Das erste Rennwochenende der neuen Saison hat bestätigt, was die vorige Saison vermuten ließ: Mercedes hat den besten Gen2-Powertrain. Am Samstag folgt die Fortsetzung in Mexico City.
Es ist erst ein Doubleheader in den Büchern, aber das neue Qualifying-Format stimmt mich zumindest insoweit positiv, dass ich das Gefühl habe, über das Rennwochenende ein Kräfteverhältnis erkennen zu können. Die Piloten können ihre gezeiteten Runden erst in zwei Gruppen unter gleichen Bedingungen fahren. Die Duelle nach der Gruppenphase waren „nett“ – meinetwegen könnte man auf das Viertelfinale verzichten und nur die Top 4 in Semifinals und einem abschließenden Duell um die Pole antreten lassen. Das wäre dann noch etwas kurzweiliger.
Für das TV die Runden der beiden Finalisten zu synchronisieren (also einen live und einen leicht zeitversetzt im Split Screen) zu zeigen ist in meinen Augen ebenfalls ein guter Ansatz. Da kann man aber sicherlich noch etwas mehr rausholen als an diesem ersten Wochenende. Mir waren es aber letztlich mit dem Viertelfinale auch einfach zu viele Duelle. Die Pole ging am Ende am Freitag an Stoffel Vandoorne und am Samstag an Nyck de Vries – zweimal Mercedes also.
Diriayh ePrix – Rennen 1
Der amtierende Weltmeister de Vries konnte sich den Sieg im ersten Rennen sichern, der nur zwischen den beiden Mercedes ausgemacht wurde: entscheidend war, dass Stoffel Vandoorne die Aktivierungsschleifen für den Attack Mode einmal nicht richtig traf, also den Platz aufgab, aber nicht die Zusatzpower bekam. So musste er nochmal durch die Zone fahren, hatte damit aber die Track Position für den Rest des Rennens verloren.
Dahinter holte der von Platz 2 gestartete, aber erst von Nyck de Vries, dann von Andre Lotterer kassierte Jake Dennis im Andretti-BMW den letzten Podiumsplatz. Lange musste er versuchen, sich an Lotterer wieder vorbeizukämpfen, der aber seinen Podiumsplatz mit harten Bandagen verteidigte. Dabei verbrauchte der Deutsche aber etwas mehr Energie als Dennis – und als die sich dahinter stauenden weiteren Verfolger. In der letzten Viertelstunde dann Lotterer Dennis und die anderen doch nicht mehr halten, da er seine Power runter regeln musste. Einer nach dem anderen zog vorbei, am Ende belegte Lotterer Rang 13, bekam also nicht einmal mehr Punkte. Dennis wurde starker Dritter.
Diriayh ePrix – Rennen 2
Im zweiten Lauf, ebenfalls unter Flutlicht, waren dann die Venturis die Stars der Show, die ebenfalls Mercedes-Power im Heck haben. Zwar startete diesmal Nyck de Vries im Werks-Mercedes von der Pole, doch nach einer Viertelstunde drückte sich Lucas di Grassi im ersten Venturi vorbei. Etwas später gelang das gleiche Kunststück auch Edoardo Mortara im Schwesterauto. Robin Frijns im Envision-Audi konnte an de Vries vorbeigehen, als der durch die Attack Mode-Aktivierungszone fuhr – dem Niederländer gelang es dann aber mit der Zusatzpower nicht, den Platz wieder gutzumachen.
Stattdessen kam es zum Duell mit Jean Eric Vergne, der sich vor der Schikane an de Vries vorbei bremsen wollte. Der Champion wollte innen dicht machen, verbremste sich aber und geriet auf die Außenbahn. Vergne wollte die Schikane auf der Ideallinie durchfahren und beide gerieten auf dem Weg in die Linkskurve hart aneinander – so hart, dass es de Vries das Lenkrad aus den Händen schlug und er nicht nur Vergne, sondern noch vier weitere Piloten vorbeiziehen lassen musste, bevor er sich wieder gefangen hatte. Es war ein für ihn unglücklich verlaufender Renn-Zusammenstoß und es wurde auch korrekterweise keine Strafe ausgesprochen. Nyck de Vries aber wurde am Ende nur Zehnter und verlor wichtige Punkte gegenüber einem möglichen dritten oder vierten Platz – und gegenüber Edoardo Mortara.
