Es war ausnahmsweise mal ein spannendes Rennen in Sotchi. Das lag am Wetter, aber auch an Akteuren auf der Strecke.
Die Formel Eins liefert in diesem Jahr eine wirklich gute Saison ab. Enger kann an eine Weltmeisterschaft mit noch sieben zu fahrenden Rennen gar nicht sein. Und auch die Rennen bietet, zumindest manchmal, eine schöne Abwechslung an der Spitze. In Russland war es ein nasses Qualifying, dass die Grundstimmung für ein ungewöhnliches Rennen setzte. Am Ende stand Norris auf der Pole, gefolgt von Carlos Sainz und George Russell. Alle drei hatten in den letzten Sekunden der Quali bei abtrockender Strecke die schnellsten Zeiten gesetzt, nachdem es Mercedes und Lewis Hamilton verbockt hatten. Der Brite landete am Ende nur auf P4, was extrem enttäuschend für Mercedes war. Denn zeitgleich hatte sich Red Bull dazu entschlossen bei Verstappen einen Motorwechsel vorzunehmen, was diesen an den Schluss des Feldes brachte. Alles, was Mercedes benötigte, war ein Sieg von Hamilton um einen guten Abstand in der WM zu bekommen.
Die Fehlerquote von Mercedes ist in diesem Jahr erstaunlich hoch. Dafür hilft man sich mit interessanten Tricks. Nach der Quali entschloss sich das Team auch bei Bottas den Motor zu wechseln. Das sei „nötig“, so hieß es. Aber die Strategie dahinter war klar. Man wollte Bottas vor Verstappen im Hinterfeld platzieren, damit dieser den Niederländer aufhalten kann sodass er eventuell nicht in die Punkte kommen würde. Aber irgendwie lief es zunächst nicht für Mercedes.
Den Start versemmelte der Brite leicht, allerdings war die Gefahr einer Kollision groß. Davon profitierten Ricciardo und Stroll, die den Mercedes passierten. Hamilton hing dann im ersten Teil des Rennens dann hinter beiden fest. Vorne hatte sich zunächst Sainz am McLaren von Norris vorbeigeschoben, allerdings schob sich der Brite nach einigen Runden wieder am Ferrari vorbei, als dieser mit nachlassenden Reifen zu kämpfen hatte. Dahinter lag, mit etwas sechs Sekunden Rückstand, George Russell, der sich erstaunlich lange dort halten konnte.
Die Frage war, welche Strategie die Teams wählen würde. Die Medium waren die Wahl für fast alle vorne, aber die musste man möglichst lange durchschleppen, damit man am Ende nicht auf den harten Reifen eingehen würde. Daher war die Anfangsphase des Rennens auch eher statisch und die Frage war, wer zuerst den Undercut versuchen würde. Sainz und Russell kamen zeitgleich in Runde 12, aber der frühe Stopp brachte beide später eher in Probleme. Der Rest blieb draußen und wartete ab.
Im hinteren Teil des Feldes arbeitete sich Verstappen nach vorne und der „Bremse“ Bottas half Mercedes auch nicht. Der sichtlich etwas unmotivierte Finne machte nicht viel Anstalten den Red Bull hinter sich zu halten. Damit war das Thema für Verstappen dann auch schnell erledigt. Relativ leicht arbeitete sich Verstappen bis auf Platz Sechs nach vorne und lag teilweise nur noch 5 Sekunden hinter Hamilton. Der verlor im Zug hinter Ricciardo viel Zeit, während Norris vorne seinen Vorsprung ausbauen konnte.
Die strategisch interessanteste Phase kam dann im Bereich der Runden 25 bis 30. Hier lag der „sweet spot“ für den Wechsel auf die harte Mischung. Norris blieb erstaunlich lange draußen, bis Runde 28. Das brachte ihn nicht mal in Gefahr eines Undercut durch Hamilton, der in Runde 25 gestoppt hatte. Noch länger blieben nur Alonso und Perez draussen, die die Führung übernehmen konnten. Nach den Stopps und nachdem sich dann alle mal zu einem Stopp entschlossen hatten, sah die Sache für Mercedes aber plötzlich gar nicht mehr so schlecht aus. Lewis hatte die frischen Reifen gut genutzt und mächtig Zeit auf Norris gut gemacht. Der Abstand betrug, nachdem die beiden Führung übernommen hatten, gerade mal 8 Sekunden, die der Brite schnell zufahren konnte.
Für Verstappen schien das Rennen allerdings gelaufen. Er lag kurz auf P6 musste diesen Platz aber an Alonso abgeben, der ihn mit frischen Reifen sauber ausbremste. Nach vorne schien da nichts mehr zu gehen. Was wiederum gute Nachrichten für Mercedes war, denn Hamilton steckte im Getriebe von Norris.
Der Weltmeister war klar schneller, aber McLaren hatte das Auto geschickt abgestimmt. Man fuhr etwas mehr Flügel, was zwar auf den Geraden etwas schlecht war, dafür konnte Norris den Mercedes im engen dritten Sektor immer wieder etwas abhängen, sodass Hamilton auf der Start/Ziel-Geraden selten im DRS-Fenster lag. Das wäre dann in den letzten Runden ein interessantes Rennen geworden, wobei ich mir sicher bin, dass Mercedes sich mit P2 zufriedengegeben hätte. Doch dann kam der Regen.
