Formel 2, da war doch was… stimmt, die sind noch gar nicht fertig mit ihrer Saison. Aber die Pause seit Sochi war lang genug für eine vorgezogene Offseason mit einigen Wechselspielchen.
Die Formel 2 kommt aus ihrer letzten langen Pause dieser zerrissenen Saison zurück: an den nächsten beiden Wochenenden stehen noch einmal jeweils drei Rennen an – im saudi-arabischen Jeddah und in Abu Dhabi. Der späte Zeitpunkt nimmt dem Saisonfinale auch etwas an Relevanz: zwar ist der Meisterschaftskampf noch spannend, doch stehen für drei der Top 4 der aktuellen Tabelle die Jobs für das nächste Jahr schon fest, unabhängig davon, wie der Titelkampf ausgeht.
Guanyu Zhou hat das letzte freie Formel 1-Cockpit bei Sauber-Alfa Romeo bekommen. Der Chinese, der in seiner dritten F2-Saison lange die Tabelle anführte und aktuell auf Platz 2 liegt, wird damit der erste F1-Pilot seiner Nation. Die Superlizenz-Punkte werden auch dann reichen, wenn er keinen Top-Platz in der F2-Meisterschaft erringt, da er im letzten Winter die F3 Asia-Meisterschaft gewann. Das hatte ich bei einem früheren Bericht übersehen.
Zhou bringt Geld und das Potential für zahlungskräftige chinesische Sponsoren mit. Damit konnte er Oscar Piastri, den aktuellen Meisterschaftsführenden, ausstechen. Beide gehören zur Alpine Academy, doch Alpine hat aktuell kein Renncockpit für einen der beiden. Piastri wird darum 2022 die Ersatzfahrer-Rolle für das Alpine-F1-Team übernehmen. Ob das zu einem Renncockpit führen kann, ist noch ungewiss. Zhou ist sicherlich ein guter Pilot, aber es ist schade, dass der talentierter erscheinende Piastri zu seinen Gunsten erstmal auf die Ersatzbank muss.
Schon im Januar seinen neuen Job tatsächlich auf der Strecke antreten wird Dan Ticktum. Der Brite mit dem schwierigen Temperament wurde vom chinesischen NIO333-Team für die kommende Formula E-Saison engagiert. Nachdem er wegen (bzw. zufällig kurz nach) Äußerungen über Teamkollegen aus der Williams Academy entlassen worden war, konnte Ticktum seine F1-Hoffnungen endgültig begraben. Ein anderer früherer Williams Academy-Pilot, Jack Aitken, der auch 2020 ein F1-Rennen bestritt und in diesem Jahr nochmal das Geld für einige F2-Rennen zusammenbekam, wird am Montag für Ed Carpenter Racing ein IndyCar testen; in Jeddah und Abu Dhabi ist er nicht mehr am Start.
Das Cockpit bei HWA Racelab, das Aitken zeitweise besetzte, geht für die letzten beiden Läufe an den US-Amerikaner Logan Sargeant, der sein zweites Jahr in der F3 als Siebter abgeschlossen hat; der dritte Platz im Jahr davor war wohl auch seinem damaligen Team Prema zu verdanken. Sargeant ist seit dem US-Grand Prix neues Mitglied der Williams Academy und wird vermutlich auch im kommenden Jahr ein F2-Cockpit bekommen.
Ein anderer früherer Prema-F3-Pilot steigt ebenfalls für die letzten zwei F2-Events ein: Olli Caldwell verdrängt bei Campos den Deutschen David Beckmann, dem leider das Geld fehlt, die Saison zu Ende zu führen. Gleiches gilt auch für Lirim Zendeli und Richard Verschoor, die beiden bisherigen MP Motorsport-Piloten. Zendeli schaffte es nur einige Male in die Punkte, aber Verschoor ist sogar Rennsieger in der aktuellen Saison, Beckmann erreichte einige Podien.
Es ist schade, dass gute Fahrer nicht einmal eine laufende Saison zu Ende bringen können. Wieder einmal wird damit deutlich, dass die Nachwuchs-Formel-Leiter zumindest auf den höheren Stufen viel zu teuer und kaum erschwinglich ist. Auch 2022 wird sich das kaum ändern, die Saison ist mit 14 Events immerhin so lang wie keine F2- oder GP2-Saison zuvor.
Die beiden nun anstehenden Kurse stehen auch auf dem 2022er-Fahrplan: der nagelneue Jeddah Corniche Circuit ist noch eine große Unbekannte, aber in der Formel 2 mit ihren Reverse Grids prophezeie ich aufgrund der nahen Mauern mal ganz gewagt diverse Safety Car-Einsätze. Der Kurs in Baku ist wahrscheinlich noch der beste Vergleich und auch da verlaufen F2-Rennen gern mal chaotisch. In Abu Dhabi wird es sicherlich ruhiger zugehen, auch wenn die beiden umgebauten Kurvenpassagen das Racing auf dem sterilen Kurs hoffentlich verbessern.
Kann Oscar Piastri seine Serie von (aktuell drei) Pole-Positions fortsetzen? Wird der Australier seine Führung zementieren oder gar vorzeitig die Meisterschaft holen? Oder kann Guanyu Zhou vor seinem Aufstieg noch einen weiteren Nachwuchsformel-Titel gewinnen? Was macht der auf Platz 3 lauernde Robert Shwartzman, höchster Ferrari-Junior, am Ende seiner zweiten F2-Saison? Und wie sieht seine Zukunft aus, folgt ein drittes Formel 2-Jahr auf die bereits zwei starken Jahre? Zumindest auf einige dieser Fragen werden wir in den nächsten anderthalb Wochen die Antworten bekommen.
Rechnerisch sind noch 130 Punkte zu holen, immerhin stellen die zwei verbleibenden Events ein Viertel der gesamten Saison dar. Entschieden ist also noch nichts… außer den Jobs für 2022.
Stand:
- Oscar Piastri (Prema, Alpine Academy) – 178 Punkte
- Guanyu Zhou (UNI-Virtuosi, Alpine Academy) – 142 Punkte
- Robert Shwartzman (Prema, Ferrari Driver Academy) – 135 Punkte
- Dan Ticktum (Carlin) – 129 Punkte
- Theo Pourchaire (ART, Sauber Academy) – 120 Punkte
- Jüri Vips (Hitech, Red Bull Junior Team) – 102 Punkte
Nächstes Rennwochenende: Jeddah (F1), 03.-05. Dezember
(Bild: Alpine F1 Media)