Denn Mortara gewann das Rennen: er konnte durch geschickte Attack Mode-Einsatz an seinem Teamkollegen di Grassi vorbeiziehen. Auch Robin Frijns zog noch am Brasilianer vorbei – sogar ohne Attack Mode – und der konnte sich am Ende auch nicht mehr wehren, weil ein Crash von Alexander Sims knapp 10 Minuten vor Schluss dafür sorgte, dass das Rennen hinter dem Safety Car zu Ende ging. Auf die gruseligen Bergungsarbeiten im schlecht einsehbaren, engen Kurvengeschlängel will ich gar nicht weiter eingehen, das geht so nicht, man hätte eigentlich Rot werfen müssen.
Meisterschaftsstand
Es war ein solider Saisonauftakt 2022 für die Formula E – keine überragenden Rennen, aber auch keine Langweiler, es gab immer wieder gute Duelle, es wurde hart – manchmal vielleicht einen Tick zu hart – gefahren, aber die Driving Standards waren auch nicht so unterirdisch, wie man das etwa letztes Jahr beim London ePrix erlebt hat.
An der Tabellenspitze liegt nach Rang 6 im ersten Lauf und dem Sieg im zweiten Edoardo Mortara, gefolgt von Nyck de Vries mit einem Sieg und dem unglücklichen zehnten Platz: 33 zu 29 steht es nach 2 von 16 Rennen. Da die beiden im Vorjahr auch die Top-Platzierten der Meisterschaft waren, kann es gut sein, dass uns dieses Duell über die Saison begleiten wird.
Schaut man nämlich auf die Team-Tabelle, wird die Stärke des Mercedes-Antriebsstranges deutlich: Venturi und Mercedes EQ liegen mit 58 bzw. 57 Punkte nach einem Achtel der Saison deutlich vor Andretti-BMW (27) und Envision-Audi (25), den beiden Teams, die von ausgestiegenen deutschen Motorenherstellern noch dieses Jahr beliefert werden.
Da die Antriebe eingefroren sind, sollte die fehlende Werksunterstützung keinen allzu großen Unterschied machen. Envision wechselt übrigens im nächsten Jahr ins Jaguar-Lager, wie jüngst bekannt gegeben wurde. Von Jaguar und DS Techeetah erwarte ich in diesem Jahr noch eine Steigerung gegenüber den Ergebnissen in Diriyah, bei Porsche – basierend auf der letzten Saison – eher nicht.
Vorschau Mexico City ePrix
Nun geht es – für ein einzelnes Rennen – nach Mexico City. Der Kurs ist gegenüber dem letzten Besuch vor fast genau zwei Jahren unverändert: Man fährt den kleinen Ovalkurs mit zwei Extra-Schleifen: nach der ersten Ovalkurve geht es einmal ein Stück rückwärts die F1-Strecke entlang und nach einer Kehre wieder zurück, vor der zweiten Oval-Kurve gibt es einen Abstecher in das stimmungsvolle Stadion Foro Sol. Die Strecke, die anfangs mit drei Schikanen etwas hakelig war, wurde durch dieses neue, 2020 erstmal genutzte Layout großzügiger – ich bin gespannt auf das zweite Rennen auf dieser Streckenvariante.
Wird sich das Bild bestätigen, dass Mercedes vs. Venturi, de Vries vs. Mortara um die Krone kämpfen? Das Rennen startet am Samstag um 23 Uhr deutscher Zeit. Pro 7 und Eurosport 2 übertragen live, jeweils mit Vorberichterstattung. Das Rennen wie auch die Quali (um 18:30 Uhr) werden zudem auf ran.de live gestreamt.
(Bilder: Formula E Media)