Gestern ist Sir Frank Williams verstorben. Ein Mann aus einer Formel Eins Generation, die langsam verschwindet.
Frank Williams gehörte zu den letzten der „goldenen Generation“ der Formel Eins. Jene Team-Chefs, Ingenieure und Fahrer, die seit Mitte der 60er-Jahre bis in die 90er das Geschehen der Serie geprägt haben. Die Lebensgeschichte von Williams war geprägt von harter Arbeit, absoluter Hingabe zum Motorsport und großen Erfolgen. Er startete als Fahrer und Mechaniker, lebte in Zelten oder schlief einfach im Auto, wenn er in Europa unterwegs war. Sein Enthusiasmus für den Motorsport hatte kaum Grenzen.
„Frank besuchte so viele Rennveranstaltungen wie möglich und reiste per Anhalter durch das ganze Land, ohne Rücksicht auf Entfernungen. Bezeichnend für diese alles verzehrende Leidenschaft war, dass Frank nie das Boxing Day Race Meeting in Brands Hatch verpasste. Die Reise von seinem Wohnort Nottingham nach Kent war jedoch zermürbend und wurde durch den fehlenden Verkehr in der Weihnachtsnacht auf der schneebedeckten A1 noch erschwert. Frank fasst ein besonderes Erlebnis zusammen: Boxing Day Brands 59 war bitterkalt und nass, ich war völlig durchnässt und durchgefroren. Ich musste mich in der kleinen Hütte umziehen, die neben dem heutigen Eingang zur Rennstrecke steht. Mehrere Male suchte ich dort Zuflucht, um mich warm zu halten, und ich begann immer von dort aus zu trampen. Nur wenige hätten sich vorstellen können, dass derselbe Mann mit seinem grün-weißen Autos 21 Jahre später die Ziellinie überqueren und den Großen Preis von Großbritannien auf derselben Rennstrecke gewinnen würde.“
Seine Ambitionen als Rennfahrer stellte er schnell ein, aber er blieb dem Rennsport nahe, in dem er einen erfolgreichen Ersatzteil-Handel für Rennteams aufzog. Mit ein wenig eigenem Geld und einer glücklichen Begegnung gründete er sein erstes eigenes Team. Sein Fahrer (und Geldgeber) war Piers Courage, Sohn einer Brauerei-Dynastie. Courage war schnell. So schnell, dass Williams das Wagnis einging und ein aktuelles F1-Chassis von Jack Brabham kaufte. Damit gab es einige Erfolge, aber der große Durchbruch fehlte. 1970 entschied man sich auf einen DeTomaso-Dallara umzusteigen. Aber das Auto war, trotz permanenter Versuche von Dallara, nur mäßig schnell. Beim Rennen in Zandvoort verunfallte Piers Courage tödlich. Eine gebrochene Aufhängung soll, so Frank Williams, der Auslöser gewesen sein.
Für Williams begannen danach schwierige Jahre. Geld gab es wenig, meist war man auf die Zusammenarbeit und die Sponsoren anderer angewiesen. So setzte er die Autos für Henri Pescarolo ein, wenn auch ohne Erfolg. Das Geld war zeitweise derartig knapp, dass er seine Telefonrechnung nicht mehr bezahlen konnte und stattdessen eine Telefonzelle um die Ecke nutzen musste. Die Lage besserte sich, als Walter Wolf sich ins Team einkaufte. Aber der Kanadier übernahm damit auch die Kontrolle über das Team und Frank Williams war niemand, der sich vorschreiben lassen wollte, was zu tun sei. Zusammen mit seinem Ingenieur Patrick Head verabschiedete er sich und gründete 1978 Williams Grand Prix Racing.
Der Rest ist Geschichte. 1979 gewann Clay Regazzoni das erste Rennen für den Rennstall, 1980 holte man mit Alan Jones den WM-Titel. Insgesamt erreichte das Team sieben Fahrer- und neun Konstrukteurstitel. Vor allem die 80er-Jahre waren geprägt vom Duell zwischen Williams und McLaren. Nur 1981 und 1983 konnte Nelson Piquet den Titel für Brabham holen. Ansonsten gingen zwischen 1980 und 1993 alle Titel entweder an McLaren oder Williams.
