem Ferrari ins Gehege kam und sich drehte. Damit verlor er seine gute Position und tauchte im Rennen auch nicht mehr auf. Der Fehler lag dabei auch bei ihm selber, da er den Ferrari einfach übersehen hatte.
In der WM hat sich durch den Unfall der beiden Titelaspiranten auch nichts verändert. Max führt weiter mit fünf Punkten vor dem amtierenden Weltmeister. Im Grunde also kein Unterschied. Die WM ist bei noch acht ausstehenden Rennen also komplett offen. Niemand kann sich mehr einen Fehler erlauben. Weiter geht es am 26.09 in Russland.
Bilder: McLaren, Daimler AG, Ferrari, Aston Martin, Alpine/Renault, Haas, Williams F1, Alfa Romeo