Erst waren es nur ein paar Tropfen, dann betraf es nur einen Teil der Strecke. Die Frage war, was man machen sollte. Williams holte Russell früh zu einem Wechsel auf die Intermediates und auch Mercedes holte Bottas sehr früh rein. Ganz offensichtlich um zu schauen, wie sich die Sektorenzeiten entwickeln würden. Das sollte sich für den Finnen, der zur Zeit des Wechsels auf P14 lag, mächtig auszahlen. Auch Ferrari holte seine Fahrer früh rein und Red Bull folgte mit Verstappen. Nur vorne blieben beide Fahrer draussen, obwohl die Teams zum Stopp auffordern.
Im Nachhinein ist man immer klüger, aber die Entscheidung hereinzukommen war richtig. Plötzlich goss es in Strömen und gefragt waren die Intermediates. Hamilton kam rein, Norris nicht. In nur einer Runde verlor der McLaren Fahrer eine knappe Minute auf den Briten und den Rest der Fahrer, die schon gewechselt hatten. Aber kann man Norris einen Vorwurf machen? Ich denke nicht. Der Regen hätte auch ein paar Minuten später eintreffen können und dann hätte alle seine Umsicht gelobt. So war es eine falsche Entscheidung, die ihn den Sieg gekostet hat.
Der frühe Stopp von Verstappen sollte sich für Red Bull aber auch auszahlen. Eben noch hilflos auf P7 gelegen, sprang er durch den Stopp plötzlich auf P2 nach vorne. Das war mehr, als man vor dem Rennen hätte erwarten können. Ferrari hielt mit Sainz immerhin P3, was ein gutes Ergebnis für die Roten war. Am Ende gewann also doch Mercedes, aber man konnte den Punkteabstand bei Weitem nicht so ausbauen, wie man sich das vor dem Wochenende erhofft hatte.
Das Chaos am Schluss sorgte bei zwei Fahrern für freundliche Gesichter. Bottas nutzte den frühen Wechsel auf die Intermediates und errang am Ende noch P5. Bei Alfa Romeo freute man sich ebenfalls. Kimi Räikkönen, am Wochenende allenfalls unauffällig unterwegs, schlitterte auf P7, was endlich mal wieder Punkte für Alfa brachte. Und für Williams gab es ein kleines Happy End. Der frühe Stopp am Anfang mit dem Versuch den Undercut von hinten zu unterbinden war eine Fehlentscheidung für Russell. Dafür entschied man richtig beim Wechsel auf die Intermediates, was P10 am Ende bedeutete.
Für zwei Fahrer wäre aber noch ein wenig mehr drin gewesen. Sergio Perez lag auf einem Podiumsplatz als der Regen kam. Ein früher Stopp, also eine Runde vor Hamilton, hätte den Mexikaner vor den Briten geschoben. Aber wie Norris entschied sich Perez lange draußen zu bleiben, was dann auch falsch war. Ähnlich war die Situation bei Alonso. Der Spanier fuhr ein sehr gutes Rennen und lag mit seinem Alpine dank eines enorm langen Stints sogar auf P2. Anstatt aber wie Sainz in Runde 47 hereinzukommen, blieb er zwei Runden länger draußen. P4 wäre mindestens möglich gewesen, vielleicht sogar ein Podium. Mit P6 kann er sich aber auch nicht beschweren.
Für Aston Martin lief es zäh. Stroll hatte es in Q3 geschafft und lag lange in Punkten. Vettel startete von P11, nachdem er die Lage in Q2 falsch eingeschätzt hatte. Eigentlich war in allen Sessions besser als Stroll, aber hier lag wohl ein strategischer Fehler vor. Im Rennen blieb er mit seinen Medium lange draussen, was ihn in die Punkte brachte. Aber er machte dann am Ende den gleichen Fehler wie Norris und Perez und versuchte auf den Slicks den Regen abzusitzen. Stroll hatte auf der nassen Strecke einen Ausrutscher und so verpassten beide Aston die Punkte. Da wird man nach dem Rennen einiges zu bereden haben, zumal beide Piloten auch noch aneinander gerieten. Hier lag dann allerdings wohl ein Missverständnis vor.
Für die WM ist das Ergebnis natürlich Gold wert. Hamilton hat die WM-Führung zwar wieder übernommen, aber es sind gerade mal zwei Punkte, die die Fahrer sieben Rennen vor Schluss trennen. Mit anderen Worten: Die WM geht gerade erst los und wird ein Sprint. Jetzt zählt jeder Punkt, auch der, den man für die schnellste Runde bekommt. Und wer einen Fehler macht, der wird die WM verlieren. Weiter geht es in 14 Tagen in der Türkei.
Bilder: Daimler AG, Ferrari, HassF1, Williams, Alfa Romeo, Aston Martin, Alpine