Daran konnte auch der Unfall nichts ändern, den Williams 1986 nach Testfahrten in Le Castellet erlitt. Der selbst verschuldete Unfall (Williams war am Steuer) führte zu einer schweren Querschnittslähmung vom Nacken an abwärts. Nur mit Mühe konnte Williams seinen Platz im Team wieder einnehmen. Aber natürlich kämpfte sich der Brite wieder zurück, wenn er für den Rest seines Lebens auf intensive Pflege und Hilfe angewiesen war. Dennoch reiste er bis in die 2010er-Jahre zu jedem Rennen
Der zweite Schicksalsschlag erfolgte 1994 in Imola, als Ayrton Senna, den er gerade in diesem Jahr von McLaren weg gelotst hatte, seinen tödlichen Unfall erlitt. Bis heute ist nicht klar, was genau passiert ist. Aber der Unfall, der die ganze Welt schockte, hinterließ tiefe Spuren im Team. 1996 holte Damon Hill den Titel, 1997 schaffte es Jacques Villeneuve für Williams den Wm-Titel zu holen. Es sollte der letzte für das Team unter der Fürhung von Frank Williams sein.
Es folgte eine schwierige Phase mit wechselnden Sponsoren und Motoren. Dann stieg 2000 BMW beim Team ein und man erlebte noch mal eine Hochphase. Allerdings trat man ausgerechnet in dieser Zeit gegen die übermächtige Ferrari-Mannschaft an. Dass man 2003 mit Juan Pablo Montoya knapp am WM-Titel vorbeischrammte, muss man dem Team hoch anrechnen. Allerdings war Frank Williams nicht sonderlich zufrieden mit dem Motor. Die Auseinandersetzung schwelte lange, bis BMW keine Lust mehr hatte und sich das Sauber-Team einverleibte.
Danach folgte der Abstieg des Williams-Teams. Zunächst ins Mittelfeld, zuletzt dann an den Schluss des Feldes. Für den Niedergang gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Patrick Head verabschiedete sich 2012 in den Ruhestand, gleichzeitig begann Frank Williams damit seine Nachfolge zu regeln. Seine Tochter Claire Williams übernahm die Regie, allerdings leider nicht sehr erfolgreich. Ständige finanzielle Probleme sorgten dann für den Verkauf im letzten Jahr. Ein Schritt, der Frank Williams vermutlich sehr schwergefallen ist. Aber die Alternative wäre gewesen den Laden ganz dichtzumachen.
Die Gründe für den Niedergang sind vielfältig, aber dazu beigetragen hat auch, dass Frank Williams darauf bestanden hat, dass ein Team möglichst alle wichtigen Teilen eines Rennautos selber entwickeln sollte. Das verband ihn im Übrigen mit Ron Dennis und Enzo Ferrari. Aber es sorgte vor allem in den letzten Jahren für Probleme. So lange genug Geld für alles da war, wie in den 90e-Jahren, war das kein Problem. Da entwickelte man sogar im eigenen Haus eine eigene aktive Aufhängung, inklusive der Software. Dass man allerdings bis zum Verkauf darauf bestand, das Getriebe selber herzustellen, haben viele nicht verstanden. Da das Geld für ein Kohlefaser-Getriebe fehlte, fuhr man weiter mit einem Aluminium Gehäuse.
Ein weiteres Problem war, dass Frank Williams immer die absolute Kontrolle über alles haben wollte. Die gescheiterte Zusammenarbeit mit BMW war da nur ein Beispiel. Mehrfach gab es Angebote, das Team zu Teilen zu kaufen, immer lehnte Frank Williams ab. Es war sein Team.
Die sture Haltung hat sicher zum Niedergang des Teams beigetragen, aber es spricht auch für ihn und seine puristische Einstellung zum Motorsport. Die liegt begründet in der Zeit, als er die Autos noch selber vorbereitete, als Teamchefs wie Colin Chapman und Enzo Ferrari die Formel Eins beherrschten. Und deren Einstellung deckte sich mit der von Frank Williams – ein Team stellt seine Autos selber her und die Teamarbeit macht die Autos erfolgreich.
Heute ist diese Einstellung nur noch umsetzbar, wenn man sehr viel Geld einsetzt. Von den erfolgreichen, alten Inhaber geführten Teams, ist keins mehr übrig, wenn man mal von Ferrari absieht. Die Formel Eins gehört entweder Herstellern oder sehr, sehr reichen Menschen wie Diedrich Mateschitz oder Lawrence Stroll. Deren Enthusiasmus für den Sport hat andere Gründe, als die pure Faszination, die Frank Williams angetrieben hat.
Die Formel Eins hat Frank Williams schon vor vielen Jahren verloren, nachdem er aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zu den Rennen fahren konnte. Das Team gehört jetzt einem Family Office mit unbekannten Inhabern. Aber der Name Williams wird im für immer mit der Leidenschaft verbunden sein, die Sir Frank Williams dem Sport gegeben hat.
Bilder: Williams